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Fermentierter Rosenkohl Weihnachtsbaum

Als sich an einem Freitag, den 15. August 2008, eine lange Rot-Weisse Blechkarawane aus aller Herren Bundes- und anderen Ländern auf den Weg gen Lotter Kreuz machte, waren die Tränen des unnötigen Abstiegs getrocknet. Der Verein stand wieder über allem, die Verachtung über einige Spieler und deren (Wechsel-)Mentalität jedoch als tiefe Falte in die stets markanten Gesichter der Hafenstraße eingegraben. An jenem Sommertag waren wir der festen Überzeugung, das es das erste und zugleich letzte Mal sein würde, dass wir auf dem Acker von Bauer Ewald parken müssen. Dort, wo die Polizeiwagen eher schüchtern hinter angrenzende Scheunen hervorlugten. Das Spiel der neuformierten Mannschaft befeuerte diesen leichten Anflug von Arroganz auf das Trefflichste, wusste sie doch mit Vier zu Eins zu gewinnen. Der Wiederaufstieg somit nur noch Formsache. Es war ein wunderbarer Abend mit der damals äußerst sympathischen, frisch aufgestiegenen, Lotte. 

Gut, dass damals noch keiner ahnen konnte, dass es bis zum 12. Dezember 2020 dauern wird, ehe die Kicker von der Hafenstraße mal wieder bei denen vom Lotter Kreuz gewinnen. Eine lange Zeit also, die uns zudem eine ziemlich wechselhafte Beziehung zur Lotte beschert hat. Das einstmals schüchterne Ding wurde zwischendurch eine ziemlich arrogante Zicke. Der einsetzende Erfolg tat ihr nicht immer gut. Uns natürlich auch nicht! Ziemlich fassungslos mussten wir leider ansehen, wie die mittlerweile „Tante Lotte“ getaufte Olle uns und unsere Ambitionen kalt lächelnd zu überholen wusste. Aufstieg in die Dritte Liga mit den paar Fans, während die Tausendschaften rund um die Hafenstraße weiter in der Regionalliga Frust schieben. Dazwischen gab es in gemeinsamen Ligazeiten immer mal wieder Unstimmigkeiten, geniale Mottofahrten und die ständigen Versuche, alle Rot-Weissen in heimischen Gefilden der Haupttribüne zu verweisen. Es war also immer was gebacken in der Beziehung zweier (Spiel-)Partner, die unterschiedlicher nicht sein könnten.

Zwischenzeitlich hatte man sich so lieb wie fermentierten Rosenkohl Weihnachtsbaum. Nach dem Abstieg aus der Dritten Liga stand es dann einige Zeit gar nicht gut um die Lotte, interne Familienstreitigkeiten hatten Existenzängste zur Folge. Vielleicht war das aber auch der Starschuss dafür, allmählich wieder etwas sympathischer rüberzukommen. Und als dann auch noch mit Timo der zweitliebste Essener Brauer nach Stauder bei Tante Lotte anheuerte, da mochte man sie fast schon wieder knuddeln. Schließlich kann man sich ja auch nicht ewig streiten. Zudem ist das schon eine ziemlich feine und knuffige Bude, die sie da ihr eigenes Stadion nennt (Es ist jetzt aber nicht so, dass wir da kommende Saison gleich wieder hin wollen, iss klar). 

Es war also eine lange Reise bis zum aktuellen Auswärtserfolg. Und kein Essener musste diesmal damit rechnen, hinauskomplimentiert zu werden. Die Rituale rund um aktuelle „Spielbesuche“ haben sich ja temporär etwas verschoben. Da kann bis kurz vor Anpfiff noch mit dem Hund um den Block gegangen, oder in der Halbzeitpause Wäsche aufgehangen werden. Die Bierdusche nach einem Tor muss man sich schon selbst verpassen und natürlich wird zuhause auch im Sitzen gepinkelt. Wenigstens das Ritual der morgendlichen Spielvorbereitung durch Tommy Jockschies ist geblieben. Das Spiel zu Beginn ein ziemlich wildes Gebolze, wohl auch dadurch bedingt, dass Lotte ziemlich heiss war. Also im übertragenen Sinne jetzt.

Gab es im Spiel gegen Straelen unter der Woche den ersten Eckball erst nach einer Viertelstunde, dauerte es Samstag keine zwei Minuten. Und so ging es auch ziemlich ansehnlich weiter. Mit zunehmender Spieldauer kam aber einmal mehr die unglaubliche Qualität von RWE zum Tragen. Wenn der Gegner nicht durch Überzahlspiel zum Ballverlust gezwungen wird, hilft der absolute Einsatz im Eins gegen Eins, den Ball zu erobern. Gepaart mit einer hohen Ballsicherheit gelingt es dann, diesen ziemlich lange in den eigenen Reihen zu behalten. Das ist solide Handwerkskunst, die die Jungs von Christian Neidhart da aktuell abliefern. Und alle haben das Zeug, noch in dieser Saison den Meisterbrief zu machen. Fast schon erfrischend bei dieser hochwertigen Spielweise die Momente, in denen „Isi“ Young mit dem Kopf durch die Wand und an Freund und Feind vorbei auf das Tor zustürmen will. Möglicherweise nicht zur Freude des Trainers oder des besser postierten Mitspielers. Auf jeden Fall aber immer emotionale Momente für den Fan am Monitor. 

Tja, jetzt sitz ich hier, bin Tabellenführer und schreib auf teurer Tastatur ein Lied über Lottes Vergangenheit, damit ich keine Lust verlier. Ha, geniale Adaption von Westernhagens „Mit 18“. Aber es ist doch so: Wir sind Tabellenführer, eilen von Spiel zu Spiel und müssen trotzdem aufpassen, gerade nicht die Lust zu verlieren. Schließlich sind wir trotz unglaublicher Erfolgsserie immer noch kein alleiniger Tabellenführer im eigentlichen Sinne, sondern haben weiterhin die Zwote der Dortmunder im Nacken. Oder die mittlerweile uns! Auf jeden Fall hat uns das zeitgleiche Unentschieden der Borussen beim VfB Homberg ziemlich in die Karten gespielt. Selbst wenn die Jungs vom Borsigplatz nun all ihre Nachholspiele gewinnen würden, wären sie nur noch einen Punkt vor uns. Und den knackt man dann im Heimspiel. Fertig ist die Laube. Dass das Spiel gegen die Kleeblätter nicht weitergeführt werden konnte, steht übrigens außer Frage. Dass dann aber wieder bei Null zu Null begonnen wird, sollte man durchaus hinterfragen. Aber, wir sind auch hier nicht bei wünsch Dir was, sondern bei bestehenden Statuten. Die Homberger haben ja eine ziemliche Abwehrschlacht abgeliefert, wie man so liest. Vielleicht war dort die Aussicht auf das erste Duisburger Lokalderby seit Schimanski Gedenken die Motivation. 

Wir Fans von Rot-Weiss Essen sind aktuell endlich einmal auf der Sonnenseite angekommen. Es sieht sportlich mehr als gut aus. Aber wahrscheinlich wird das nächste Unentschieden schon wieder Weltuntergangsstimmung bei einigen hervorrufen. Oder die erste Niederlage erst. Aber, soweit sind wir noch lange nicht, so wie die Jungs gerade die Liga rocken. Diese Mannschaft, wir würden sie im Stadion verbal auf Händen tragen, sie zeitgleich mit Verein mit Inbrunst besingen. Da wir damit aber noch warten müssen, können wir vielleicht allen Beteiligten über Marcus Uhlig als aktuellem Chef und somit Rot-Weisser Rampensau ausrichten lassen, wie stolz wir auf sie sind. Denn das, was da gerade auf dem Platz passiert, ist Hafenstraßenfußball pur. Und sogar erfolgreicher! Also, lass auch mal Aufsteiger werden.

Rotwein in Assindia

Von wegen. Es gab geschmacklich mal wieder Lebertran in Lotte. Mit 1:3 ging es nach Hause. Und dabei war Lotte nicht wirklich die bessere zweier schlechter Mannschaften auf einem Boden, der einen normalen Pass kaum zuließ. Und da der Boden so schlecht war, durfte sich auch nicht darauf aufgewärmt werden. Da natürlich beide Mannschaften nun diesen Boden zu bespielen hatten, kamen die Spochtfreunde zu Beginn des Spiels besser darauf zurecht, hatten scheinbar die langen Stollen geschraubt, während die Roten gefühlt noch in Badelatschen unterwegs waren und Halt suchten.

Die Folge war der schnelle Rückstand. Rot passte sich Grün dann doch mal langsam in Sachen Standfestigkeit an, Blau war zunächst nicht weiter zwingend gefährlich, und so ging es auch mal Richtung Tor der Gastgeber, ohne dass unsererseits wirklich gefährliche Torszenen entstanden. Gefährlich, um bei der Begrifflichkeit zu bleiben, wurde es aber immer dann, wenn das hoppelnde Etwas namens Ball nicht den Mitspieler, sondern den Fuß des störenden Gegners fand.

Schon vor Beginn sorgte die heutige Aufstellung wieder für ein leichtes Raunen im digitalen Auditorium. Vielleicht bin ich da zu naiv, denn es interessiert mich eigentlich nicht wirklich, wer von Beginn an spielt, da ich einfach erwarte, dass der Trainer weiss, was er da macht und die Startformation auf dem Platz meinen Verein verkörpert. Also vertraue ich einfach. Nun, einige Stunden später verstehe ich die Aufregung, auch wenn ich dabei bleibe, dass Negationen vor Anpfiff keinem weiterhelfen. Einem selber nicht, der Mannschaft nicht, und somit unserem Verein auch nicht.

Und doch ist es vielleicht an der Zeit, einmal zu hinterfragen, warum stets Wechsel in der Startformation vorgenommen werden. Zumal nach einem erfolgreich gestalteten Spiel und Spielertypen betreffend, die vielleicht gerade jenen „Hafenstraßenfußball“ verkörpern, den wir auf den Tribünen verstehen.  Aber, es ist so wie es ist, und dann ist es eben so. Halbzeit. Und auf der Tribüne wurden immer mehr rot-weiße Schals gezückt und umgebunden. Warum sollte man auch nicht dort sitzen dürfen, geht doch nur um Fußball.

Recht flott waren unsere Spieler wieder aus der Kabine und somit auf dem Platz, sie wollten sicher viel tolle Atmosphäre und das schöne Wetter mitnehmen. Und auch der Trainer schien in der Halbzeit die passenden Worte gefunden zu haben, denn der RWE kam gut in in die zweite Halbzeit. Kam zu Chancen, und auch der Ball kam nun öfter an. Also da wo er hin sollte. Funkte trotzdem ein Lotter Fuß dazwischen, wurde es aber direkt gefährlich. Warum die Spochtfreunde dann zumeist in Überzahl Richtung Essener Tor agieren konnten, erschloss sich mir nicht wirklich.

Die Bemühungen auf Seiten des RWE wurden aber zunächst einmal belohnt, denn der auch schon in der ersten Hälfte sehr gute Kevin Behrens traf zum Ausgleich und verkühlte beim anschliessenden Torjubel fast seine Zunge. Es liegt mir eigentlich fern, hier Spieler zu benennen, da ich mir eine spielerische Bewertung eigentlich nicht anmaße und zutraue. Aber, hebt man Kevin Behrens heraus, muss und darf man auch Jeffrey Obst kritisieren. Oft bedurfte es der Hilfe eines Mitspielers, den Ball zu klären, was dann Kräfte bündelte, die anderswo fehlten, und führte sein individueller Fehler zu des Gegners erneuter Führung.

Gerade für so talentierte junge Spieler fehlt nun die „Zwote“, in welcher Spielpraxis und Selbstvertrauen; aber auch mal Gelegenheit zur „Einkehr“ geboten werden könnte. Die paar Förderspiele können einen qualitativ hochwertigen Unterbau, zudem in einer Liga und somit im Wettkampf aktiv, meines Erachtens nicht ersetzen. Ist schon blöd, ich weiss: Man wünscht der Liga der Ersten, die dortigen gegnerischen Zweitvertretungen mögen ganz schnell aufgelöst werden, und jammert aus sportlichen Gründen zum Zwecke einer robusten Ausbildung der eigenen Zwoten nach. Ist auch egal, verloren wurde heute trotzdem, und zu allem Überdruss verletzte sich erneut Marwin Studtrucker. Unser Mann für das Verständnis vom Hafenstraßenfußball. Gute Besserung an dieser Stelle.

Neben der Enttäuschung bleibt die Erkenntnis, dass Geduld ein manchmal ziemlich schweres Los sein kann, uns aber auch nichts anderes übrig bleibt als uns eben zu gedulden. Dabei sollten wir aber auch nicht vergessen, nun stets hinter uns zu gucken: Nach unten gehen mehr Vereine durch, als der eine, der oben in die Relegation passt. Es ist noch nicht das Abstiegsgespenst, welches zu spüren ist. Aber, es sind auch schon lange keine „frohe Stunden“ mehr. Und doch bleibt es unser Verein. Immer!

„Was bist Du denn für einen?“ Der Prolog

Während der Staatsratsvorsitzende unseres Vereins noch intervenieren und telefonieren musste, begann drinnen schon die Betriebsratsversammlung der Essener Nikolausinnung bei Fässchen und kalten Kaltgetränken. Strikte Fantrennung einmal mehr misslungen. Natürlich fanden auch die Verantwortlichen noch ihren Zugang zur Tribüne, bekamen die Nikoläuse schnell Gesellschaft einiger Wichtel und waren überhaupt fast alle Tribünen fest in rot-weisser Hand. Wen galt es auch zu trennen?

Lotte sollte nicht mehr hyperventilieren wenn der RWE kommt, sondern sich einfach daran erfreuen. So wie noch zu Beginn unserer gemeinsamen Ligazugehörigkeit. Der wichtige Rest ist kurz erzählt: Kein gutes Spiel auf buckeligem Geläuf. Lotte gallig und der RWE ohne die Dominanz und Stärken der vergangenen Spiele.

Vielleicht ein schlechteres Spiel zur richtigen Zeit, um mal zu gucken, wie es wirklich um die Beziehung zwischen Mannschaft und Fans bestellt ist. So wurde neben dem Punkt auch die beruhigende Erkenntnis gewonnen, dass diese Beziehung wieder schwächere Auftritte aushält, ohne gleich in Panik oder schlimmeres zu verfallen.

Und doch tat es schon weh, diese ach so wunderbare Tabellenführung recht schnell wieder abgeben zu müssen. Jetzt, wo wir alle endlich von oben grüßen durften; Funk und Fernsehen wieder aufmerksam werden. Jetzt, wo die bundesweite Fanseele lieber Bergeborbeck statt Brause im Profifußball sehen will.

Fortsetzung folgt!

Ackerbau und die Axt im Walde

Einem Gemäßigten platzt nun der Kragen. Und ich bin so gemäßigt, dass ich mich bei meinen Stadionnachbarn entschuldige, wenn ich mal spielbezogen lauter werde. Schlicht und ergreifend: Ich bin furchtbar normal im Stadion. Trage meine Farben, will meine Mannschaft siegen sehen und ein klein wenig dazu beitragen.

Aber was ist mit Dir oder Euch, die Ihr gestern kurz vor Anpfiff verfügt habt, eine lange im Vorfeld geplante Choreo abzusagen? Was treibt Euch an? Welche Axt im Walde habt Ihr gefunden, um mal eben ein Stück Fußballkultur mit den Füßen zu treten? Glaubt Ihr, weil wir nun alle Weltmeister sind, haben wir uns auch den Dogmen der FIFA zu unterwerfen? Einen Scheiß müssen wir!

Wir sind Essen, wir leben und lieben Fußball. Und nur, weil nicht immer alles rund läuft, nicht alle einer Meinung sind, so wissen wir doch, dass Fußball vor allem eines ist: Emotion! Sicher habt Ihr die Choreos der letzten Jahre gesehen. Gar bewundert. Vielleicht sogar fotografiert und zu Werbezwecken benutzt; Wie toll doch unsere neue Bude ist. Wie stimmungsvoll die Atmosphäre und so weiter. Ihr wisst, was ich meine.

Die Highlights der letzten Jahre im Stadion waren nicht die Spiele, sondern die Choreos der letzten Spieltage. Oder lag es nun daran, dass es sich um den ersten Spieltag gehandelt hat? Urlaubszeit, und der fußballaffine Entscheider vielleicht nicht im Büro zugegen, sondern in der Sonne? Also raus damit, wo genau lag das Problem, dass eine, uns allen nun unbekannte Choreo zu unchristlicher Zeit verboten wurde? Zeigt wenigstens Anstand und lasst uns die Gründe wissen. Vielleicht können wir dann im Ansatz etwas verstehen, was ich aber zu bezweifeln wage.

Übrigens hätte auch dieses Werbeluftschiff mitten in das schöne neue Stadion fallen und platzen können….und dann? Alles kaputt!

Ich wünsche mir, dass der Entschluss, nun keine Choreos mehr durchzuführen, noch einmal überdacht wird. Ein Boykott pudert den Amtsschimmel! Ich weiss, ich habe gut reden: Ich plane weder, noch opfere ich Stunden auf den Knien, um für andere Fans und meinen Verein etwas glanzvolles zuwege zu bringen. Aber wir anderen Fans wissen um die Leidenschaft und Arbeit, die dahintersteckt. Ackert weiter! Isolieren wir friedlich und mit Witz diese fußballfremden Menschen, die eine Kultur mit Füßen treten. Die mir vorschreiben wollen, in welchen Farben ich zum Beispiel in Lotte die Tribüne zu betreten habe oder dergleichen. Voll gemäßigt natürlich.

Danke übrigens dafür, trotzdem die Mannschaft zu unterstützen und nicht den bei Unstimmigkeiten häufiger gewählten Weg des Stimmungsboykottes zu beschreiten! Das war großes Kino!

Ach, um das gestrige Spiel nicht unerwähnt zu lassen: Die Mannschaft hat geackert. Und besonders in der ersten Halbzeit ein gutes Spiel abgeliefert. Ich glaube, wir finden schnell zueinander. Die auf dem Feld und wir auf den Tribünen. Wenigstens das kann uns keiner verbieten.

Wir lagen vor Gelsenkirchen und hatten die Pest an Bord

Naturgemäß liegt Essen immer vor Gelsenkirchen, haben wir die Pest in Form der Regionalliga eine weitere Saison an Bord. Machste nix, #isso. Und doch ist rund um die Hafenstraße dieser Tage jenes Gefühl zu spüren, welches von Vorfreude zeugt. Da ist es grundsätzlich zunächst [fast] egal, in welcher Liga Rot-Weiss Essen aufläuft. Hauptsache es nennt sich Saison. Die Vorfreude, dieses kribbeln im Bauch, all dieses ganze schöne Gefühlsdingens erledigt sich übrigens von alleine mit dem ersten Gegentor.

Der Verein bittet also morgen zu Tisch und all seine Jünger kommen. Die Älteren auch. Von nah und fern, am liebsten gern. Und doch ist es vor dieser Saison gefühlt ein wenig anders als zum Beispiel in den letzten beiden Jahren. Es stand ja grundsätzlich nie zur Debatte, dass der RWE am Ende einer jeden Saison Deutscher Meister wird; Nur um dann doch daran zu scheitern. Im letzten Jahr sogar ziemlich deutlich. Nun aber wurde ein personeller Schnitt getätigt, welcher nicht einer Renovierung, sondern fast einem Neubau gleichkommt.

Ein Neubau, der den Namen nach aus hochwertigen Materialien zu bestehen scheint. Auch wenn es beim Test gegen die Dortmunder Borussia noch kräftig durch das Dach geregnet hat. Die Mannschaft steht, das Verletzungspech hat auch wieder zugeschlagen, und im Verein wurde bekanntermaßen auch einiges umstrukturiert. Alles zum Wohle des sportlichen Erfolgs. Der Zukunft zudem. Gegner und Befürworter inklusive. Nun ist eine strategische Neuausrichtung eines Vereins sekundär, sobald der Anpfiff ertönt ist; Interessieren ehrlicherweise auch keine Spieler von gestern mehr. Darum kann sich dann wieder an den Tagen zwischen den Spielen gekümmert werden. Abhängig stets von dem Spielergebnis.

Einmal also noch schlafen, dann kommt Lotte. Lotte kommt! Eigentlich eine gruselige Vorstellung, was interessiert mich das Sexleben anderer Vereine. Aber, wenn sie denn schon einmal da ist, dann sollten wir ihr deutlich klarmachen, wer der Herr im Haus ist. Sie ist halt nicht mehr gerne gesehen an der Hafenstraße. Kurz recherchiert: Die vergangene Saison begann auch mit einem Heimspiel, eine Viktoria erstickte jegliche Anfangseuphorie im Keime. Es kam wie es nicht kommen sollte. Vielleicht sind wir deshalb alle ein wenig optimistischer, dass es jetzt endlich einmal ganz anders kommt. Die Pest muß ganz schnell von Bord. Gelsenkirchen kann noch warten. #isso !

Lärminstrumente wie Trommeln, Sirenen, Musikgeräte usw. sind nicht erlaubt!

Ein Titel, der direkt einem Schild über dem Eingangsbereich des alten Sportplatzes der SF Lotte entstammen könnte. Stimmt, tut er auch. Die Sportfreunde habe den Sinn des Fußballs also schon recht früh verstanden. Die weitere Abkehr dessen, einstmals ein sympathischer Verein gewesen zu sein, zeigte sich in einer neuen Kleiderordnung: Keine rot weissen Fanutensilien auf der Sitzplatztribüne. Freies Land, freier Bürger! Protest war angesagt: Protest auf der Geschäftsstelle, den Ordnungshütern vor Ort und wohl auch dem Mikrofon von Radio Essen gegenüber, welches eigentlich Stimmen zur sportlichen Situation einfangen wollte.

Der vor mir stehende Essener Fan am Kassenhäuschen war schlauer: Er bekam seine Karte mit dem Verweis, er sieht nur nach RWE aus, sei aber Fan des VFL Bochum. Einmal um das von Werbetafeln zusammengehaltene Fußballfeld herum, wuchs die Lust auf Widerstand gegen die Lotte: Jacke zu, Schal darunter, gleiches Kassenhäuschen : Mit einem netten Nicken wurde mir die gewünschte Karte verkauft. Vorbei an jenen Polizeibeamten, welche vorhin noch mit ähnlicher Fachlichkeit die Kleiderordnung verteidigten , wie das Jugendamt die Mutter als alleiniges Elternteil. Den Hauch von Revolution mit auf die Tribüne nehmend,  erfuhr die neue Kleiderordnung einen weiteren Tiefschlag: Einige Essener hatten sich durch die feindlichen Linien geschlagen. Manche von ihnen tranken gar friedlich ein Getränk. Ungewöhnlich für ein Barbarenvolk.

Genug der Ironie: Für mein Verständnis sind Farben tragende selten Problemfans. Aber, die Sportfreunde hatten ihre schlechten Erfahrungen gemacht, so die offizielle Verlautbarung. Das mag ja sein, aber was habe ich damit zu tun ? Warum werde ich nun als potentieller Störenfried behandelt ? Und warum stört sich dann keiner daran, wenn ich mir den Schal wieder umbinde und mich dort frei und friedlich bewege, wo ich eigentlich gar nicht erwünscht bin ? Die Feinde des Fußballs sitzen allzu oft auch in den Gremien und bei Sicherheitsbesprechungen.

Das nun einmal mehr eine Pressekonferenz den bitteren Beigeschmack „Eklatchen“ trägt, ist hausgemacht: Wer eine Pressekonferenz frei zugänglich veranstaltet, darf sich über Äusserungen nicht wundern, die bisweilen alkoholgeschwängert und durchaus „fremdschäm“ geeignet unter der Gürtellinie kundgetan werden. Nicht schön. Definitiv! Aber: Lotte kann das ja auch, wie ein ehemaliger Osnabrücker Trainer erfahren durfte.  Lotte im Glashaus also. Prickelnde Atmosphäre übrigens unter den rund 1.000 Lotteraner Fans. Allen war nicht anzumerken, dass es hier noch um das Erreichen der unseligen Relegation gehen könnte. Wechselgesänge zwischen Fans und Werbetafeln.

Unser RWE agierte von Beginn an so, wie man es sich oftmals in dieser so frustrierenden Saison gewünscht hätte. Man hatte nicht mehr das Gefühl, dass Standardsituationen oder schnelle Vorstösse der Gegners direkt zu Gegentoren führen, wie noch in den Vorwochen. Man ist dann direkt versucht, die Spieler zu befragen, woran es liegt: Warum nun, wo es um nichts mehr geht ? Sind die Vertragsverhältnisse geklärt, ist es doch der Trainerwechsel ? Fragen, die ein Fan wohl mit in das Grab nehmen wird, egal welchen Farben er sich zugehörig fühlt.

Diese Saison war eine ziemlich bescheidene, liebe Mannschaft. Es war schwer, Euch zu folgen. Es fiel schwer, Euch anzufeuern. Es war aber auch sehr schwer zu ertragen, wie Ihr und Waldemar Wrobel unter der Gürtellinie beleidigt und verhöhnt wurdet.

Zu unser aller Freude hatte Lotte aber auch in dieser Saison mal wieder etwas Gutes: Hier findet der alljährliche Schulterschluss zwischen Mannschaft und Fans statt. Vielleicht aus diesem Anlass eine Bitte an den Spielplangestalter: Wir kommen ja nicht drumherum und müssen wieder nach Lotte. Vielleicht aber zur Abwechslung mal wieder zu Saisonbeginn. Dann könnten wir den Schulterschluss mit in die Saison nehmen und erleben alle miteinander vielleicht und hoffentlich eine bessere. Nur der RWE!IMG_4829 IMG_4853