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Die fünfte Kalenderwoche: Montag.

Die wohl interessanteste Kalenderwoche seit ewigen Kalenderwochen beginnt direkt mit dem hundertvierzehnten Geburtstag des wohl weltbesten Fußballvereins. Unser aller RWE hat also schon zu Wochenstart allen Grund, sich hochleben zu lassen. Vielleicht kommen Dienstag und Samstag noch schöne Geschenke hinzu. Herzlichen Glückwunsch Rot-Weiss Essen!

Womit wir eigentlich auch schon bei dem sportlichen Ausblick auf die aktuelle Woche wären. Eigentlich. Denn zuvor sollte man durchaus kurz ein Wort zur zweiten Halbzeit im Spiel der vergangenen Woche zwischen den beiden Nachwuchsmannschaften aus Dortmund und Mönchengladbach verlieren: Verhaltenskreativ! Damit dürfte alles beschrieben sein. Diese Woche also nun DFB-Pokal gegen Bayer 04 Leverkusen und Ligaspiel gegen die jungen Borussen. Eine Spielkombination, die in ihrer Intensität sehr viel von unserer Mannschaft abverlangen wird. Vor allem auch im Kopf. Aber, und gerade auch hier, habe ich vollstes Vertrauen in Trainer Neidhart und Mitstreiter, dass diese Aufgaben inhaltlich komplett separiert angegangen werden. Im Eiskunstlauf würde man vielleicht von Kür (Pokal) und Pflicht (Liga) schreiben. Sicher werden auch Worte wie „Woche der Wahrheit“, „Vorentscheidung“ und was weiß ich noch alles niedergeschrieben, um der augenscheinlichen sportlichen Bedeutung dieser Woche für Rot-Weiss Essen gerecht zu werden.

Besonders unter dem Aspekt, dass man nach dem erneuten Sieg der Dortmunder die Tabellenführung temporär vonne Hafenstraße Richtung Borsigplatz abtreten muss. Fakt aber, und da müssen wir uns möglicherweise einfach alle an die Hand nehmen und mantramäßig immer und immer wieder wiederholen: Gewinnen wir beide Spiele, sind wir unter anderem überraschenderweise im Viertelfinale des DFB-Pokals. Aber noch lange nicht aufgestiegen! Verlieren wir beide Spiele, haben wir im DFB-Pokal Großes geleistet und den Aufstieg noch lange, lange nicht verloren! Auch nach Leverkusen und Dortmund geht die Liga weiter, wird Rot-Weiss Essen erfolgreich Fußball spielen (Wenn es das allgegenwärtige Damoklesschwert Pandemie zulässt). Diese fünfte Kalenderwoche des noch jungen Jahres ist seit Monaten der erste wirkliche Stresstest für uns RWE-Fans!

An die Bitternis Abwesenheit notwendigerweise gewohnt, könnte nun auch noch das ungewohnte Gefühl der Niederlage hinzukommen. Dann liegt es an uns, nicht direkt wieder den Weltuntergang auszurufen, sondern Optimismus und Geduld auszustrahlen. Oder eben auf dem Boden der Tatsachen zu bleiben, wenn beide Gegner nach großartiger Leistung bezwungen wurden.

Der Schuh des Manitu

Die Vorfreude steigt, die Aufregung noch viel mehr: Die Küchenjungs aus Rödinghausen kommen an die Hafenstraße und wollen weder Dunstabzugshaube noch Kühlschrank liefern, sondern drei Punkte mit zurück in die ostwestfälische Fußballhochburg nehmen.  Rein statistisch betrachtet steht es ihnen sogar zu, davon auszugehen: Sie liegen doch in der gemeinsamen Historie um vier Mikrowellen vorn. Der „Reviersport“ sieht nun Vorteile beim Gast; die „Welt“ uns wenigstens auf Augenhöhe und ein automatisch generierter  Bericht auf „T-Online“ schwadroniert gar von einem Showdown. Da sieht man mal, wie bescheuert automatisch erstellte Texte sind! Am 23. Spieltag von einem Showdown zu sprechen, ist albern. Egal, wer am Samstag die Show macht oder wer am Ende Down sein wird: Auch dann ist noch lange nichts entschieden. Gibt ja auch noch den SC Verl, die vom Kanal, weitere Spieltage und überhaupt. Kein Showdown also und zu 100% ein Mensch hier hinter der Tastatur.

Um 14:00 Uhr mit Anpfiff ist dann jede Vorberichterstattung endlich Makulatur; interessieren Prognosen keinen mehr im Stadion. Dann heißt es Handy aus und Stimme an. Übrigens wurde (erstaunlicherweise) in fast allen Vergleichen und Vorberichten etwas ganz essenzielles vergessen: Wir alle zusammen haben doch Samstag Geburtstag, und werden 113 Jahre jung. Auf das Spiel bezogen kann das eigentlich nur eines bedeuten: 1 RWE Tor erste Halbzeit + 1 RWE Tor zweite Halbzeit = 3 RWE Punkte als Geburtstagsgeschenk aus Rödinghausen. Kann ja auch gar nicht anders: Denn wer Geburtstag hat, bekommt schließlich Geschenke. Gerne natürlich auch in Form eines Unparteiischen, der der Bedeutung dieses Spieles gewachsen ist und mit seiner Pfeife umzugehen weiss. Und mit seinen Linienrichtern am Spielfeldrand. Da wir also Geburtstag feiern, sind wir selbstredend auch gute Gastgeber und verwöhnen unsere Gästefans (gegen Gebühr) mit allen Köstlichkeiten der Hafenstraße. Als da wären: „Vierzehntausendfache Emotionen mit einem Hauch an Ungeduld und einer Prise an Leidenschaft, angerichtet auf einem Bett voller Gefühle für unseren Verein“. Dazu das Beste was eine Brauerei hierzulande abfüllen kann. Und Wurst. Und Frikadelle. Mit oder ohne Senf. Wir lassen es also richtig krachen.  Welcher Gast würde da so dreist sein, und die Punkte mitnehmen wollen?

Am kommenden Samstag können wir alle aber noch etwas mehr geben. Wir können Hoffnung geben und Glauben schenken. In den Arm nehmen, applaudieren und gut zusprechen: Vergangenen Mittwoch hat unser erster und langjähriger Fanvertreter im Aufsichtsrat, zudem ein oller Platzproll, öffentlich mitgeteilt, dass er an einer speziellen Form von Lymphdrüsen-Krebs, dem sogenannten „Mantelzell- Non Hodgkin Lymphom“ erkrankt ist. Dieses Arschloch von Krebs hat also wieder ein Opfer gefunden. Einen Rot-Weissen durch und durch. Das lassen wir uns nicht gefallen, dem nehmen wir uns an und stehen bei! Aus eigener Erfahrung weiss ich, dass ein offener Umgang mit einer solch belastenden Krankheit zunächst kein leichter ist. Aber jetzt, drei Jahre danach, kann ich sagen: Es war der beste Weg! Zu unsicher in einem solchen Fall stets das eigene Umfeld, Kollegen und Bekannte. Darf man den Betroffenen darauf ansprechen? Muss ich ihn bemitleiden?

Ach, einen Scheiss muss man! Offenheit ist wichtig. Humor ist lebenswichtig. Verkriechen gilt nicht. Im Gegenteil, hier stehe ich und habe Krebs! Und ich nehme den Kampf an. Das hat uns Ralf geschrieben, so wie er uns auch jahrelang geschrieben hat, wie es um unseren RWE steht. Im Gegensatz zu seinen Berichten aus Trainingslager und AR-Sitzung habe ich den letzten natürlich nicht gerne gelesen. Aber der Humor und der Optimismus dieser Zeilen hat direkt wieder ein Lächeln ins Gesicht des Lesers gezaubert. Ab sofort sind wir nicht nur RWE und kämpfen um den Aufstieg, sondern wir sind auch Ralf und sind alle anderen Erkrankten aus der großen RWE Familie. Wenn die Mannschaft am Samstag aufläuft, applaudieren wir nicht nur ihr, sondern auch Dir und Euch. Ab sofort gilt noch mehr: „Kämpfen und siegen“.

Und deshalb ist es mir momentan undenkbar, dass wir nach dem Spiel die Hafenstraße erfolglos verlassen werden. Auf und neben dem Platz. In der Tabelle und in unseren rot-weissen Herzen. Wir werden feiern: Den Geburtstag, das Leben und die drei Punkte. Rund um den RWE ist immer auch viel Mist passiert, aber letztendlich sind wir Familie. Wie heisst es doch so schön: „Die Familie Rot-Weiss hält zusammen…“. Besonders jetzt, wo der Schuh drückt.

Der Hundertfünfundzwanzigste Geburtstag.

Spricht man von Rot-Weiss Essen, landet man unweigerlich nach kurzer Zeit auch bei Georg Melches. Sieht man Fotos aus aus der erfolgreichen Zeit rund um Meisterschaft und Pokalsieg, kommt man auch nicht an Georg Melches vorbei. Unweit der Spieler ist immer irgendwo auch der Patron mit im Bilde. Optisch erinnert der Georg Melches dieser Zeit an eine Mischung aus Heinz Erhardt und meinem Opa. Nun kennen Sie natürlich meinen Opa nicht, aber stellen Sie sich ihn optisch in etwa so wie Georg Melches oder Heinz Erhardt vor. Und mit Zigarre. Allen drei gleich aber ihre sympathische, ein wenig listige Ausstrahlung.

Zurück aber zu Georg Melches: Geboren am 24. August im Essener Norden als Sohn eines Betriebsführers, der auf der Zeche Emil – Emscher in Lohn und Brot stand. Die schulische Laufbahn des jungen Georg Melches fand eigentlich auch schon im Dunstkreis der Hafenstraße statt: Volksschule Vogelheim; Gymnasium Borbeck und Realgymnasium Altenessen. Der nächste Schritt war dann sicher kein leichter und definitiv kein schöner, denn Georg Melches zog in den ersten Weltkrieg. Dies übrigens freiwillig. Und es dauerte vier lange Jahre, bis er wieder unversehrt nach Hause kam. Vier lange Jahre in den Kriegswirren unterwegs, seine Familie zurücklassend.

Und auch die Familie, die er mit anderen bereits am ersten Februar 1907 in Essen Vogelheim gründete: Georg Melches war bereits in jungen Jahren ein begeisterter Liebhaber der Fußlümmelei, wie der Fußball seinerzeit oftmals despektierlich genannt wurde. Und weil er so begeistert war, gründete Georg Melches mit seinen Freunden einen Fusionsverein. Denn sie führten die bestehenden Vereine SC Preußen und Deutsche Eiche zum SV Vogelheim zusammen. Deutsche Eiche, ein an sich schon recht merkwürdiger Vereinsname und sicher eine Herausforderung für Fangesänge. Aber das nur am Rande erwähnt. Den heutigen Namen Rot-Weiss Essen bekam der Verein dann fünf Jahre nach dem ersten Weltkrieg mit auf seinem weiteren Vereinsweg. Anteil daran hatte eine weitere Fusion, diesmal mit dem Turnerbund Bergeborbeck.

Drei Jahre zuvor, also 1920, begann neben dem Hobby Fußball auch der berufliche Ernst des Lebens: Nach zwei Praktika in Schacht und Kokerei öffnete der Betrieb „Koksofen und Gasverwertung AG“ Essen seine Tore für den ehrgeizigen Georg Melches. Dort brachte er es innerhalb acht Jahren auf den Stuhl des Direktors, den er die nächsten zehn Jahre nicht verließ. Also im übertragenen Sinne jetzt. 1938 schien auch beruflich eine Fusion den Firmennamen zu verändern: Aus „Didier – Kogag“ wurde Didier – Kogag – Hinselmann. Der Direktor fusionierte nicht, nahm höchstens zu und hieß bis zu seiner Pensionierung im Jahr 1959 weiter Georg Melches. Insgesamt also einunddreißig Jahre als Direktor bedeuteten auch einunddreißig Jahre Kontakte in die Spitzen von Wirtschaft und Politik. Heute würde man Netzwerk dazu sagen.

Georg Melches konnte seinen Spielern Arbeitsplätze verschaffen, an denen nicht viel geschafft werden musste, sondern sich auf das Kicken konzentriert werden konnte. Auch die legendäre Südamerikareise wurde nur durch die weltumspannenden Kontakte von Direktor und Firma ermöglicht. Der Macher der er war, zeigte sich auch in seinem Verein stets in der Pflicht. Georg Macher. Im Verein, für den zu Beginn fast nur Schüler, Bergleute und Zechenangestellte gegen die handgenähte Kugel traten, besetzte er die Positionen des Mittelstürmers und mit nachlassender Kondition die eines Verteidigers. 1927 hing er seine Fußballschuhe an den Nagel. Was nicht bedeutete, dass er sich nun aus dem Vereinsleben verabschiedete. Mitnichten und gänzlich ohne Neffen, denn administrativ war Georg Melches natürlich auch schon länger in seinem Verein tätig: Schriftführer, Geschäftsführer, Fußballobmann, Finanzobmann.

Nahezu die ganze Palette dessen, was ein Verein an Ehrenamt zu bieten hat, wurde von ihm parallel oder nacheinander ausgeführt. Rot-Weiss Essen war Georg Melches und Georg Melches war Rot-Weiss Essen. Das wirklich interessante aber ist die Tatsache, dass er nicht einen Tag als Vereinsvorsitzender fungierte. Vielleicht benötigte er den Vereinsvorsitz auf dem Papier auch deshalb nicht, da er wusste, stets auch so dem Verein vorzustehen. Um aber seine Leistung schon recht früh zu würdigen, ernannte der Verein seinen „Patron“ bereits 1950 zum Ehrenvorsitzenden auf Lebenszeit mit Sitz und Stimme im Vorstand. Und dieser Ehrenvorsitzende sollte ja bekanntlich noch mit tollen Erfolgen für seine Pionierarbeit und Engagement im Essener Norden belohnt werden.

1974

Wo wir alle (beziehungsweise der Verein mit Sponsoren und Jens Lehman) dieser Tage einmal mehr den Geburtstag unseres geliebten Vereins feiern durften ( laut DERWESTEN.de sogar zuvor auch mit den Fans. Wovon aber kein Fan etwas mitbekommen hat), verliert der Fußball dieser Tage doch ziemlich viel von seiner Faszination. Die Gründe sind bekannt. Wie wohltuend dann, kommt unverhofft die Vereinschronik von 1907 – 1974 in das Haus geflattert.

Man kann sich in Erinnerungen verlieren und textlich etwas herrliches entdecken. Leider steht der Autor nicht namentlich beschrieben, und somit erfolgt die Abschrift leider ohne Quelle. Aber doch mit einem vergnüglichen Schmunzeln.

Es steht also geschrieben in jener Chronik:

Ort der Handlung: Hafenstraße gegen drei, Staffage: Autoschlangen, Polizei.

Darsteller: Noch nicht erschienen, warten auf den Auftritt in den Kabinen.

Erstes Bild: Strömendes Volk ohne Ende, dazwischen der Duft der Bratwurststände.

Noch mehr Menschen – lebhafte Massen, nehmen gemeinsam den Weg zu den Kassen.

Endlich ein Platz auf einem der Ränge, bläulicher Rauch wogt über der Menge.

„Lippens soll fehlen“, will jemand wissen. Und schon geht ein Raunen durch die Kulissen.

Als man die Namen der Gegner tut kund, erschallt von den Rängen einen höhnend „Na und?“

Auftritt der Helden: begleitete von Tuten und Blasen betreten die Recken den heiligen Rasen.

„Hast Du gehört? Lippens soll fehlen!“ „Mensch, laß dir von dem keine Märchen erzählen“.

„Da ist doch Lippens. In voller Montur! Na, du Experte?“ „Ich meinte ja nur…“

Nach diesem Vorspiel, dem Chor der Fans, kommen Anstoß und Angriff, zum ersten Mal brennt`s.

Steigender Blutdruck, jetzt selbst bei Gesunden, Nervenbammel für anderthalb Stunden.

Und ist man den Weg auch nur einmal gegangen, die Straße am Hafen – sie nimmt dich gefangen.

Unser aller Hafenstraße,  1974 in Reimen beschrieben.

Ruhe in Frieden, Ruhrmichell.

Nur der RWE!

Schöpfungsgeschichte

Wenn Vereine gegründet werden, treffen sich Gründer um zu beschließen, dass gegründet wird. Wird jedoch Rot-Weiss Essen gegründet, kommt das fast einer Schöpfungsgeschichte gleich, so viele Personen sind schon von Beginn an involviert. Und außerdem ist auch Vatter Heinrich Melches nicht ganz unschuldig an dieser Vogelheimer Schöpfungsgeschichte: Was legt er auch seinen Söhnen Georg und Hermann 1906 einen Ball unter den Weihnachtsbaum? Wie es nach diesem Weihnachtsfest weitergeht, ist ja mittlerweile mehr als bekannt: Fußlümmel Georg Melches führte mit seinen Freunden die bestehenden Vereine SC Preußen und Deutsche Eiche zum SV Vogelheim zusammen. Deutsche Eiche, ein an sich schon recht merkwürdiger Vereinsname und sicher eine Herausforderung für Fangesänge. Aber das nur nebenbei.

Den heutigen Namen Rot-Weiss Essen bekam der Verein übrigens erst fünf Jahre nach dem ersten Weltkrieg mit auf seinem weiteren Vereinsweg. Anteil daran hatte eine weitere Fusion, diesmal jene mit dem Turnerbund Bergeborbeck. Man sieht also: Gründung geht einfach, oder eben Rot-Weiss. Vielleicht ist auch jene Vielfältigkeit in jungen Jahren der Grundstein für die immer noch höchst lebendige Meckerei in der heutigen Zeit. Man war sich halt nach Georg Melches nie mehr wirklich so ganz einig. Man weiß es nicht.

Ist ja auch wurscht, denn wir könnten in der Bundesliga mit weitem Abstand an der Spitze stehen; den Europapokal der Landesmeister aufmischen und den Leipziger Dosen im Pokal so richtig einen eingeschenkt haben: Es würde trotzdem über irgendetwas gemeckert werden. Der Pups an der Hafenstraße sitzt eben traditionell quer, anstatt dass er einfach mal geradeaus das Weite sucht. Natürlich sind die sportlichen Szenarien in diesem Absatz reines Wunschdenken, quält uns doch weiter der triste Alltag in Klasse Vier. Das zermürbt den Fan und heizt die Debatten an. Es wird wie üblich in alle Richtungen debattiert.

Der Verein selbst macht im neuen Jahr und dieser Tage das, was sich wohl ziemlich viele Menschen nach Neujahr auf die Fahne geschrieben haben und speckt ab. Abspecken im Sinne von Vertragsauflösungen. Achtzehn Feldspieler und drei Torhüter stand heute somit im Kader. Neuverpflichtungen momentan Fehlanzeige. Fast hätte es eine solche zu vermelden gegeben! Aber jener Spieler, welcher sich an der Hafenstraße und innerhalb der Mannschaft im Testspielmodus laut eigener Aussage wohl gefühlt hatte, wechselte dann doch plötzlich und unerwartet zum Ligakonkurrenten nach Rödinghausen.

Man kann es ihm nicht verdenken, wird doch das Angebot aus Ostwestfalen höher gewesen sein, als das unsere. Das rote Trikot mit den drei wunderbaren Buchstaben allein ist auch kein Anreiz mehr für die jungen Kicker von heute. Die wollen mit ihrem Talent Kohle verdienen und pellen sich einen ob unserer verkrusteten Vereinstraditionen. Man sollte also jetzt nicht schon über einen Spieler „herfallen“, der lediglich zur Probe an der Hafenstraße weilte und darüber stehen. Sonst kommt bald gar keiner mehr zu uns. Nicht mal mehr zur Probe.

Alt sind wir also geworden. Sehr alt. Das sportliche Haar noch etwas mehr lichter als früher schon, den sportlichen Erfolg immer noch weitestgehend meidend. Aber wir halten uns immer noch irgendwie aufrecht, machen uns dann und wann noch einmal so richtig hübsch. Vorzugsweise in der ersten DFB Pokalhauptrunde. Manchmal rufen wir auch trotzig den jungen Fans von heute hinterher, dass wir stolz darauf sind, weit vor 2009 gegründet zu sein. Und das früher eben alles besser war. Blöde Erfolgsfans, blöde!

Wir hingegen sind alles, aber keine Erfolgsfans! Wir sind Kategorie A bis Z. Wir sind Rot und Weiss. Wir sind RWE. Vielleicht aber sind wir in zunehmendem Alter auch mal etwas mehr „0815“ und schenken uns zum Geburtstag etwas mehr Geduld und Gelassenheit.

„Oh RWE, wir lieben Dich, weil es für uns nichts schöneres gibt!“

Der sechzigste Geburtstag

Walter Ruege wird heute sechzig Jahre jung und sitzt gefühlt seit ebenso vielen Jahren am Mikrofon der Hafenstraße. Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag lieber Herr Ruege. Als kleines Geschenk und Dankeschön (auch an die Fahnengirls) das siebte Kapitel. Später hoffentlich auch noch die drei Punkte, die diesen runden Ehrentag ziemlich rund machen würden. Ich bin überzeugt, die Mannschaft möchte Sie heute auch gerne beschenken.

Weil wir Fahnengirls statt Cheerleader haben. Und Walter Ruege.

Der Fußball dieser Tage lebt ja nicht immer nur von der Konstante, es müssen stetig Neuerungen her. Stadionsprecher werden zu Marktschreiern, die Stadionmusik wird zur Krachorgie. Das Stadion soll nicht mehr Stadion, sondern eine Event Location für die ganze Familie werden. Sofern Stadionkapazität und Familienbudget das überhaupt hergeben.

Wie wohltuend das Prozedere vor Spielbeginn an der Hafenstraße. Im neuen Stadion Essen nicht anders als im guten alten Georg Melches Stadion. Allgemeinen als „RWE Countdown“ bekannt, werden eine halbe Stunde vor Anpfiff rot-weiße Gassenhauer gespielt. Zudem sorgt Walter Ruege seit über sechsunddreißig Jahren ruhig und mit angenehmer Stimme am Mikrofon für die nötigen Informationen. Was man halt so braucht als Fan vor dem Spiel.

Seltene Ausflüge in die Moderne inklusive „Animationsversuche“ werden Walter Ruege schnell verziehen und galant überhört. Man möchte ihn in den Arm nehmen, verkündet er hörbar mitleidend die Tore für den Gegner, oder Ungemach auf den Rängen. Die Hafenstraße ohne ihn? Unvorstellbar. Ebenso unvorstellbar auch eine Hafenstraße ohne die Fahnengirls.

Unter dem Dach des AWO Fanprojektes zuhause, bilden die Fahnengirls stets vor Spielbeginn und zur Halbzeit den optischen Höhepunkt auf dem Rasen. Sie schwenken zum Rhythmus der Lieder ihre Fahnen in den Vereinsfarben. Nichts dramatisches also mag man denken. Aber zum Glück eben auch keine opulente Choreografie „Poms“ schwenkender Sportlerinnen in kurzen Röcken. Bei allem Respekt für die sportliche Leistung dieser, aber das passt nicht zur Hafenstraße. So weißt Du als Fan, was Dich erwartet. Wenigstens vor dem Spiel. Diese angenehme Konstante. Was auch besser ist, denn das danach gebotene ist meistens nicht zielführend, dem nächsten Spielbesuch freudig entgegenzusehen.

Vielleicht nehmen wir auf den Rängen das Wirken der Fahnengirls so selbstverständlich dar, so dass es uns erst wieder bewusst werden würde, sollten vor einem Spiel mal keine Fahnen geschwungen werden. Der Fan, das Gewohnheitstier. Das die Fahnengirls übrigens bei Wind und Wetter auf dem Platz stehen, während man gefühlt keinen Fan vor die Tür jagen möchte, kommt noch bewundernd hinzu.

Bevor ich`s vergesse,

liebes Geburtstagskind, möchte ich Dir noch von ganzem Herzen zu Deinem heutigen Geburtstag gratulieren. 109 Jahre bist Du heute geworden. Gerne würde ich Dir auch ein paar angemessene Worte zu Deinem Jahrestag schreiben; schließlich erlaube ich mir ja auch sonst ständig, Dein Dasein zu kommentieren. Nur fehlen mir gerade so ein wenig die Worte. Was sagt man denn auch einem Jubilar, der einem immer wieder den letzten Nerv, die größte Hoffnung und sogar oft die Freude am Fußball raubt. Ohne den ein Leben natürlich auch möglich, und doch so sinnlos wäre.

Was sagt man einem Jubilar, der oftmals schon auf der Intensivstation lag. Kurz davor, dass lebenserhaltenden Maßnahmen abgeschaltet werden. Der jahrelang von der Hand in den Mund gelebt hat; in einer sanierungsbedürftigen Wohnung leben musste, nur um zu guter Letzt doch rausgeworfen zu werden.  Wenigstens hast Du eine gute neue Heimat gefunden, wie ich finde. Durftest die neue Bude dann doch so nach und nach mit Deinen Erinnerungen gestalten. Vielleicht fallen die Worte auch so schwer, weil Du zwar endlich und nach langem Kampf Deine sichere Rente hast, nicht mehr von der Stütze leben musst. Aber, was Deine sportliche Alterssturheit betrifft, darüber müssen wir dann gelegentlich doch noch einmal reden. Natürlich nur, wenn Du dafür aufnahmefähig bist.

Du bist doch nur an Zahlen gemessen alt. Laß Dich nicht hängen und raff Dich auf, dann geht es körperlich auch schon bald wieder aufwärts. Deine große Familie unterstützt Dich mit ganzem Herzen dabei. Na gut, vielleicht unterstützen wir Dich gerade nicht immer so respektvoll, wie es Dein Alter eigentlich gebietet und sollten wir mehr motivieren und nicht so viel motzen. Aber, das kannst Du aushalten. Du kennst uns schließlich am Besten und weisst, dass wir eigentlich nur mit Dir leiden, wenn es Dir nicht gut geht. Uns geht es dann doch auch nicht wirklich gut. Nun hast Du natürlich aktuell wieder Stress mit den Knochen und den Füßen; bist sportlich so richtig angeschlagen. Gestern aber hast Du trotz Deines Alters tapfer gekämpft, kein Vorwurf an Dich! Du wolltest uns wohl doch etwas beweisen. Mach langsam an, und nimm regelmäßig Deine Trainingstabletten ein. Eine Medikamentenumstellung braucht halt immer so seine Zeit. Nur denk daran, dass Deine Werte bis Mitte Mai immer über dem kritischen Strich bleiben. Nicht, dass Du uns doch noch kollabierst und wir mit Dir. Aber auch dann würden wir Dich wohl trotzdem noch lieben. Vielleicht nach einiger Zeit des Abstands.

Ich habe aber immer noch nicht die passenden Worte gefunden, die ich Dir eigentlich zu Deinem Geburtstag mit auf den weiteren Weg geben wollte; suche immer noch nach einem schönen und passenden Spruch für die Glückwunschkarte. Was sagt man auch zu einer solch Nervensäge wie Dir, mit der man morgens aufwacht und abends einschläft. Sofern Du einen überhaupt vor Kummer schlafen lässt. Gut, dann können wir noch die guten alten Zeiten zählen und schlafen letztendlich doch ein in der Gewissheit, dass Du ein richtig Guter bist. Einer, auf den wir seit 109 Jahren zählen können. Der uns nicht nur oft erwähnte Nerven gekostet, sondern auch ganz viel gegeben hat. Ach, blenden wir doch einfach mal die Tabelle aus, gucken uns vielleicht einfach nur ein Foto von Dir an: Dann sehen wir den treuesten Freund, den man sich auf Erden vorstellen kann. Du bist immer noch mit das Beste, was uns je passieren konnte. Herzlichen Glückwunsch, Du unser RWE!

Wer morgens dreimal schmunzelt,
mittags nicht die Stirne runzelt,
abends singt, dass alles schallt,
der wird 109 Jahre alt.
Volksweisheit / Volksgut

PS: Ich hatte heute ja eigentlich vor, Dir persönlich zu gratulieren. Aber mein Augenarzt sagte, dass mir gerade etwas der Durchblick fehlen würde und ich daher mal besser nicht Auto fahren sollte. Dafür sehen wir uns dann zu Deinem 110. Geburtstag. Versprochen! Ich bringe dann auch die Punkte mit, die Du früher immer so gerne gesammelt hast.

Aber Scheiss drauf, Heimsieg ist nur einmal im Jahr!

Ach Rot Weiss Essen: Gerade mal ein Heimsieg, aber im Internet La Paloma pfeifen! Dem Zeigler seiner wunderbaren Welt des Fußballs ist geschuldet, dass eine frei gestossene Chaostheorie nicht nur ein Tor, sondern auch fast zehn Millionen Klicks weltweit erzielt hat. Gäbe es doch bloß pro Million Klicks einen Ligapunkt, um die Tabellensituation ein wenig aufzuhübschen.

Der gefeierten Niederlage gegen Fortuna Köln folgte ein regnerisches 1:0 in Ostwestfalen beim dortigen SC Verl sowie ein 3:0 im Weltpokalfinale gegen den FC Kray. Bedeutet eine Runde weiter im Pokal und Platz 10 in der Liga. Machste nix dran! Wenigstens hat ein runder Tisch zu der Erkenntnis geführt, dass die bisweilen unsägliche Hetze gegen den Trainer nicht wirklich zielführend war und auch nicht ein mehr an Punkte eingebracht hat.

Es ist schlicht und ergreifend das eingetreten, was vor Saisonbeginn zu befürchten war: Wir können uns in schlechten Tagen nicht mehr an das alte Gemäuer des Georg Melches Stadions stützen, um Trost und Mythos zu erfahren! Haben die komplette Klaviatur eines Traditionsvereines gespielt, um von der sportlichen Bedeutungslosigkeit abzulenken. Fahren wirtschaftlich in ruhigen Fahrwassern, die desaströse RWE Jeans im Fanshop wurde gegen ein lässiges Vintage T-Shirt getauscht.

Somit war also nun die Mannschaft im Zugzwang, gibt es doch rund um die Hafenstraße außerhalb der Vernunft nur einen Weg: Nach oben! Dahin, wo eine angemessenere Liga wartet.Dort, wo Samstags ab 18:00 Uhr gesendet wird, und nicht Dienstags im Rahmen einer medialen Kirmesveranstaltung. Wichtig also nur noch auf dem Platz. Ergebnis bekannt. In den letzten Tagen hatte man dann aber das Gefühl, dass es so ruhig um den RWE geworden ist, so dass es auch schon wieder nicht gut war.

Die Verletztenmisere wird lethargisch hingenommen, die Reaktion von Christian Knappmann auf rassistische Rufe hingegen hocherfreut. Der Nachlass einer Verstorbenen, die Trauer um eine ehemalige Mitarbeiterin, die Förderung durch die Krupp Stiftung…alles kleine Nadeln in der großen Karte eines Fußballvereines, aber doch letztendlich weitestgehend unbeachtet, ist es nach gespielten 90 Minuten nicht so wie erwartet.

Zu erwarten hingegen war fast schon eine weitere Krise in der Beziehung zwischen Betreiber und dem RWE. Die Mundlöcher der neuen alten West sind nun Gegenstand einer Problematik, welche sich mir als Stadiongänger leider wieder entzieht. Was ist denn nun schon wieder los ? Es ist doch alles in Ordnung. Die Mundlöcher sind noch da, werden als Ein- und Ausgang benutzt, und ab und an bleibt da mal einer stehen.

Als viel problematischer empfinde ich zum Beispiel die pyramidische (sagt man das so?) Anordnung der Stufen um die Mundlöcher herum. Das sind Stolperfallen vom Feinsten. Wenn jetzt aber jemand meint, mehr Ordner lösen das Problem, oder die Tribüne wird gar gesperrt…. ja dann macht das doch einfach. Uns schockt nichts mehr. Zur Not können wir ja aus München Drehkreuze ordern. Man,man,man!

Zum Schluss noch etwas in eigener Sache: Im Schatten der Tribüne feiert heute als Blog seinen siebten Geburtstag. Am 17. Oktober 2006 spielte der RWE noch in der 2. Bundesliga und der heimische SV Eintracht Nordhorn viertklassig in der damaligen Oberliga Nord. Anschließend begann fast parallel der sportliche Absturz und die jeweilige wirtschaftliche Insolvenz. Heute, sieben Jahre später, dümpelt der RWE viertklassig auf Platz 10 herum, ziert der SV Eintracht gar fast das Tabellenende der sechstklassigen Landesliga Weser/Ems. Aber Scheiss drauf, Blog ist nur einmal im Leben. Es geht weiter, immer weiter!

Danke!