Frau Holle

Irgendwann zur siebzigsten Spielminute hat sich Gattin den Hund geschnappt und unser Feriendomizil bis kurz vor Abpfiff verlassen. Der Hund als Spiegelbild meiner Seele wurde auch immer nervöser, meinen ganzen Reaktionen vor dem Monitor geschuldet und bedurfte dringend Ablenkung. Die konnte ich mir noch nicht gönnen, zu spannend und aufregend das Spiel der Rot-Weissen gegen die Arminia. 

Eine bärenstarke erste Hälfte legte den Grundstein dafür, den Sturmlauf der Ostwestfalen in der zweiten Hälfte schadlos zu überstehen. Die Renaissance der guten alten Grätsche hatte daran ihren maßgeblichen Anteil. So wie die Essener den Gegnern von Beginn an klarmachten, wer Herr im Hause Hafenstraße ist, wähnte man sich kurz in den Begegnungen der achtziger Jahre, wo noch die Ärmel auf- und die Stutzen runtergekrempelt wurden. Gut, dass ein Felix Backszat nun für uns ackert. Da gibt es auf die Socken. Die Herren Engelmann und Plechaty haben ebenfalls dafür gesorgt, dass sich ihre Verpflichtungen schon frühzeitig zu amortisieren beginnen. Ein Simon Engelmann ist im hohen Fußballalter ja dermaßen eiskalt vor dem Tor unterwegs, da fangen sogar Eiswürfel an zu zittern. Beide waren übrigens nicht nur maßgeblich am Tor des Abends beteiligt, sondern ebenso prominent in beiden Szenen, in denen ein Elfmeter gegen uns nicht allzu abwegig erschien. Aber warum dürfen wir nicht einfach auch mal Glück mit den Unparteiischen haben? Das Glück zudem hart erarbeitet und somit verdient. Punkt! 

Außerdem hatten wir nicht nur Glück, wir hatten auch Atmosphäre. Auch hier sorgte eine weitere Renaissance für wohlige Schauer: Das gute alte „R – R – RWE (listen & repeat)“ kam verstärkt zum Einsatz. Das wäre mal ein Wunsch bei voller Hütte, diesen klassischen und beeindruckend prägnanten Schlachtruf wieder öfter zu hören. Von der Ruhr bis an die Elbe ging es dann in die Pause, in der die Wände der Bielefelder Kabine ordentlich gewackelt haben dürften. Wackelig auch der gute Mann am Kommentatorenplatz des übertragenen Senders. Das schon mal ein „Erfurt“ rausrutscht, kann immer mal passieren, wenn von Rot-Weiss die Rede und im Eifer des Gefechts kommentiert wird. Wird aber zum Beispiel die längste vergangene Hoch3 Aktion als aktuelle Maßnahme erzählt, ist das einfach schlecht recherchiert. Das ist schade, aber leider immer wieder Alltag, wenn kleinere Vereine gegen Bundesligisten ran dürfen. Historie bekannt, der Rest wird schnell überflogen. Am Ende eines solchen Spiels ist das jedoch nicht mehr wichtig. Da zählen nur Freude und Glück über den unerwarteten Erfolg über einen frischgebackenen Bundesligisten. 

Die zweite Pokalhauptrunde ist erreicht und wird für einen Verein wie RWE zur monetären Frau Holle. Statt Kissen wird nun bald unerwartetes TV Geld ausgeschüttet. Welch ein Segen in Zeiten ohne das Tagesgeschäft Eintrittsgelder. RWE hat mit dem heutigen Spiel ein Zeichen gesetzt, wozu er wirklich imstande ist. Gegen Kleve und Wiedenbrück eher das eitle Pferd, welches nur so hoch springt, wie es muss, haben wir heute den edlen Ackergaul vonne Hafenstraße gesehen, der bis zum Abpfiff richtig gut malochen kann. Den ständigen Neuerungen als sozialromantischer Fußballfan eher skeptisch bis ablehnend gegenüber eingestellt, war ein Puzzleteil zum Erfolg vielleicht auch die Option, fünf Einwechselungen vornehmen zu können. Das brachte frische Beine für ausgelaugte Kämpfer und zum Schluss sogar noch etwas Zeit. Nichtsdestotrotz kann es natürlich auch hier zur alten Regel zurück. Toller Abend. Danke RWE!

Das die heutige Kolumne ausnahmsweise auch mal wieder zeitgleich im Blog vertreten ist, hat nichts mit Faulheit an der Tastatur zu tun, sondern ist schlicht der Tatsache geschuldet, dass man einen solchen Abend nur einmal authentisch in seinen Emotionen festhalten kann. Ich wünsche mir nun, dass Sonntag in der Roten Erde zu Dortmund der Rote (drei Punkte) Faden auch in der Liga aufgenommen werden kann, damit wir nicht direkt zu Beginn der sportlichen Musik hinterherhecheln müssen. Die Auslosung zur zweiten Pokalhauptrunde lässt ja noch etwas auf sich warten, bietet aber direkt Zeit und Raum für die herrlichsten Spekulationen. Schön wäre ja eine Loskugel aus der Gattung „machbarer Gegner“. Die aus Gelsenkirchen kann man sich nicht wünschen, da in der ersten Runde einfach ausgesetzt. Ich persönlich hätte somit aus unerklärlichen Gründen Lust auf ein Spiel gegen die Lilien aus Darmstadt.

Neusten Informationen zur Folge dürfen vielleicht schon gegen den Namensvettern aus Ahlen mehr als die bisherigen 300 in unser Zuhause. Kein „Alle“, aber ein wichtiger Schritt in diese so wichtige Richtung weg von „Keiner“. Umso wichtiger, dass wir alle unser Bestes dafür geben, dass dem nächsten Schritt weitere folgen können. Vielleicht sollten wir zusätzlich an der Geschäftsstelle mal eine „Merci“ abgeben. Nervennahrung ist zwar grundsätzlich gut, aber ich kann mich nur wiederholen: Was eine kleine Schar Rot-Weisser Mitarbeiter 24/7 für die große RWE Familie leistet, Tag für Tag umdenken muss, das ist wirklich aller Ehren wert. Georg Melches würde anerkennend seinen Hut vor Euch ziehen. Danke!

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