„Nun sei bedankt, mein lieber Schwan!“ (Richard Wagner)

Es klingt vielleicht etwas ungerecht der Mannschaft von Rot-Weiss Essen gegenüber, wenn ich schreibe, dass mein schönster Saisonmoment vergangenen Sonntag um ca. 14:02 Uhr in Nordhorn während der nachmittäglichen Hunderunde stattgefunden hat. Das Handy brummte und es ploppte die Nachricht vom Ausgleich des FSV Zwickau kurz nach Beginn der zweiten Halbzeit in Wilhelmshaven als Gast des VfB Oldenburg auf. Ein Aufschrei, fast zog es mich gar zu Boden.

Das erste Tor der Oldenburger noch am TV mitbekommen, wollte ich mir das dann lieber doch nicht weiter anschauen und weidete mich in meinem RWE-Fatalismus. Doch änderte dieses Ausgleichstor unerklärlich einiges, wandelte Angst vor dem Abstieg in einen Schwanensee bis zum Abpfiff der Begegnung im Jade-Stadion. Rot-Weiss Essen hat auf der vielzitierten Couch die Klasse gehalten und es bleibt einfach nur zu sagen: Danke FSV Zwickau für diese couragierte Leistung trotz schon feststehenden eigenen Abstiegs. Der VfB Oldenburg ist nach dem Ausgleich regelrecht zusammengeknickt und hat es dann einfach nicht mehr hinbekommen.

Und genau da lag bis zum Ausgleich meine Angst begründet: Hätte der VfB seine letzte Chance auf den Klassenerhalt gewahrt, und die Schwäne meinetwegen mit 3:0 bezwungen, dann wären wir dermaßen in der Verlosung drin gewesen, und hätte der eh schon fast unmenschliche Druck auf Mannschaft und Verein noch ungeahntere Ausmaße angenommen. Ich hätte schlimmes für das letzte Heimspiel gegen einen immer unangenehmen SC Verl befürchtet. Aber nun ist es vorbei, dieses bleierne Gefühl, alles in einer Saison zu verspielen, worauf wir vierzehn lange Jahre gewartet haben. Wenn der Berg nicht zum Propheten kommt, muss der Klassenerhalt eben zu RWE gehen.

Fast schon zynisch, dass der FSV Zwickau durch eigenes Leid im Grunde genommen gleich zweimal unseren Drittliga-Poppes gerettet hat. Aus der Erfahrung der vergangenen Wochen und Monate glaube ich nämlich nicht unbedingt, dass wir das Spiel in Zwickau noch gewonnen hätten. Aber es ist jetzt natürlich müßig, sich darüber noch Gedanken zu machen. Wir blieben drin, und Aufstiegshelden bleiben Aufstiegshelden. Auch das ein wichtiger Fakt meiner Gefühlslage. Ich hätte es kaum ertragen können, wenn diejenigen, die uns zum Aufstieg verholfen haben und nicht bleiben dürfen, nun als Absteiger verlassen müssten. So können wir sie nun gebührend verabschieden und sie ihrerseits voller Stolz einer neuen sportlichen Aufgabe entgegensehen.

Engel, Herze und Ötzi (stellvertretend genannt), glaubt nicht, dass wir jemals vergessen, was Ihr und Eure Mitspieler für Rot-Weiss Essen und für uns Fans mit dem Aufstieg und der einzigartigen Pokalsause geleistet haben. Und natürlich auch mit dem Klassenerhalt, denn sicherlich ist dieser nicht nur dem FSV Zwickau zu verdanken. Wir hatten auch den einen oder die anderen schönen Momente diese Saison, die dann tatsächlich zu den Punkten geführt haben, die uns immer über dem Strich hielten. Zwischendurch haben wir uns aber zu sehr darauf ausgeruht, das war vielleicht inhaltlich eher kontraproduktiv. Würde die Saison noch länger dauern, wären wir eventuell doch noch abgestiegen, so wie sich die Dinge entwickelt haben.

Gewinner des vergangenen Spieltags die Fans des VfB Oldenburg! Wie stolz und würdig mit dem Abstieg umgegangen wurde, das nötigte unglaublich viel Applaus ab. Der Zusammenhalt zwischen Mannschaft und Fans war spürbar. Ein ähnliches Szenario bei Abstieg hätte es bei uns leider wohl nicht so gegeben. Das mit dem nachhaltigen Respekt müssen wir noch hinbekommen.

„Vollidiot“

Bis zum Ausgleich der Münchner Löwen war so weit alles in Ordnung, es gab ja auch erstaunlich viel Aufregendes von unserer Mannschaft zu sehen bis dahin. Auf jeden Fall so vieles von dem, was wir speziell in Meppen vermisst hatten. Spielerische Magerkost waren wir schon seit längerer Zeit gewohnt, aber nun gesellte sich auch noch fehlende Hingabe hinzu. Glücklicherweise hat das unsere Mannschaft wohl selbst auch so gesehen und zeigte gegen München Blau von Anbeginn an eine ganz andere Leidenschaft.

Stellvertretend dafür das Solo von Lawrence Ennali bis an die Grundlinie und die akrobatische Abnahme von Ron Berlinski, die tatsächlich sogar noch gefährlich auf das Tor kam. Oder die gigantische Rettungstat von Rios Alonso, bei der wohl so ziemlich jeder Fan eher mit einem Elfmeter rechnete, anstatt sich Sekunden später in torjubelähnlicher Ekstase von Spieler und Heimtribünen wiederzufinden. Und können wir endlich mal aufhören, ständig nur über Ballverluste von Isi Young zu lamentieren, anstatt mal festzuhalten, dass er unseren beiden Toren assistiert hat und mit Pferdelunge versehen immer wieder die Bälle nach vorne schleppt, wenn es sonst kein anderer macht? Der Blut spritzende und frisch tamponiert in die Runde grinsende Berlinski machte das Bild dann so richtig rund. Allen Unkenrufen zu Trotze hat die Mannschaft von Rot-Weiss Essen bewiesen, dass sie lebt, wie es so schön heißt.

Sie wollte das Drama Klassenerhalt endlich klären. Und das wollten auch die, die uns verlassen müssen. Feines Gespür hier auf der Tribüne in Richtung Simon Engelmann, Oguzhan Kefkir und Felix Herzenbruch mittels Produktlinie aus dem Tapetenfachhandel. Vor allem für Ötzi hat es mich sehr gefreut, kochten die Emotionen da nie so hoch wie bei den beiden anderen genannten. Im Falle von Felix Herzenbruch werde ich es weiterhin nicht verstehen, dass von Vereinsseite kein Angebot für eine Weiterbeschäftigung erfolgt ist. Selten wurde eine positive sportliche Entwicklung im Laufe einer Saison so wenig belohnt wie in seinem Falle. Zuzüglich Kapitänsbinde, Eintrag in die Torschützenliste und optimaler Außendarstellung. Was muss man denn als Spieler noch mehr anbieten?

Zurück zum Spiel: Es herrschte also nicht nur am Himmel eitel Sonnenschein, der den einen oder anderen Sonnenbrand zur Folge hatte. Eigentlich hatte es doch immer nur geregnet in unserem Zuhause. Der Klassenerhalt also greifbar nahe, bis zur 65. Minute, da fiel der Ausgleich. Und justament kippte auch die Laune einiger in G1. Nicht, dass sie trotzdem schon auch vorher gemeckert hatten, aber nun wurde so ziemlich jeder Spieler bei einer nicht gewinnbringenden Aktion als „Vollidiot“ bezeichnet. Nach dem 1:2 war eigentlich nur noch Vollidiot zu hören, oder wilde Pöbelei über das Bemühen unserer Spieler. Irgendwann reichte es dann, und mir platzte der Kragen, um für etwas mehr Respekt zu werben. Ich bilde mir ein, es hat gewirkt, denn weitere Beleidigungen in Richtung unserer Spieler blieben danach aus. Gerne können wir gegen Verl darauf zusammen in G1 ein Stauder trinken, aber dieses Kontra musste sein, sonst wäre ich selbst auch eskaliert.

Wo ist er hin, der Respekt vor unseren Spielern? Selbst nach dieser sportlichen Wiedergutmachung weit über eine Stunde bis zum ersten Gegentor und darüber hinaus? So geht das nicht, so können wir nicht mehr miteinander umgehen. Das hat nichts mit rauer Hafenstraße oder Ruhrpott-Charme zu tun, das ist einfach nicht mehr in Ordnung. Wenn doch alles so scheiße ist, dann kann man einfach auch vor sich hin schimpfen und gehen. So als Alternative. Oder unterstützen, wenn ich denn trotz Gegentor die Bemühungen erkenne. Und die waren im Gegensatz zum Meppen Spiel absolut vorhanden. Dort war es völlig in Ordnung, die Unterstützung einzustellen, so sprachlos, wie wir im Gästeblock gespielt wurden. Aber gegen 1860, das war doch ein ganz anderes Auftreten. Das muss doch auch mal honoriert werden. Natürlich gab es in den vergangenen Wochen viele Dinge auf dem Feld zu bemängeln und spielerisch wurden wir wirklich um die Freuden der 3. Liga gebracht, die wir uns nach so vielen tristen Jahren erhofft hatten. Aber das rechtfertigt in keinster Weise, dass wir die Spieler, die unsere Farben vertreten, dann einfach nach Belieben lautstark durchbeleidigen dürfen.

Und musste das sein, schon vor so einem wichtigen Spiel gegen den Trainer zu agieren und damit der Mannschaft ebenfalls eher zu schaden als zu nutzen? Wenn wir das alles aufzählen, was unsere Mannschaft auch durch uns Fans diese Saison auszuhalten hatte, da bin ich manchmal froh, dass sie überhaupt noch so engagiert für Rot-Weiss Essen zu Werke gehen. Diese Saison ist anstrengender als alle vierzehn anstrengenden Saisons davor zusammen. Und das soll wirklich was heißen! Da braucht es keinen Kleinkrieg gegen den Verein, den man doch über alles liebt. Ich dachte immer, wir gewinnen und verlieren zusammen. Aber scheinbar ist dem nicht mehr so. Wir gewinnen natürlich alle zusammen und natürlich nur durch die Unterstützung der Fans. Aber wenn wir verlieren, dann waren es nur die Versager oder Vollidioten auf dem Feld oder an der Seitenlinie?

Ja, klar, die Mannschaft hat das Spiel gespielt, und der Trainer hat sie darauf vorbereitet. Da können wir noch so großartig anfeuern, unser Einfluss darauf ist nun mal begrenzt. Aber wir könnten versuchen, jedes Ergebnis in Würde zu ertragen. Und es ist im Kontext Verein – Mannschaft – Fans nicht immer nur Verein und Mannschaft, die verliert. Manchmal treffen auch wir Fans falsche Entscheidungen, haben einen schlechten Tag erwischt oder was auch immer. Jetzt  haben wir nur noch zwei Spiele in der Liga, sind immer noch nicht gesichert. Vielleicht können wir da mal alle Ressentiments beiseitelegen und unseren Teil dazu beitragen, dass unser Verein, der über allen Befindlichkeiten stehen sollte, endlich diesen verflixten Klassenerhalt eintüten kann. Danach kommt hoffentlich alles auf den Tisch des Hauses, was das erste Jahr in der 3. Liga angeht. Es gibt sicher viel zu analysieren, da bin ich mir sicher. Denn eines ist klar: Wer meint etwas zu sein, hat aufgehört, etwas zu werden.

Lasst uns nun gemeinsam „Klassenerhalter“ werden und ein gelöstes Pokalfinale gegen RWO spielen. Und dann sollten wir auch noch einigen Aufstiegshelden einen mehr als gebührenden Abschied bereiten. Drei Spiele gemeinsam!

Auf dem Jakobsweg (Kolumne #189)

In der Woche vor dem 14.Mai 2022 hat im Dunstkreis von Rot-Weis Essen wohl kaum jemand wirklich geschlafen. Spätestens nach dem Patzer der heiligen St.Preußen und dem tags darauffolgenden Auswärtssieg in Lotte gegen Rödinghausen war klar: Die Aufregung auf das zwischenzeitlich fast Unmögliche machte es kaum möglich, irgendwie zur Ruhe zu kommen. Das eruptive und anschließend feuchtfröhliche Ende ja noch bestens bekannt.

Exakt ein Jahr später stehen wir wieder vor einem möglicherweise entscheidenden Spiel an einem 14.Mai. Diesmal sind die Vorzeichen allerdings ein wenig anders gelagert, auch wenn eine Sache identisch sein dürfte: Wir schlafen allesamt wieder sehr wenig, sofern wir es mit unserem RWE halten. Den mehrheitlich spielerisch suboptimalen Auftritten der letzten Wochen kam in Meppen dann eine noch schlechtere erste Halbzeit obendrauf, die den Grundstein dafür legte, dass man von einem fast schon designierten Absteiger eine Lehrstunde in Sachen Leidenschaft für das getragene Trikot aufgezeigt bekommen hat.

Es war also wieder nicht an der Zeit, diesen verflixten Klassenerhalt zur Beruhigung so vieler Nerven endlich eintüten zu können. Irgendwie fast schon fatal: Immer, wenn die Tabellenkonstellation auch optisch einen richtigen Sprung nach oben ermöglicht hätte, haben wir dankend abgelehnt und sind lieber kurz über dem Strich geblieben. Glücklicherweise immer mit freundlicher Unterstützung der unter uns stehenden Mannschaften. Und einer stets bärenstarken Leistung von Jakob Golz.

Das sollte an dieser Stelle endlich explizit erwähnt werden. Zu oft sah sich Jakob Golz allein einem gegnerischen Stürmer gegenüber und wehrte in einem fantastischen Reflex den Ball ab. Sein Umgang bei Eins-gegen-eins-Situationen dürfte auch bei Handball- und Eishockeytorhütern respektvolles Nicken zur Folge haben. Auch seinetwegen also stehen wir noch über dem Strich. Gegen die Münchner Löwen nun brauchen wir aber wieder die ganze Mannschaft. Ohne Wenn und Aber. Ohne persönliche Befindlichkeiten. Schließlich mucken speziell Halle und Meppen nochmal so richtig auf und deshalb bietet sich doch der 14.Mai 2023 geradezu an, ihn wieder zu einem rot-weißen Feiertag werden zu lassen. Wenngleich dann etwas gedämpfter und wohl mit einem blauen Auge versehen.

Über die kolportierte Reaktion von Isi Young nach dem Spiel Richtung Meppener Bank musste ich eher schmunzeln, als dass ich mich darüber aufregen würde. Zeigt es doch, dass bei uns noch Emotionen sind und nicht nur Lethargie übernommen hat. Wenn sich dann noch ein Ernst Middendorp darüber echauffiert und ein Fass aufmacht, dann würde ich sagen: Darauf eine Bratwurst.

Gleich viele Fässer machen wir Fans traditionell auf, wenn es um RWE geht. Einerseits die mit feinstem Stauder, andererseits immer mal wieder welche, deren Inhalt gerüchtemäßig zwischen GZSZ und Freizeit Revue variiert. Wenn es dann nicht zeitnah vom Verein verifiziert oder via Pressemeldung bestätigt wird, heißt es gerne, dass der Verein ein Kommunikationsproblem hat. Ich weiß nicht, für mich ist das eher ein kompetenter Umgang mit den Dingen, nicht über jedes Stöckchen zu springen und sich auf das Wesentliche zu beschränken. Gibt es dann was fundiertes zu vermelden, so bekommen wir es doch immer zeitnah mitgeteilt.

Und ganz ehrlich: Manches müssen wir auch einfach nicht wissen, das gibt der Status Fan formal auch einfach nicht her. Vielmehr hoffe ich doch, dass ausschließlich intern alle Dinge besprochen und aufgearbeitet werden. Denn wichtig is…genau!

Wer einmal mit dem Löwen Samba tanzt, der schnarcht auch ohne Zähne.

Auf einmal saß er da. Die Nachbarn der ersten Hälfte konnten sich das Gewürge der eigenen Mannschaft in Meppen vielleicht nicht mehr antun. Oder sie waren solidarischer im Umgang mit den eigenen Fans als diejenigen „Kollegen“, die den kompletten ersten vier Sitzreihen im so schon kleinen Sitzplatzblock des Emslandstadions einfach mal die Sicht versperrten, indem das große Banner einer Fangruppierung dort platziert wurde. Wie egoistisch kann man eigentlich sein? Ist der eigene Lappen wichtiger als die Befindlichkeit dutzender Fans, die sich ebenfalls auf den weiten Weg nach Meppen gemacht haben und viel Geld für ein Ticket bezahlt haben? Nee, das war so nicht in Ordnung und kann ja vielleicht Szeneintern nochmal besprochen werden.

Aber zurück zu dem plötzlich und unerwartet aufgetauchten Fan, der möglicherweise schon als ganz junger Fan in Hannover vor Ort war, und die Meisterschaft im Stadion bejubeln durfte. Um mal einen Eindruck davon zu bekommen, von welcher Alterskategorie wir hier schreiben. Stolz hielt er die Fahne in der einen und den Gehstock in der anderen Hand. Aber die Augen und die Stimme verrieten große Sorge nach dieser ersten Halbzeit gegen den designierten Absteiger SV Meppen.

Ironischerweise hat einmal mehr mit Felix Herzenbruch noch derjenige den meisten Einsatz auf dem Feld gezeigt, der unverständlicherweise in der kommenden Saison nicht mehr das Trikot von Rot-Weiss Essen tragen darf. Das so viele Fans in seinem speziellen Falle etwas allergisch reagieren, hat nichts mit irgendeiner Verklärung oder so zu tun. Hier geht es ausschließlich um die Anerkennung einer sportlichen Leistung in dieser so anstrengenden ersten Drittligasaison seit ewigen Zeiten. Es geht auch nicht darum, unseren neuen sportlichen Verantwortlichen schon im Vorfeld das Vertrauen zu entziehen. Aber wenn wir gewohnt sind, miteinander Tacheles zu reden, so darf dann auch mal die Reaktion erfolgen, dass das so für uns nicht in Ordnung war. Ich bin immer noch dafür, sich nochmal zusammenzusetzen. Gefühlt bekommt zudem derjenige kein Arbeitspapier, der fast als einziger keine gesundheitlichen Ausfälle zu verzeichnen hatte. Und wir sind ja wirklich gebeutelt in unserer Premierensaison, was Krankheiten und Verletzungen angeht.

Ich bin nun also sehr gespannt, was die neuen Ideen rund um RWE angeht, und wann die ersten Neuverpflichtungen auf uns warten. Was nun den Abschied von Simon Engelmann angeht, so ist auch das schade, denn seine Tore haben einen großen Anteil am Aufstieg und an dieser unnachahmlichen Pokalsause in ansonsten tristen Corona-Zeiten. Aber hier steht der Wunsch nach Veränderung im Einklang mit der familiären Situation, und das gilt es zu respektieren. Etwas befremdlich finde ich dann allerdings immer, wenn Spieler sich schon im klassischen Fotoformat mit neuem Trikot bei aufnehmendem Verein zeigen, während sie noch bei abgebendem Verein unter Vertrag stehen. Das sollte anders geregelt werden, denn „Engel“ ist noch Rot-Weisser. Und als solcher hat er nun noch alles dafür zu geben, dass er die Hafenstraße ausschließlich als Aufstiegsheld verlässt.

Ich bin frohen Mutes, dass er das nicht nur tun, sondern auch noch mit Toren garnieren wird. Kein Aufstiegsheld möchte ein gutes Jahr später als Abstiegsdepp dastehen. Auch Oguzhan Kefkir muss seinen Spind nach dieser Saison räumen. Und auch hier tut es mir sportlich sehr leid, denn ich habe ihn nie so kritisch gesehen, wie es gelegentlich der Fall war. Ich mochte sein Spiel. Danke für alles, lieber „Ötzi“! Na ja, im Grunde genommen können sämtliche Befindlichkeiten auch mit dem normalen Lauf im Fußball umschrieben werden. Da gibt es schließlich immer Umbrüche, nach der Saison ist vor der Saison, und wie schon der große Willy Brandt wusste: „Besinnt Euch auf Eure Kraft und darauf, dass jede Zeit eigene Antworten will“.

Wir Fans von Rot-Weiss Essen sind also schon so richtig gespannt auf die Antworten, die wir auf unsere vielen Fragen in Sachen Kaderplanung bekommen. Und vielleicht würde ich mir auch wünschen, Christoph Dabrowski nur einmal in anderen Klamotten am Spielfeldrand agieren zu sehen. Vielleicht würde ein solcher Kniff mal der berühmten Küchenpsychologie unter die Arme greifen und etwas Neues suggerieren. Einfach mal ein Spiel in Rot coachen. Wir haben da doch genug Schickes im Fanshop.

Sonntag also wieder einmal ein Spiel von immenser Wichtigkeit. Und dann auch noch um diese unchristliche Uhrzeit. Den anreisenden Fans der Löwen mag das egal sein, Weißwurst und Weißbier gibt es eh zum Frühstück. Aber an der Hafenstraße ist 13:00 Uhr eine Anstoßzeit, die höchstens für das erste Konterbier taugt, da man eigentlich gerade erst zu Bett gegangen ist. Es nutzt aber alles nicht, Sonntag muss nicht nur unsere Mannschaft mal wieder aus dem Tal der Untätigkeit aufwachen, sondern auch wir Fans. Wir sollten unseren Verein dermaßen laut besingen, so dass den Löwen in ihrer tabellarischen Einöde die Ohren klingeln. Der Mannschaft helfen, endlich den Deckel drauf zu machen, damit der Problempraktikant RWE für ein weiteres Jahr planen kann und übernommen wird. Meppen war gestern, Sonntag ist Klassenerhalt.

Bier bewusst genießen.

Ein Schiedsrichter wurde gezielt Zielscheibe einer Ladung Bier mitten ins Gesicht. Der Werfer hat sich dazu ganz bewusst den Weg Richtung Tribünenmitte gebahnt, um so sicher wie nur möglich zu treffen. Herzlichen Glückwunsch, das hat prima geklappt. So gut, dass nun ein richtig hoher Preis dafür fällig wird. Für den gastgebenden FSV Zwickau zum einen, aber auch für den Helden des Tages selbst. In diesem Falle: Hoffentlich! Die einmal mehr weit gereisten Fans des RWE bekamen für ihren wie immer hohen monetären Aufwand somit leider nur die Hälfte des Spiels beim FSV Zwickau geboten. Und auf die Punkte muss man auch noch warten.

Es ist richtig, dass der Unparteiische diese Entscheidung getroffen hat. Da sollte es keine zwei Meinungen geben, auch wenn die Kommentarspalten natürlich wie zu erwarten voll von Meinungen sind, die dem Schiedsrichter nun mimosenhaftes Gehabe unterstellen. Im harmlosesten Falle natürlich. Wir kennen mittlerweile derlei Auswüchse zu Genüge und realistisch betrachtet: Dieses Rad der digitalen Geschichte werden wir leider nicht mehr zurückdrehen können, dazu sind wir Menschen zu unsolidarisch. Die Gilde der Unparteiischen in sicher ziemlich vielen Sportarten kämpft also den Kampf, den schon Don Quijote gegen die Windmühlen geführt hat.

Für viele Fußballfans ist die Bierdusche zwar das Parfum der Stehränge, der Duft von Toren und Triumph. Ein Zeichen hemmungsloser Emotion und Freude. 

Aber diese gesehene Handlung nach dem Halbzeitpfiff der Begegnung FSV Zwickau – Rot-Weiss Essen hatte nichts davon. Sie sollte als Befriedigung der eigenen sportlichen Frustration dienen. Inhaltlich war der Frust anhand der zwei zuvor getroffenen Entscheidungen gegen die eigene Mannschaft sogar noch nachvollziehbar. Wie hätten wir als RWE-Fans da empfunden? Emotional sicher genauso. Und wie immer ist die Schiedsrichterei für eine Fanseite so gut wie niemals unparteiisch. Wir wissen ja schon oftmals vor Anpfiff, das der angesetzte Schiri niemals für uns pfeift, da er doch damals in XY den Elfmeter gegen uns gepfiffen hat. Und oftmals bestätigt natürlich der Spielverlauf die eigene negative Haltung. Der Fußballfan an sich fühlt sich im Kern seiner Leidenschaft immer durch Fehlentscheidungen auf dem Feld in seinem Wohlbefinden bedroht. 

Rechtfertigt das aber eine solch übergriffige Handlung? Absolut nicht. Was käme denn dann als nächstes? Teeren und Federn mit Pommes und Mayo? Oder müssen Trikot und Pfeife vor der Kurve niedergelegt werden? Früher wussten wir lediglich, wo sein Auto steht. Heute wollen wir es direkt abfackeln. Nee, das geht so nicht weiter. Aber wenn doch, dann sind es ausnahmsweise mal nicht die Verbände, die unser Spiel bedrohen, sondern wir selbst. Denn wer möchte in Zukunft noch Schiedsrichter werden, wenn er oder sie Gefahr läuft, nur noch Zielscheibe von Hass und Häme zu werden. Schiedsrichter leiten ein Spiel. Und somit sollte ihnen schon dafür Respekt gezollt werden. Unabhängig eben davon, wie man mit der Leitung je nach Vereinszugehörigkeit zufrieden ist. Aber wenn eines Tages keiner mehr die Spielleitung übernehmen mag, dann kann eben nicht mehr gespielt werden. So einfach ist das! 

Leider sind es nicht nur wir Fans und das gesellschaftliche Spiegelbild, die Anteil daran haben, dass Unparteiische immer öfter zu Freiwild werden: Es ist da auch der VAR der im Ansatz an seiner eigenen Idee erstickt ist, und die Schiedsrichter und Schiedsrichterinnen immer öfter als Deppen der Nation dastehen lässt. Viele von ihnen kommen gar nicht mehr dazu, in den quälenden Minuten der Kellersichtung auf dem Feld eine souveräne Figur abzugeben. Und auch das Verhalten der Spieler hat in den vergangenen Jahren immer mehr zum Verlust des Respekts den Schiedsrichtern gegenüber beigetragen. Ein erfolgter Pfiff hat zu oft zur Folge, dass alle wie wild auf den Mann oder die Frau an der Pfeife zustürmen, herumbrüllen, an die Wäsche gehen und so weiter und so fort. Oder diese peinlichen theatralischen Darbietungen, die einen Pfiff hervorrufen sollen und doch nur eine Schwalbe sind. Das Fordern von Karten, auch so ein No Go.

Es gibt also so viele Mechanismen, die das Amt und die Würde eines Schiedsrichters so unglaublich erschweren. Ja, Nicolas Winter hat keine guten fünfundvierzig Minuten erwischt, um beide Fanseiten von einer souveränen Leistung sprechen zu lassen. Aber er hat eine gute Entscheidung im Sinne des Fußballs und dem Respekt ihm gegenüber getroffen. Wer würde denn von uns gerne weiter Kunden bedienen, nachdem diese uns aus Unzufriedenheit über die Beratung einen halben Liter Bier ins Gesicht „geschmissen“ haben?

Genau! 

Die Kolumne, die aus dem Fenster stieg und verschwand, weil sie von der Aktualität überholt wurde.

Geschrieben nach dem Spiel in Dresden aber noch kurz vor der Demission von Jörn Nowak. Gänzlich überholt also von der Tagesaktualität. Ich verweise an dieser Stelle einfach auf den letzten Satz dieser Kolumne. Ein Satz für die Ewigkeit. Lieber Jörn Nowak, danke für die Maloche der letzten vier Jahre. Und alles Gute für die Zukunft. Und falls es etwas tröstet: Der Name Jörn Nowak wird an der Hafenstraße wie einige andere auf Lebzeiten mit dem Prädikat „Aufstiegsheld“ verbunden sein.

Kommenden Sonntag kommt unser Punktbester mit den Baracklern vom Waldhof in hochoffizieller Mission zurück an die Hafenstraße. Im notorisch unruhigen Umfeld des SV Waldhof sieht man dieses Spiel bei unserem RWE als die mal wieder allerletzte Chance an, doch noch proaktiv im Aufstiegsrennen mitzumischen. Im notorisch unruhigen Umfeld von Rot-Weiss Essen hingegen steht dieses Spiel dafür, weiter den Abstandhalter über dem Strich auf Kurs zu halten. Das Klassentreffen des 1907er Jahrgangs ist somit durchaus als Wegweiser für den Saisonendspurt zu bezeichnen. Dadurch bedingt ist es wohl nur vor dem Spiel an uns, Christian Neidhart einen durchaus warmen Empfang zu bereiten. Den hat er sich als „so gut wie“ Aufstiegstrainer wahrlich verdient.

Bei Anpfiff hat es sich dann aber auch direkt mit der Sympathie erledigt: Sollte Christian Neidhart eventuell ein zweites Mal an unseren Roten scheitern, bedeutet es doch nichts anderes als drei Punkte auf unserer Habenseite. Und nur das zählt. Mit im Bus der Waldhofer sitzt wohl auch Bentley Baxter Bahn. Was ein Fest für jeden Stadionsprecher, diesen schönen Namen ankündigen zu dürfen. Gut, nehmen wir den Unseren mal raus, denn mit dem rollenden R kann man hier nicht glänzen. Aber wer kann schon von sich behaupten, in seinem Namen einen britischen Automobilhersteller, ein US-amerikanisches Pharmaunternehmen und die  Deutsche Bahn zu vereinigen? Wer nun auch immer für den SV Waldhof auflaufen wird, er wird definitiv nicht auf Björn Rother treffen, der ist aktuell ein Roter durch und durch. Gesperrt auch Felix Herzenbruch, bei dessen zupackender Spielweise wirklich höhere Mächte am Start gewesen sein durften, um ihm den Traum vom Spiel vor den über 30.000 in Dresden zu erfüllen. Aber dort gab es sie dann doch, die fünfte gelbe Karte.

Das war ja auch was im Rudolf-Harbig-Stadion zu Dresden. Allein in der ersten Halbzeit hätte der VAR auf Dresdener Seite ungeahnte Sympathiewerte erreicht, waren wir doch diesmal auf der guten Seite der Fehlentscheidungen. Endlich Mal, so egoistisch darf man dann sein. In der zweiten Halbzeit gab es wohl von Anfang an die Aufforderung für die Dynamos, sich im Strafraum nur noch wälzend, stolpernd oder Rudel bildend aufzuhalten. Möchtegern-Enforcer auf Dresdner Seite hierbei der Sportskamerad Kutschke. War schon recht peinlich. Nicht mal ansatzweise peinlich, sondern einfach nur dreist und fassungslos machend die Aktion einiger RWE-Fans, sich ohne Ticket in einen ausverkauften Bus der FFA zu pflanzen. Selbst wenn es möglicherweise organisatorische Schwachstellen gab, oder Zeitdruck auf allen lastete: Das macht man einfach nicht. Da wurde eine Solidargemeinschaft unter der Fahne von Rot-Weiss Essen mit Füßen getreten. Hoffentlich ist hier schon eine Entschuldigung erfolgt.

Grundsätzlich aber sei einmal ein dicker Dank an alle gerichtet, die ihre Freizeit dafür opfern, um diese Saison möglichst viele Fans gemeinsam und kostengünstig in die Auswärtsstadien der 3. Liga zu bringen. Für die kommende Saison winken auch schon hochinteressante Auswärtsfahrten und Sehenswürdigkeiten aus der Ferne: Das Holstentor in Lübeck ganz sicher, der Strand von Warnemünde bei Rostock eventuell und möglicherweise auch das Ulmer Münster. Münster selbst auch. Wir biegen also auf die Zielgeraden einer unglaublich emotionalen ersten Saison in der 3. Liga ein. Und es war natürlich kein bisschen entspannter als bei den vielen Dramen der vergangenen Saisons. Den langen ruhigen Fluss können wir einfach nicht

Seniorenapplaus.

Markus Höhner hatte vergangenen Samstag seinen Spaß am Mikrofon der übertragenden Sendeanstalt. Wasserball im Stadion ist ja nun auch nicht alle Tage. Je mehr das Spiel im Matsch der Hafenstraße an Fahrt aufnahm, desto flüssiger kamen die flotten Sprüche. Der rote Faden „Trikotcontest Ron Berlinski“, Pottfolklore en masse und vieles mehr an diesem Nachmittag im Verbalportfolio vertreten. Selbst an die Synchronisierung vermeintlicher Dialoge zwischen Spieler und dem Unparteiischen traute sich Markus Höhner ran. Alles glücklicherweise eingebettet in eine objektive Berichterstattung unter Verzicht auf das Geschrei mancher Kollegen, sobald der Ball auch nur ansatzweise den Mittelkreis verlassen hat.

Es geht natürlich nichts über den Stadionbesuch. Aber wenn ein Stadionbesuch mal nicht geht, dann war diese Übertragung des Spiels gegen den SC Freiburg die Kirsche auf der leckeren Spieltorte. Endgültig zertifiziert mit dem Satz „Engelmann bekommt seinen Seniorenapplaus“. Aber eines ist klar: Die gesteigerte Freude an der Übertragung ging komplett mit der wunderbaren Leistung unserer Mannschaft einher. Ansonsten hätte das natürlich nicht funktioniert. Rot-Weiss Essen hat dem Tabellenzweiten aus Freiburg eine heroische Seeschlacht geliefert und so einen unglaublich wichtigen Sieg erkämpft.

Und da wären wir direkt wieder bei dem Spieler, der am Samstag sogar Kapitän zur See war und einmal mehr eine tadellose Leistung abgeliefert hat. Mittlerweile fragen sich immer mehr Fans, was Felix Herzenbruch noch anstellen muss, um auch in der kommenden Saison verdientermaßen das Trikot von Rot-Weiss Essen zu tragen. Mehr geht ja gar nicht, als der Reihe nach: Stammspieler, Torschütze, Abräumer, Gesicht des Vereins, Kapitän. Aber sollte es immer noch nicht reichen, wir hätten da noch ein paar Ideen: Karsamstag in Dresden, Jakob Golz rettet in der Nachspielzeit beim Stande von 1:0 für unseren RWE vor dem heranstürmenden Stefan Kutschke und sieht dafür die rote Karte. Felix Herzenbruch geht ins Tor und hält irgendwie den fälligen Elfmeter. Im darauffolgenden Heimspiel gegen den Waldhof versagt Walter Ruege die Stimme, kurz bevor er auf den Platz gehen will. Kurzerhand schnappt sich Felix Herzenbruch das Mikrofon und erledigt Walters Job während des Aufwärmens.

Es bleibt also spannend, was die Kaderplanung für die kommende Saison angeht. Was den Saisonverlauf an sich angeht, so wurde aus der stürmischen See der Vorwoche direkt nach Abpfiff Samstag ein etwas ruhigeres Gewässer. Noch vor dem Freiburg Spiel herrschte bei einigen ja schon schiere Panik vor einem direkten Abstieg. Der sukzessive Verlust des Punktepolsters ließ bisweilen jegliche Rationalität vermissen. Die rot-weissen Synapsen schalten dann einfach nicht mehr geordnet, werden bei nicht wenigen toxisch und bahnen sich ihren Weg in die Kommentarspalten. Dann kommt ein wirklich ganz schlechter Pokalauftritt hinzu und schon ist die Forderung klar: Köpfe müssen rollen. Das ist natürlich auch ein wilder Wellenritt durch die Saison, den wir mit unserer Mannschaft da hinlegen, aber wir sollten endlich mehr Vertrauen zeigen. Gerade auch in die Arbeit von Christoph Dabrowski und seinem Trainerteam. Wir sind und bleiben bis Saisonende Aufsteiger. Nicht weniger, aber eben auch nicht mehr.

Da geht es zumeist nur gegen den Abstieg. Ja und dann sind wir ja Immer noch Rot-Weiss Essen. Wir können nicht normal, sondern leben gefühlt immer nach diesem Zitat aus einer ehemaligen TV-Serie:

Weißt du, in Extremsituationen da reagieren Menschen anders als wie sie normalerweise reagieren. Sie reagieren in Extremsituationen extrem, also ist was in einer Extremsituation passiert als nicht geschehen zu werten, denn es ist extrem und wäre nicht geschehen, wenn es die Extremsituation nicht gegeben hätte.

TV Serie „Berlin, Berlin“ 2005

Nur gut, das Marcus Uhlig und Jörn Nowak stets besonnen reagieren und sich immer vor die Mannschaft werfen. Aber nochmal zurück zu den Wasserspielen gegen den SC Freiburg: Die Entstehung des zweiten Tores auf diesem Untergrund nebst Vollendung durch ausgerechnet Ron Berlinski, das kann man sich einfach nicht ausdenken. Das ist Freude pur. Für uns, für RWE, aber vor allem auch für Ron Berlinski selbst. Drei Punkte für etwas mehr Seelenfrieden, für einen entspannteren Ausblick auf die beiden kommenden Begegnungen und für das Überhaupt.

Vielleicht sogar noch wichtiger als die drei Punkte die Szenen nach Abpfiff, Lawrence Ennali gegenüber. Hier haben ganz viele etwas reparieren können, was ganz wenige zerstört haben. Und jetzt schaue ich mir noch einmal das ganze Spiel von Samstag an. Weil`s so schön war. Und weil Markus Höhner ebenfalls einen Sahnetag erwischt hat. 

Ein düsterer Abend

Ich dachte, den größten Verlierer des Pokalabends unter der Woche im schummrigen Flutlicht von Bocholt hätte ich in der 80. Minute am Monitor gesehen: Ecke 1.FC Bocholt und im Hintergrund des leider unscharfen Streams zeigt sich, wie sich ein Besucher hinter den Zaun an diesen bewegt, um dann in hohem Bogen seinen vollen Becher Richtung ausführender Spieler des 1.FC Bocholt zu werfen. Wie schade, dass der Stream qualitativ wirklich nicht seine 10€ wert war, denn sonst hätte sich der Werfer diese Heldentat nochmal im Nachgang anschauen und ein Screenshot davon machen können. Die Familie hätte sich sicher über ein gerahmtes Foto von dem Auftritt gefreut.

Aber das war es ja leider noch nicht ganz mit den Dingen die an diesem allein schon sportlich sehr anstrengendem, Abend einfach keinen Platz haben sollten. Geht es eigentlich noch, die eigenen Spieler einmal mehr zu beleidigen, wenn es gerade auf dem Feld nicht genehm ist? Gar rassistisch anzugehen? Setzt dann der Verein tags darauf ein Zeichen und reagiert via Statement, dann zeigt sich mal wieder, dass das Feld der medialen Kompetenz noch immer nicht kompetent beackert wurde. Und so finden sich neben ehrlichem Bedauern zuhauf Kommentare, die sinngemäß folgenden Inhalt haben (bei marginal veränderter Wortwahl): „Ja doof, aber redet Ihr auch über den Trainer?“, „Ich habe Rassistisches vom Trainer gehört, jetzt muss er gehen“, oder „Der 1.FC Bocholt wird doch auch „die Schwatten“ genannt, aber das darf?“. Vielleicht einfach nochmal manch Kommentar überdenken und gegebenenfalls löschen. Und überhaupt: Man kann dann auch den Arsch in der Hose haben und sich persönlich entschuldigen. Tut nicht weh, aber hilft Barrieren abzubauen. Also: Man kann als Verein durchaus Fehlverhalten kommentieren und sich trotzdem mit der inhaltlichen Thematik rund um Mannschaft und Trainerteam befassen. Man muss halt nur trennen können.

Wir stehen nun im Finale und haben die Chance, uns erneut für den DFB-Pokal zu qualifizieren. Das bleibt dann einfach am Ende eines ganz schlechten Auftritts unserer Mannschaft als positive Erkenntnis. Die besten Momente des Spiels bekamen wenigstens die Fans an den heimischen Endgeräten in der zweiten Halbzeit mit Hannes Bongartz als Co-Kommentator am Mikrofon geboten. Fiebert man doch gerade im Pokal immer eher mit dem Underdog mit, hat Hannes Bongartz gleich klargemacht, dass seine Sympathien schon lange Zeit unserem RWE gehören. Und so wurde hörbar mitgelitten, zuzüglich eines gar herrlichen Bonmots, welches eines Tages sicher in einem Buch von Ben Redelings auftaucht: „Das ist eine Win-win Situation, da kann jeder gewinnen“. Auch die konsequente Nennung unserer Nummer drei als „Herzensbruch“ ließ schmunzeln. Es ist ja auch der Herzenswunsch so vieler, dass hier endlich die  verdiente Vertragsverlängerung vermeldet wird.

Grundsätzlich hat uns die ganze Atmosphäre am Hünting, und das ist nicht despektierlich in Richtung der Bocholter gemeint, noch einmal deutlich vor Augen geführt, dass der Abstieg in die Regionalliga mit allen gemeinsamen Kräften verhindert werden muss. Und das, obwohl wir so langsam aber sicher in der 3. Liga den Problempraktikanten geben, der noch zu oft an sich selbst scheitert, obwohl hochtalentiert. Es braucht jetzt ein Konzept und klare Strukturen auf dem Feld, damit man auch langfristig übernommen wird. An RWO denken wir später. Dort hat man übrigens mit dem „Weber-Fluch“ zu kämpfen. Einer modernen Version des Guttmann-Fluches, den einst Benfica Lissabon ereilte. 

I’ll Stand by You (The Pretenders)

In den mittlerweile siebzehn Jahren hier im Blog gab es mit dem RWE nicht eine einzige „StinoSa“. Warum also sollte ausgerecht die Premierensaison in der 3. Liga zu einer stinknormalen Saison avancieren? All diejenigen, die uns nach dem Aufstieg schon sicher auf den Weg in das als natürlich empfundene Habitat zweite Bundesliga wähnten, müssen sich somit noch gedulden. Und das ziemlich zurecht. Sicher ist da gerade gar nichts, schließlich befinden wir uns aktuell mitten im Abstiegskampf der 3. Liga, spüren den Atem der unter uns platzierten Mannschaften kräftig im Nacken.

Saarbrücken ist sportlich abgehakt, ab sofort gilt wieder das alte vietnamesische Sprichwort „Tiger, bleib bei Deinen Krallen“. Auch wenn der Vergleich natürlich hinkt: Selbst die besten Bands hatten diese eine Single, die floppte, da absolut konträr zu den gewohnten Dingen. Kommenden Samstag nun gastiert der SV Wehen Wiesbaden anne Hafenstraße. In dieser Form auch erst seit 2007 existent, schwingt bei den Hessen damit durchaus ein Hauch von Konstrukt mit. Nicht ganz so drastisch wie bei denen aus Fuschl am See natürlich, aber durchaus auch mit Kalkül gegründet, beziehungsweise neu firmiert. Ein Spitzenteam der Liga zudem, so wie auch der letzte Gast aus Osnabrück. Ziemlich sicher aber ohne jene spitzenmäßige Unterstützung vor Ort, wie sie noch im letzten Heimspiel die Fans des VfL an den Abend gelegt hatten. Dresden hin, Duisburg her: Das war der absolut stimmungsvollste Gästeauftritt dieser Saison in unserer Bude. Die positive Lehre zudem aus diesem so atmosphärischen Spiel: Man muss sich auf den Rängen nicht immer gegenseitig verbal durchbeleidigen, das ist so dermaßen öde und peinlich. Man kann einfach die eigene Mannschaft anfeuern. Nur dann entstehen so magische Abende wie an jenem Dienstag gegen den VfL Osnabrück.

Was wir nun kommenden Samstag benötigen, ist nicht viel weniger als ein ebenso magischer Nachmittag. Es ist nicht despektierlich gemeint, aber ein verbales Hochschaukeln mit den Gästefans wird diesmal nicht passieren, dafür werden zu wenig Anhänger aus Wiesbaden und Umgebung erwartet. Wir müssen also sämtliche eigene Ressourcen in die Waagschale werfen, um unserer Mannschaft und damit auch uns selbst zu helfen und einfach mal wieder das Runde in das Eckige brüllen. „Aus dem Hintergrund müsste die Rahn anfeuern…Rahn feuert an…Tor Tor Tor“. So in etwa, dann klappt das auch mit den so dringend benötigten drei Punkten. Keiner darf jetzt an was auch immer verzagen. Oder beleidigt sein, weil eben nicht „StinoSa“. Wir werden nicht absteigen. Aber dafür müssen wir jetzt noch mehr als sonst auch schon gemeinsam die Klasse halten. Nicht nur singen, wenn wir gewinnen. Außerdem ist Samstag, da kann man schon mal Fünfe gerade sein lassen.

Von großer Bedeutung einmal mehr natürlich die Spielleitung durch das Team „Unparteiisch“. Mal schauen, was uns da Samstag wieder so blüht. Wenigstens haben wir noch den Vorteil und das Momentum der schnellen Entscheidung. Auch wenn es uns in dieser Saison schon desöfteren zum Nachteil gereichte. Ich persönlich lehne den VAR ab. Vielleicht macht es den Fußball manchmal gerechter, wie zuletzt in Leverkusen erlebt. Aber er nimmt dem Fußball das Recht, Fußball sein zu dürfen. Mit all seinen Emotionen und eben auch temporären Ungerechtigkeiten. Aber nur dann behält der Fußball doch seine Seele. Kompletter Anachronismus übrigens bei jenem Spiel Bayer 04 – FC Bayern auf den Rängen: Die Leverkusener Fans protestieren via inhaltlich klarem Banner gegen den VAR um dann in Echtzeit zwei Elfmetertore zu bejubeln, welche nur durch den VAR zustande kamen. Schafft den Kack ab und holt Euch das Spiel zurück. Selbst wenn es ungerechtfertigte Spielstände bedingt. Dann ist das einfach mal so.

Und was die mittlerweile wissenschaftlich komplexen Regeln für Handspiel oder nicht Handspiel angeht: Bindet doch jedem Spieler vor dem Spiel die Hände mit Kabelbinder auf dem Rücken fest. Dann gibt es das leidige Thema nicht mehr und auch der Infantino könnte seine nächste Agenda als erledigt abhaken: Exzessiver Torjubel so natürlich auch nicht mehr machbar. Mit Händen auf dem Rücken fixiert kannste keinen umarmen oder das Trikot ausziehen. Also dass dieser absolute Fußballfeind und Narzisst vor dem Herrn dem Weltfußball vorsteht, muss man als empathischer Mensch einfach nicht verstehen. Mit ihm sind wir in punkte Emotionen auf dem Weg Richtung Parteitag in Nordkorea.

Gut, noch nicht das Thema an der Hafenstraße, wir müssen erstmal und mehr denn je auf dem Feld unsere Hausaufgaben machen. Inhaltlich gestalten sich diese recht einfach: Gewinnen wir gegen den SV Wehen Wiesbaden, können wir aufatmen. Holen wir einen Punkt, kann man damit gut leben. Aber verlieren wir (was nicht passieren wird), dürfte es unruhig werden. Und was sagt wohl Nico Schäfer über das Stadion an der Hafenstraße? 

Herze, Du Torrakete!

Manchmal fällt einem doch die Last von der Schulter einfach so ins Tor. Dachte wohl Felix Herzenbruch im Spiel gegen die SpVgg Bayreuth und erarbeitete sich mit seinem ersten Profitor weiteren Kredit unter den Fans. Von wegen nur Grätschen und sonst nix. Die Konditionen konstant im 1907er Bereich bleibt nun zu wünschen, dass sich auch die Laufzeit verlängert. Abbezahlt wird dann wie immer mit Leistung, Ratenpause inklusive.

Für Trainer Dabrowski eröffnen sich nun im Trainingsalltag ganz neue Möglichkeiten in der Methodik: Anstatt an Taktiken zu tüfteln wird eine Liste erstellt, wer ebenfalls im sogenannten professionellen Fußball noch ohne Torerfolg ist. Oder in dieser Saison. Das hilft sicher auch schon weiter. Wenn also passionierte Trainingskibitze diese Woche Christoph Dabrowski flachsend mit, sagen wir mal, Kevin Holzweiler, Oguzhan Kefkir, Torben Müsel oder Niklas Tarnat am Rande des Trainingsplatzes erleben, dann bedeutet das nur Gutes für den „Unter-Tage-Classico“ gegen ehemals Wismut Aue.

Manchmal spornt man sich auch ohne Trainer (fiktiv) mannschaftsintern an: Der WhattsApp Gruppe „Die Nominierten“ von Thomas Eisfeld und Isaiah Young möchten scheinbar mehr Spieler angehören als nur die genannten beiden. Dachte sich zumindest Björn Rother und bewarb sich schon einmal sehenswert für die Aufnahme in dieser exklusiven Gruppe. Ob sein Tor gegen die Olschdod letztendlich der Türöffner sein wird, entscheiden aber immer noch die Admins der Sportschau. Aber hier haben wir mal wieder schön erlebt, wie erfolgreich man auch von Weitem sein kann. Ob der zweite Ball oder aus der zweiten Reihe: Einfach mal machen.

In der Bewertung unseres Trainers sind wir auf Fanebene ja nicht immer ganz einer Meinung. Gerne wird sich an den unterschiedlichsten Dingen abgearbeitet. Manchmal helfen aber auch Vergleiche zu ehemaligen Übungsleitern um festzustellen, dass wir das Glück haben, einen wirklich guten Trainer auf unserer Seite zu wissen. Noch unter Marc Fascher zum Beispiel, der lebenden Taxofit-Kappe, wäre kein Spieler zurückgekommen, der nicht von Anfang an gesetzt gewesen war. Da gab es eine erste Elf, und zwei bis drei potentielle Einwechselspieler. Fertig! Der Rest war nur Trainingsfüllsel. Eine ganz gefährliche Melange für eine Mannschaft und zudem Gift in Perioden mit vielen Verletzten. Gut, die Ära Fascher hat dann ja auch nicht lange gedauert.

Da können wir uns doch wirklich glücklich schätzen, wie sich das aktuell darstellt und der Begriff Mannschaft interpretiert wird. Für mich der Qualität von Christoph Dabrowski und seinem Trainerteam geschuldet. Überhaupt: Wie wohltuend ist es doch, endlich mal nicht zu den (nur noch wenigen) Vereinen zu gehören, die schon den Trainer gewechselt haben, oder im internen Chaos versinken. Man frage mal bei den Fans der Münchner Löwen nach.

Und dann gibt es ja noch den SV Meppen: Also da ist die Lage seit gestern aber mal so richtig Ernst. Wer auch immer dort im Verein den Bielefelder Jahrhundertrainer und RWE-Langzeitikone Ernst Middendorp aus dem Trainingsnirvana ausgebuddelt hat, der hat entweder die schrillen Reaktionen darauf vorab eingeplant, oder schüttelt sich immer noch, um diese zu verarbeiten. Das wird lustig. Ich würde mich aber auch nicht wundern, wenn die Emsländer nun ausgerechnet bei der SV Elversberg gewinnen. Dem Titelrennen würde es eine unverhoffte Wendung bieten, auch wenn der 1.FC Saarbrücken trotzdem wieder verlieren wird. Die Woche darauf dürfte der Middendorp-Effekt dann wahrscheinlich auch schon wieder verpufft sein.

Was gab es noch? Zum Beispiel eine weitere Ausgabe des neuen Formats „Vonne Hafenstraße“. Ich höre und sehe da sehr gerne rein, bleibe aber immer wie gefesselt an den Mikrofonen hängen, die an den Gesichtern baumeln wie einst die Antennen an „Mein Onkel vom Mars“. Diesen Trigger ausgeblendet hat es wirklich Freude bereitet, unserem Kapitän Felix Bastians zuzuhören. Ich freue mich schon auf seine Autobiografie, die da möglicherweise heißen wird: „Mein letzter Verein war der Beste“. Bei einem Spieler, der schon für so viele Vereine aktiv war, eine solche Identifikation mit unserem Verein zu spüren, dass ist nicht mehr alltäglich. Aber genau unser Pluspunkt in dieser Saison, denn wir haben noch einige Spieler mehr mit einer solch ausgeprägten Identifikation zu Rot-Weiss Essen. 

Hall of Fame.

Drei Punkte. Die geholt, macht es exakt den gravierenden Unterschied zu einem oder gar keinen Punkt aus, mit welcher Laune man nach dem Spiel das Stadion verlässt. Drei Punkte tun gut, sind Balsam für die Seele und wichtige Bausteine für den Klassenerhalt. Der Abpfiff im Spiel gegen die Zwote der Borussia somit nicht nur ein Moment des Arme in die Höhe reissen, sondern ganz besonders auch einer der Erleichterung. Da lag mal wieder jede Menge Druck auf unserer Mannschaft und dem Trainerteam. Und das trotz der erstaunlichen Tatsache, dass wir uns wohl zu sehr an der beinahe glorifizierten Zeit ohne Niederlage festgehalten haben.

Die mittlerweile fast ebenso lange Zeit ohne einen Erfolg fand dadurch gefühlt eher unter dem Radar statt. Es war dann der spielerische Auftritt inklusive verdienter Niederlage bei der Kölner Vikki, welcher in Windeseile auf den Schirmen der rot-weissen Fluglotsen aufploppend, für Alarm sorgte. Nun galt es also gegen die Anzahl der sieglosen Spiele zuzüglich mal wieder aufkommender Unruhe anzukämpfen, und was soll man schreiben: Das ist Rot-Weiss Essen vorzüglich gelungen.

Exkurs:

  • Wie sehr auch Spieler unter einer langen erfolglosen Serie leiden, konnte man eindrucksvoll an den TV-Bildern nach dem Spiel SV Meppen – 1860 München sehen, als die Emsköppe nach sage und schreibe siebzehn Spielen ohne Sieg wieder gewinnen konnten: Gleich mehrfach sanken die Spieler des SV Meppen zu Boden und konnten ihre Tränen nicht zurückhalten. Wir können also wirklich damit aufhören immer direkt so zu tun, als ob sieglosen Phasen ausschließlich an unserer Fanseele kratzen. Da leiden ganz viel mehr. Besonders auch die Protagonisten auf dem Feld.

In der ersten Halbzeit gegen den BVB war unserer Mannschaft deutlich anzumerken, dass sie es diesmal besser machen würde, auch wenn manch gut gemeinter Pass einfach nicht dem Laufweg des angedachten Empfängers entsprechen wollte. Es war eine engagierte Leistung, die sich die (wenigen) unüberhörbaren Pfiffe zur Halbzeit nicht verdient hatte. Vielleicht pfiffen auch nur diejenigen, die schon unter der Woche ständig via verbaler Kommunikation daran arbeiten, alles schlecht zu schreiben. Sei’s drum, das wird es immer geben, da muss man sich ein dickes Fell anschaffen.

Exkurs:

  • Was ich mich in diesem Zusammenhang gerade frage: Wieso wurde eigentlich „Engel“ eingewechselt? Nach gesicherten geheimdienstlichen Erkenntnissen und geknackter RWE-Chiffriermaschine sollte er doch nie mehr für RWE auflaufen. Echt jetzt: Auf Nichts ist mehr Verlass!

Leider kann ich nicht pfeifen, bekomme das motorisch nicht wie gewünscht hin. Ansonsten hätte ich voller Freude dem 1:0 von Thomas Eisfeld hinterhergepfiffen: Welch eine Schönheit von einem Schuss. Der Erweckungsmoment für die Mannschaft, das ganze Stadion und die Redaktion der Sportschau. Das Tor des Monats Februar: Nur echt mit Rot-Weiss! Das 2:0 in Entstehung und Vollendung ein weiterer Hingucker: Balleroberung – butterweiches Zuspiel – aus dem Lauf geköpft…alles zusammen wie eine perfekte Kombination auf dem Laufsteg. Den sogenannten zweiten Ball festmachen oder auch mal beherzt aus zweiter Reihe pöhlen, es sind manchmal die einfachen Zutaten, die einen auf der Tribüne erfreuen und eigentlich ja auch schon in Halbzeit Eins das ein oder andere Tor verdient gehabt hätte. Da die Gottschalk Tribüne bei diesem Spiel ja wieder mehrheitlich von RWE-Fans bevölkert wurde, war die Freude über diese beiden Tore so direkt vor Augen sicherlich noch den Tacken größer.

Die Gottschalk-Tribüne an sich ist mittlerweile das Chamäleon der Hafenstraße: Je nach Gegner wird ständig die Farbe gewechselt, aber auch der Charakter wandelt sich durchaus schon mal. Den Block „G1“ als dauerhaft festen Heimbereich auszurufen war eine gute Idee. Nicht nur, um dadurch die Kapazität im sogenannten Heimbereich zu erhöhen. Zwar stellen wir Stammgäste in „G1“ mit Dauerkarte noch den kleinsten Anteil der Fans (im Gegensatz zu den anderen drei Heimtribünen), was eine gewachsene Struktur erschwert, aber dafür bekommen wir ständig was geboten:

Regelmäßige Gäste mittlerweile eine Truppe niederländischer Groundhopper. Zuerst noch in Zivil, dann schüchtern mit Fischerhut wird mittlerweile in vollem RWE-Outfit supportet, was die niederländischen Stimmbänder hergeben. Noch nicht immer ganz textsicher wird aber das R von RWE dermaßen landestypisch gerollt, da dürfte selbst „Ruthe“ bei seiner Version von José-Enrique Ríos Alonso blass vor Neid werden. Standesgemäß, wie Niederländer das nun mal so machen, knubbelt man sich natürlich auch auf engstem Raum beieinander und verteilt somit nicht nur fleißig Stauder sondern auch Viren in der Luft. Was für den einen oder die andere schon mal positive Folgen hatte. Fazit: Man muss sie einfach mögen, denn dem guten Virus, dem von RWE, dem sind sie direkt verfallen.

Eine weitere Spezies in „G1“ ist die der Inkognito-Besucher bei Spielen mit vielen Gästefans. Dem Gastverein zugehörig dürfen sie ja offiziell nicht die Farben des eigenen Vereins vertreten. Doch als geübter Dauergast erkennt man sie trotzdem: Manchmal spricht schon der Dialekt für sich, denn wir könnten uns noch so anstellen: Nur Sachsen beherrschen sächsisch perfekt. Und so wurden zwei komplette Sitzreihen unter uns durch laut gemurmeltes „Dünamö“ schnell dem Gastverein zugeordnet. Aber die taten nichts, sie wollten nur dem Spiel zuschauen. Wie wir auch.

Weiterhin ist der Versuch, möglichst unauffällig zu wirken, genau die auffälligste Art und Weise und somit kontraproduktiv. Irgendwie dem eigenen Verhalten in den 80ern bei einem Tagesbesuch in Ostberlin ähnlich. Nur nicht auffallen. Regelrecht ungeniert hingegen die vier Fans der SV Elversberg, die ihrer Freude beim ersten Saisonspiel dermaßen freien Lauf ließen, so dass sie nach dem dritten Tor dann doch zur eigenen Sicherheit aus dem Block begleitet wurden. Im Spiel vergangenen Sonntag wiederum eroberten einige Narren „G1“ und ließen ihre karnevalistischen Gefühle einfach mal raus. Polonaise inklusive.

Eine kleine „Hall of Fame“ gibt es auch schon und die beiden ersten dafür in Frage kommenden Fans im internen „G1“ Ranking sind natürlich Rot-Weisse! Zum einen würden wir gerne eine Heavy Metal Kutte unter das Stadiondach hängen, dessen Träger stilecht im Modus der 80er im Block aufschlug. Dauerwelle, Schnorres, rot-weiße Kordel und eine dermaßen enge Jeans mit Schlag, so dass die eigenen Hoden Phantomschmerzen verspürten. Altenessen rules! Und zum anderen hängen wir direkt daneben den Kassenzettel desjenigen Fans, der schon vor einem Spiel sagenhafte zwei Pommes plus zwei Bratwürste zuzüglich mindestens fünf Stauder verzehrt hatte. In ca. sechzig Minuten vor dem Spiel. Respekt an dieser Stelle und weiterhin guten Hunger.

„G1“, so ganz lange noch nicht Rot-Weiss. Aber schon längst Geschichten schreibend. 

Satz mit X!

Vor dem Spiel:

Ach was ist das frustrierend: Erneut ein punktloses Wochenende für unseren RWE. Aber, dem vermeintlichen Frust kann natürlich heute an einem flachen Montag entgegengewirkt werden. Gut, dass diese Montagsspiele bald Geschichte sind. Nicht, dass die „Fanlogistik“ für das den Montag ablösende Sonntagabend Spiel eine einfachere werden wird, schließlich ist der DFB nicht umsonst eine durch und durch fanunfreundliche Organisation. Aber der Sonntag gehört im Gegensatz zum heutigen Montag wenigstens noch zum Wochenende. Am Montag daddelt man gefühlt nur für sich selbst, während die Spiele des Wochenendes schon Geschichte sind. 

Heute also Höhenberg auf der falschen Kölner Rheinseite. Vertrautes Terrain, ein Hauch langer gemeinsamer Regionalligahistorie macht sich breit. Der in die Ecke gefrickelte Sitzplatzblock auf Stahlrohr ist der Montag des Spieltages: Man steht alleine dar. Was nicht für die Spezies RWE-Fan als solches gilt, denn auch bei der Viktoria ist man natürlich auf jeder sich bietenden Tribüne vertreten. Kulinarisch für alle Auswärtsfahrer und Fahrerinnen ein ganz hartes Brot: Ist das Nationalgetränk Kölsch schon in der normalen Variante schlimm, alkoholfrei ist es noch schlimmer. Dann doch lieber ein Wasser. Ist ja auch Montag.

Während des Spiels: 

[Der angedachte Humor wohl schon zu Spielbeginn nicht wirklich lustig. Passte sich dann aber auch noch nahtlos an die Leistung der Mannschaft an.]

Felix Götze recht flott wieder auf Werbekampagne Karte unterwegs, Isi bekommt sie. Der Rest der Mannschaft hingegen zu Beginn etwas planlos. Kommt aber zeitweise besser ins Spiel, erste Pässe werden auf der ballschweren (neue Wortkreation, vergangenes Wochenende im TV gehört) Seite von polyvalenten (auch neu) Spielern durchgesteckt (nicht mehr neu). Allerdings ist der sogenannte „zweite Ball“ weiterhin unser Sorgenkind. Die Möglichkeiten, die sich aus dessen Eroberung bieten lassen wir viel zu oft liegen.

Bei Ron Berlinski alles wie immer: Rennt hin und her, zofft sich mit Gegenspielern oder liegt am Boden. Was einmal mehr fehlt sind spielerisch entwickelte Torchancen, die man der Vikki glücklicherweise selbst und stets vielbeinig zu verwehren weiß. Die erste Halbzeit somit eine müde Veranstaltung beiderseits, die so gar keine Leidenschaft zu entfachen wusste. Das konnten einige Anhänger der Roten nach der Halbzeit nicht auf sich sitzen lassen: Getreu dem Motto: „Wenn Ihr kein Feuer für uns entfacht, fackeln wir für Euch ab“ wurde das Stadion erleuchtet. Leider einmal mehr zu Lasten unserer Vereinskasse.

Die Inszenierung hat als Motivation auf dem Feld bestens funktioniert: Wunderlich macht direkt im Anschluss das 1:0 für die Viktoria….

Christoph Dabrowski hingegen verlässt gewohnte Pfade und wechselt für seine Verhältnisse schon erstaunlich früh rund um die sechzigste Minute. Isi Young hingegen wechselt sich nach einem Foulspiel selbst aus, denn zweimal Gelb bedeutet nun mal Ende im Gelände. Nun also nur noch zu zehnt und es fehlt rund um die siebzigste Minute weiterhin endgültig die Idee, wer für uns überhaupt nochmal das Tor treffen könnte.

Zeit also, um den Vorteil TV-Spiel vollends auszureizen: Ein Stauder aus dem Kühlschrank zu holen wird damit verbunden, Gattin und Hund nebenan kurz das eigene Leid zu klagen. Verbale Höchststrafe derweil aus dem Essener Block: „Wir woll`n Euch kämpfen seh`n“. Geht inhaltlich für mich am Thema vorbei, denn am Einsatz hat es bis dato nicht gelegen. Unsere Mannschaft spielt einfach keinen Fußball. Folglich würde ich verbal dagegen halten und singe vor mich hin „Ich will Euch spielen seh`n“. Puh, kaum diesen Gedanken zu Ende gedacht, verhindert Schnapper Golz mit einer fantastischen Parade den zweiten Gegentreffer und wohl das endgültige Aus.

Zehn Minuten noch zu spielen. Luca Wollschläger kommt. Ein gelernter Stürmer, mit bislang aber Einsatzzeiten, die gegen Null tendieren. Wenn überhaupt im Kader. Er hätte nun mal die Gelegenheit, Werbung in eigener Sache zu betreiben. Hat er natürlich nicht. Schade, dass ein Spieler mit dermaßen Null-Bock-Mentalität einen Kaderplatz blockiert! Dreiundachtzigste Minute: Rot-Weiss Essen hat in Form von Ennali einen Kopfball auf das Tor gebracht. Was fast verwundert, denn Lawrence Ennali bringt als Einwechselspieler gefühlt eine Lustlosigkeit mit auf dem Platz, die mich genauso auf die Palme bringt, wie der Auftritt des Herren Wollschläger.

Die RWE-Fans sind mittlerweile von der eigenen Mannschaft lethargisch gespielt worden und verstummen immer mehr. Es ist aber auch ein Fluch in dieser Saison: Egal wann Christoph Dabrowski auswechselt, und egal wer auch eingewechselt wird: Dieses Stilmittel, eine Mannschaft im Spielverlauf positiv zu verändern, verpufft bei RWE dermaßen zuverlässig, so dass es einen am Spielfeldrand fast verzweifeln lässt. Wir hätten also noch Tage weiter „spielen“ können, ein Tor wäre daraus nicht entstanden. Und somit geht das schlechteste Saisonspiel verdient verloren. I don`t like Mondays!

Nach dem Spiel:

Den Stream direkt mit Abpfiff ausgeschaltet. Einerseits erleichtert, dass das Spiel endlich ein Ende gefunden hatte, mag ich aber auch nicht mit ansehen, wie sich der verständliche Fanfrust nun über unserer Mannschaft entlädt. Das geht zu oft unter die Gürtellinie! Schließlich muss man zudem erstmal selbst damit klarkommen, was ein solcher Auftritt nun für die nahe Zukunft bedeuten könnte. Mir fehlt die Phantasie, dass es mit diesem Matchplan zu einem Erfolg gegen die Zwote aus Dortmund reichen könnte. Der wäre aber dringend erforderlich, denn ansonsten sind wir wieder mitten drin in der Verlosung Abstiegskampf. Und ob wir das können, wage ich aktuell ganz ernsthaft zu bezweifeln.

Mir schüttelt es bei dem Gedanken daran, dass unsere Mannschaft nun in kurzer Zeit alles einreissen könnte, wofür vor allem der Verein und wir alle lange, lange vierzehn Jahre gekämpft haben. Na ja, jetzt werden erstmal aus Gründen die „Boomtown Rats“ gehört, bis sich der Blutdruck wieder auf ein normales Level eingependelt hat. Und da, wie ich gerade festgestellt habe, justament die „Reds“ und „Toffees“ ihr Merseyside Derby spielen, besteht ja noch die Hoffnung auf einige Minuten guten Fußball. 

Der Auftritt von Rot-Weiss Essen an diesem Montag Abend: Machste nix dran, muss man aber nicht verstehen.

„Der Fußball ist wie eine Schachtel Pralinen, man weiß nie wer wann geht“ (Frei nach Forrest Gump)

Auch Aufstiegshelden bleiben nicht ewig. Aber sie werden auf ewig Aufstiegshelden bleiben. Diejenigen, die uns nach so vielen vergeblichen Versuchen endlich diesen einen Traum erfüllt haben, den wir gerade alle leben!

Gut, im Falle von Daniel Heber, seines Zeichens amtierender Kapitän der Hafenstraße, kam es dann doch überraschend. Wohlwissend, was unsere Nummer vierzehn schon in der Vergangenheit auch anderswo an Begehrlichkeiten ausgelöst hat. Es scheint fast so, als ob Rot-Weiss Essen den Fluch der Kapitänsbinde ereilt hat. Auch wenn sich die beiden Vorgänger von Daniel Heber selbst ins Abseits gestellt hatten und der Verlust der Binde natürlich nicht den selben Grund hatte. Vielleicht ja mal eine Verfilmung wert: „Der Fluch der Binde“ mit Henning Baum und Dietrich Hollinderbäumer in den Hauptrollen. Als was weiß ich noch nicht!

Was wir aber nun wissen ist, dass Daniel Heber schon am Freitag im Kader des 1.FC Magdeburg stehen und möglicherweise schon im Gastspiel bei Fortuna Düsseldorf auflaufen wird. Als absoluter Freund seines unglaublich elegant wirkenden Spiel- und Abwehrstils zuzüglich immenser Sprungkraft und guter Spieleröffnung musste ich doch erst schlucken, als die Meldung kam. Der zweite Gedanke war: Nicht schon wieder der Käpt`n. Diesmal konnte man sich im Gegensatz zu seinen beiden Vorgängern schließlich hundertprozentig damit identifizieren. Als dann aber doch schnell rationales Denken die Emotionalität eingeholt hatte, kam Freude auf. Nicht weil er geht, sondern weil Daniel Heber sich nun einen weiteren Traum nach dem Aufstieg mit RWE erfüllen darf und (temporär wenigstens) eine weitere Stufe im schnelllebigen Profifußball erklimmen kann.

Das hat er sich durch seinen guten Job hier bei uns erarbeitet. Dafür bin ich dankbar, und deshalb freue ich mich für ihn. Ja und klar, am Ende des Fußballertages geht es auch ums Geld. Auch dieser Mehrwert sei ihm von Herzen gegönnt. Außerdem lief intern alles dem Vernehmen nach glatt und in gegenseitigem Respekt ab. So muss das, so tritt man als Kapitän ab, wenn es denn schon innerhalb der Saison sein muss. Was das nun alles sportlich für uns bedeutet, werden wir ebenfalls am Freitag sehen, wenn das erste von zwei Gastspielen dieser Saison im Saarland ansteht. Die SV Elversberg als relativ unangefochtener Tabellenführer, damit hat vor Saisonbeginn wohl kaum jemand gerechnet. Aber deswegen bedeutet das noch lange keinen fest definierten Spielausgang gegen unseren RWE. Irgendwie machen wir ja doch immer, was wir wollen, und nicht das, wovon alle ausgehen. Also wird es ein knapper Auswärtssieg. Irgendwann ist ja auch mal gut mit den ewigen Unentschieden. Bei Sieg oder auch Niederlage emotionalisiert es sich halt einfach besser. Aber klar, tabellarisch betrachtet ist ein Punkt immer noch besser als kein Punkt.

Aber zurück zu unseren Aufstiegshelden: Auch Simon Engelmann ist so einer, der aktuell über seine weitere Karriere nachdenkt. Das muss er sogar, läuft doch das Arbeitspapier bei Rot-Weiss Essen zu Saisonende aus. Und auch hier würde ich persönlich eher auf einen Weggang tippen. Schließlich ist „Engel“ dann eine weitere Saison mehr auf „Montage“ in Essen als abends zuhause bei der Familie. Und somit ist es völlig legitim, in seinem Alter die eigene Lebensplanung über die Wünsche der Fans und möglicherweise des aktuellen Vereins zu stellen. So sehr ich mich über einen Verbleib freuen würde, aber ein Wechsel in die Regionalliga vor Ort daheim absolut nachvollziehbar. Und sicher eine Entscheidung, die uns dann nicht so spontan und schwer treffen wird, wie jetzt bei Daniel Heber. Und sollten wir dann wirklich nicht mehr das schöne Engelmann-Lied auf den Tribünen trällern dürfen, auch dafür gäbe es eine Lösung: Bei der Dritten des Hamburger SV spielt tatsächlich ein gewisser Timon Engelmann. Gut, das wäre rein sportlich betrachtet jetzt wohl keine Alternative. Aber sangestechnisch eine richtig gute Nummer.

Würde also Simon Engelmann zu Blau-Weiß Lohne wechseln, was ja allerorten spekuliert wird, so droht ihm allerdings das selbe Ungemach, welches auch Daniel Heber ereilt hat: Blaue Trikots stehen einfach keinem, der von Rot-Weiss Essen kommt. Da muss man sich erst einmal kräftig die Augen reiben. Der nächste Kapitän der Hafenstraße (mittlerweile ist der Begriff fast negativ besetzt) ist dann logischerweise Felix Bastians, seines Zeichens bislang ja Erster Offizier auf der Brücke und somit Vertreter von Käpt`n Heber. Ob er dann auch….? Ich hoffe nicht, sondern würde mich bei ihm so richtig über eine Vertragsverlängerung freuen. Dann geht uns nicht direkt der nächste Kapitän flöten.

Es nimmt also seinen Lauf an der Hafenstraße, nennt sich Fußballgeschäft. Schon seit vielen Jahren zu schnelllebig für uns Fans, tun wir dann einfach das, was wir immer tun, egal wer geht: Wir bleiben! Wie heißt es doch: „Unser ganzes Leben“. Danke Daniel und egal, wie Du Dich entscheidest, einfach so: Danke Simon. Auf ewig Aufstiegshelden von Rot-Weiss Essen. Das wird für immer Eure sportliche Vita vergolden!

#179 #178 #177

#179 Was haben wir uns immer über den WDFV aufgeregt, als wir noch unter seiner Knechtschaft litten. Spätestens seit der Übergabe des WM-Pokals wissen wir nun, wie gut wir es doch mit Peter Frymuth als Präsident des WDFV getroffen haben. Ratzfatz hatte Daniel Heber den Meisterpokal in seinen Händen und konnte ihn der eigenen Mannschaft und den Fans präsentieren. Giovanni I. hingegen als einer der glühendsten Verehrer seines eigenen Ichs hat einmal mehr nicht verstehen wollen, dass er nicht der Nabel der Sportwelt, sondern eher lästiges Anhängsel ist. Das aber nur am Rande. Für weitere Verwunderung sorgte dann bei mir die oft gelesene Aussage nach dem Turnier, dass Lionel Messi nun nicht mehr der „Unvollendete“ sei, sondern endlich seine große sportliche Karriere krönen konnte. Das stimmt so aber natürlich nicht: Lionel Messi ist niemals mit Rot-Weiss Essen aufgestiegen! Erst dann ist eine Karriere wirklich als vollendet zu bezeichnen. Mit dem Prädikat „Aufgestiegen mit RWE“ können sich schließlich nur wenige Spieler schmücken. Weltmeister gibt es tatsächlich mehr im Fußball.

Tatsächlich vollendet auch die Bauarbeiten anne Hafenstraße, was das Trainingsgelände angeht. Im Volksmund auch als „Willi Lippens Platz“ bekannt und beliebt. Also das ist auch fast schon weltmeisterlich, unter welchen Bedingungen unsere Spieler dort ihrem täglichen Job nachgehen dürfen. Hier kann man nur alle Hüte vor dem Gönner ziehen, der nicht nur bescheiden unerkannt bleiben will, sondern auch dermaßen viel Herzblut für seinen Verein mitbringt, um solch professionelle Bedingungen durch eigene Unterstützung zu ermöglichen. Der ehemalige RWE-Spieler Horst Hrubesch würde dazu nur ein Wort sagen wollen: „Herzlichen Dank!“ Herzblut für unseren Verein empfindet wohl auch ein Münchner als Geschäftsführer in Berlin und prangt ab sofort mit seiner Firma „DEUTSCHE SAATGUT“ auf der Brust der Hafenstraßen-Kicker. Wieder einmal hat sich bestätigt, dass bei RWE niemals Ruhe herrscht, auch wenn der Ball ruht. Der bisherige Hauptsponsor schlingert leider durch finanziell unsichere Zeiten und muss daher den Ball erstmal flach halten. Grundsätzlich gilt: Auch HARFID ist in erster Linie Arbeitgeber und dann erst Sponsor von RWE und einem weiteren, unbedeutendem Verein. Und da sollte das Wohl und Wehe der vielen Arbeitnehmer*innen bei HARFID absolute Priorität haben. Danke für das bisherige, und erfreulicherweise auch wohl weitere, Engagement.

Als die Pressemitteilung kam und den Namen DEUTSCHE SAATGUT verkündete, war ich doch zunächst verwundert, hätte ich eine Firma solchen Namens eher hier in der ländlichen Grafschaft und als Sponsor von Waldsturm Frensdorf oder Blau-Weiß Bookholt verortet. Aber weit gefehlt: Tatsächlich darf sich nun eine Firma aus der Hauptstadt Trikotsponsor von Rot-Weiss Essen rühmen. Man weiß gar nicht, für wen die Ehre größer ist. Der nächste Gedanke dann aber sofort Richtung Emblem: Die vergangenen Jahre mit schlichten Schriftzug auf dem Trikot verwöhnt, kam leichter Trikot-Stress auf: Gib es nun Maiskolben auf dem Trikot, oder Sojabohnen? Eine Sonnenblume, oder noch viel schlimmer: Etwas Blaues? Die ersten Fotos brachten schnell Entwarnung: Auch unser dann neues Trikot wird von einem schlichten Schriftzug geziert. Ein Teil davon sogar in Rot-Weiß. Hoffentlich geht die Saat der neuen Partnerschaft für alle Beteiligten gut auf. Ohne den Aufstieg sicher eine undenkbare Zusammenarbeit. Frohe Weihnachten und einen guten Rutsch. Wir lesen uns in 2023. Ich freu mich drauf.

#178 „The Boys Are Back In Town“. Mit diesem Thin Lizzy Klassiker kann man durchaus den Trainingsstart von Rot-Weiss Essen untermalen. Alle Spieler sind wohlbehalten aus dem Urlaub zurück, und auch diejenigen, die bereits vor der ungewohnten Saisonpause mit Verletzungen zu kämpfen hatten, arbeiten weiter fleißig am Status. Es ist personell eigentlich nicht sonderlich kompliziert momentan. Die Kunst wird es nun sein, direkt wieder an den guten sportlichen Lauf vor der aufgezwungenen Pause anzuknüpfen. Glücklicherweise steht unser RWE damit aber nicht alleine, die ganze Liga muss einen Kaltstart hinlegen und entweder die gute Form bestätigen oder versuchen, aus der sportlichen Misere schnell hinauszufinden. Ganz egoistisch betrachtet, können alle Vereine, die sich in der Tabelle hinter uns befinden, ruhig so weitermachen wie bislang auch. Trainingsbeginn zum Jahresende.

Ein komisches Jahr. Aber wenigstens wissen wir jetzt endlich, das ein weiterer Klassiker, nämlich „Driving Home for Christmas“ wohl der Deutschen Nationalmannschaft gewidmet ist. Und dafür mussten wir unsere tolle 3. Liga unterbrechen. Die ist nämlich wirklich toll, diese Liga. Man muss nicht immer gleich mit den unmöglichsten Steigerungen daherkommen a`la „beste WM aller Zeiten“ (Schenkelklopper), „wird die beste EM aller Zeiten“ usw. Das geht immer nach hinten los. Manchmal ist weniger mehr und somit dürfen wir in einer absolut spannenden Liga spielen, in der man sich niemals sicher sein kann, dass tabellarisch mal so etwas wie Ruhe einkehrt. Da ist immer Bewegung drin. Und wenn man dann mal in die Glaskugel schaut, und einen Ausblick auf die kommende Saison wagt, wer da aufgrund der aktuellen Tabellenstände alles so zu uns stoßen könnte, da kommt noch mehr Freude über diese 3. Liga auf. Während also beim DFB aktuell mehr Chaos herrscht als auf jeder Schalke Mitgliederversammlung der 80er Jahre und bei der DFL Hopfen und Malz verloren ist, können wir es gar nicht abwarten, endlich wieder unsere Mannschaft zu sehen. Ob es dann im ersten Testspiel gegen den SC Paderborn zu den aufgerufenen Preisen sein muss, lässt sich natürlich trefflich diskutieren.

Für Felix Herzenbruch ein Wiedersehen mit seinem alten Verein. Nicht, dass er da noch auf viele ehemalige Teamkameraden treffen wird, Fußball ist dafür zu schnelllebig. Er könnte aber auf jeden Fall erzählen, dass er in der Retrospektive wohl für den Trigger-Moment schlechthin der abgelaufenen Saison gesorgt hat, als er an einem nasskalten Oktobertag in der vierten Minute der Nachspielzeit den Ball zum 2:1 gegen Alemannia Aachen in das Netz gewuchtet hat. Komplette Ekstase im Stadion die Folge! Das hatten wir so lange nicht mehr erlebt, zu oft bekamen wir in der Nachspielzeit den Gegentreffer präsentiert. Aber damals, da bekamen wir eine Ahnung, dass dieses Tor der erste Schlüssel für den Aufstieg sein wird. „Mit dem Herz in der Hand und der Leidenschaft im Bein“ sangen die Sportfreunde Stiller seinerzeit und eigentlich ist der Text im Ganzen auch eher Kappes. Aber wenn man das Spiel von Felix Herzenbruch umschreiben will, dann passt diese Zeile einfach vortrefflich. Den kann man nachts um 3:00 Uhr wecken, und er kommt auf den Platz und macht seinen Job. Man kann ihn als wahren Hafenstraßenfußballer adeln.

Es ist schon verrückt: Da gibt es Jahre, in denen sportlich nicht viel passiert, und dann gibt es Wochen, in denen Jahrzehnte passieren. So in etwa stellt sich die 3. Liga für RWE dar. Diese tolle Liga für den besten Verein der Welt.

#177 Still ruht der See an der Hafenstraße. Wenigstens aus der Sicht eines Balls betrachtet. Keiner aus dem Kader unseres Drittligisten tritt aktuell dagegen. Urlaub ist angesagt. Ob das auch für Jörn Nowak als hauptamtlichen Kaderplaner gilt, wage ich zu bezweifeln. Ich war schon erschrocken, als dieser Tage die Nachricht auf dem Display aufploppte, bei wie vielen Spielern zum Saisonende die Verträge auslaufen. Klar informiert man sich als Fan vor Saisonbeginn, hat die relevanten Daten auch für eine gewisse Zeit im Kopf. Aber wenn dann die Saison endlich beginnt, geht es zumindest mir so, dass ich mich rein auf das Sportliche und nicht mehr auf Vertragsinhalte konzentriere. Glücklicherweise ist unser Kader bei Jörn Nowak und seinen Kollegen und Kolleginnen in den besten Händen. Das Netzwerk funktioniert und hat uns nicht zuletzt in einen stabilen Tabellenplatz nachjustiert.

Als Fan hat man da glücklicherweise kein Mitspracherecht, würde es doch lediglich in einem grandiosen Chaos enden. Bei Rot-Weiss Essen ist man sich schließlich traditionell stets uneins, was die Bewertung eines Spiels oder der einzelnen Spieler angeht. Jeder hat da natürlich so seine eigenen Präferenzen. Nur gut also, das eine Fußballmannschaft nicht nach Abstimmung zusammengestellt wird. Aber, wir haben ja langsam die Vorweihnachtszeit erreicht, und somit auch die Phase schlechthin, in welcher man gerne mal einen Wunschzettel ausfüllt und abgibt.

Bei mir würde also, um bei den Verträgen zu blieben, definitiv eine Vertragsverlängerung mit Felix Bastians ganz oben stehen. Noch vor den RWE-Schlüppern aus dem Fanshop. Neben Daniel Heber als Kapitän der Hafenstraße ist Felix Bastians definitiv zum leitenden Ingenieur der Mannschaft geworden. Immer öfter sorgt er maßgeblich dafür, das die Maschine auf dem Feld läuft, erhöht bei Bedarf die Leistung und bringt seine PS egal auf welcher Position zuverlässig auf den Platz. Und das in einem Alter, wo bisweilen schon der fußballerische Vorruhestand lässig aus der Ferne winkt. Von der neu entdeckten Torgefährlichkeit einmal ganz abgesehen. Die allerdings auch eine kleine Schwachstelle von Felix Bastians gnadenlos aufzeigt: Der getanzte Torjubel, der reicht definitiv nicht als Bewerbungsschreiben für Let’s Dance. Da würden die Juroren sicher noch an das Rhythmusgefühl appellieren. Aber alles andere, das ist wie gemacht, um bis an das Karriereende an der Hafenstraße zu blieben. Zudem am Mikrofon mindestens genau so stark wie auf dem Spielfeld. Lieber Weihnachtsmann, ich setz auf Dich.

Aber, es geht ja noch weiter mit den Wünschen diesbezüglich: Simon Engelmann. Ein Name wie ein Donnerhall, speziell zur Weihnachtszeit, wenn die Englein singen. Für das Ziel 3. Liga so lange hart malocht, kam die Verletzung zur Unzeit und hatte direkt eine längere Auszeit im Gepäck. Aber im neuen Jahr, da wollen wir wieder sein Lied singen. Und am besten auch über die Saison hinaus. So, ich halte fest: Auf dem Wunschzettel stehen nun Bastians, Schlüpper, Engelmann. Dann kommt noch der Klassenerhalt als großer Wunsch hinzu, dann bleibt auch Felix Götze. Und bekommt direkt ein Quartett von mir zu Weihnachten. Dann muss er nicht immer auf dem Spielfeld die Karten sammeln. Es wird ein längerer Wunschzettel, auch unser Schnapper benötigt ja ein neues Arbeitspapier, sollte er hoffentlich an der Hafenstraße bleiben (wollen). Das nicht jeder auf meinem Wunschzettel landet, ist leider auch Fakt. Um zu bleiben was man ist, muss man sich als Mannschaft immer auch mal verändern.

FROHE WEIHNACHTEN UND EINEN GUTEN RUTSCH!

Grünkohlcup.

Es ist noch gar nicht so lange her, da wurde Rot-Weiss Essen Zwiebelpokalsieger in Rödinghausen. Kommenden Sonntag kann dem Wimpel ein weiterer Titelgewinn hinzugefügt werden: In der selbsternannten Kohltourhauptstadt Oldenburg startet auf dem dortigen Rathausmarkt nichts geringeres als die Grünkohlsaison 2022. Und somit wird das Gastspiel des RWE beim Mitaufsteiger VfB Oldenburg direkt als das inoffizielle Endspiel um den „Grünkohlcup“ in die Geschichtsbücher eingehen. Aufgrund der frühen Anstosszeit um 13:00 Uhr schafft man es also nach Spielende locker zurück auf den Rathausplatz, um den Interviews zum Thema „Mythos-Grünkohl“ (kein Scherz) beizuwohnen.

Ebenso ist in Oldenburg verkaufsoffen an diesem Sonntag. Das noch als zusätzliche Information für alle mitreisenden Fans des RWE. Anders also als noch vor Jahren in Rödinghausen lebt man in Oldenburg sein normales Leben weiter und verlegt kein Spiel, nur weil sich Rot-Weiss Essen in der Stadt vorstellt. Der RWE in Deiner Stadt bedeutet in dieser Saison so gut wie immer auch einen ausverkauften Gästeblock. Und somit waren selbst die Karten für das zugige und weitläufige Marschwegstadion einmal mehr schnell vergriffen.

Einziger Wermutstropfen: Auch in Oldenburg gab es offiziell keine Sitzplätze für die auswärtigen Fans. Das ist sehr schade und hält sicher manch RWE-Fans davon ab, ihrerseits dem RWE hinterher zu fahren. Ein kompakter Auswärtsblock unter dem Diktat der Schwenkfahnen beinhaltet einfach immer auch ein gewisses Maß an Sichtbehinderung. Ich liebe Fahnenmeere, aber während des Spiels würde ich mir manchmal einfach etwas mehr Toleranz der Schwenkenden wünschen. Wenigstens dann, wenn der Ball Richtung gegnerisches Tor rollt. Und das wird er diesen Grünkohlsonntag hoffentlich oft und effektiv.

Nach Oldenburg geht es dann schon Mittwoch unter Flutlicht gegen den SV Meppen weiter. Meppen hat weder Zwiebel- noch Grünkohlfest zu bieten, aber glücklicherweise dafür eine stattliche Anzahl an Auswärtsfans im Gepäck, so dass das letzte Heimspiel im Jahre 2022 nochmals eine stimmungsvolle Angelegenheit werden dürfte. Das letzte Heimspiel eines Jahres am 9. November! Das muss man sich mal vorstellen. Alles nur der überflüssigsten WM aller Zeiten geschuldet. Gegen was auch immer wir alle in den vergangenen Jahren demonstriert haben, um dem modernen Fußball unsere rote Karte zu zeigen: Die WM in Quatar ist die Spitze all dessen. Aber klar, sie wird natürlich die Beste aller Zeiten…

Wir müssen diese WM nicht schauen, aber können auf jedem Fall noch einmal unserem Verein die Hütte vollmachen. Ausverkauft gegen den SV Meppen an einem kühlen Mittwochabend unter Flutlicht. Eine bessere Ansage für den Fußball, wie wir ihn lieben, könnte es eigentlich nicht geben. Gut, da wäre dann ja noch das Auswärtsspiel im legendären Grünwalder Stadion bei Münchens wahrer Liebe. Auch hier ist der Gästeblock schon wieder ausverkauft. An einem Montag! Man kann hier getrost einen Satz von Kommentator Edgar Mielke aus dem Spiel der vergangenen Woche gegen den FSV Zwickau zitieren: „Wie konnte die 3. Liga jemals ohne RWE auskommen?“. Lieber Edgar, das haben wir uns viele Jahre lang auch immer wieder gefragt. Kannste uns glauben!

Einen Tag später Im neumodischen „Re-live“ nochmal angeschaut war das schon ganz interessant: In einer Tonlage kommentiert, die auch der Beerdigung der Queen angemessen wäre, wurde von Edgar Mielke immer wieder die Atmosphäre an der Hafenstraße gelobt, obwohl diese nicht ganz an die Dynamik aus dem Dynamo Spiel anzuknüpfen wusste, und auch das heimische Empfangsgerät diese leider nicht in die Wohnzimmer vermitteln konnte. Aber alles zusammen genommen bedeutet immer wieder und jedes Spiel auf`s Neue: RWE rockt die Liga! 

Kurzware: Der Spitzname.

Früher war ja mehr Spitzname bei Fußballern. Heute geht es eher in Richtung Verkürzung des Nachnamens, sofern man denn über einen verkürzungskompatiblen Nachnamen verfügt. „Engel“ und „Herze“ sind diesbezüglich gut aufgestellt. Bei Isaiah Young ist es gar der Vorname, der hervorragend zu seinem Alleinstellungsmerkmal „Isi“ reicht. Aber dann wird es schon fast eng.

Am Beispiel von Andreas Wiegel (unserer aktuellen Nummer 7) können wir trotzdem investigativ aufzeigen, wie es sich mit der spontanen Entstehung eines wirklichen Spitznamen verhält, dessen Sinn Außenstehende auf den ersten Blick so gar nicht nachvollziehen können.

Und so trug sich also zu im Heimspiel gegen Wismut Aue aus dem Erzgebirge:

Der Weigel macht das heute wirklich gut.

Wieso Weigel, der heißt doch Wiegel.

Also nicht Weigel wie der mit den Augenbrauen?

Nein, wie Wiegel ohne viel Augenbrauen.

Wie heißt denn der Weigel nochmal mit Vornamen?

Weigel? Theo!

Nennen wir doch Wiegel einfach Theo, dann passt das. 

Und so kam es, das Andreas Wiegel, der nicht Weigel heißt, seitdem ISDT intern Theo genannt wird. 

„Es ist besser, eine Brücke als eine Mauer zu bauen“ (Sir Elton John)

Das hat man sich wohl auch 1933 in Osnabrück gedacht, und das Stadion an der Bremer Brücke erbaut. Wohl eines der schöneren Ereignisse in diesem ziemlich bescheidenen Jahr. Die vergangenen drei Auswärtsspiele in der ersten und hoffentlich nicht vorerst letzten Saison in der 3. Liga brachten den reisefreudigen RWE-Fans Stadionerlebnisse, wie sie unterschiedlicher nicht sein konnten. Und sie wurden, einmal abseits der sportlichen Ergebnisse betrachtet, von Mal zu Mal schöner. Rein subjektiv betrachtet natürlich. Dem Monumentaltempel Westfalenstadion folgte das Oldschool-Erlebnis „HaWaWi“ in Bayreuth und mündete vergangenen Freitag im Osnabrücker Ortsteil Schinkel. Man hätte aber auch an der Kenilworth Road in Luton sein können, so tief die Tribünen der Brücke, und fast so nah die umgebenden Häuser.

Im Stadion selbst ist jede noch so kleine Ecke für Steh- oder Sitzplätze genutzt, alles was machbar war, wurde mittlerweile verbaut. Und auch „Omas Ecke“ nicht mehr die legendäre Stadionlücke, sondern mittlerweile fester Bestandteil der Gegengeraden, dem Pendant zu unserer „Rahn“. Von außen wurde viel in der Farbe Lila und all ihren Abstufungen gearbeitet, sowie den Vereinslegenden massig Platz zugesprochen. Es mangelt nicht an Gittern drumherum, die manchmal paradox willkürlich ineinander übergehen und die dröftausend Kabelschächte an den Decken der Umläufe dürften jedesmal die Herzen passionierter Hobbyelektriker höher schlagen lassen. Spätestens an den vergitterten Verpflegungsständen, von denen nicht selten der Lack abblättert, wirkt das bargeldlose Bezahlprinzip fast wie aus der Zukunft gekommen. Ein Hauch „Outlander“ in Osnabrück.

Ja und wenn dann auch noch das Flutlicht an, und die Sonne untergeht, beide gut aufgelegten Fanlager das ganze Szenario auch noch in etwas „Herbstnebel“ hüllen, dann weiß man, das man in einem der schönsten Stadien der Republik zu Gast ist. Auf jeden Fall das für mich zweitschönste der Liga. Ganz oben thront natürlich die Hafenstraße. Weil es zuhause immer am schönsten ist! Der Osnabrücker, die Osnabrückerin auf den Sitzplätzen im Spielverlauf übrigens etwas vornehmer unterwegs, als das bei uns der Fall ist. Es wird zwar genau so schnell gemeckert, aber es bedarf seine Zeit, bis man auch mal aus dem Sattel geht und sich an der allgemeinen Stimmung beteiligt. Mag ganz eventuell daran liegen, das definitiv und unwiderruflich viel weniger Bier konsumiert wird, als das an der Hafenstraße der Fall ist. Was sich möglicherweise dadurch erklären lässt, dass in Osnabrück Herforder Pils ausgeschenkt wird. Und man kommt natürlich auch schlecht wieder raus, wenn erstmal der Platz eingenommen wurde.

Eine ähnliche Liebeserklärung wie an die Brücke selbst kann es für das Spiel natürlich nicht geben. Dafür hätten wir mindestens einen Punkt mitnehmen müssen. Aber der leidenschaftliche Kampf auf dem Rasen passte zum Stadion und auch das Wetter reihte sich nahtlos in einen Brückenabend ein, der alle Attribute beinhaltete, warum man nicht aufhören sollte, den Fußball zu lieben. Dringend anfangen hingegen muss unser RWE nun mit ruhiger und konstanter Spielweise. Das war abermals viel zu hektisch und zerfahren auf dem Feld. Jetzt stehen wir hinten viel sicherer als zu Beginn der Saison, dafür wurde dem Spiel nach vorne der Stecker gezogen. Irgendwas ist halt immer, was uns momentan daran hindert, etwas entspannter in die sportliche Zukunft von Rot-Weiss Essen zu schauen. Und meistens ist es das Endergebnis. Nur der RWE!

„Am besten überzeugt man mit den Ohren – indem man anderen zuhört.“ (Dean Rusk)

Die vielen Gemälde auf den Körpern nicht weniger Fans von Rot-Weiss Essen brachten die vornehmlich für die Wagner-Festspiele angereisten, distinguierten Passanten aller Herren Länder in der schönen Bayreuther Innenstadt weit vor Spielbeginn in Verzückung. Als Teil der selbsternannten Fußball-Unterschicht war man sich der vorsichtig neugierigen Blicke der kulturellen Oberschicht sicher, sobald man bei einem Hellen und einer Meerrettich Bratwurst in der Fußgängerzone verweilte, um sich die Zeit bis zum Anpfiff zu vertreiben.

Vor diesem Anpfiff machten wir Fans von Rot-Weiss Essen das mit den Fähnchen, was so herrlich zu diesem Oldschool-Ambiente des Hans-Walter-Wild-Stadions in Bayreuth passte. Durch einen Pufferblock waren jedoch die Auswärtsfans in der Gästekurve und die auf der Sitzplatztribüne soweit voneinander entfernt, dass man gar nicht auf die Anfeuerungen der jeweils anderen RWE-Fans eingehen konnte. Man hörte sich einfach so gut wie gar nicht. RWE einmal mehr mit Akustikproblemen.

Der verbindende Faktor zwischen den Rot-Weissen somit Glockenhorst, platzierte er sich doch mittig auf der Tartanbahn. Möge er ewig für seinen RWE und uns die Glocke schwingen. Es zaubert immer ein Lächeln in viele Gesichter, wenn er keck mit seinem Glockomobil angebraust kommt. Und wenn er dann auch noch, wie zugetragen wurde, mit dem 9€ Ticket (Ruhe in Frieden) von Essen angereist ist, dann ist Glockenhorst einfach der Gewinner eines Spiels, das unter dem Strich keinen Gewinner hatte. Halleluja!

Der sportliche Turnaround in der neuen Liga, er konnte in Bayreuth noch nicht vollzogen werden. Kein Dreier in der Liga, dafür aber gleich vier Neue im Kader. Jörn Nowak dürfte sicherlich nun an „Telefonarm“ laborieren. Von Abwehr bis Sturm: Für jeden Mannschaftsteil war etwas dabei. Einer der neuen Spieler hat sogar einen Bruder. Erzgebirge Aue nun der nächste Anlauf, um unter Flutlicht an einem Freitagabend endlich den…..nä, das schreibe ich jetzt nicht….ersten Sieg zu erringen.

Und es hat tatsächlich geklappt: Eine starke Mannschaftsleistung, hintenraus wieder mit der (fast verständlichen) Angst, doch noch am Erfolg zu scheitern. Gepaart mit einer nimmermüden Unterstützung von den Rängen konnte das Punktekonto somit verdoppelt werden. Der erste Sieg im Profifußball seit ganz langer Zeit. Damals, als der Deutsche Meister noch nicht zwingend aus München kam. Eigentlich war also der Boden bereitet für eine erleichterte Atmosphäre zwischen Mannschaft und Fans. Doch da gab es ja die Vorfälle nach Bayreuth und die darauf resultierende Reaktion der Mannschaft nach Abpfiff des Spiels gegen Aue. Einhergehend mit einer Atmosphäre, für die es dann auch hier keine launigen Worte mehr geben kann. Die aber trotzdem beschäftigt und auch als komplett Unbeteiligter verarbeitet werden möchte.

Wir erinnern uns: Im Nachgang an das Bayreuth Spiel gab es auf einem Rastplatz einen Übergriff von RWE-Fans auf andere RWE-Fans. Das alleine für mich schon ein Anachronismus. Bekomme ich im Kopf nicht hin: Bestehende Probleme kann man doch auf dem kurzen Dienstweg kommunikativ beheben. Unfreiwillige Zeugen der Auseinandersetzung waren Spieler & Staff des RWE. Sichtlich geschockt. Unser aller Verein gab anschließend ein kurzes Statement zu dem Vorfall ab, verurteilte diesen zurecht und gab auch zu verstehen, sich verständlicherweise erstmal nicht weiter äußern zu wollen. Soweit so korrekt, Spekulationen und Gerüchte sind einer unklaren Sachlage selten dienlich gewesen.

Womit jetzt aber wohl keiner bei RWE gerechnet hatte, war einerseits die Reaktion der Mannschaft nach dem Sieg, die ihrerseits ein möglicherweise wohl nur (Mannschafts-) intern abgesprochenes Zeichen gegen die Aggressionen setzen wollten und einfach auch die Tatsache, dass ein Großteil der Fans auf den Tribünen wahrscheinlich gar nichts von der Problematik mitbekommen hat. Es kam also eher mittelprächtig an, dass die Mannschaft den Gang zur „West“ unterbrach um sich dann ebenfalls eher halbherzig applaudierend an die anderen Tribünen zu wenden. Man merkte allen das Unwohlsein dabei an. Und was mögen wohl die neuen Spieler gedacht haben, wo sie da gelandet sind? Etwas spöttisch könnte man jetzt anmerken, dass die Mannschaft so gemerkt hat, auch von der Gottschalk aus angefeuert zu werden. Die mittlerweile vielen Kinder und Familien in Trikots dort haben es dankbar zur Kenntnis genommen.

Es war also eine unwirkliche Atmosphäre, die sich da in alle Richtungen Luft verschafft hat. Und es wirft zudem noch eine große Frage abseits des aktuellen Kontexts auf: Was hat die Mannschaft nach einem Sieg, zudem noch einem so historischen, an Feierlichkeiten abzuleisten? Auch da scheint ja eine unglaublich große Erwartungshaltung bei vielen Fans zu existieren, die aber weder auf unserer Eintrittskarte, noch im Arbeitspapier der Spieler fest geregelt ist. Fakt ist: Ein guter Grundgedanke, nämlich die Vorkommnisse nochmals und vor allem als Mannschaft zu verurteilen, wurde maximal unglücklich ausgeführt. Das Dumme aktuell: Da man ja nie wissen kann, ob alle Tribünen über die Boxen erreicht werden, wäre eine kurze Ansage vor dem Spiel natürlich sinnvoller gewesen, aber hätte auch akustisch im Nirvana landen können. Es hätte aber die schöne neue LED-Anzeige dafür genutzt werden können, oder ein der „Kurzen Fuffzehn“ beigelegte Flyer. Am ehrlichsten wäre aber auch mal eine „Tapete“ von den Aggressoren selbst gewesen mit der Aufschrift „Das war Scheiße, es tut uns leid“. Sofern sie denn am Freitag überhaupt im Stadion waren.

So nahm also alles eine ganz falsche Richtung, die sicher keiner so gewollt hat und zigtausende Fans fühlten sich abgestraft für etwas, das sie weder begangen haben oder von dem sie bisweilen schlicht keine Kenntnis hatten. Hier konnte wenigstens Mundpropaganda für Abhilfe und Verständnis sorgen. Irgendwie stehen wir uns bei Rot-Weiss Essen letztendlich doch immer wieder selbst im Weg. Aber in jedem Streit steht auch eine Chance auf einen Neuanfang. Und hier heißt das Zauberwort wie so oft im Leben Kommunikation. Und wohl auch zielgerichtete Absprachen.

Viele Gesten und Gesänge hat unsere Mannschaft einfach nicht verdient, auch in der Erregung der Missachtung nicht. Sie hat zuvor für uns die Knochen hingehalten und alles für diesen so wichtigen Sieg gegeben. Und wir können zudem festhalten, dass sie Charakter hat. Auch das haben wir uns in Essen immer gewünscht: Eine Mannschaft mit Charakter. Nun deshalb, wie vereinzelt zu lesen war, aus dem Verein austreten oder die Dauerkarte abgeben zu wollen, ist vielleicht auch eher der ersten Erregung in diesem emotionalen Schmelztiegel nach Abpfiff geschuldet.

Freitag nun geht es zum VfL Osnabrück. Wieder Flutlicht, erneut ein gut gefülltes Stadion, sehr eng und laut zudem. Dazu ein uns noch sehr vertrautes Gesicht und ein neuer Trainer auf der VfL Bank. Dessen Einstand ist vergangenen Samstag nicht so gut verlaufen. Aber auch er hat einen Bruder. Und nach dem Spiel, da gehen wir einfach wieder gemeinsam einen Schritt aufeinander zu. Im besten Sinne und am besten mit einem Auswärtssieg im Rücken!

Bayreuth. Konradsreuth. Weißdorf.

Das war ja schon recht früh, dieser Aufbruch zu einem Spiel von Rot-Weiss Essen um 5:30 Uhr. Aber man konnte ja gar nicht anders, als diesem historischen Ereignis im Hans-Walter-Wild-Stadion zu Bayreuth beizuwohnen. Um die Reisestrapazen zu minimieren, wurde bei der Familie in Konradsreuth übernachtet. Ein schöner Ort, um von dort aus am Sonntagmorgen in Weißdorf dem Frühschoppenspiel des 1.FC Waldstein gegen die SpVgg Selbitz beizuwohnen. Weißdorf, Weißwurst und Weißbier. Die heilige bayerische Trilogie um 11:00 Uhr morgens in einer herrlichen Naturarena. Die Fahrt gen Bayreuth war eine entspannte Reise durch NRW, Hessen und Bayern. Lediglich auf dem Parkplatz Spitzberg-Süd brachte das Anbringen einiger Kleber ein gestrenges, älteres Paar aus Sachsen auf den Plan. Der Rückweg einen Tag später hingegen durch Thüringen, Hessen und NRW brachte die A44 und mit ihr viele Fragen. Vor allem die, warum diese Autobahn andauernd unterbrochen wurde! Das gelobte Land dann die A33 und selbst Paderborn konnte so etwas wie Verzückung hervorrufen. Die obligatorischen 30 Bilder in chronologisch unsortierter Reihenfolge, beginnend mit einer roten Karte. Zu den Fakten: SpVgg Bayreuth – Rot-Weiss Essen 1:1 / 1.FC Waldstein – SpVgg Selbitz 2:0

Götterdämmerung.

Der Drucker quält sich mit dem Ausdruck der Bayreuth-Tickets. Möglicherweise liegt das unter anderem wohl daran, dass ich für jedes der fünf Tickets einen extra Druckauftrag erteilt habe, obwohl diese in einer PDF zusammengefasst kamen. Und so wird der Schreibtisch mittlerweile überflutet von Eintrittskarten in Tapetengröße, einige gar doppelseitig bedruckt. Ja, auch dieser Haken wurde zunächst nicht rausgenommen. Der Sparansatz hier somit der komplett falsche Weg. Aus den überzähligen Drucken könnte ich nun Konfetti für das Spiel produzieren.

Diesen Samstag geht es also endlich über die Landesgrenze hinaus zum ersten Pflichtspiel von Rot-Weiss Essen außerhalb Nordrhein-Westfalens seit dem 24.03.2012. Die Wagnerstadt Bayreuth der wochenendliche Sehnsuchtsort. Wenn auch ohne Wagner, der musste ja unbedingt in das kulturbefreite Hoffenheim. Und da sowohl unser RWE als auch die „Oldschdod“ als Aufsteiger bislang viel Lehrgeld in der großen Unbekannten 3. Liga zahlen musste, wird es nicht nur ein Spiel um den imaginären „Bestes-Bier“ Pokal, sondern direkt der erste Abstiegskracher der noch jungen Saison.

Und wenn man dann auch noch den Wettervorhersagen Glauben schenken darf, wird es im weiten Rund des Hans-Walter-Wild-Stadions auf den unbedachten Plätzen zudem auch noch richtig nass werden. Es wird sich aktuell wohl keiner über Regen beklagen wollen, daher weckt die Mischung aus Abstiegskrimi, 80er Jahre Gästeblockfeeling und eben die Option auf klatschnass werden so richtig Vorfreude auf ein epochales Auswärtserlebnis. Welches aber Bitteschön mit einem Erfolgserlebnis für unsere Farben gekrönt werden möchte. Schließlich ist man schon vergangenen Samstag gegen die Schanzer ziemlich kurz davor gewesen, eine über weite Strecken des Spiels einwandfreie Leistung mit diesen drei Punkten für ein Halleluja zu krönen.

Der Ausgang nur zu gut bekannt und schmerzt durchaus noch etwas, denn es ist lange her, dass wir auf den Rängen zwischenzeitlich so von den Sitzen gerissen wurden (sofern wir denn Sitzplätze hatten) und gelungene Aktionen unserer Spieler wie Tore bejubelt haben. Das war noch etwas ganz anderes, als die neunzigminütige Party am letzten Spieltag der vergangenen Saison gegen RW Ahlen. Da haben wir ja eigentlich nichts anderes mehr als einen Sieg nebst Aufstieg erwartet und sind auch allesamt mit solch breiter Brust in das Spiel hineingegangen. Das war aber auch eine herrlich fröhliche Dauerparty.

Dieses Spiel eine Liga höher gegen den Favoriten aus Ingolstadt hingegen war schon wieder ein Kulturkampf, den wir wohl verlernt hatten zu kämpfen. Das Schicksal aus zig Jahren Dauerfavorit hat vergessen lassen, dass wir alles andere sind, aber nicht mehr das Nonplusultra der Liga. Gegen die Schanzer jedoch konnte der Hebel endlich umgelegt werden und wurde auf Pokalmodus umgeschaltet. Exemplarisch für diesen Kampf und einigen spielerischen Befreiungsmomenten stand für mich folgende Aktion nach exakt einundsechzig Minuten und zehn Sekunden (Das weiß ich deshalb so genau, da das Spiel mehrmals am TV nachbetrachtet): Niklas Tarnat klärt mit einer mustergültigen Grätsche aus dem Lehrbuch dermaßen hafenstraßenmässig, so dass es die in der Nähe sitzenden Fans auf der Haupttribüne nicht nur aufspringen ließ, sondern diese am liebsten vor Begeisterung auf das Feld gehüpft wären.

Nach einundsiebzig Minuten und diesmal exakt 25 Sekunden konnte Jakob Golz bravourös gegen Jalen Hawkins klären. Auch für diese Aktion brandete Jubel auf und dürfte dieser unserem Schnapper neben weiteren guten Paraden gut getan haben. Er ist nunmal aktuell etwas in der Bredouille, und es bedarf wohl 1907 absolut unhaltbar gehaltener Bälle, bis der Fauxpas von Dortmund und der Abstimmungswackler zum Anschlusstor der Schanzer vergessen werden wird. Torwart bei Rot-Weiss Essen, daneben dürfte der Job eines Wirtschaftsministers in aktuellen Zeiten ein Klacks sein. Es waren also fantastische Minuten, in denen wir von unserer Mannschaft viel Leidenschaft und noch mehr Hingabe erfahren haben. Mindestens mit gleicher Münze in Gesang und Lautstärke haben wir auf den Rängen auch über die gesamte Spieldauer zurückgezahlt. Die perfekte Symbiose eben. Dafür sind wir zusammen aufgestiegen, dafür geht man nach Rot-Weiss hin.

Dass uns dann ziemlich abrupt der Stecker gezogen wurde, tat sicher nicht nur der Wasserkiste, die von Simon Engelmann durch die Coachingzone getreten wurde, sondern allen im Stadion zutiefst in der Seele weh, die es mit unserem RWE hielten. Musste man nach dem Spielverlauf zwischen zwei verlorenen oder einem gewonnen Punkt wählen, nahm wohl der Großteil die erste Möglichkeit. Und dabei wäre man vor dem Spiel mit einem Punkt mehr als zufrieden gewesen. Ein wichtiger Faktor für diesen bisweilen tollen Auftritt unserer Mannschaft war natürlich die Führung. Psychologie ist im Sport manchmal so einfach: Mit dem 1:0 gingen die Köpfe hoch, die Brust wurde gefühlt breiter und auch Isi Young bekam endlich wieder die Körpersprache der vergangenen Saison. Phase 1 der einfachen fußballerischen Küchenpsychologie also umgesetzt: In Führung gehen.

Samstag in Bayreuth steht dann Phase 2 auf dem Lehrplan: In Führung gehen und die Führung nach Hause bringen. Mit der Leistung des vergangenen Samstag sollte das machbar sein. Unter einer Bedingung: Die SpVgg Bayreuth darf nicht unterschätzt werden. Dieses Spiel in Bayreuth ist der Europapokal für den reisefreudigen RWE-Fan. Ist das nicht mehr für möglich gehaltene Überschreiten einiger Landesgrenzen. Das Spiel, eingebettet zwischen Walküre und Siegfried, ist unser persönliches Festspiel. Daher sollte es unsere Mannschaft erneut wie ein Pokalspiel angehen, um dann nach Abpfiff vor dem Gästeblock eine fröhliche Version der Götterdämmerung dargeboten zu bekommen.

Apropos Gästeblock: Ich bin gespannt, wie viele Fans unsere Mannschaft in die Wagnerstadt begleiten werden. Am dritten Spieltag wurde die Zwote aus Freiburg von ganzen drei Fans unterstützt, während den VfL Osnabrück schon stattliche 424 Fans auf den weiten Weg gen Oberfranken begleitet haben. Schaffen wir wieder vierstellig? Oder ist der Weg doch zu weit? Es wird spannend. Grundsätzlich sollten bei einem Fassungsvermögen im HaWaWi von 21.500 unter Berücksichtigung des aktuellen Zuschauerschnitts von aktuell 2411 Fans alle im Namen des RWE Reisenden auch Zugang finden. Ach, eine Bitte hätte ich noch, liebe Bayerischen Einsatzkräfte: Immer schön locker bleiben. Wir tun nichts, wir wollen nur gewinnen. 

Gegnerspionage Ingolstadt.

Es geht tatsächlich so langsam los mit den anderen Bundesländern, die für uns mal wieder den Duft der großen weiten Fußballwelt bedeuten. Auch wenn wir aktuell noch den Mief weitestgehender Punktelosigkeit einatmen, soll uns das nicht in unserer Vorfreude hindern. „Wir lassen uns die 3. Liga nicht vermiesen, keine Angst, keine Angst, RWE!“. Die Bayern also, sie kommen tatsächlich nach Essen. Glücklicherweise nicht der FC Bayern, sondern die „Schanzer“ des FC Ingolstadt von 2004.

Clever eigentlich, sich offiziell FC Ingolstadt 04 zu schreiben, so manch einer könnte ja denken, dass 04 auch für 1904 als Gründungsjahr stehen könnte. Aber investigativ wie ISDT nunmal ist, decken wir gnadenlos auf, dass der FC Ingolstadt natürlich erst 2004 aus einer Fusion der beiden finanziell klammen Platzhirsche MTV Ingolstadt und ESV Ingolstadt entstanden ist. Klamm ist man in Ingolstadt seitdem eigentlich nicht mehr, auch hier greift ein Autobauer dermaßen kräftig unter die Arme, so das der gelegentliche Vorwurf, nun ein Werksverein zu sein, emotional nicht immer glaubhaft entkräftet werden kann. Uns eigentlich egal, aber allein bei „04“ gehen die Synapsen schon mal steil.

Aber kommen wir zu dem wichtigsten Punkt, der einen Artikel wie diesen hier eigentlich schon im Ansatz überflüssig macht: Es gab bisher nicht ein Spiel von Rot-Weiss Essen gegen einen Ingolstädter Verein! Daran konnten auch monatelange Recherchen bis an die Grenze der Belastbarkeit nichts ändern. Ein Spiel Rot-Weiss Essen – FC Ingolstadt 04 wurde bis dato noch nie angepfiffen. Und auch gegen die Vorgängervereine MTV oder ESV Ingolstadt wurde seitens des RWE niemals gegen den Ball getreten.

Kurioserweise haben der MTV und der ESV in ihrer langen Historie ihrerseits selbst nur zweimal gegeneinander gespielt, sofern die Informationen letztendlich stimmen. Sehr ungewöhnlich für Lokalrivalen. Es war in der Saison 1979/80 der 2.Bundesliga Süd, als beide Vorgängervereine aufeinandertrafen. Im Hinspiel 1979 bezwang der MTV vor 6.500 Zuschauern auf der heimischen Bezirkssportanlage Mitte den ESV mit 2:1. Das Rückspiel 1980 wurde gar vor 7.000 Fans im ESV Stadion ausgetragen, man trennte sich 2:2 Unentschieden. Der MTV somit ewiger Stadtmeister. Dumm nur, dass man am Ende der Saison absteigen musste, während der ESV die Klasse halten konnte. Wenn auch nur noch eine weitere Saison.

Die Wege der baldigen „Fusionistas“ trennten sich somit recht schnell wieder. Also auch hier also keinerlei sportliche Besonderheiten, bei denen unser geliebter RWE irgendwie hätte mitmischen können. Ingolstadt gegen RWE, das ist wie der Frost im Preußenstadion oder die Meisterschale auf Schalke: Es hat nie existiert. Nicht aufgebend konnten dann trotzdem noch drei kleine Querverbindungen aufgedeckt werden: So war zu lesen, dass die Bezirkssportanlage Mitte des MTV eine Eigenheit mit dem legendären Georg-Melches Stadion aufweisen konnte: Die Bezirkssportanlage bestand ebenfalls nur aus drei Tribünen. Ob eine vierte Tribüne in Ingolstadt niemals gebaut, oder wie in Essen durch Substanzverlust abgerissen wurde, konnte hingegen nicht ermittelt werden.

Und dann gab es da noch den Peter: Peter Dietrich, seines Zeichens einmaliger Deutscher Nationalspieler (1970) , wechselte 1966 vom ESV Ingolstadt an die Hafenstraße, um dort für unseren RWE achtundzwanzig Mal gegen den Ball zu treten. Drei Tore inklusive. Hans Krostina ging den entgegengesetzten Weg, zudem zum Lokalrivalen und über eine Zwischenstation: 1977 verließ Hans Krostina nach fünfzehn Spielen Rot-Weiss Essen, um sich über den Umweg FC Bayern Hof 1978 dem MTV Ingolstadt anzuschließen. Dort explodierte er allerdings so richtig und steigerte seine Torquote von null in Essen auf vierundzwanzig in Ingolstadt.

Wie es sich nun für einen Fusionsverein eigentlich auch gehört, gestaltete sich das Wachstum der eigenen Fanszene in Ingolstadt seit 2004 eher langwierig. Zudem erreicht der heimische Eishockeyverein ERC Ingolstadt seit jeher zuerst die Herzen der Fans vor Ort und kann auf einen großen aktiven Kern setzen. Nicht zuletzt aufgrund der Entfernung dürfte sich die Anzahl der Gästefans somit irgendwo zwischen Elversberg und Viktoria Köln einpendeln. Der Aufsteiger empfängt den Absteiger. Zehn Punkte treffen auf einen Punkt, Null Gegentore stehen eindrucksvoll ganz vielen Gegentoren gegenüber. Auf dem Papier dürfte somit alles klar sein. Aber wenn Rot-Weiss Essen wirklich mal wieder Rot-Weiss Essen Dinge macht, und die Loyalität der Fans so richtig im Sturm belohnt: Ja warum eigentlich nicht den ersten Sieg ausgerechnet gegen einen der Ligafavoriten einfahren?

Und dann, ja dann geht es endlich zu einem Pflichtspiel außerhalb von Nordrhein-Westfalen! Es geht nach Bayreuth, ins dortige „HaWaWi“ zur Altstadt. Das erste Pflichtspiel in einem anderen Bundesland seit dem 24. März 2012. Aber darum kümmern wir uns in der nächsten Folge der Gegnerspionage.

La Familia.

Tabellenletzter nach vier Spieltagen in unserer neuen Bude 3. Liga! Die aktuelle Situation komplett neu nach einigen Jahren diverser Punkterekorde und epischen Titelkämpfen. Sie wirkt allein dadurch schon komplett befremdlich, war so auch nicht geplant und überfordert uns fast in Gänze, einen zielführenden Umgang damit zu finden. Und das, obwohl wir doch alle wussten, höherklassig mit einigen bis vielen Niederlagen rechnen zu müssen. Alle anderen Mannschaften sind schließlich unsere Gegner und nicht umsonst im Profifußball zuhause. Für die ist das komplett egal, wie sehr man uns endlich wieder herbeigesehnt hat und wie viele Artikel sich vor Saisonbeginn lobpreisend mit Rot-Weiss Essen beschäftigt haben.

Das die Artikel aber allesamt nicht zu Unrecht aufgesetzt und veröffentlicht wurden, definiert sich ja nicht nur über den aktuellen Tabellenplatz. Man könnte es auch an einer ganz anderen Beobachtung festmachen: Das Spiel unseres RWE bei der Zwoten von Borussia Dortmund hatte etwas von einem gigantischen Familienausflug! Die Liebe zu Rot-Weiss Essen definiert sich also weiterhin nicht allein über sportlichen Erfolg. Sie ist vielmehr der Staffelstab von Generation zu Generation. Unglaublich viele Jungs und Mädchen haben Rot-Weiss Essen an der Seite ihrer Eltern, Verwandten, Geschwister oder wen auch immer in das Westfalenstadion begleitet. Und genau das ist auch der Grund dafür, dass Rot-Weiss Essen einfach nicht unterzukriegen ist, der aktuellen sportlichen Situation zum Trotze.

Und ich bin optimistisch, dass diese vielen jungen Fans auch nach Niederlagen einen anderen Zugang zum Netz finden werden, anstatt dieses dafür zu nutzen, unter der Gürtellinie und bisweilen hemmungslos zu beleidigen. Ein leider nicht geringer Anteil älterer Generationen vergisst nach Niederlagen bisweilen den Anstand und sieht das Internet eher als kompensatorische Plattform für eigene Unzulänglichkeiten. Nur weil ich am Rechner oder Handy irgendwelche Beleidigungen in Kommentarspalten reinhacke, oder gar als private Nachricht verfasse: Es ändert sich dadurch auch nichts am Punktestand. Und wer sich danach besser oder cool fühlt, der wird im realen Leben sowieso niemals was gewinnen.

Es bedarf vielleicht eines grundsätzlich neuen Umgangs mit den sozialen Medien. Solange die Kommentarspalten geöffnet bleiben, wird die Reaktion immer in alle Extreme ausschlagen. Als Verein kannst Du es Dir natürlich nicht mehr leisten, keine Internetpräsenz zu zeigen, sondern musst mittlerweile viele Plattformen bespielen, um möglichst viele Fans mit Deinem Output zu erreichen. Das bedeutet schließlich nicht nur Raum für Aktualität, sondern in hohem Maße auch jede Menge Möglichkeiten zur Werbung in eigener Sache. Man will die Fans also erreichen und tut das auch. Doch dabei kommt es leider immer wieder je nach Spielausgang oder grundsätzlichen Inhalten zu Reaktionen, die schwer verdaulich sind, einfach nur stumpfe Beleidigungen oder fast schon einen Strafbestand beinhalten. Das Schlimme daran: Man kann sich als Verein (zurecht) daran aufreiben und auch anprangern. Man verschließt sich aber möglicherweise auch der konstruktiven Kritik, die vielleicht überlesen wird.

Ein ganz schwieriges Feld also, welches man da tagtäglich vorfindet. Schließt man die Kommentarspalten, unterbindet man den Diskurs mit den Fans. Lässt man sie offen, könnte man den Verfasser, die Verfasserin direkt blockieren, wenn gegen die Netiquette verstoßen wird. Aber wer soll das bewerkstelligen? Es ist schwierig und wird es wohl leider auch noch einige Zeit bleiben, bis eben nachfolgende Fangenerationen den von mir erhofften respektvolleren Weg im Umgang mit sozialen Medien pflegen, da von Kindesbeinen damit aufgewachsen. Aktuell würde ich mir von Rot-Weiss Essen wünschen, diese Kommentare nicht zum Gegenstand des Tagesgeschehens zu machen. Man kann keinen Faktencheck für jedes überhitzte Fangerücht leisten. Lasst die Kommentare ins Leere laufen, lest sie gar nicht erst. Wer sich mit irgendwelchen Angeblichkeiten wichtig tun will: So what? Ich wünsche mir, dass kein Spieler, Trainer oder Mitarbeiter*Innen jemals wieder einen eigenen Account löschen muss, nur weil man darüber persönlich beleidigend angegangen wird. Das geht gar nicht. Niemals! Und wenn der aktuelle Punkt der einzige bis Saisonende bleiben sollte! Die Familie Rot-Weiss hat sicher viele Subkulturen unterschiedlichster Prägung, aber in diesem Punkt sollten wir uns einig sein!

Zurück zum Familienausflug nach Dortmund: Die ganze Familie war also einmal mehr beisammen, auch wenn der Weg ins Stadion selbst aus dem nahen Essen bisweilen ein ganz weiter werden sollte, wie in der Halbzeitpause zu erfahren war. Die Bahn machte es einmal mehr möglich! Das Westfalenstadion ein durchaus beeindruckendes Stadion mit einem Schattenwurf, der den Stehplatzbereich der Gästefans komplett zu missachten wusste. Und so lieferten die dort stehenden Fans des RWE in der prallen Sonne über die gesamte Spielzeit und weit darüber hinaus schweißtreibende Maloche ab. Viel Wasser, weniger Bier das Getränk der Stunde dort. Im Kuchenstück Oberrang/Ecke hingegen war es zwar schattig, doch staute sich die Hitze dort, so dass die Melange aus stickiger Luft, Bierdunst etc. eine ganz andere Anforderung darstellte.

Auch unsere Spieler stellten sich den Anforderungen des Spiels und der Temperaturen und zeigten sich dem Vernehmen taktisch versierter Fans nach deutlich verbessert, im Gegensatz zu den Spielen davor. Eine homogene Mannschaft suche ich leider noch vergebens. Der Einsatz einmal mehr makellos gab es auch die besseren Chancen für unseren RWE, doch das Tor des Tages erzielte nun mal der BVB. Nach dem Spiel zeigte sich dann recht deutlich, dass wir eigentlich gar nicht so richtig wissen, wohin gerade mit uns und unseren Emotionen. Während „unten“ unisono lautstarke Aufmunterung gespendet wurde, gab es „oben“ glücklicherweise keine verbalen Entgleisungen a`la Kommentarspalte, aber es herrschte schon eine große Enttäuschung vor.

Ich urteile nun nicht nach taktischen Systemen, maße mir das auch gar nicht an, denn die Umstellungen kann ich schlicht auch nicht immer direkt erkennen. Ich erlebe Spiele sicher anders als der Fachmann oder die Fachfrau. Und schon gar nicht jage ich jedes Spielergesicht nach Auswechslung direkt durch den Gesichtsscanner oder dergleichen. Für mich ist ein Fußballspiel wie eine filmische Handlung, die ich stets mit allen Sinnen und Emotionen durchlebe. Alles in allem war es vergangenen Samstag in Dortmund somit eine intensive Folge der neuen RWE Serie „3. Liga“. Vielleicht kommt nun ausgerechnet gegen den Tabellenzweiten aus Ingolstadt die erhoffte, bisher beste Folge der neuen Staffel. Gerne auch mit den Fahnengirls. Wir müssen uns ja nicht jeder lieb gewonnenen Tradition länger entledigen als notwendig, nur um modern zu sein. Und dann, ja dann dürfen wir endlich raus aus NRW. Den weiten Weg über die Landesgrenze hinaus nach so langer Zeit fährt es sich sicher leichter mit vier Punkte. Man hat ja schließlich auch seine Erwartungen an so eine Serie.

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