Smulltronställe. Episode I.

In der schwedischen Sprache bezeichnet der Begriff „Smultronställe“ einen Ort, an dem man sich besonders wohlfühlt. Die Hafenstraße 97a im Essener Norden ist so ein Ort für mich. Genauer gesagt das Stadion an der Hafenstraße. Da fühle ich mich wohl, auch wenn es immer mal wieder Zeiten geben wird, wo sich Rot-Weiss Essen und Wohlfühlen widersprechen werden. Aber dafür sind wir allesamt lange genug dabei, um zu wissen, dass diese Phasen kommen und gehen wie Anpfiff und Abpfiff. In den vergangenen Wochen war dann aber die Untergangsstimmung rund um die Hafenstraße doch ein wenig zu viel des Guten. Vonne Hafenstraße sah sich übernächste Saison direkt wieder in Rödinghausen aufschlagen und die Foren waren auch nicht besser drauf.

So alles in allem konnte man sich fast wirklich eher unwohl als wohl fühlen. Vor allem dann, wenn auch noch viele vertraute und gemochte Personen plötzlich und bisweilen unerwartet auf einmal nicht mehr Teil von Rot-Weiss Essen sind. Da brauche ich tatsächlich meine Zeit, um damit umgehen zu können. Aber diese grundsätzliche Skepsis nun, dass wir befreit von RWE-Werten ohne adäquate Spieler zuzüglich wieder einmal erhöhter Dauerkartenpreise komplett am Arsch sind, die mochte ich in letzter Konsequenz dann doch nicht teilen. Vielleicht müssten wir dafür auch erst einmal in großer Runde definieren, was überhaupt die RWE-Werte sind, nach denen wir oft und gerne bewerten. Lasst einen Daumen da, abonniert den Kanal und schreibt es mir in die Kommentare.

Aber klar, als uns dann auch noch und einmal mehr der Kapitän von Bord ging, und gefühlt dessen Stellvertreter gleich hinterhergeschickt werden sollte, um Gelder für wenigstens zwei weitere Spieler zu generieren; unser neue Boss immer noch nicht auf die Brücke durfte, da im Löwenstadl wie immer Katzenjammer…da hatte ich in der Tat auch mal drei schlaflose RWE Nächte hintereinander. Aber auch hier löste sich der Stau negativer Emotionen schneller auf, als der jeden Freitag auf der A42. Kurz aufgedröselt: Auf mich hat es so gewirkt, als ob Vinko Sapina schon in der Winterpause gerne den Abflug gemacht hätte. Am liebsten und fast verständlicherweise mit seinen Ulmer Kumpels in Richtung Aufstieg. Auf den Zaun mit Kumpel „Jo“ vielleicht.

Die Leistung war nicht mehr die aus der Hinrunde, und zu viele Beteuerungen für den aktuellen Verein zuzüglich fast beleidigter Attitüde, dass man etwas anders vermuten könnte, lassen bei mir immer gleich die Alarmglocken schrillen. Es kam dann so, wie hier erwartet. Allerdings hat es mich dann doch sehr überrascht, wie Vinko Sapina seinen Einstand beim Klassengenossen Dynamo zelebriert hat. Das war schon eine peinliche Blaupause seiner Wörter bei Amtsantritt in Essen. Man kann gespannt sein, wie die Lobhudelei ausfallen sollte, würde beispielsweise die SV Elversberg mit noch mehr Gehalt locken. Das soll uns aber nicht mehr interessieren. Das Spiel von Dynamo Dresden bei uns dürfte auf jeden Fall kein Smultronställe für ihn werden. Plumpe und persönliche Beleidigungen sollten aber ausbleiben. Ich hoffe, dass bekommen wir alle zusammen hin. Auspfeifen reicht völlig.

Bei Jakob Golz hingegen hat mich mein Gefühl bisher nicht getäuscht. Was bin ich froh, dass er aktuell weiterhin für Rot-Weiss Essen durch den Torraum fliegt. Unsere komplette Torwart-Truppe überhaupt wirkt wie ein in sich gefestigtes Fundament. Darauf lässt sich bestens nach vorne hin aufbauen. Und da wollen wir kommende Saison gerne etwas spektakulärer mit auf den Weg genommen werden. Die bisherigen Neuzugänge wirken allesamt schlüssig und haben glücklicherweise auch nicht verbal die Locke gemacht. Die Vorfreude wirkte authentisch und gut bezahlt werden sie natürlich auch. Den Stecker der Romantik, noch einmal langfristige Vereinshelden zu bekommen und in Ruhe erfolgreiche Mannschaften aufzubauen, der wurde im Business Fußball schon lange gezogen. Gerne lasse ich mich diesbezüglich aber noch einmal komplett überraschen.

Umso größer eigentlich der Verdienst unserer Kaderplaner. Ich würde mir diesen Job gerne einmal im Detail erklären lassen. Da müssen sehr viele Variable parallel im Blick bleiben:  Budget eigener Verein. Trainerwünsche. Beratervorgaben. Spielervorstellungen. Mannschaftsgefüge und dann gibt es ja auch noch die ebenso umtriebige Konkurrenz. Wir als Fans tauchen in keiner dieser Gleichungen auf, was vielleicht manchmal als Erklärung für unsere Ungeduld dienen kann. Wir wollen sicher alle niemals in den Knast, aber am liebsten doch jeden Tag einen Vollzug erleben. Und das natürlich immer auch auf Sponsorenebene.

Auch hier gab es Abgänge, die uns auch emotional getroffen haben. Im Falle von Naketano beispielsweise. Denn Naketano steht für Sascha Peljhan und Sascha Peljhan steht für so viel Engagement im Verein, dass ihm eigentlich ein eigener Fangesang zusteht. Er würde das wahrscheinlich gar nicht wollen, und fehlt uns sicher auch die Kreativität britischer Fans, die sofort für alles und jeden einen eigenen Song parat haben. Aber er hätte es verdient. Und ich hoffe, dass er sich noch lange auf seinem Stammplatz an den Geschehnissen auf dem grünen Rasen erfreut. Hoffentlich hat ein Rückzug von Naketano jetzt nicht wieder ein Comeback der legendären und legendär hässlichen RWE-Jeans zur Folge, fällt mir gerade siedend heiß ein. Gerne mehr an Hafenstreetwear, um mal einen Kalauer zu bringen.

Ein anderer Sponsor bleibt, und zwar unser bisheriger Trikotsponsor ifm. Und das gleich für zwei Jahre zu unveränderten Konditionen bei Verzicht auf den Ärmelpatch. Das stellt für mich ein Upgrade da, denn der Ärmel kann nun neu vergeben werden, was weitere Einnahmen bedeuten kann. Wenn sich denn eine Firma für diesen optisch plakativen Bereich finden wird. Was ich ja richtig spannend finde, sofern ich das richtig verstanden habe, ist das Zugeständnis von ifm, dass eigene Logo farblich optimaler an das neue Trikot anzupassen, als es noch vergangene Saison der Fall war. Rot und Orange sind tatsächlich eine enorme Herausforderung für die kreativen Köpfe in der Nähstube unseres Ausrüsters.

Grundsätzlich sollten ja alle Trikots immer so klassisch schön sein, wie die Trikots der „Three Lions“. Gepaart mit besserem Fußball natürlich. Also: Es ist lange nicht mehr alles so hoffnungslos, wie es sich für nicht wenige noch vor einigen Tagen dargestellt hat. Und auch der nächste Videotalk dürfte im Vergleich zum inhaltlichen Tiefpunkt der letzten Ausgabe wesentlich optimistischer unterwegs sein, auch wenn es natürlich mehr Freude bedeutet, vom Leder ziehen zu können. Und solange wir uns über Schuhwerk aufregen, sind doch alle anderen Probleme auch wirklich nicht mehr so gravierend wie noch vor kurzem vielfach gedacht. Es nimmt Formen an.

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