Hall of Fame.
Drei Punkte. Die geholt, macht es exakt den gravierenden Unterschied zu einem oder gar keinen Punkt aus, mit welcher Laune man nach dem Spiel das Stadion verlässt. Drei Punkte tun gut, sind Balsam für die Seele und wichtige Bausteine für den Klassenerhalt. Der Abpfiff im Spiel gegen die Zwote der Borussia somit nicht nur ein Moment des Arme in die Höhe reissen, sondern ganz besonders auch einer der Erleichterung. Da lag mal wieder jede Menge Druck auf unserer Mannschaft und dem Trainerteam. Und das trotz der erstaunlichen Tatsache, dass wir uns wohl zu sehr an der beinahe glorifizierten Zeit ohne Niederlage festgehalten haben.
Die mittlerweile fast ebenso lange Zeit ohne einen Erfolg fand dadurch gefühlt eher unter dem Radar statt. Es war dann der spielerische Auftritt inklusive verdienter Niederlage bei der Kölner Vikki, welcher in Windeseile auf den Schirmen der rot-weissen Fluglotsen aufploppend, für Alarm sorgte. Nun galt es also gegen die Anzahl der sieglosen Spiele zuzüglich mal wieder aufkommender Unruhe anzukämpfen, und was soll man schreiben: Das ist Rot-Weiss Essen vorzüglich gelungen.
Exkurs:
- Wie sehr auch Spieler unter einer langen erfolglosen Serie leiden, konnte man eindrucksvoll an den TV-Bildern nach dem Spiel SV Meppen – 1860 München sehen, als die Emsköppe nach sage und schreibe siebzehn Spielen ohne Sieg wieder gewinnen konnten: Gleich mehrfach sanken die Spieler des SV Meppen zu Boden und konnten ihre Tränen nicht zurückhalten. Wir können also wirklich damit aufhören immer direkt so zu tun, als ob sieglosen Phasen ausschließlich an unserer Fanseele kratzen. Da leiden ganz viel mehr. Besonders auch die Protagonisten auf dem Feld.
In der ersten Halbzeit gegen den BVB war unserer Mannschaft deutlich anzumerken, dass sie es diesmal besser machen würde, auch wenn manch gut gemeinter Pass einfach nicht dem Laufweg des angedachten Empfängers entsprechen wollte. Es war eine engagierte Leistung, die sich die (wenigen) unüberhörbaren Pfiffe zur Halbzeit nicht verdient hatte. Vielleicht pfiffen auch nur diejenigen, die schon unter der Woche ständig via verbaler Kommunikation daran arbeiten, alles schlecht zu schreiben. Sei’s drum, das wird es immer geben, da muss man sich ein dickes Fell anschaffen.
Exkurs:
- Was ich mich in diesem Zusammenhang gerade frage: Wieso wurde eigentlich „Engel“ eingewechselt? Nach gesicherten geheimdienstlichen Erkenntnissen und geknackter RWE-Chiffriermaschine sollte er doch nie mehr für RWE auflaufen. Echt jetzt: Auf Nichts ist mehr Verlass!
Leider kann ich nicht pfeifen, bekomme das motorisch nicht wie gewünscht hin. Ansonsten hätte ich voller Freude dem 1:0 von Thomas Eisfeld hinterhergepfiffen: Welch eine Schönheit von einem Schuss. Der Erweckungsmoment für die Mannschaft, das ganze Stadion und die Redaktion der Sportschau. Das Tor des Monats Februar: Nur echt mit Rot-Weiss! Das 2:0 in Entstehung und Vollendung ein weiterer Hingucker: Balleroberung – butterweiches Zuspiel – aus dem Lauf geköpft…alles zusammen wie eine perfekte Kombination auf dem Laufsteg. Den sogenannten zweiten Ball festmachen oder auch mal beherzt aus zweiter Reihe pöhlen, es sind manchmal die einfachen Zutaten, die einen auf der Tribüne erfreuen und eigentlich ja auch schon in Halbzeit Eins das ein oder andere Tor verdient gehabt hätte. Da die Gottschalk Tribüne bei diesem Spiel ja wieder mehrheitlich von RWE-Fans bevölkert wurde, war die Freude über diese beiden Tore so direkt vor Augen sicherlich noch den Tacken größer.
Die Gottschalk-Tribüne an sich ist mittlerweile das Chamäleon der Hafenstraße: Je nach Gegner wird ständig die Farbe gewechselt, aber auch der Charakter wandelt sich durchaus schon mal. Den Block „G1“ als dauerhaft festen Heimbereich auszurufen war eine gute Idee. Nicht nur, um dadurch die Kapazität im sogenannten Heimbereich zu erhöhen. Zwar stellen wir Stammgäste in „G1“ mit Dauerkarte noch den kleinsten Anteil der Fans (im Gegensatz zu den anderen drei Heimtribünen), was eine gewachsene Struktur erschwert, aber dafür bekommen wir ständig was geboten:
Regelmäßige Gäste mittlerweile eine Truppe niederländischer Groundhopper. Zuerst noch in Zivil, dann schüchtern mit Fischerhut wird mittlerweile in vollem RWE-Outfit supportet, was die niederländischen Stimmbänder hergeben. Noch nicht immer ganz textsicher wird aber das R von RWE dermaßen landestypisch gerollt, da dürfte selbst „Ruthe“ bei seiner Version von José-Enrique Ríos Alonso blass vor Neid werden. Standesgemäß, wie Niederländer das nun mal so machen, knubbelt man sich natürlich auch auf engstem Raum beieinander und verteilt somit nicht nur fleißig Stauder sondern auch Viren in der Luft. Was für den einen oder die andere schon mal positive Folgen hatte. Fazit: Man muss sie einfach mögen, denn dem guten Virus, dem von RWE, dem sind sie direkt verfallen.
Eine weitere Spezies in „G1“ ist die der Inkognito-Besucher bei Spielen mit vielen Gästefans. Dem Gastverein zugehörig dürfen sie ja offiziell nicht die Farben des eigenen Vereins vertreten. Doch als geübter Dauergast erkennt man sie trotzdem: Manchmal spricht schon der Dialekt für sich, denn wir könnten uns noch so anstellen: Nur Sachsen beherrschen sächsisch perfekt. Und so wurden zwei komplette Sitzreihen unter uns durch laut gemurmeltes „Dünamö“ schnell dem Gastverein zugeordnet. Aber die taten nichts, sie wollten nur dem Spiel zuschauen. Wie wir auch.
Weiterhin ist der Versuch, möglichst unauffällig zu wirken, genau die auffälligste Art und Weise und somit kontraproduktiv. Irgendwie dem eigenen Verhalten in den 80ern bei einem Tagesbesuch in Ostberlin ähnlich. Nur nicht auffallen. Regelrecht ungeniert hingegen die vier Fans der SV Elversberg, die ihrer Freude beim ersten Saisonspiel dermaßen freien Lauf ließen, so dass sie nach dem dritten Tor dann doch zur eigenen Sicherheit aus dem Block begleitet wurden. Im Spiel vergangenen Sonntag wiederum eroberten einige Narren „G1“ und ließen ihre karnevalistischen Gefühle einfach mal raus. Polonaise inklusive.
Eine kleine „Hall of Fame“ gibt es auch schon und die beiden ersten dafür in Frage kommenden Fans im internen „G1“ Ranking sind natürlich Rot-Weisse! Zum einen würden wir gerne eine Heavy Metal Kutte unter das Stadiondach hängen, dessen Träger stilecht im Modus der 80er im Block aufschlug. Dauerwelle, Schnorres, rot-weiße Kordel und eine dermaßen enge Jeans mit Schlag, so dass die eigenen Hoden Phantomschmerzen verspürten. Altenessen rules! Und zum anderen hängen wir direkt daneben den Kassenzettel desjenigen Fans, der schon vor einem Spiel sagenhafte zwei Pommes plus zwei Bratwürste zuzüglich mindestens fünf Stauder verzehrt hatte. In ca. sechzig Minuten vor dem Spiel. Respekt an dieser Stelle und weiterhin guten Hunger.
„G1“, so ganz lange noch nicht Rot-Weiss. Aber schon längst Geschichten schreibend.