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Freudentränen.

Achtelfinale im DFB Pokal. Oder auch: Die Krönung eines ansonsten ziemlich bescheidenen Jahres, in welchem wir RWE Fans ausnahmsweise mal das Glück hatten, dass sich ausgerechnet unser Sorgenkind RWE zum Strahlemann wandelt und uns dadurch besser durch die trübe Zeit bringt.  

Der Abpfiff brachte spontane Tränen mit sich. Da musste scheinbar was raus. Musste sich den Weg bahnen, um sämtlichen, angestauten Emotionen ein Ventil zu geben. Es waren Tränen der Freude über das Gesehene. Tränen der Freude über unseren Verein und unsere Mannschaft. Aber, es waren wohl auch einige Tropfen dabei, die der allgemeinen Situation geschuldet waren. Man jubelt daheim alleine vor sich hin und erschreckt bei Toren höchstens den Hund, während der eigentliche Plan gelautet hätte, die Hafenstraße mit all den anderen Rot-Weissen nebst Gästefans zu rocken. Nach so einem Spiel wären die Jungs in den dreckigen Trikots doch noch am vierundzwanzigsten auf Ehrenrunde, während das Christkind schon ungeduldig auf seinen Einsatz wartet. 

Es ist natürlich besser, aktuell Füße und Kontakte still zu halten, damit wir möglicherweise zum Halbfinale wieder mit voller Kapelle zugegen sind. Vielleicht waren es aber auch Tränen, die schon lange raus mussten. Weil wir schon lange raus müssen, aus der Liga zum Beispiel. Weil es sich vielleicht alles in dieser Saison fügt. Und wir uns dann fragen: Warum gerade jetzt? Warum gerade ohne uns? Das ist dann schon manchmal zum Heulen. Wie sollen wir denn nun Christian Neidhart und den neuen Spielern vermitteln, was er und seine Mannschaft da auf die Beine gestellt haben? Wie kann er das Gefühl RWE leben, ohne die kompletten Emotionen während der neunzig Minuten plus Nachspielzeit anne Hafenstraße aufzusaugen? Das kann man leider nicht als Ersatzdroge weitergeben. Das muss man einfach erlebt haben. In guten wie in schlechten Zeiten.

Wenn wir dass dann tatsächlich doch eines Tages miteinander hinbekommen, dann werden sie es erleben. Wir alle miteinander werden es (wieder) erleben. Vielleicht waren die Tränendrüsen aber auch schon etwas geweitet durch die Veröffentlichung des neuen Songs „Fahnen wehen“ von Choma. Eine auf den Punkt gebrachte musikalische Blaupause, die vielen Szenen als Vorbild dienen dürfte.

Ich weiss gar nicht mehr, was ich zum Spiel gegen Fortuna eigentlich alles schreiben wollte. Es hat einmal mehr alles gepasst, was sich unser Trainerteam da vorneweg überlegt hat. Aufstellung, taktische Ausrichtung und Einwechslungen, alles auf den Punkt gebracht. Man wird ja nicht einmal mehr großartig nervös, wenn ein Gegentreffer fällt. Hier wurde erneut ein Trainerdiplom bestanden. 

Die Kür Pokal also mit (fiktiven) zehn Punkten (Wertung) beendet, die Pflicht Liga mit fünfzig (realen) Punkten unterbrochen und selbst die Zwote des BVB war uns zugetan. Das Rot-Weisse Zwanzigzwanzig also mit Freudentränen beendet. Meine größte Sorge aktuell, wie es sich wohl anfühlen wird, sollte eines Tages der lang ersehnte Aufstieg gelingen. Dann muss ich so viele Jahre wegheulen, dass schaffen die Tränendrüsen doch gar nicht! Aber egal, ein Rot-Weisser (Oder eine Rot-Weisse) muss dann tun, was ein Rot-Weisser (Oder eine Rot-Weisse) dann tun muss. 

Lieber RWE, wenn Du das hier mitliest: Bitte richte unserer Mannschaft aus, dass sie uns aktuell auf Wolke 1907 gespielt hat. Wir holen eines Tages sämtliche Emotionen vor Ort nach, da könnt Ihr einen drauf lassen! Ihr für uns und wir für Euch. Wir sind immer da, auch wenn wir grad nicht da sein können. Ihr seit unser ABC, wir Euer großes Einmaleins. 

Danke für diesen Pokalabend und Danke für die Tränen. Die waren längst fällig und mehr als angestaut.

Frohe und gesunde Weihnachten. 

Drüber hinweg.

Die mediale Vorbereitung auf die zweite DFB Pokalhauptrunde ist schon was feines. Alles ist eine Spur intensiver als vor einem normalen Ligaspiel und die Reichweite unweit größer. Und so geschah es am Tage der Wintersonnenwende im Jahre des Fußballs Zwanzigzwanzig, dass der RWE nach vielen Jahren der Knechtschaft RevierSport wieder auf der Titelseite des altehrwürdigen Kicker zu finden war. Fast zeitgleich wurde auf der offiziellen DFB Seite eines sozialen Netzwerkes ein Bericht eingestellt, welcher sich in wenigen Minuten mit unserem aktuellen Lauf, der Pokalhistorie und überhaupt befasst (Das Marcel Platzek nun schon seit Jahren neben dem Boss vorm Stadion sitzen muss, dass wusste ich nicht. Der Arme!). Nach dem Durcharbeiten beider Berichte manifestierte sich ein kleines Wunder, welches einen möglichen Einzug in Runde drei noch nicht einmal annähernd zum Inhalt hat. Schließlich wäre es kein Wunder, wenn Rot-Weiss Essen gegen Fortuna Düsseldorf gewinnt, sondern das Ergebnis des mindestens einen Treffers mehr.

Das kleine Wunder, wenn man es denn so nennen mag, spielte sich im Kopf ab: Die Schmerzen sind urplötzlich weg. Die erdrückende Last. Dieses ständige Gefühl zu scheitern. Lübeck ist wieder Holstentor und Marzipan statt Gegentor und was auch immer sich negatives darauf reimt. Wenn ich jetzt den Artikel lese und die Vorschau ansehe, dann bin ich stolz auf das bisher erreichte in dieser Saison und erfreue mich an der Traube herumhüpfender Männer in unseren Trikots und an all denen, die sich nach Spielende im ritualisierten Kreis einfinden. Zur Mannschaft gehören doch so viel mehr als die Elf auf dem Rasen. Und schon gar nicht sollten wir nun zulassen, dass sich ewig Unzufriedene mindestens wieder eine „arme Sau“ aussuchen, die es durch das Dorf zu treiben gilt. Das sollte tunlichst unterlassen werden. Es hat sich noch nie gehört, diese Unsitte, aber es gehört sich schon mal gar nicht einer Mannschaft gegenüber, die mit knackigen fünfzig Punkten ungeschlagen an der Tabellenspitze steht! Mein Weihnachtswunsch daher: Jegliche Ambitionen diesbezüglich am besten direkt wieder unter die Tatstatur kehren.

Rot-Weiss Essen hat den Turnaround geschafft, auch wenn mit der inoffiziellen Herbstmeisterschaft natürlich erst ein Etappensieg errungen wurde.  Aber für unser Wohlbefinden ist ist so viel mehr passiert, als nur dieser inoffizielle Titel. Marcus Uhlig hat sich tatsächlich nicht umsonst jahrelang den Mund fusselig geredet, dass alles besser wird, während wir noch und immer wieder abgewunken haben. Die Fusseln lassen sich hinter der Maske ja gerade richtig schön verstecken, so dass das Opfer wenigstens nicht optisch auffällt. Und dann Jörn Nowak: Argwöhnisch beäugt zu Beginn möchte man heute gerne mal einen Blick in seine Telefonkontakte werfen. Bob der Baumeister wäre stolz auf das bisherige Bauwerk Rot-Weiss Essen. Wir haben eine Mannschaft und Jörn Nowak hat daran maßgeblich gewerkelt. Danke dafür! Warum man im Emsland Christian Neidhart bittere Tränen hinterher geweint hat, scheint nun auch von Woche zu Woche klarer zu werden. Die absolut überraschendste Personalie eigentlich, hatten wir doch erst mit seinem Vorgänger den erhofften Hochkaräter und Aufstiegsgaranten an die Hafenstraße gelockt. Aus Gründen musste dieser gehen und so kam eben jener Christian Neidhart, der direkt das Ziel Aufstieg vorgab. Kein herumeiern, sondern klare Kante. Das hat scheinbar weitere Kräfte freigesetzt.

Neben dem genannten Führungstrio sind natürlich so viele andere Rot-Weisse rund um die Uhr für den Erfolg der Mannschaft beschäftigt. Auch ihnen allen herzlichen Dank für diese aktuelle Momentaufnahme und erstem großen Titel seit dem Zwiebelpokal 2015. Wenn diese Erfolgsstory dann tatsächlich bis zum Sommer andauern sollte, dann hat der gleichnamige Peter seinen mehr als großen Anteil daran. Schließlich ist man als Zeugwart und Betreuer immer die Seele einer Mannschaft. Vergangenen Samstag gegen den FC Wegberg-Beeck konnte man zwischendurch den Eindruck bekommen, dass es diesmal die erste Saisonniederlage geben könnte, so aufmüpfig waren die Wegberger auf dem Feld unterwegs. Glücklicherweise schwanden die Kräfte der Wegberger zum Ende des Spiels doch deutlich, auch wenn sie für Schalke 04 wohl noch locker gereicht hätten. Die Generalprobe für das Fortuna Spiel somit ergebnistechnisch geglückt, auch wenn es darstellerisch an diesem Samstag durchaus gehapert hat. Aber genau das macht dann ja wieder den Optimismus für das Pokalspiel aus. Schließlich sind wir drüber hinweg, schauen nach vorne und nicht mehr zurück. Alles auf Sieg! 

Emotional Rescue (Stones)

Man ist ja mittlerweile soweit, dass man sich vermehrt Sportdokumentationen verschiedenster Mannschaftssportarten aus vergangenen Jahren anschaut, nur um mal wieder ein wenig Flair genießen zu dürfen. In einer dieser Dokumentationen sprach ein Trainer davon, dass seine Mannschaft und die Fans ein enormes emotionales Investment vornehmen müssten, um das Derby zu gewinnen. „Emotionales Investment“, vielleicht genau die Begrifflichkeit, mit der sich umschreiben lässt, was uns allen zur Zeit aus gegebenem Anlass so sehr fehlt.

Spielergebnisse, Tabellen, Neuverpflichtungen, taktische Spielereien und so weiter, dass alles ist die eine Seite des Fußballs. Die Seite, die wir ja auch ohne Probleme (es sei denn, Spiele müssen aufgrund positiver Verdachtsfälle/Erkrankungen abgesagt werden) weiter verfolgen können. Und so konnten wir am Samstag den erneut temporären Sprung unserer Rot-Weissen an die Tabellenspitze der Regionalliga West verfolgen. Also im eigentlichen Sinne. Denn aus Bergisch-Gladbach gab es keine Bewegtbilder zu betrachten. Verwöhnt durch die eigenen, mittlerweile richtig stabil laufenden, Übertragungen aus der Sendeanstalt „97a“ sowie von den bisherigen Auswärtsspielen machte sich fast Verblüffung breit, als es zu realisieren galt, dass wir ausschließlich den alten Tugenden Fanradio und Liveticker die volle Aufmerksamkeit schenken durften.

Beide Medien konnten aber nicht viel Glanz in ihre Berichterstattung bringen, denn die auf einigen Positionen veränderten Rot-Weissen brachten auch gegen den Gastgeber und Kellerkind SV Bergisch-Gladbach wohl eher keine Kür, sondern die Pflicht auf den Rasen. Sich mit Schwung dem Strafraum zu nähern fiel auch diesen Samstag erneut etwas schwerer. Und so können wir froh sein, dass jedes Spielfeld auch Elfmeterpunkte beinhaltet: Letztendlich mussten zwei Elfmeter her, um nach dem Spiel mit Drei Punkten nach Hause zu fahren. Weiter ungeschlagen! Wieder gewonnen und erneut an der Tabellenspitze. Eigentlich könnte uns allen doch die Sonne aus den Knopflöchern strahlen, was sie im tabellarischen Sinne auch durchaus zu tun vermag.

Aber, da ist zum einen diese ungerade Tabelle, die bei einer Mannschaft acht gespielte Spiele aufweist, bei einer anderen wiederum schon deren vierzehn. Doch da ist auch das Gefühl, dass was fehlt. Das irgendwas lähmt. Und da kommt für mich wieder das emotionale Investment ins Spiel. Unsere Spieler machen gerade alle ihren (guten) Job und sind sicher mehr als froh, diesem weiter nachgehen zu dürfen. Aber Fußballer spielen nicht nur für sich selbst. Fußballer stehen selbst in der Kreisklasse auf einer Bühne und leben von der Anfeuerung und den Emotionen von außen. Fußballer bei Rot-Weiss Essen bedeutet sogar die ganz große Bühne. Die große Klaviatur der Emotionen, negativ wie positiv. Vielfach rauf- und runter zwischen Anpfiff und Abpfiff gespielt.

Alles wirkt auf dem Platz gerade langsamer und freudloser ohne Fans. Ohne die verschiedensten Lager vor Ort, die ein Stadion zu bieten hat. Keine aktive Szene, keine Dauernörgler. Keine Kutte und kein Modefan. Wir, die wir die Ergebnisse sonst in Freude vereint rausschreien oder nach schlechtem Ausgang aus Frust verbal vor uns hin rotzen, nehmen die Ergebnisse nur noch wohlwollend hin. Nicken diese ab und halten durch. Dem Gebot der Stunde folgend. Je weniger Kontakte, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass weitergespielt wird. Immer weiter. Und mit jedem positiv gestaltetem Spiel steigen unsere Chance, dass ersehnte Ziel Aufstieg zu erreichen. Man kann nicht mal applaudierend anerkennen, wie lange unsere Jungs nun schon ungeschlagen von Spiel zu Spiel eilen.

Der Funke, der sonst vom Feld auf die Tribünen springt und umgekehrt. Dieser Auslöser jedweder Emotionen im Kulturgut Stadionbesuch, dieser Funke kann aktuell einfach nicht gezündet werden und hockt irgendwo verzweifelt in den Stadionkatakomben. Wartet drauf, wieder ins Spiel eingreifen zu dürfen. Man kann das auch nicht kompensieren, indem zum Beispiel die Stadionregie in höheren (TV-) Ligen trotz verwaister Tribünen das komplette Animationsprogramm abzieht und bei Toren schier eskaliert. Das ist schlicht peinlich. Wir müssen nun irgendwie einen Weg finden, unserer Mannschaft trotz Abwesenheit zu vermitteln, dass es für uns das Größte ist, wenn sie auflaufen und für unser Emblem alles geben. Dass unser Tag trotzdem von diesen neunzig Minuten dominiert wird, in denen Rot-Weiss spielt. Und das wir uns bei ihr genau diese Emotionen wünschen, als wenn wir da wären. So schwer es auch fallen mag. Vielleicht also müssen wir den Spielern noch einmal auf andere Art vermitteln, dass wir auch jetzt den Schub geben wollen, den sonst nur ein volles Stadion zu geben vermag. Aber wie kann solch schwieriges Unterfangen gelingen?

Abseits dieser Gedanken wurde die zweite Runde des DFB Pokals ausgelost. Und was soll man schreiben: Corona hat auch seine guten Seiten! Endlich werden Auslosungen wieder wie Auslosungen durchgeführt und nicht zu einer peinlichen Show verhunzt. Ich muss ja gestehen, mich hat die schiere Angst gepackt, dass wir es ausgerechnet jetzt mit den Blauen zu tun bekommen. Das einzig wahre Derby nach so vielen Jahren, und dann vor leeren Tribünen. Dann hätte 2020 endgültig den Hut nehmen können. So bliebt es weiterhin eher das kalendarische Gelsenkirchen. Die Ziehung nun für uns direkt eine „Auslosung interruptus“, denn schon nach der vierten Kugel war alles vorbei: In der zweiten Runde des DFB Pokals ist erneut die Düsseldorfer Fortuna zu Gast. Ebenso wie gegen Arminia Bielefeld der zweite Anlauf unserer Roten binnen weniger Jahre.

Und nehmen wir Bielefeld als gutes Omen, steht der dritten Runde ja nicht viel im Weg. Außer, dass wir auf den Rängen wohl immer noch nicht in emotionales Investment investieren dürfen. Aber, hoffen darf man immer!  

Der Herbst ist der Frühling des Winters. (Henri de Toulouse-Lautrec)

Eine gute Nachricht für alle „Herbstverzweifler“ rund um die Hafenstraße vorweg: Ein Maler wie de Toulouse-Lautrec sah mit ganz anderen Augen auf die Dinge und seiner These nach zu urteilen, können wir nicht erneut schon im Herbst die Saison aufgeben, da wir keinen Herbst haben. Wir haben Frühling und es kann immer noch ein goldener Oktober werden. Für den goldenen Oktober bedarf es aber dann mehrerer Halbzeiten wie jene Erste Hälfte vergangenen Donnerstag im Grenzlandstadion zu Rheydt. Inklusive mehr Torgefahr. Die zweite Halbzeit wird als genau das in Erinnerung bleiben, was Christian Titz sicher nicht von ungefähr stets gerne zu Protokoll gegeben hat: Der RWE dieser Saison steht immer noch am Anfang einer länger dauernden Findungsphase. Mal gibt es gute Phasen, wie in den ersten Spielen; gelegentlich finden sie sich leider nicht so richtig zurecht. So wie gegen Verl und nun auch gegen die Zweitprofis der Fohlen. Beide Spiele wurden als Mannschaft verloren, gewinnt und verliert man doch zusammen. Und, so doof sich das auch lesen mag: Genau diese letzten beiden Spiele haben aufgezeigt, wie viel Arbeit noch vor unseren Spielern und dem Trainerteam liegt. Erfolg vermag auch Schwachstellen zu kaschieren. Diese liegen nun auf dem Tisch des Hauses und können besprochen werden. Das Ergebnis der intensiven Aufarbeitung sollten wir dann spätestens unter Flutlicht gegen die Kölner Fortuna zu sehen bekommen.

Vielleicht wieder vor einer fünfstelligen Kulisse an der Hafenstraße. Sofern der Kredit weiterhin besteht und die letzten beiden Spiele die Kreditlinie nicht beeinträchtigt haben. Wenn jemand nun aussetzen möchte, da ergebnisorientiert denkend, ist das sein gutes Recht und gilt es sie/ihn über Erfolge wieder zurückzuholen. So funktioniert Fußball, so regulieren sich Zuschauerzahlen. Apropos Zuschauer: „Wann ist ein Fan ein Fan“, möchte man in bester Grönemeyerscher  Abwandlung fragen? Jetzt stellt sich mir persönlich die Frage nicht, denn es steht mir nicht zu, darüber zu urteilen, ob jemand RWE Fan ist, oder eben nicht. Aber es hat mich schon irritiert, warum denjenigen, die nach dem vierten Gegentor gegangen sind, ein lautstarkes Absprechen der Fanidentität hinterhergerufen wird.

Der Fan als solches bezahlt bei Eintritt und schließt keinen Vertrag bis zum Schlusspfiff ab. Er handelt selten rational und wird angetrieben durch seine Emotionen. Daraus entstehen bisweilen Übersprungshandlungen, die sich bei negativem Spielverlauf in fluchtartigem Verlassen des Stadions äußern oder auch in wüsten Beschimpfungen der eigenen Mannschaft. Mir persönlich ist in dem Fall lieber, dass jemand gesenktem Hauptes das Stadion verlässt. Dabei fluchend gegen die erstbeste, am Boden liegende, Stauderflasche tretend verkündet, nie wieder kommen zu kommen (um dann nächstes Heimspiel doch wieder da zu sein). Dagegen den Schlusspfiff abzuwarten, um den Zaun zu entern und mal so richtig loszupöbeln, ist jetzt nicht so meine Wunschvorstellung vom Umgang mit Niederlagen. Wir (Nein, nicht wir, sondern unsere Spieler) haben diesbezüglich in den letzten Jahren viel schlimmes erlebt. Ich empfinde es somit nicht als zielführend, sich nun in eine vermeintliche Diskussion „Gute Fans, schlechte Fans“ zu verstricken. Bei einer solchen Diskussion kann es keinen Gewinner geben. Vor nicht allzu langer Zeit noch sind ganze Fangruppen in den (verständlichen ) Boykott getreten, nachdem sie, in Vorleistung getreten, gespürt haben, dass die Mannschaft sie nicht mehr erreicht. Oder umgekehrt. Kaum einer ist damals auf die Idee gekommen, ihnen abzusprechen, RWE Fans zu sein. Der Konsens war ob der schlechten sportlichen Leistung gegeben.

Diese Zeiten sind glücklicherweise vorbei, wir haben eine ganz neue Mannschaft. Aber glücklicherweise immer noch die alten Fans mit ihren uralten Träumen. Gestehen wir einem jeden davon den eigenen Umgang mit den Dingen an der Hafenstraße zu. Es gibt auch Fans, die zahlen Eintritt und sehen nichts vom Spiel, da am Bierstand versackend. Dem Moment und der Situation geschuldet. Es gibt auch Fans wie mich, die sich bisweilen dem Spielgeschehen aus gesundheitlichen Gründen entziehen. Dann tut es mir nicht gut, muss ich mal kurz weg. Oder schnell raus und bis zum Ende von außen zugucken. Auch das kann ich nicht beeinflussen. Die Alternative wäre, gar nicht mehr zu fahren. Aber, dann würde mir fehlen, was ich so sehr liebe. Ich denke also, wir sollten uns auf den Rängen nicht in die möglicherweise nächste Baustelle stürzen. Denken? Ich bitte vielmehr darum! Ein jeder hat so seine Dinge, die ihn heutzutage in einem Stadion stören: Handy statt Spielfeld; auswärts eingepfercht statt Platz satt; Staatsfeind Nummer Eins statt Fußballfan; Spielstandabhängiger statt Spielstandunabhängiger Support usw. usw. Es gäbe eine nicht enden wollende Liste. Aber unter dem Strich bleibt wohl, dass kein Rot-Weisser dass Recht hat, einem anderen Rot-Weissen zu sagen, was er zu tun hat und was eben nicht. Wir sind doch Familie.

Und als Familie sollten wir uns schon auf das nächste Familientreffen freuen. Geht es doch gegen die ollen Kamellen der Südstadt Fortunen. Ewige Weggefährten. Endlich wieder Südstadion im kommenden Frühjahr. Gut, dass war jetzt ein Scherz!

Lassen wir unseren RWE jetzt nicht hängen und kommen Freitag trotzdem. Machen die Hütte voll. Schließlich brennt das Flutlicht. Aber dabei sollte jeder nach seiner eigenen Rot-Weissen Fasson selig werden (dürfen).

 

Road Movie F95

Hingerissen von einem ungewöhnlichen Schicksal im azurblauen Meer im August.

Wenn man nicht weiß, welche Überschrift auch nur annähernd zu einem Pokalspiel passen könnte, helfen Filmtitel! Filmtitel helfen grundsätzlich immer, um ohne Vorwarnung mit der Tür in das Haus potentieller Leser zu fallen. Rot-Weiss Essen hat gegen Fortuna Düsseldorf so ziemlich alle Besucher im Stadion und an den Bildschirmen hingerissen. Kommentatoren an den Mikrofonen waren hingerissen; Reporter an den Tastaturen ebenfalls.

Und die Fans wurden von diesem ungewöhnlichen Schicksal einer solch tollen Mannschaftsleistung dermaßen hingerissen, so dass die Spieler unserer Mannschaft nach dem Ausscheiden in einem Meer voll Stolz und Aufmunterung baden durften, an diesem schwülwarmen Sonntag im August. Am Ende intensiv gespielter hundertzwanzig Minuten stand ein Null zu Null als vorläufiges Endergebnis, welches der Fortuna als klassenhöherer Mannschaft sicherlich schmeichelte. Was sich gegen Wiedenbrück schon ansatzweise angedeutet hat, setzte nun eine personell stark veränderte Mannschaft fort.

Die „Rumpelfußball & Co. KG“ vergangener Saison scheint in das Zeitalter des Konzeptfußballs Einzug zu halten. Vielleicht war dieses Spiel aber auch nur eine grandiose Eintagsfliege, dem Wettbewerb, der Kulisse und medialer Aufmerksamkeit geschuldet. Wir werden es spätestens schon kommenden Freitag im Hinspiel des diesjährigen Zwiebelpokals gegen den amtierenden Tabellenführer SV Rödinghausen erfahren. Natürlich könnte der Mannschaft geholfen werden, fahren ihrerseits wieder Fünfzehntausend RWE Fans auf den Tribünen ein ähnliches Stimmungskonzept wie im Spiel gegen die Fortuna. Auch wenn eine dann leere Gästetribüne hemmend wirken mag. Aber, nur mal so als Gedankenspiel: Ihr tragt uns und wir tragen Euch. Oder umgekehrt. Das „Konzept“ Rot-Weiss Essen funktioniert eh nur mit den Fans gemeinsam. Es war schon beeindruckend, wie es bisweilen von den Tribünen schallte.

Das es nun im Elfmeterschießen ein eher tragisches Ende nebst Ausscheiden nahm: Machste nichts dran! Und: Vielleicht ist es momentan sogar gut, dass wir nicht regelmäßig den DFB Pokal bevölkern, sondern immer nur Stippvisiten im neuerdings laut Medien „härtesten Pokal der Welt“ abgeben: Sind wir dann plötzlich wieder wer! Werden wir dann auch noch einem unserer vielen alten Westrivalen zugelost: Ja dann sind alle Medien direkt wieder am Start. Graben all diese Geschichten rund um unseren derzeit verblassten Mythos aus. Ruckzuck stehlen wir sogar ambitionierten Erst- und Zweitligisten die Schau, sind flott ausverkauft und bedienen noch flotter den Boulevard, der vermeintlich wortgewandt und doch nur plump eine kriegerische Auseinandersetzung befürchtet; Familien und Kinder vor zuviel Stadionnähe warnt.

Ich weiss einfach nicht, was und warum Zeitungen so agieren. Manche Journalisten sollten durchaus auch mal ihr eigenes Handeln hinterfragen, so wie es doch auch von uns Fans und der Polizei ständig verlangt wird. Rot-Weiss Essen ist also vor einer DFB Pokalhauptrunde in aller Munde und wird thematisch durchgekaut. Alle wollen plötzlich einen Happen abbekommen. Möchten den RWE mindestens zwei Ligen höher spielen sehen. Aus Tradition natürlich. Welche verpflichtetet, aber am Status Quo leider überhaupt nichts ändert. Rot-Weiss Essen im DFB Pokal, dass ist für den verwöhnten Profibengel, der immer oben steht, stets die verruchte Schlampe aus der Unterwelt mit dem gewissen Etwas; den verdammt langen Beinen. Die mit den harten Jungs und der geilen Bude, wo man gerne oft Gast sein und spielen möchte.

Aber, wir müssen Euch alle noch zappeln lassen. Wir würden ja gerne auch öfter kommen. Nun gab es also dieses atmosphärisch dichte Erlebnis, und das Netz liegt der Hafenstraße vom vergangenen Wochenende zu Füßen. Keiner musste sich das Erlebnis azurblau trinken, es bleibt  auch so haften.

Es gibt kein Bier auf Hawaii, es gibt kein Bier…

Diese Diskussion der letzten Tage würden wir wohl kaum führen, wäre der Fußball unserer Tage ein Ponyhof. Oder Love, Peace & Harmony. Ist er aber nicht. Fußball ist Emotion und manchmal auch die Plattform für Randale. Leider! Gibt also kein Bier am Sonntag. Eine nicht wirklich nachvollziehbare Tatsachenentscheidung, die oft und gut in den letzten Tagen kommentiert wurde. Mir ist etwas anderes viel wichtiger und das muss ich unbedingt loswerden: Übermorgen ist doch das große Spiel.

Und worüber wird seit Tagen berichtet ? Nicht über das Spiel! An vorderster Front erblödet sich eine Zeitung selbigen Namens, die sich selbst nur anders schreibt, und bietet Frontberichte letzter Güte an. Und genau ab diesem Moment setzt die verbale Gewaltspirale ein und ist kaum noch zu stoppen. Pufferzonen und Betreuungsverbote; Alkoholverbot und Mannschaftsstärke Polizei sind heute. Aufstellung, Mannschaftstaktik, Interviews und Gewinnchancen waren scheinbar gestern. Natürlich gibt es solch Berichterstattung noch.

Aber seriöser Sportjournalismus wird gefühlt immer mehr verdrängt durch die mediale Gier danach, Angst zu schüren und bitte,bitte,bitte Randale auch zu bekommen. Wobei Randale, über die berichtet wird, ja kaum wirkliche Randale ist. Stell mal einen Aschenbecher mit brennender Zigarette darin bei entsprechender Windrichtung neben einem Bild Reporter: Der gute Mann schreibt Dir glatt einen Spielabbruch verursacht durch Nebel aufgrund einer Pyro Randale in seinen Laptop. Zur Not reichen auch Fotos aus dem Archiv. Sicher wird an irgend einer Ecke des Stadions Sonntag gezündelt werden. Machen wir uns doch nichts vor. Die Briten würden wahrscheinlich nur noch auf die Spielminute setzen. Ich muss das unkontrolliert auch wirklich nicht haben oder unterstützen. Aber, es ist mir fast noch lieber als die Panikmache im Vorfeld.

Ich fahre Sonntag zu einem Fußballspiel. Wie ich auch gegen Wiedenbrück zu einem Fußballspiel gefahren bin. Und habe doch das Gefühl, nicht an den gleichen Ort zu reisen. Gegen Wiedenbrück war Woodstock, Sonntag droht Ostblock alter Prägung. Ich liebe Gästefans im eigenen Stadion, sind sie das Salz in der Suppe; die Gruppe, an der man sich verbal herrlich abreagieren kann, liefert die eigene Mannschaft nicht wie gewünscht ab. Das aber nun die eigene Tribüne reduziert wird, dass ist hochgradig skurril. Man wirft ja auch nicht die eigene Oma aus dem Wohnzimmer, wenn der ungeliebte Schwiegersohn mit Familie zu Besuch kommt. Oder so.

Man glaubt es förmlich zu hören, dieses imaginäre „endlich“ auf der Pressetribüne, wenn in den Blöcken etwas unliebsames passiert. Und zack: Kaum einer interessiert sich noch für das Geschehen auf dem Spielfeld; der Liveticker wird mit schweren Ausschreitungen gefüllt, so wie ein Truthahn zu Thanksgiving mit Füllung eben. Die ersten Schlagzeilen sind schon online, und der geneigte Stadionbesucher, der sicher mal den Kopf schüttelt; sich zurecht über Subkultur unter Fußballfans aufregen mag: Ja der fragt sich am nächsten Tag: Bei welchem Spiel waren die eigentlich? Ist doch nichts passiert. Ja genau: Es passiert eigentlich fast nie mehr was im Stadion. Wenigstens nicht das, was im Vorfeld schon sehnlichst herbeigeschrieben wurde. Etwas Ruhe auf allen Seiten würde dem Fußball wirklich gut tun, sonst platzt er eines Tages.

Die Pokal-Auslosung, die auf einen Hügel stieg und von einem Berg herunterkam.

Für einen Verein aus den Niederungen des Fußballs bedeutet die Auslosung zur ersten Pokalhauptrunde entweder der allererste Auftritt auf die Showbühne Aufmerksamkeit, oder die Rückkehr für mindestens neunzig Minuten. Bis vor einigen Jahren waren es stets spannende Momente, in welchen in Kugeln gerührt und Begegnungen verkündet wurden.

Seit gestern Abend jedoch hat es die so herbeigesehnte Pokal-Auslosung in die „Hall of Fame“ der Fernsehpeinlichkeiten geschafft. Warum muss eigentlich jegliche Veranstaltung dieser Tage dermaßen überzogen daherkommen, als ob sie der Nabel der Welt sei? Hier sollten lediglich spannende Fußballbegegnungen ausgelost werden. Und die Spannung bezieht sich auf die Paarungen. Die Kugeln mit den Vereinen sind das Ziel. Und nicht der alberne Weg dahin.

Es ist ja nett, wenn die vernachlässigten Amateure auf diesem Wege einmal öffentlich vorgeführt werden; sich platzieren dürfen/sollen wie das ungeliebte Stiefkind, welches für kurze Zeit überraschend zur Familie gestossen ist. Und damit nicht vergessen wird, wie das ungeliebte Stiefkind noch heisst, bekommt es ein feines Namenschildchen. Sagen darf es auch mal was. Beziehungsweise etwas ungelenk auf blöde Fragen antworten.

Warum der RWE gestern Abend nicht zugegen war: Wir wissen es nicht. Aber es war gut so. Warum durften die weit gereisten Barmbeker nicht an das Mikrofon und warum wurde einigen Zwischenrufen so viel Aufmerksamkeit geschenkt? Medial natürlich direkt wieder als „Skandal“ geführt. Es gilt trefflich zu streiten über diese Rufe und deren Inhalt. Aber dann bitte auch über Klatschen auf Kommando und eine Pokal-Auslosung irgendwo zwischen Eurovision Song Contest, DSDS und Fortuna im Brennpunkt. Nun interessiert die ARD diese Kritik sicher so viel, wie den DFB die Regionalliga. Aber sollte sich einer der Programmverantwortlichen diese Auslosung noch einmal in Ruhe zu Gemüte führen, so hoffe ich auf etwas Verständnis. Verständnis dafür, dass nicht alles zur Folklore verkommt, was für uns Kultur bedeutet.

Eine Pokal-Auslosung bedarf nur wenige Dinge: Die Kugeln, einen Moderator, einen Notar und jemand, der die Kugeln zieht. Es wäre mal wieder einen Versuch wert. Übrigens wurde die Begegnung Rot-Weiss Essen gegen Fortuna Düsseldorf ausgelost. [Siehste, der Fußball gerät über die Folklore fast in den Hintergrund]. Wir dürfen also einen Zweitligisten an der Hafenstraße begrüßen. Einen alten Westrivalen. Viele Gästefans und einen Erfolg nach Elfmeterschießen, da mit Fortuna im Bunde. Das können wir ja nun besser, als die ARD eine Pokal-Auslosung.