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Punktlandung!

Jetzt weiß ich langsam, welcher Irrglaube mich nach diesem so herrlichen Aufstieg als Fan ereilt hat: Ich dachte tatsächlich, nun wird das Leben mit Rot-Weiss Essen endlich viel leichter und entspannter. Eine Saison als nie enden wollender, milder Frühlingsabend. Die Sonnenbrille keck auf der Nase, während das Resthaar von einer frischen Brise zerzaust wird. Noch im Spiel gegen die SV Elversberg schnell geerdet wurde klar: Hier und jetzt hat uns zunächst einmal der Gegner und keine erhoffte Leichtigkeit des Seins zerzaust.

Ja und dann dauerte es auch gleich mal zwei ganze Wochen, bis das nächste Ligaspiel anstand. Zu allem Überfluss auch noch direkt nebenan in Duisburg. Der Wichtigkeit dieses Spiels entsprechend, wurde ordentlich auf vielen Kanälen darüber geschrieben, gesprochen und gesendet. Medial schon eine ganz andere Hausnummer als noch eine Etage darunter. Kein vierzehntätiger Frühlingsabend von Elversberg bis Duisburg also, eher ein ebenso lange andauerndes Stahlbad bei täglich wachsender Anspannung und Hitze. Diese leicht erklärt: Verliert man auch das zweite Spiel in der 3. Liga, zudem in Duisburg, und vielleicht sogar auf ähnliche Art und Weise wie noch zwei Wochen zuvor: Dann ist relativ früh gleich wieder Schicht im Schacht mit unserer Euphorie und fahren wir in den Keller der Liga ein.

Wir wir nun erleichtert wissen, ist nichts dergleichen eingetreten. Der erste Punkt in der 3. Liga wurde eingesackt. Quergelesen leidet man darüber im MSV Portal wie nach einer Niederlage, während wir noch nicht genau wissen, wie das Spiel einzuordnen ist. Das Forum schwankt in seiner Beurteilung. Genau genommen haben wir ja auch zwei verschiedene Spiele in einem bestritten. Da kommt selten ein gemeinsamer Konsens auf. Wie sollte er auch? In einem war, beziehungsweise ist man sich dann aber doch einig: Mit der selben Aufstellung wie noch gegen die SV Elversberg zu beginnen war sicher eine hehre Absicht unseres Trainers, brachte aber zunächst nicht den gewünschten Effekt der Wiedergutmachung, sondern gefühlt eine Fortführung des ersten Spiels.

Daraus aber direkt abzuleiten, dass wir einigen Spielern zwar unendlich dankbar für den Aufstieg sind, ihnen aber nach einem (anderthalb) Spiel(en) direkt die Drittligatauglichkeit absprechen, das halte ich nicht nur für vermessen, sondern auch viel zu verfrüht. Wir wollten alle zusammen in der Liga ankommen und dort Fuß fassen. Daran sollte auch das Elversberg Spiel nichts ändern, welches die gültige Einarbeitungszeit aber leider direkt außer Kraft gesetzt zu haben scheint. Die 3. Liga ist auf so vielen Ebenen eine ganz andere Hausnummer, da müssen wir akzeptieren, dass das auch für das Spiel an sich gilt. Keiner unserer Spieler hat in der Sommerpause und Vorbereitung das Kicken verlernt.

Glücklicherweise haben ja die Reaktionen im Stadion nach Elversberg gezeigt, dass wir zusammen verlieren, so wie wir auch in Duisburg zusammen den Punkt geholt haben. In Duisburg nun hat unser Trainer das getan, was wir noch gegen die SV Elversberg vermisst haben: Die Schlüsse aus der ersten Halbzeit gezogen, personell reagiert und taktisch umgestellt. So geht Coaching und es tat mir fast leid, selbst lautstark zu monieren, wie denn der Matchplan unseres Trainers aussieht, und ob die Mannschaft auch davon in Kenntnis gesetzt wurde, beziehungsweise ob überhaupt einer existiert. Aus der Erregung heraus bei 0:1 Rückstand. Irgendwie, ach quatsch, absolut nicht fair von mir, aber dem Treiben unserer geliebten Mannschaft auf dem Feld geschuldet.

Somit geht der Punktgewinn definitiv auch auf das Konto von Christoph Dabrowski. Waren nun die beiden Vorgänger bei uns zu erfolgreich, oder sind die sportlichen Meriten als Trainer von „Dabro“ insgesamt noch zu gering? Und warum bleibt der doch so gelobte Kefkir beispielsweise zunächst auf der Bank? Natürlich beschäftigen uns Fans all diese Fragen und bewegen über Gebühr die rot-weissen Synapsen. Die ja bekanntermaßen im Falle von RWE immer anders ticken, als es vielleicht rational der Fall sein sollte. Die hoffentlich positiven Antworten werden wir noch im Verlaufe der aktuellen Saison bekommen. Da bin ich mir sicher.

Wir sind also zurückgekommen im Stimmungshochofen Wedaustadion und durften uns aufgrund eben jenes Spielverlaufs als moralischer Sieger fühlen. Was unter dem Strich natürlich nicht einen einzigen Punkt mehr bedeutet. Aber wir konnten uns trotzdem um drei Plätze vorarbeiten und bewegen uns tabellarisch in die richtige Richtung. Was der Deutschen Bahn bei der An- und Abreise der vielen Fans einmal mehr nicht gelungen ist. Chaos auf den Schienen vor und nach dem Spiel. Aber bevor die Deutsche Bahn tatsächlich jemals effektiv und kundenorientiert in die richtige Richtung funktionieren sollte, wird ein Verein aus Gelsenkirchen deutscher Meister. Und das wird ja niemals passieren. Das kann auch keiner wollen.

Ganz hochoffiziell will ja eigentlich auch keiner Pyrotechnik im Stadion. Und leider wird der RWE direkt zweimal zur Kasse gebeten. Das ist einerseits mehr als ärgerlich, wir sind nicht auf Rosen gebettet, hatte aber in Duisburg tatsächlich auch diesen einen Moment, bei dem man zugeben muss, das der Umgang damit an diesem atmosphärisch überhitzten Abend letztendlich sogar verantwortungsvoll war. Keine Leuchtspur auf dem Rasen oder idiotisches und gefährliches Ballern auf das Feld und gegnerische Fans, sondern gut verteilt und im Block entsorgt. Ja, es ist und bleibt verboten und wird teuer. Und viele Fans überlegen sich langsam zweimal, ob eine Spende letztendlich wirklich einer Choreo oder doch der Anschaffung von Pyromaterial dient. Aber vielleicht muss man sich auch hier irgendwo in der Mitte annähern. Bei aller Brisanz, Vereinzelungsanlagen und schlechter Anreisebedingungen haben sich die Fans beider Vereine doch grundsätzlich so verhalten, wie es dem Spiel angemessen war. Die Schlagzeilen danach gehörten dem Spiel.

Zur Wahrheit gehört übrigens auch, dass in den Medien bei den „besten Fotos“ des Spiels mindestens immer „drölf“ atmosphärische Fotos einer jeden Pyroaktion zu sehen sind. Auch so eine Ambivalenz in der Fußballberichterstattung.

Schon Dienstag nun beginnt also der jetzt aber mal so richtig wirkliche harte Alltag in der 3. Liga. Es geht an der Hafenstraße gegen die von uns nicht sonderlich gemochte „Vikki“ aus Köln. Wir verharren also immer noch in NRW, und auch der Gästeblock ruft ein weiteres Mal „Oh weh“. Aber es wird allein schon dadurch hochspannend, wie Trainerteam und Mannschaft sich dann aufstellen werden. Jedes Spiel also ein eigener Lernprozess. Bis dahin werde ich in meiner Playlist ziemlich oft „Easy Livin`“ von Uriah Heep anschmeißen. Direkt so zu zweifeln, das war nicht in Ordnung. 

Zweierlei Blut.

Rot-Weiss Essen hat sich abgesetzt. Obwohl längerfristig geplant, witterten einige wenige nach der Elversberg-Niederlage trotzdem gleich wieder Unfrieden im Hause Hafenstraße und waren unter dem Strich doch wohl eher besorgt wie ein Elternteil, dessen Kind sich nicht wie sonst immer ordnungsgemäß in die Disco ab- und zurückgemeldet hat. Der RWE also unterwegs wie wir als Jugendliche in den frühen Achtzigern: Wir waren einfach mal weg!

Unsere Mannschaft hat es dem Vernehmen nach nach Schweden verschlagen. Ein schönes Fleckchen Erde. Ob man dort als Mannschaft nun Tempoläufe durchgeführt oder sich an Köttbullar vergnügt hat, den Namen getanzt und das Astrid Lindgren Museum besucht hat: All das ausschließlich Sache des Vereins. Ich muss das alles auch nicht immer wissen, sogar eine Profimannschaft hat durchaus mal das Recht auf etwas Privatsphäre. Ich bin vielmehr fasziniert darüber, wie es einer vielköpfigen Schar in diesen allumfassenden Zeiten gelingen kann, komplett unterzutauchen. Das hat ja fast was von dem Elversberg-Spiel, wo wir uns ebenfalls grandios unter dem Radar zu bewegen wussten. Wir sollten vielleicht ein wenig entspannter im Umgang mit unseren geliebten Rot-Weissen werden. Fan zu sein beinhaltet nicht automatisch das Recht auf ständige Statusmeldungen. Wenn unsere Spieler jetzt nicht allesamt von Hammarby, AIK oder Djurgarden aufgekauft wurden, besteht doch große Hoffnung, dass wir sie schon bald wieder auf den Trainingsplätzen anne Hafenstraße im Training erleben werden. Bestenfalls mit dem Geist von Schweden versehen.

Und so ist es dann ja auch gekommen. Am gestrigen Freitag wehte wieder weißer Rauch über der Hafenstraße, die Mannschaft zeigte sich zwar nicht auf dem Balkon, wohl aber auf dem neuen Trainingsplatz und erste sozial-mediale Aktivitäten aus Spielerkreisen waren auch wieder zu vernehmen. Die Akkus also auf allen Ebenen wieder aufgeladen. Dafür hat jetzt fast die komplette Geschäftsstelle die Hafenstraße verlassen. Aber auch hier besteht kein Grund zur Sorge, dieser Umzug in andere Räumlichkeiten wurde ebenfalls von langer Hand geplant und somit in den vergangenen Tagen durchgeführt. Da ist also weiter richtig Bewegung drin bei RWE und ein klein wenig fühlt es sich trotz Elversberg so an, als ob es nun erst kommenden Freitag im Wedaustadion so richtig los gehen wird, mit uns und der 3. Liga.

Dass das Spiel gegen den MSV kein normales Ligaspiel sein wird, hat der Kartenvorverkauf auf unserer Seite mit seinem „Kartus-Interruptus“ nach zwölf Minuten bewiesen und nicht zuletzt dadurch auf Seiten der Zebras viel Kreativität erfordert, weitere Kartenkäufe auch in den Heimblöcken durch uns Rote zu unterbinden. Nächsten Freitag wird man dann sehen, wer wo steht oder sitzt, und für welche Mannschaft letztendlich das Herz schlägt. Möge es bei schlagenden Herzen blieben. Dass wir aber auch in numerischer Unterzahl trotzdem die Stimmungshoheit an der Wedau haben werden, daran hege ich natürlich keinen Zweifel. Auswärts singt es sich oftmals lauter und gemeinsamer als daheim.

Wir haben ja in der jüngeren Vergangenheit nicht allzuoft die Klingen mit den Meiderichern gekreuzt, aber wenn, dann endete es für uns zumeist in einem Drama: Die rauf, wir runter, so 2007 am letzten Spieltag der zwoten Liga. Dann 2014 das Halbfinale im Niederrheinpokal: Die Machtdemonstration des damaligen NRW-Innenministers und MSV-Fan Ralf Jäger, der moderate Unruhe auf den Rängen zum Anlass nahm, für sich eine Militärparade im Stile von „Trooping the Colour“ zu Ehren der Queen durchzuführen. Die erhofften Ehrerbietungen wurden ihm natürlich nicht zuteil, dafür hagelte es Hohn und Spott. Unter dem Strich ein epischer (Ruhrpottfußball-)Abend. 2017 dann das bisher letzte Aufeinandertreffen. Nicht mehr ganz so episch, ein schlichtes 0:2 im Pokalfinale des kleinen Mannes. An diesem Abend haben wir aber wenigstens keinen Elfmeter verschossen.

Es gibt aber dieses eine Spiel unseres RWE beim MSV Duisburg, welches wohl auf ewig nicht in Vergessenheit geraten wird. Und das, obwohl diesem Spiel lediglich 7.000 Zuschauer beiwohnten. Auf beiden Seiten wohlgemerkt. Es war ein Spiel der 2. Bundesliga, ausgetragen ebenfalls an einem Freitag. Es war der 15. April 1983, angepfiffen wurde um 20:00 Uhr, was schummeriges Flutlicht mit sich brachte. Und es wurde Bestandteil einer Tatort Verfilmung mit den Besten, die Duisburg jemals zu bieten hatte: Schimanski. Thanner. Hänschen.

Die beeindruckende Physis von Götz George zeigte sich in seiner Nacktheit am Mittelkreis und die Geschichte des Spiels wurde zebrafreundlich umgedichtet: Unser RWE konnte dieses Abendspiel „in Echt“ mit 2:0 für sich gestalten, der zweifache Torjubel der Duisburger Fans auf der Haupttribüne im Dunstkreis der Führungskamera erfolgte somit auf Regieanweisung. Kurzversion der Tatortfolge: Schimi hatte WG-Stress mit Thanner, weswegen er kurzerhand zum Fußball ausgebüxt ist. Dort gab es einen Mord, woraufhin Schimi in der MSV-Fanszene ermittelt. Der dortige Hauptprotagonist und MSV Krawallo Dietmar Bär musste daraufhin in der Schlussszene ebenfalls seine Hose herunterlassen. Derart geschockt verließ Dietmar Bär den MSV um beim BVB als Fan anzuheuern. Aufgrund der Erlebnisse mit Schimi konnte Bär glücklicherweise die schiefe Filmlaufbahn verlassen und nahm ein Angebot des WDR an, für den Tatort bei der Kriminalpolizei Köln als Fahrer von Fahrzeugen aus der Asservartenkammer zu arbeiten.

Es ist also ein bisweilen bunter Strauß, den wir in der Vergangenheit mit dem MSV gefochten haben. Es fehlt vielleicht die komplett negative Substanz mit denen aus Gelsenkirchen, aber es reicht allemal zu einer profunden, nachbarschaftlichen, Rivalität und zudem haben wir sportlich definitiv mehr Rechnungen mit dem MSV offen, als der MSV mit uns. Hoffentlich bekommen wir die Zeit bis zum Anpfiff kreativ-rivalisierend hin und unterbieten uns nicht im Niveau-Limbo.

Was unsere Spannung noch mehr steigern wird: Wir wird unsere Mannschaft auf den missglückten Auftakt reagieren? Wer wird spielen und wenn ja, auf welcher Position? Unsere Spieler kennen große Kulissen und heiße Derbys. Und wer noch nicht, der hat mindestens davon geträumt, solche Spiele bestreiten zu dürfen. Nun laufen sie alle für Rot-Weiss Essen in einem vollen Stadion in der Nachbarschaft auf. In Duisburg geht es nicht nur um drei Punkte: Es geht um Wiedergutmachung und nicht zuletzt darum, wie sich tausende RWE-Fans nach Abpfiff fühlen werden. Lasst uns im Anschluss an das Spiel grinsen bis der Arzt kommt. Ihr für uns und wir für Euch. Nur der RWE!

Kappessupp aus dem Saarland

Danach:

Das, was eigentlich in dieser Form so hätte niemals passieren dürfen ist passiert! Eine Auftaktniederlage in einer höheren Liga ist natürlich immer mit einzuplanen, selbst gegen einen Mitaufsteiger. Und wäre ja auch nicht schlimm und sogar aller Ehren wert, wenn diese nach einem leidenschaftlichem Spiel und großem Kampf erfolgt. Unsere Mannschaft muss auch Niederlagen wieder lernen, das kommt noch hinzu. Klingt banal, ist aber ein nicht zu unterschätzender Faktor.

Aber eine solche Klatsche wie gegen die SV Elversberg, ohne nennenswerte Gegenwehr und bisweilen vogelwilder Raumaufteilung, das darf einem Meister der vergangenen Saison wirklich nicht passieren. Ohne die Reflexe eines Jakob Golz hätten wir noch drei Tore mehr kassiert, so sehr haben seine Vorderleute darum gebettelt. Man fragt sich dann ja immer gerne: „Woran hat`s gelegen?“ Ohne natürlich eine kompetente Antwort darauf zu bekommen. Rot-Weiss Essen ist zwar stets dafür bekannt, die Dinge auf seine ganz spezielle Art zu händeln, aber wochenlange Aufstiegseuphorie innerhalb von nicht einmal sechsundzwanzig Minuten komplett zu versenken, das ist schon fast ein Fall für das Guinness-Buch der Rekorde.

Das war jetzt auch nicht Straelen 2.0, wie vielerorts zur eigenen Beruhigung diskutiert wird. Die Vorzeichen sowie Art und Weise der Niederlage seinerzeit absolut nicht mit der Niederlage gegen die SV Elversberg zu vergleichen. So wie unser Aufstieg bundesweit von vielen Fans verschiedenster Vereine begrüßt und fast bejubelt wurde, die großen Blätter landauf landab über Rot-Weiss Essen in plakativen Wörtern mehr als wohlwollend zu berichten wussten. Wenn dann noch Sascha Mölders RWE als Geheimfavoriten auf den Aufstieg in die zweite Bundesliga sieht und nicht wenige Fans in ihren Signaturen von einem Durchmarsch schwärmen: Vielleicht hat das alles auch nicht nur gut getan, sondern den Sokrates-Klassiker „wer glaubt, etwas zu sein (Meister), hat aufgehört, etwas zu werden (Drittligist)“ heraufbeschworen.

Es hat ja nicht an der Qualität der Mannschaft gelegen! Diese und direkt alles andere sofort wieder mit in Frage zu stellen, ist natürlich auch wieder so eine dieser Hafenstraßen-Anomalien und so gar nicht hilfreich. Es ist gut, dass unsere Mannschaft gleich nach diesem ersten Spiel einen Ligastopp einzulegen hat. So bleibt genug Zeit, das Spiel so lange in Dauerschleife anzuschauen, bis auch wirklich jeder weiß, was da schief gelaufen sein könnte. Gewollt hat dieses Spiel schließlich keiner. Also das Spiel unbedingt, aber nicht diesen Ausgang natürlich.

Davor:

Lange vor dem Spiel war die Welt natürlich noch in Ordnung, aus allen Ecken kamen die Fans zur Hafenstraße gepilgert, immer noch das Dauergrinsen des Aufsteigers im Gesicht. Wer sich dem Stadion zu Fuß über die Krablerstraße näherte, bekam aus einigen Häusern schon den „Oppa“ auf die Ohren. Fahnen schmückten manches Haus und kleine Kinder in Trikots winkten dem gröhlenden Tross, der zur Hafenstraße zieht, zu. Ein herrlich befreiendes Gefühl voller Vorfreude überall.

Dieses wurde dann vor Spielbeginn lediglich durch die teilweise defekten Boxen auf den Tribünen getrübt. Dies führte dazu, dass wir uns auf der „Gottschalk“ fast die Ohren zuhalten mussten, da wir nun extrem laut angebrüllt wurden, während auf der „Rahn“ teilweise und der „West“ wohl gar nichts mehr verstanden wurde. Das führte zu ungewollten Irritationen, die nicht nur das gewohnte Zelebrieren von „Oppa“ Und „Adiole“ durcheinanderbrachte, sondern auch die Ansprache und Schweigeminute zum Tode von uns Uwe Seeler fast gefährdet hätte. Aber wie auch sollten die vielen Fans auf der „West“ auch wissen, wann die Lieder angestimmt werden oder Zeit ist zu schweigen, wenn man nichts davon mitbekommt?

Und wir, die wir Gegenüber nichts von deren Dilemma drüben wussten, sondern nur die Unruhe bemerkten, fragten uns, warum immer weiter andere Gesänge und Klatschrhythmen initiiert werden, wenn doch unsere beiden Lieder kommen, die wir von Ultra bis Kutte immer alle gemeinsam singen? Ein irritierendes Szenario also von der Gegenseite aus betrachtet. So wurde letztendlich an Uwe Seeler gedacht, während sich der letzte rot-weiße Rauch noch zwischen West und Haupt verzog, vier Fackeln über einer Revolte Fahne leuchteten und endlich auch der letzte notorische Schreihals seine Klappe halten konnte. Es gab also keine Revolte im eigentlichen Sinne, sondern alles war defekter Technik geschuldet. Vielleicht hätten die Broilers oder Fanta 4 etwas von ihrem guten (Boxen-)Zeugs da lassen sollen. Kritik meinerseits grundsätzlich an der Choreo: Das Wort „Terror“ hätte man sich definitiv sparen können. Manchmal ist weniger einfach mehr.

Währenddessen und bald:

Nimmt man also die letzten zwanzig Minuten vor dem Spiel und addiert diese mit den ersten sechsundzwanzig Minuten des Spiels, hat man ein Zeitfenster, welches man wohlwollend als suboptimal bezeichnen konnte. Den drei Fans aus Elversberg, die sich in G1 verirrt hatten, wurde eben in dieser Phase zur eigenen Sicherheit nahegelegt, in einen der beiden Gästeblöcke nebenan zu wechseln. Das Angebot nahmen alle dankend an, schließlich war bei den eigenen Fans ja auch mehr als ausreichend Platz vorhanden. Man stelle sich einmal dieses seelen- und körperlose Gekicke einer Mannschaft von Rot-Weiss Essen irgendwann vor sechs oder sieben Jahren im Oktober vor: Die letzte Chance auf den Anschluss an die Tabellenspitze verspielt, alles versinkt wieder in Lethargie: Unsere Mannschaft wäre von den wütenden Pfiffen vom Platz gefegt worden.

So aber bewiesen die Fans auf den Rängen ihr feines Gespür dafür, dass unsere Mannschaft gerade selbst nicht wusste, wie ihr da auf dem Platz geschieht und daher Hilfe statt Häme benötigt. Und so wurde sich rund um die zweiundsiebzigste Minute erhoben, um noch einmal inbrünstig „Oh immer wieder…“ in den Backofen Hafenstraße zu schmettern. Dinge die helfen, die Krone wieder zu richten. Wir gewinnen und verlieren schließlich gemeinsam. Nach dem Abpfiff und auch schon davor wurde dann der Fokus lautstark auf den kommenden Gegner aus Duisburg gelegt. Dort treffen dann zwei angeschlagene Mannschaften des ersten Spieltags in einem Derby aufeinander. Es wird heiß hergehen im Wedaustadion, auf und neben dem Platz. Dafür braucht man kein Prophet sein. Wer dieses Spiel siegreich gestalten kann, darf das verlorene Auftaktspiel getrost als vergessen abhaken und sich ordentlich Rückenwind der Fans für die kommenden Wochen sicher sein. Ich bin schwer dafür, dass wir diejenigen sein werden, die dann Elversberg abhaken und vergessen können.