Zürich. Fundstück FCZ Museum.
Die Klagen über undiszipliniertes Verhalten vieler Zuschauer bei Fußballspielen nehmen leider immer noch zu. Da ist es ganz interessant, was eine grosse Zeitung in Madrid ihren Lesern für Ratschläge gibt:
Sechs Fußballregeln für Zuschauer:
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Glaube nicht, das die Ehre deiner Stadt von den Stiefeln der Fußballspieler abhängt.
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Es ist ausserordentlich schwer, eine erregte Debatte mit dem Nachbarn zu führen und gleichseitig jede Abseitsstellung genau festzustellen.
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Ob der Ball im Spiel ist oder aus, das ist eine Frage der Perspektive. Ob du aber mit dem Linienrichter übereinstimmst oder nicht, ist eine Frage der Erziehung.
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Es gibt Leute, die nach einem Elfmeter wie nach einem glücklichen Los schreien. Die gleichen Leute sind höchst unwillig, wenn der Schiedsrichter ihren Gegnern gegenüber grosszügig erscheint.
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Rempeln ohne brutal zu sein, ist faires Spiel und in England die Regel. Bei uns vergisst man nur zu schnell, dass Fußball ein Spiel für Männer ist.
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Seid keine Narren! Vergesst nie, dass Fußball nur ein Spiel ist.
Diese Fußballregeln wurden aufgestellt und veröffentlicht im Jahre sage und schreibe 1933! Bei Punkt fünf musste ich unweigerlich an Thomas Tuchel denken. Punkt sechs ist höchst unterstreichenswert, und Punkt eins würde in manch aktueller Fanszene direkt gestrichen werden, wird die Stadt heutzutage doch viel zu oft über den eigenen Verein definiert. Außer in Gelsenkirchen. Da mag man den Verein namentlich nicht einmal mit der Stadt in Verbindung gebracht wissen.
Punkt zwei ist auch heute noch Realität. Wir Fans sind nicht multitasking fähig. Entweder der uneingeschränkte Blick nebst voller Konzentration auf das Spielfeld, oder eben der emotionale Austausch mit dem Nachbarn oder der Nachbarin auf der Tribüne: „Haste gesehen?“ Zu Punkt drei und vier: Natürlich sehe ich das parteiisch. Und der Schiri ist immer der Doofe. Wenn er gegen uns pfeift natürlich! Wenn nicht, war er ein guter Mann und vergessen wir, wo sein Auto steht.
Irgendwie ja schön zu lesen, dass der Fußball über die damaligen Medien (ohne schon ekelig modern zu sein) auch in früheren Tagen seine Fans zu Besonnenheit rufen wollte oder gar musste. Würden im heutigen Fußball auf Funktionärs-, Fan- und so manch anderer Ebene nur diese sechs Punkte in der Kritik stehen, wir alle hätten ein glückliches Fußballfan Dasein.
Veröffentlicht wurden diese Fußballregeln im Schweizer Fußball, Athletik & Hockey Kalender für das Jahr 1933, welcher im FCZ Museum ausgestellt ist. In welcher Madrider Zeitung nun das Original erschienen ist, worauf sich der Kalender beruft, war nicht mehr herauszufinden.