Kategorie-Archiv: Corona

Lieferhelden

Die Aussicht, endlich wieder das eigene Wohnzimmer Hafenstraße betreten zu dürfen, versetzt uns alle in kollektive Vorfreude und Aufregung. Dieser eine, kurze Moment, wenn die Mannschaft morgen das Feld betritt, um sich aufzuwärmen, dürfte wieder ein legendärer und zugleich sehr lauter werden. Wie auch schon im Spiel der vergangenen Saison gegen Fortuna Düsseldorf. Sofern die meisten Fans dann schon ihre Plätze im Stadion gefunden und eingenommen haben. 

Man kann sich denken, dass das eine Herkulesaufgabe der Mannschaft hinter der Mannschaft war und weiterhin sein wird, die Hafenstraße erneut den (sich zudem täglich verändernden) aktuellen Gegebenheiten entsprechend vorzubereiten. Allein um das Schachbrettmuster auf die Tribünen zu bekommen, wurde vergangene Saison nicht nur über Tage gearbeitet, sondern auch in Nachtschicht malocht. Und erst die aktuelle Logistik rund um die Dauerkarten: Da konnte ja nicht einfach nur verlängert werden, sondern es musste bei der Platzwahl ganz genau hingeschaut werden, um allen Auflagen gerecht zu werden. Ein wahres Puzzlespiel. Für Damian Jamro als Hauptverantwortlicher Ticketing und ihn unterstützende Kollegen bedeutete das aufgrund der der hohen Nachfrage und weiteren Lockerungen nichts anderes, als vergangenes Wochenende rund um die Uhr zu drucken. Im wahrsten Sinne des Wortes: Rund um die Uhr! Und dann gingen die Karten auch schon in die Post. Da kann man doch nicht meckern, das sind wahre Lieferhelden.

Leider kam es gelegentlich eher semi an, das langjährige „Sofa“ (aka Sitzschale) im eigenen Wohnzimmer nicht mehr in der gewohnten „Hood“ mit der angestammten WG zu teilen, sondern zunächst bei neuen Nachbarn unterzukommen. Das ist eben dem Fakt Schachbrett geschuldet und gilt ja auch nur noch für einige Spiele. Eigentlich ein klassisches Luxusproblem, denn überhaupt wieder dabei zu sein, dass allein sollte doch Freude pur hervorrufen. Die temporäre Versetzung kann man daher doch eigentlich gelassen und emphatisch hinnehmen. Außerdem dachte ich immer, wir sind alle Familie. Da kann man doch locker auch mal andere Verwandte kennenlernen. 

Ich habe ja schon desöfteren dieses so gut wie nie ausgehende Licht in unserem Stadion erwähnt. Aber zu keiner Zeit war ein fettes Dankeschön mehr angebracht, als in diesen Tagen. Die Mannschaft hinter der Mannschaft sorgt schließlich erst dafür, dass die Jungs auf dem Feld fast unbesorgt ihrem Job nachgehen können und im Optimalfall unsere Ovationen dafür entgegennehmen dürfen. Aber die dahinter nimmt man leider viel zu wenig als ebenso wichtig wahr. Mit unserem RWE meinen wir oft nur die Mannschaft. Weil sie hauptsächlich für die Umsetzung unserer sportlichen Sehnsüchte zuständig ist. Sportliche Sehnsüchte kennt man aber genauso auf der Geschäftsstelle und in allen anderen Funktionsbereichen bei Rot-Weiss Essen. Sie deckt sich komplett mit unseren, der Aufstieg ist das Ziel. Zudem ist Rot-Weiss Essen für fast alle mehr als nur ein Job. Das ist oftmals ebenfalls eine absolute Herzensangelegenheit.

Wenn jetzt mal eine Karte nicht sofort den gewünschten Platz ausweist, oder auch gefühlt zu lange auf sich warten ließ. Der Parkplatz noch nicht reserviert werden konnte, oder das Paket aus dem Fanshop noch nicht da ist…usw. usw.: Es gibt fast kein Problem, welches sich bei Rot-Weiss Essen nicht lösen lässt. Mit der gebotenen Geduld natürlich. Außer, es läuft auf dem Feld nicht wie gewünscht. Das können wirklich nur die Trainer und Spieler selbst regeln. 

Apropos Geduld: Wir werden sicherlich morgen beim Einlass ganz viel Geduld aufbringen müssen. Aber das wird schon klappen, und dann läuft es von Mal zu Mal geschmeidiger. Geben wir uns allen einfach die Zeit, uns auch außerhalb des Rasens wieder gut einzuspielen. Außerdem ist Stress auch nicht gut für den Blutdruck. Hafenstraße Essen, wir sind wieder hier. In unserem Revier! 

Relight „Mai“ Fire

Auch im Wonnemonat Mai ist immer noch nicht alles vorbei. Das kann man fast gar nicht fassen, dass es immer noch weiter geht mit unser aller Hoffnung, der Regionalliga endlich den Rücken zu kehren. Unverzüglich würde man das am liebsten tun. Das „Unverzüglich“ in der Regionalliga West unter seinem aktuellen Staffelleiter Wolfgang Jades jedoch anders zu bewerten ist als vielleicht noch 1989 durch Günter Schabowski, dass haben wir in den vergangenen Tagen lernen dürfen. „Gemach, gemach“ hier das Gebot der Stunde durch Wolfgang Jades. Wie dehnbar der Begriff „Unverzüglich“ nun tatsächlich umzusetzen ist, erlaubt er sich selbst zu definieren. Gut, dass Günter Schabowski dass nicht mehr miterleben muss. Zu gerne hätte er seine eigene Ratlosigkeit auf der legendären Pressekonferenz ebenfalls in selbstherrliche Chuzpe umgewandelt und den Mauerfall anderweitig terminiert.

In der Causa Dortmund und Corona blickt man ja so wirklich als Außenstehender nicht mehr durch. Und genau so soll es aus Sicht der dortigen Verantwortlichen wohl scheinbar auch sein. Aber auch hier, und noch einmal ganz deutlich für den missgelaunten Manager Ingo Preuß: Gute Besserung den erkrankten Spielern! Das steht über allem! Macht es in der Sache aber nicht besser, da man das Gefühl hat, in der Dortmunder Kommandozentrale werden einige Spieler zwischen den beiden Mannschaften hin- und hergeschoben, so dass es für kommende Zeitschienen passend gemacht wird. Ich glaube nicht, dass man freiwillig die Spielausfälle mit eingeplant hat, denn bei einem Erfolg in Rödinghausen und zeitgleicher Niederlage unserer Roten am Zoo wären sie dem Aufstieg dann doch ein gutes Stück näher gekommen. Man hat aber nun den Umstand genutzt, sich möglicherweise hintenraus einen (Kader-)Vorteil zu verschaffen. Es bleibt spannend und wir schauen mal, wie als Nächstes nun der Begriff „Saisonende“ durch Herrn Jades definiert wird.

Somit blieb es aus Essener Sicht bei einem relevanten Spiel an diesem Spieltag. Was sicher für die mittlerweile mehr als strapazierten Nerven nicht von Nachteil war. Zwei Spielen zeitgleich zu folgen, wenn schon das eigene von Woche zu Woche immer mehr überfordert, je näher es dem finalen Spieltag entgegengeht: Das kann doch keiner wollen. Der Hausarzt schon mal gar nicht.

Übrigens: In Zeiten von glattgebügelten Stadien ist das Stadion am Zoo zu Wuppertal trotz einiger Umbauten speziell auf der Gegengeraden immer noch ein herrliches Relikt aus vergangenen Zeiten und gehört auch dort eigentlich unter Denkmalschutz gestellt. Das fällt besonders auf, sind keine Zuschauer vor Ort. Die Anordnung der Blöcke, die nachträglich und schief angebrachten Sitzreihen unten. Die verwitterten und unbenutzten Stehränge über den noch nicht ganz verwitterten und benutzten Stehrängen. Diese Menge an unnützen Gittern….das alles hat durchaus Charme, muss ich zugeben. Den Blick darauf ermöglichte eine ziemlich interessante Kameraperspektive, die diesmal das Spielfeld raumgreifend zu erfassen wusste. Wähnte man sich in Straelen noch auf Höhe Grasnarbe, wurde man diesmal Teil der platzbeherrschenden Mannschaft aus Essen. Unbedingt in der ersten Halbzeit. In der zweiten Halbzeit hat sich dann der WSV daran erinnert, dass es für sie immer das Spiel des Jahres ist und entsprechend Druck gemacht.

Die Gefühlslage vor dem Monitor entsprechend: Vorher arg nervös wandelte sich die Gefühlslage in den ersten fünfundvierzig Minuten fast in Überheblichkeit ob der spielerischen Überlegenheit unserer Mannschaft. Und so ging man die zweite Halbzeit dann relativ entspannt an, um kurz darauf wieder hektisch mit dem Stuhl hin- und her zu rollen, unruhig auf den Schreibtisch zu klopfen und gelegentlich nicht mehr hinschauen zu können. Der Hund hatte sich schon zu Frauchen nach nebenan verzogen, das war ihm zuviel der Unruhe. Irgendwann fingen sich unsere Jungs wieder, machten es aber bis kurz vor Schluss spannend, ehe endlich das erlösende 2:0 fiel. Begleitet durch einen Freudenschrei, der nebenan fast Gattin vor Schreck vom Sofa plumpsen ließ. Blöd nur, dass zeitnah im Gegenzug der Tupperwaler Anschlusstreffer fiel. Atemlose Stille übernahm wieder bis zum erlösenden Abpfiff.

Also mal ganz ehrlich: Ich hatte heute eine Niederlage befürchtet und mich auf die genußvolle Aufarbeitung all derer gefreut, die uns nicht das Schwarze unter den Fingernägeln gönnen. Geschweige denn den Aufstieg. Die Mannschaft hat mich/uns einmal mehr des Besseren belehrt.

Das sind schon mentale „Monster“, die diese Saison in unseren Farben auflaufen. Es ist ja nicht nur das Theater aus Dortmund, was aktuell auf der Bühne Regionalliga gespielt wird. Es dürfte auch das Thema Kaderplanung kommende Saison sein, was die Spieler beschäftigt. Es geht schließlich um nichts anderes als ihre berufliche Zukunft. Dann diese immer gern zur Unzeit gestreuten Spitzen aus dem Hause RS. Vor allem aber die Erwartungshaltung von uns vielen zigtausenden RWE-Fans, dass jedes, aber wirklich jedes Spiel gewonnen werden muss! Am liebsten mit 8:0. Daran sind schon viele gute Mannschaften zerbrochen. Unsere hingegen macht unverdrossen weiter. Und nach so einer Woche unter Hinzunahme unserer absolut bescheidenen Bilanz in Wuppertal ist ein 2:1 Erfolg dort allererste Sahne. Was da spielerisch auf den Platz gebracht wurde, vor allem in der ersten Halbzeit, dass war beeindruckend. Genauso aber auch der leidenschaftliche und vereinte Abwehrkampf, als man zwischenzeitlich, und wie erwähnt, unter Druck geriet.

Da ist der gelegentliche Verweis in den Kommentaren auf das Verpassen eines höheren Sieges fast schon anmaßend, auch wenn die Chancen dafür natürlich da waren. Scheinbar sind wir von den Heimspielen schon zu sehr verwöhnt und erwarten mittlerweile immer mindestens eine „quattro stagioni“. Außerdem könnte man so langsam damit aufhören, immer auf das Doppelpack Ahlen & Oberhausen zu verweisen. Man kann es nicht mehr ändern. Das Ahlen Spiel war der nicht erklärbare Auftritt einer Mannschaft, wie ihn wohl jede Sportmannschaft einmal in einer Saison erlebt. Außer man kommt aus Gelsenkirchen, da haste diese Grütze Woche für Woche.

Ahlen war schlecht, aber die Lehren aus Ahlen waren dafür umso besser. Da hat sich eine Mannschaft selbst aus dem vielzitierten Sumpf gezogen und direkt wieder zu dieser Mannschaft „geschüttelt“, die uns auch in Wuppertal einen weiteren Auswärtssieg beschert hat. Last uns nicht mehr auf diesem Spiel herumreiten. Wir erleben die beste Mannschaft seit vielen Jahren, den besten Fußball seit noch viel mehr Jahren. Und wir werden aufsteigen.

Fan-Office

Ein Jahr lang ungeschlagen. Das bedeutet, 365 lange Tage in Liga und Pokal nicht einmal als Verlierer vom Platz gegangen. Ich weiss nicht, ob wir derlei schon einmal seit 1907 erleben durften. Kleiner Rückblick: Es war der erste Februar vergangenen Jahres, als wir vor 12.113 Fans an der Hafenstraße mit null zu zwei gegen den designierten Meister SV Rödinghausen verloren haben. Schon nach zwei Minuten traf ein gewisser Simon Engelmann gegen uns. Gut, dass er nun für uns trifft. Gegen den Bonner SC erneut zweimal. Diesmal auch wieder vom Punkt. Legendär weiterhin seine Freudenausbrüche nach den Toren. Kein Batman Quatsch oder gestenreiches versinnbildlichen privater Ereignisse. Sobald der Ball im Tor zappelt, ist das Ding abgehakt und weiter geht`s.

Vor dem nächsten Torerfolg gilt es aber für ihn und seine Mannschaftskollegen, sich zu regenerieren, denn die kommenden Aufgaben werden auch nicht viel leichter als das Spiel vom vergangenen Wochenende gegen den Tabellenletzten. Dieses barg sogar viel höhere Gefahren in sich, als man sich bei den beiden nächsten Spielen gegen Bayer Leverkusen und Borussia Dortmund Zwo vorzustellen vermag. Gegen Bonn konnte man eigentlich nur verlieren, gegen Bayer wird man aller Wahrscheinlichkeit nach verlieren und gegen den BVB sollte man irgendwie gewinnen. Erst nach harter Maloche wurde Samstag gewonnen und somit das Jahr ohne Niederlage besiegelt.

Wahnsinn, wer hätte das gedacht, dass in diesen schwierigen Zeiten ausgerechnet unser RWE der Regenbogen am Horizont der Pandemie ist. Das macht schon stolz und zufrieden, wenngleich sich weiterhin alles nicht so wirklich gut anfühlt. Es bleibt weiter ungewohnt, wie sich aktuell Spieltage gestalten. Bis vor einiger Zeit und hoffentlich auch irgendwann mal wieder, sind die neunzig Minuten im Stadion doch nur kleiner (zugleich natürlich wichtigster) Bestandteil vieler Rituale und Vorkommnisse, die sich um das Spiel drehen. Die Anreise nicht mehr auf der Autobahn, sondern höchstens aus einem anderen Raum in das Arbeitszimmer. Oder wo auch immer das Empfangsgerät steht. Es muss auch nicht mehr vor einem Spiel Ölstand und Luftdruck kontrolliert werden, sondern höchstens die Netzwerkverbindung. Es muss nicht einmal getankt werden, Brennstoff zum Spiel ist das Spieltags Ticket, sofern man kein Dauerkartenbesitzer*in ist.

Am heimischen Empfangsgerät gibt es auch keine sogenannten Hochrisikospiele, zu denen man nach Möglichkeit noch früher anreisen sollte, da an solchen Spieltagen leicht überhöhte Sicherheitsmaßnahmen schon mal den Weg abschneiden oder behindern. Im Fan Office zu spät zum Anpfiff zu kommen, liegt also wirklich und ausschließlich an einem selbst. Es sei denn, unverhoffte Baustellen tauchen aus dem Nichts auf, wie Mutters Anruf, zu viel Kontakte auf der Spielvorbereitungshunderunde oder eben auch die Wäsche, die noch aufgefangen werden will. Diese war es übrigens vergangenen Samstag, die aus einem Akt partnerschaftlicher Solidarität aufgehangen wurde. Zeitgleich mit dem Elfmeterpfiff wurde ein Schlüpper mit roter Klammer aufgehangen. Multitasking in Rot und Weiss!

Auch das gewohnte Catering gestaltet sich mittlerweile etwas anders: Die Frikadelle im Brötchen oder die Bratwurst vor dem Hafenstübchen hat sich zu einem flockigen Stück Kuchen gewandelt. Dafür darf aber das Stauder direkt aus der Flasche genossen werden, muss nicht in einem Plastikbecher ausgeschenkt werden. Die „Gefahrenlage“ im Fan Office natürlich auch deutlich entspannter, als man es gemeinhin einem Stadion zuschreibt. Eins aber bleibt immer gleich: An Spieltagen ist irgendeine RWE-Klamotte Pflicht. Ich wechsle diese zur Zeit nach jedem Unentschieden, denn einen obligatorischen Tausch nach einer Niederlage kann man aktuell einfach nicht einplanen. Und man will ja nicht irgendwann aus den Klamotten müffeln, wo es doch gerade alles so nach Erfolg riecht.

Epilog: Gegen Nachmittag hatte ich einen kleinen Empörungsbeitrag geschrieben, in welchem ich mich über den Tausch des Heimrechts der beiden Borussen Mannschaften aufregte. Ich witterte Wettbewerbsverzerrung und war direkt wieder auf 1907. Doch die allseits entspannten Reaktionen darauf, besonders von unserer Vereinsseite, waren ziemlich entspannt und lässig, so dass die Empörung nebst Beitrag nicht mehr vonnöten war. Außerdem klären wir das alles schon bald an der Hafenstraße.

Fachmänner für Bodenbeläge

Ker, was geht es uns gut gerade. Also im übertragenen Sinne natürlich. Unsere Mannschaft bereitet uns wirklich Freude. Was lange währt, könnte endlich gut werden. Vielleicht schon kommendes Jahr, wenn so viel anderes auch wieder gut werden könnte. Man muss die Jungs in unseren Trikots jetzt nicht mehr vor jedem Spiel fragen, wie es sich anfühlt, ohne Fans zu spielen: Das fühlt sich Kacke an. Punkt! Und wird vor jedem wichtigen Heimspiel neu gefragt einfach nicht besser. Wir fehlen Ihnen und sie fehlen uns. Aber deshalb sind wir trotzdem immer dabei. Wie heißt es doch in den Gesängen: „Wir ziehen voran, als Euer zwölfter Mann. Durch Regen und Stream. Durch Sturm und Radio…RWE ohoooo“. Also, wir wuppen das trotzdem gemeinsam. Speziell schon Morgen wieder gegen die Wuppis.

Natürlich ist man allein aufgrund der Tabellensituation Favorit gegen den WSV. Wir sind oben, und sie relativ im Tal der Tabelle. Aber noch sind wir nicht bei Mittwoch, sondern bei der Aufarbeitung der vergangenen, erfolgreichen Woche. Und bei einer Schlagzeile, die man ewig lesen könnte: „BVB demontiert Schalke und bleibt RWE auf den Fersen“. Natürlich hat sie zwei kleine Schönheitsfehler: Zum einen hätten sich die Blauen mit ihrer Zwoten nur einmal genau so anstrengen können wie noch gegen uns, und zum anderen bleiben doch eher unsere Roten den Schwarz-Gelben auf den Fersen. Realistisch betrachtet, sollten die jungen Borussen ihre beiden Nachholspiele erfolgreich gestalten. Aktuell sind die Spiele aber nicht gespielt, und somit grüßen eben die Kicker von der Hafenstraße ziemlich fröhlich von der Tabellenspitze. Sechs Punkte und sechs Tore die Bilanz der vergangenen Woche. Man muss das als RWE auch einfach beiseite schieben, und kann den BVB jetzt nicht andauernd als über einem schwebendes Damoklesschwert von Woche zu Woche mitnehmen. Das klärt sich alles im Laufe der Saison.

Das Spiel unter der Woche verblüffte Anwesende durch einen Auftritt der jungen Fohlen, der so gar nicht einer traditionell spielstarken Zweitvertretung ähnlich sah. Man überließ uns ja fast komplett Ball und Raum, so dass sich die Essener über mehr Ballbesitz freuen durften, als manch Kind im Bällebad eines Möbelhauses. Ecken und Abschlüsse ebenfalls en masse vorhanden, es war gar von einem Klassenunterschied die Rede, doch der verdiente Lohn in Form eigener Tore blieb bis weit in die zweite Hälfte verwehrt. Sandro Plechaty war es dann mit seinem ersten Saisontor, welches allen Fans vor den Empfangsgeräten den Blutdruck zu senken vermochte. Man kennt das ja aus früheren Jahren, wo eine hemmungslose spielerische Überlegenheit schon mal in einem eiskalten Gegentor mündete. Doch auch das in diesem Jahr kein Thema: In der Schlussminute traf dann Isaiah Young ebenfalls das erste Mal für die neuen Farben und ein Geduldsspiel nahm ein gutes Ende. Gut zu wissen, dass es auch mal die Kollegen waren, die das mit den Toren geregelt haben.

Wieder einmal drei Punkte gegen den Trübsinn der Aktualität und gegen das Gefühl, nichts dazu beitragen zu können, dass es gerade so gut läuft wie es läuft. Aber, besser es läuft gerade ohne uns, als dass es mit uns nicht laufen würde. Ball flach halten, Pobacken zusammenkneifen und Punkte zählen. Das ist das, womit wir gerade am besten helfen können. Shoppen geht natürlich auch. Die neuen Klamotten noch mehr ansehnlich als die „Linie“ der vergangenen Saison schon. Da wird die schlabberige RWE Jeans ganz gebleicht vor Neid, denn endlich bekommen wir den Traum tragbarer Alltagszugehörigkeiten weiter und immer weiter erfüllt.

Am Samstag ging es dann ja nach Duisburg zur derzeitigen Nummer Eins der Stadt, dem VfB Homberg. Vergangene Saison noch im Wedaustadion des designierten Absteigers ausgetragen, konnte auch diese Begegnung ohne Zuschauer locker auf angestammten Homberger Geläuf gespielt werden. Wobei Geläuf als Begrifflichkeit für das Spielfeld im PCC Stadion der VfB’ler noch sehr charmant umschrieben ist. Trainer Neidhart erwies sich aber als Fachmann für Bodenbeläge und passte diesen einmal mehr Aufstellung und taktische Ausrichtung bestmöglich an. Da auch der VfB Homberg keinesfalls gewillt war, den Essenern den Platz so zu überlassen, wie es noch am Mittwoch in Rheydt der Fall war, entwickelte sich ein munteres Spiel. Mit einer frühen Führung für den RWE! Simon Engelmann war es, der sein Torkonto weiter zu erhöhen wusste. Die kurze Irritation darüber, dass auch andere Rot-Weisse wissen, wo das Tor steht, somit kurzzeitig geklärt.

Anhand der Bewegtbilder wähnte man sich zwischendurch übrigens auf einer Nordseefähre bei Windstärke acht oder neun, so sehr windete es in Rheinnähe und pfiff es aus den Lautsprechern. Die Schleppkähne auf dem Rhein im Hintergrund und die zahlreichen, in ausreichendem Abstand zueinander stehenden Zaungäste vermittelten einmal mehr in dieser Saison ein uriges Gefühl in der Betrachtung. Mitte der ersten Halbzeit knallte dann unser Fußballgott Marcel Platzek den Ball mit einem satten Rechtsschuss in des Gegners Tor und rechtfertigte mindestens damit seinen Platz in der Startaufstellung. Diese Flexibilität aktuell das ganz große Plus bei RWE. Die Aufstellung vor dem Spiel mittlerweile ähnlich spannend wie noch vergangene Saison, aber der Matchplan dahinter irgendwie strukturierter. Da in Rheydt auch Sandro Plechaty Lust am Tore schiessen gefunden hatte, legte er in Homberg zum zwischenzeitlichen 3:0 noch vor der Pause nach. Es ist wichtig, dass immer mehr Spieler treffen und so die Last des Torerfolgs auf mehrere Schultern verteilen. Aber natürlich blieb es doch an Simon Engelmann, die beiden anderen Treffer mit seinem zehnten Tor zu umrahmen, so dass es schlussendlich der erste deutliche Erfolg der Rot-Weissen wurde.

Man könnte sagen, dass die Torkuh vom Eis geholt und der Torbock umgestossen wurde. Man kann es aber auch lassen, weil es sich irgendwie bescheuert liest. Was man aber unglaublich erleichtert zur Kenntnis nehmen kann ist, dass Simon Engelmann bei uns einfach dort weitermacht, wo er in Rödinghausen aufgehört hat. Das ist eine der großen Überraschungen dieser Saison. Bislang war es doch eher so, dass neue Spieler oftmals ihre großen Qualitäten beim abgebenden Verein im Spind haben liegen lassen. Wir haben da so unsere Erfahrungswerte gesammelt. Ein weiteres Indiz also für die (sportliche) Saison der Saisons.

Abseits der Hafenstraße gab es rund um das runde Leder noch zwei bemerkenswerte Meldungen: Der FSV Mainz hat sein erstes Saisonspiel gewonnen und damit Gelsenkirchen den Platz der Plätze überlassen. Und der von mir sehr geschätzte Kicker fragt in einem großen Interview ausgerechnet den Boss der Dosen, wie sich die Zukunft des Fußballs darstellen kann. Ey, dann kannste auch eine Pizza fragen, ob sie sich eine Zukunft nach dem Backblech vorstellen kann. Da bedarf es anderer Stimmen, die gehört werden müssen. Aber definitiv nicht die aus Fuschl am See.

Emotional Rescue (Stones)

Man ist ja mittlerweile soweit, dass man sich vermehrt Sportdokumentationen verschiedenster Mannschaftssportarten aus vergangenen Jahren anschaut, nur um mal wieder ein wenig Flair genießen zu dürfen. In einer dieser Dokumentationen sprach ein Trainer davon, dass seine Mannschaft und die Fans ein enormes emotionales Investment vornehmen müssten, um das Derby zu gewinnen. „Emotionales Investment“, vielleicht genau die Begrifflichkeit, mit der sich umschreiben lässt, was uns allen zur Zeit aus gegebenem Anlass so sehr fehlt.

Spielergebnisse, Tabellen, Neuverpflichtungen, taktische Spielereien und so weiter, dass alles ist die eine Seite des Fußballs. Die Seite, die wir ja auch ohne Probleme (es sei denn, Spiele müssen aufgrund positiver Verdachtsfälle/Erkrankungen abgesagt werden) weiter verfolgen können. Und so konnten wir am Samstag den erneut temporären Sprung unserer Rot-Weissen an die Tabellenspitze der Regionalliga West verfolgen. Also im eigentlichen Sinne. Denn aus Bergisch-Gladbach gab es keine Bewegtbilder zu betrachten. Verwöhnt durch die eigenen, mittlerweile richtig stabil laufenden, Übertragungen aus der Sendeanstalt „97a“ sowie von den bisherigen Auswärtsspielen machte sich fast Verblüffung breit, als es zu realisieren galt, dass wir ausschließlich den alten Tugenden Fanradio und Liveticker die volle Aufmerksamkeit schenken durften.

Beide Medien konnten aber nicht viel Glanz in ihre Berichterstattung bringen, denn die auf einigen Positionen veränderten Rot-Weissen brachten auch gegen den Gastgeber und Kellerkind SV Bergisch-Gladbach wohl eher keine Kür, sondern die Pflicht auf den Rasen. Sich mit Schwung dem Strafraum zu nähern fiel auch diesen Samstag erneut etwas schwerer. Und so können wir froh sein, dass jedes Spielfeld auch Elfmeterpunkte beinhaltet: Letztendlich mussten zwei Elfmeter her, um nach dem Spiel mit Drei Punkten nach Hause zu fahren. Weiter ungeschlagen! Wieder gewonnen und erneut an der Tabellenspitze. Eigentlich könnte uns allen doch die Sonne aus den Knopflöchern strahlen, was sie im tabellarischen Sinne auch durchaus zu tun vermag.

Aber, da ist zum einen diese ungerade Tabelle, die bei einer Mannschaft acht gespielte Spiele aufweist, bei einer anderen wiederum schon deren vierzehn. Doch da ist auch das Gefühl, dass was fehlt. Das irgendwas lähmt. Und da kommt für mich wieder das emotionale Investment ins Spiel. Unsere Spieler machen gerade alle ihren (guten) Job und sind sicher mehr als froh, diesem weiter nachgehen zu dürfen. Aber Fußballer spielen nicht nur für sich selbst. Fußballer stehen selbst in der Kreisklasse auf einer Bühne und leben von der Anfeuerung und den Emotionen von außen. Fußballer bei Rot-Weiss Essen bedeutet sogar die ganz große Bühne. Die große Klaviatur der Emotionen, negativ wie positiv. Vielfach rauf- und runter zwischen Anpfiff und Abpfiff gespielt.

Alles wirkt auf dem Platz gerade langsamer und freudloser ohne Fans. Ohne die verschiedensten Lager vor Ort, die ein Stadion zu bieten hat. Keine aktive Szene, keine Dauernörgler. Keine Kutte und kein Modefan. Wir, die wir die Ergebnisse sonst in Freude vereint rausschreien oder nach schlechtem Ausgang aus Frust verbal vor uns hin rotzen, nehmen die Ergebnisse nur noch wohlwollend hin. Nicken diese ab und halten durch. Dem Gebot der Stunde folgend. Je weniger Kontakte, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass weitergespielt wird. Immer weiter. Und mit jedem positiv gestaltetem Spiel steigen unsere Chance, dass ersehnte Ziel Aufstieg zu erreichen. Man kann nicht mal applaudierend anerkennen, wie lange unsere Jungs nun schon ungeschlagen von Spiel zu Spiel eilen.

Der Funke, der sonst vom Feld auf die Tribünen springt und umgekehrt. Dieser Auslöser jedweder Emotionen im Kulturgut Stadionbesuch, dieser Funke kann aktuell einfach nicht gezündet werden und hockt irgendwo verzweifelt in den Stadionkatakomben. Wartet drauf, wieder ins Spiel eingreifen zu dürfen. Man kann das auch nicht kompensieren, indem zum Beispiel die Stadionregie in höheren (TV-) Ligen trotz verwaister Tribünen das komplette Animationsprogramm abzieht und bei Toren schier eskaliert. Das ist schlicht peinlich. Wir müssen nun irgendwie einen Weg finden, unserer Mannschaft trotz Abwesenheit zu vermitteln, dass es für uns das Größte ist, wenn sie auflaufen und für unser Emblem alles geben. Dass unser Tag trotzdem von diesen neunzig Minuten dominiert wird, in denen Rot-Weiss spielt. Und das wir uns bei ihr genau diese Emotionen wünschen, als wenn wir da wären. So schwer es auch fallen mag. Vielleicht also müssen wir den Spielern noch einmal auf andere Art vermitteln, dass wir auch jetzt den Schub geben wollen, den sonst nur ein volles Stadion zu geben vermag. Aber wie kann solch schwieriges Unterfangen gelingen?

Abseits dieser Gedanken wurde die zweite Runde des DFB Pokals ausgelost. Und was soll man schreiben: Corona hat auch seine guten Seiten! Endlich werden Auslosungen wieder wie Auslosungen durchgeführt und nicht zu einer peinlichen Show verhunzt. Ich muss ja gestehen, mich hat die schiere Angst gepackt, dass wir es ausgerechnet jetzt mit den Blauen zu tun bekommen. Das einzig wahre Derby nach so vielen Jahren, und dann vor leeren Tribünen. Dann hätte 2020 endgültig den Hut nehmen können. So bliebt es weiterhin eher das kalendarische Gelsenkirchen. Die Ziehung nun für uns direkt eine „Auslosung interruptus“, denn schon nach der vierten Kugel war alles vorbei: In der zweiten Runde des DFB Pokals ist erneut die Düsseldorfer Fortuna zu Gast. Ebenso wie gegen Arminia Bielefeld der zweite Anlauf unserer Roten binnen weniger Jahre.

Und nehmen wir Bielefeld als gutes Omen, steht der dritten Runde ja nicht viel im Weg. Außer, dass wir auf den Rängen wohl immer noch nicht in emotionales Investment investieren dürfen. Aber, hoffen darf man immer!  

Quarterback.

Das Spiel war gerade einmal drei Minuten jung, da dröhnte es lautstark aus einer der dreihundert Rot-Weissen Fanseelen heraus: „Das Schwert ham wir immer noch“. Nicht das die Spieler dort unten sich großartig für diesen Sachverhalt interessiert hätten, aber es ist einfach faszinierend, wie die Legende aus 2002 immer weiter Bestandteil unserer Fanfolklore ist und wohl auch sein wird. Das Richtschwert ist weg, dabei bleibt es. Und Punkte für die Preußen gab es im ersten Aufeinandertreffen nach zehn Jahren auch nicht als Wiedergutmachung . Verabschiedet wurden die eigenen Spieler in Münster übrigens, als ob es gegen Bielefeld oder Osnabrück gehen würde. Rot-Weiss Essen einmal mehr Everybody’s Darling Rivale.

Rückblende:

Wir schreiben den 24.Oktober 2009. Das Georg-Melches Stadion liegt in seinen letzten Zügen. Aus den Dächern bröckelt der Putz und an der Nord knabbert schon der Bagger. Preußen Münster ist zu Gast und 10.022 Fans beider Lager wollen in der alten Kabachel GMS dabei sein. Die zwei Gruppen der aktiven Szene bei den Preußen zu jener Zeit innig in „Freundschaft“ vereint. Etwa so wie Trump & Biden, Daum & Hoeneß oder auch Celtic & Rangers. Anreiz genug für die Essener Fanszene, ihrerseits mittels Spruchband dazu aufzufordern, die Dinge doch einmal „sportlich“ zu klären. Der Spielverlauf auf unserer Seite, ein gewisser Sascha Mölders zeichnete für das 1:0 verantwortlich.

Man ahnt nicht nur, sondern weiß natürlich, dass das Spiel im Gegensatz zu Samstag nicht erfolgreich über die Bühne gebracht werden konnte. In der Nachspielzeit kamen die Preußen zu ihrem Ausgleich, im Gästeblock purzelte alles durcheinander. Man munkelt sogar, auch eigentlich unsympathische Preußen stolperten einander in die Arme. Nach dem Spiel gab es nicht nur Nettigkeiten für die Mannschaft am Zaun, sondern auch Verspätungen in der Abreise, da erst die Abreise der Fans aus Münster sichergestellt werden musste. Die Atmosphäre geladen.

Soweit der kleine Ausflug in die letzte gemeinsame Saison mit den Adlerträgern. Die hatten nun ihren Ab- und wir immer noch keinen Aufstieg, was erneut für gemeinsame Zeit in ein und derselben Liga sorgt. In einer Zeit vor oder nach viraler Belastung hätte das Spiel sicher locker für eine fünfstellige Kulisse gesorgt. Aber, da wir nicht bei „wünsch Dir was“, sondern bei „So isses“ sind, sollten wir darüber aktuell nicht nachdenken.

Ich hätte es jedoch schön gefunden, wenn ein funktionierendes Hygienekonzept weiter angewandt werden darf. Die Nachverfolgung ist gewährleistet, der prinzipiell notorisch unbeugsame RWE Fan hat sich gegen Düsseldorf absolut vorbildlich an alle Auflagen gehalten. Letztendlich wohl eine wesentlich geschütztere „Baustelle“ als stellvertretend zum Beispiel der Planwagen, der mir auf dem Rückweg in Bottrop an einer Ampel begegnete: Das Zugpferd hatte noch den größten Abstand. Auf dem Wagen feiernde Menschen im direkten Gegenüber. Vielleicht aktuell nicht die beste Idee. Meine Fresse, als Verein legst Du Dich rund um die Uhr krumm, um die Sicherheit der Fans zu gewährleisten, hoffst und bekommst deren Mithilfe, aber darauf hat man natürlich keinen Einfluss. Mögen sich die Zahlen bis Oberhausen stabilisieren.

Somit also die berühmten dreihundert im Stadion. Nicht die aus Sparte, sondern deren aus Essen. Freudlos das Ambiente vor dem Stadion, aber auch hier absolute Disziplin und Einhaltung der wirklich wichtigen Vorgaben wie NMS und Abstand. Unser Verein hat von Spiel zu Spiel dazugelernt und löst eine Herkulesaufgabe nach der anderen.

Vermutlich hat Joe Cocker nichts von der Existenz von Rot-Weiss Essen gewusst. Und somit ist wohl gesichert, dass seine Darbietung von „You Are So Beautiful“ nicht der aktuellen Mannschaft des RWE gewidmet ist. Allerdings stellte sich bei mir direkt eine Verbindung zu dem Spiel gegen die Preußen aus Münster her, als das Lied auf dem Heimweg im Autoradio dudelte. Der bisweilen gequälte Ausdruck in Cockers Stimme hatte jetzt aber nichts mit der Chancenverwertung der Rot-Weissen zu tun, dass ist schlicht sein Markenzeichen gewesen. Auch wenn es das knappste aller knappen Erfolgsergebnisse vielleicht nicht so aussagen mag: Vergangenen Samstag war die Mannschaft aber mal so richtig beautiful zu uns. Und da auch die Preußen aus Münster ihren Teil zu einem schönen Spiel beitragen wollten, bekamen die wenigen im Stadion und die vielen vor den Monitoren ein ziemlich hochwertiges Fußballspiel geboten.

Das war absolut professioneller Fußball mit allem was das Herz begehrt. Und es war eine Heimmannschaft, die in punkto Ballbesitz und Ballbehandlung Maßstäbe zu setzen wusste. Man weiß gar nicht, welchen Spieler man herausheben könnte, so gut waren die Spieler von Christian Neidhart an diesem Samstag insgesamt auf dem Platz unterwegs. Alexander Hahn und Daniel Heber vereitelten was zu vereiteln war. Marco Kehl-Gomez auf dem Platz einmal mehr unglaublich präsent, ließ dem Gegner keine Ruhe, um am Ball zur Entfaltung zu kommen. Löste immer wieder enge Spielsituationen auf und gab zur Not auf die Socken. Cedric Harenbrock, dessen Karriere schon in jungen Jahren vor dem Aus stand: Der Verein hat immer an ihn und sein Talent geglaubt, ihn weiter an sich gebunden und in Ruhe wieder „aufgebaut“. Samstag dürften allen Beteiligten daran vor Freude die Augen geleuchtet haben, als es Cedric in die Anfangsformation geschafft hatte und  diese mit bravouröser Leistung zu rechtfertigen wusste.

Und dann erst Dennis Grote: Man stelle sich ihn im Football typischen Spieleroutfit vor, und wir haben den perfekten Quaterback vor uns. Wie er den Angriff zur Führung einzuleiten wusste, da würden Joe Montana oder Tom Brady anerkennend den Helm ziehen und durch die Beißschiene pfeifen. Schon faszinierend zu beobachten, wie Spielertypen unter einer Trainerphilosophie schon mal in ein Abseits gestellt werden, oder auch aufblühen. Ebenfalls neu in der Anfangself Isaiah Young. Welch ein An- und Auftritt. Der „Youngster“ wuselte so ziemlich überall herum und brachte immer wieder ein Durcheinander über die Preußen Abwehr. Vielleicht war der Wunsch, sein erstes Tor für den RWE zu erzielen zu ausgeprägt, so dass er bisweilen zu ungestüm sein Ziel erreichen wollte. Und auch alle hier Nichtgenannten reihten sich nahtlos ein in ein Ensemble, welches das relativ ruhige Auditorium zu begeistern wusste. Man kann diesbezüglich den dreihundert im Stadion keinen Vorwurf machen, ist gesundheitlich vielleicht sogar von Vorteil. Dafür wurden sich die Hände wund geklatscht, denn es gab oft Grund dazu. Auch von Kevin selbst.

Feine Ballstafetten oder die Grätsche von hinten in Perfektion umgesetzt ließen das Fußballerherz jauchzen. In der langen Nachspielzeit kam noch mal kurz der 24.Oktober 2009 in Erinnerung, als die Preußen seinerzeit ausgleichen konnten und der Auswärtsblock kollektiv auszurasten wusste. Kollektiv ausrasten geht grad nicht, aber kollektive Erleichterung darüber, dass Daniel Davari im Schlussakt einen erneuten Ausgleich nicht zulassen konnte, sehr wohl. Die Null blieb stehen. Und drei Punkte auch.

Ausblick:

Nun warten die Jungfohlen und der strauchelnde Nachbar aus Oberhausen. Atmosphärisch wohl leider auch relativ unbedeutend die beiden beide Spiele, und doch so wichtig. Spätestens seit Samstag wissen wir, dass unsere Mannschaft bereit für den heißen Ligatanz ist. Nur der RWE!

„Ich kann gar nicht alt genug werden, um alle Überraschungen, die der Fußball so parat hat, verkraften zu können“ (Hans Meyer)

Düsseldorf:

Zwischendurch wäre ein Anruf beim Ordnungsamt angezeigt gewesen. Aus Gründen schwer beschäftigt in diesen Tagen hätte es ein weiteres Mal eingreifen müssen, um die Zwote Mannschaft von Fortuna Düsseldorf dicht zu machen. Und den Unparteiischen gleich mit. Immer wieder überschritten beide die Grenze zur Peinlichkeit und sahen Dinge, von denen die überwiegende Mehrheit im Stadion nicht wusste, dass es sie gibt. Und so lagen sie und wanden sich in ihrem Schmerz, die jungen Fortunen. Wir werden wohl auf ewig rätseln, woher dieser kam. Also der Schmerz. Oder die Karten. Da möchte man nur fragen: „Warum?“ Vielleicht war es ein Stück weit der seit Monaten nicht mehr gekannten Begleiterscheinung namens Atmosphäre geschuldet, die zu dieser sehr interessanten Auslegung der Regeln und Fairness geführt haben.

Sei’s drum, die Mannen um Christian Neidhart haben sich dadurch nicht von ihrem Ziel abbringen lassen, diesen Abend zu zelebrieren und mit drei Punkten erfolgreich zu gestalten. Der Abend an der Hafenstraße hatte aber noch weitere Akte zu bieten, die allesamt auf der ziemlich emotionalen Klaviatur gespielt wurden. Kurz vor dem Stadion wähnte man sich eher wie vor einem Rockkonzert, denn vor einem Fußballspiel. Der ansonsten so belebte Vorplatz wurde blickdicht gemacht, um an dieser Rot-Weissen Kulturmeile Ansammlungen zu vermeiden. Unser Boss durfte sich also fühlen wie Mick Jagger, Bono oder René Pascal, denen so vor allzu neugierigen Blicken Sichtschutz gewährt wird. Auch Fancontainer und Stauder Wagen waren somit betroffen und vermittelten so schon bei der Ankunft dieses Gefühl, dass gerade alles anders ist. Der Einlass weitläufig, klar strukturiert und trotz der gebotenen Vorsicht entspannt.

Die Mitarbeiter in den langen Hosen haben Tag und Nacht vorgelegt, damit ihre Kollegen in den kurzen Hosen endlich wieder eine etwas größere Bühne für ihre Fußballkünste betreten konnten. Chapeau und Danke dafür! Im Stadioninneren galt es einen Moment zu überlegen, und dann war der Kontext hergestellt: Boavista Porto mit seinem Estádio do Bessa Século. XXI stand hier Pate, schließlich hat der portugiesische Verein in Reminiszenz an seine Schachabteilung auch alles in selbigem Muster ausgekleidet. Schade, dass es keine roten Müllsäcke gibt, welches Bild hätte das gegeben. Da die gängigen Farben jedoch Blau und Schwarz sind, war Schwarz natürlich alternativlos. Die Sitze dazwischen füllten sich nun langsam mit Fans und bekamen die ersehnten roten Farbtupfer.

Das die Mannschaft mittlerweile schon auf dem Platz war, ging fast ein wenig unter. Als dann aber das Aufwärmen beendet wurde, ging urplötzlich ein Ruck durch das Stadion: Die Mannschaft begrüßte spontan die Fans und diese sprangen direkt auf, klatschten sich die Finger wund. Fast so, als hätten wir justament den Aufstieg geschafft. Der Einlauf ebenfalls ein emotionaler Festakt. Irgendwie überlagerten sich Stadionregie, Gesänge und die drei Tribünen, so dass unter dem Strich Gemengelage und Lautstärke ein leichtes Schaudern zu erzeugen wusste. Im Spielverlauf stimmten immer wieder verschiedene Gruppen Gesänge an, wurde extrem situativ reagiert. Altersunabhängig übernahmen nun auch viele ältere Fans den Part der „West“. Die Stimme konnte sich ja auch Monate auf diesen Moment vorbereiten. Für den Moment des 2:0 hat sich auch Cedric Harenbrock nach vielen Verletzungen immer wieder herangekämpft. Das erste Mal im Kader, eingewechselt und direkt an einem solchen Abend das Tor: Das war die Kirsche auf der Torte.

Bonn

Erste Halbzeit:

Paul Breitner sagte einmal (leicht abgewandelt): „Da kam dann der Livestream. Wir hatten alle die Hosen voll, aber bei mir lief’s ganz flüssig“. In der Tat war der Livestream aus dem Bonner Sportpark die Überraschung des Abends. Kaum Aussetzer in Halbzeit Eins. Im Gegenteil, er lief so stabil wie der RWE auf dem Feld. Das Ambiente am Monitor aufgrund der dunklen Zuschauerränge und des schummerigen Flutlichts in Verbindung mit der Bildqualität ähnlich wie bei der Fernsehübertragung aus dem Jahre 1981 zwischen dem FC Politehnica Timisoara und dem 1.FC Lokomotive Leipzig . Aber egal, man war einmal mehr mit dabei. Spaßig bei Sporttotal ab und an die Kommentatoren: In Lippstadt sah man Simon Engelmann häufig kritisiert in Fankreisen und heute gab es die These, dass Christian Neidhart nach den beiden Unentschieden schon gewackelt hatte. Man sollte vielleicht weniger sozial mediale Kommentare als Grundlage für eine Vorabrecherche nehmen. Das eventuell als ernstgemeinte Bitte. Auf jeden Fall: Danke für entspanntes Zusehen. Unserer Mannschaft gilt dieser bisherige Dank übrigens auch, denn relativ unaufgeregt gestalteten sich diese ersten fünfundvierzig Minuten.

Zweite Halbzeit:

Wer jetzt geglaubt hat, es würde so weitergehen mit der Entspannung, dem wussten die die Bonner nach etwas über fünfzig Minuten auf die Sprünge zu helfen: Die Heimmannschaft verfehlte den Ausgleich nur um Millimeter, und so saß man als Gästefan plötzlich wieder steil und hellwach im Sessel. Das nächste Mal dann erst wieder in der dreiundneunzigsten Minute bei dem finalen Freistoß des Bonner SC. Da dieser aber ähnlich in den Abendhimmel ging wie weiland des Steuersünders Elfmeter in Belgrad, durfte endgültig und erleichtert in sich zusammengesackt werden. Ach so: Dazwischen unterhielt ein munteres Spiel mit bisweilen schönen Ballstafetten und Balleroberungen auf unserer Seite, welches aber trotzdem nicht die großen Emotionen hervorrufen konnte. Grundsolide drei Punkte also auswärts geholt, den Weg nach oben aus dem (für einige) tiefen Tal der Unentschieden Tränen geebnet. Somit gilt die alte Fußballer These 19.07: Hauptsache gewonnen!

Samstag wartet mit Fortuna Köln ein alter Bekannter im allseits bekanntem Südstadion auf unsere Rot-Weissen. Exakt selben Spiel- und Streamverlauf würde ich direkt unterschreiben. Komplett emotionslos.

Spitzengruppe, Spitzengruppe, hey hey……

Wo Rot-Weiss Essen anfängt, hört der Verstand auf (Frei nach Marie von Ebner-Eschenbach).

Nach exakt einhundertvierzig Tagen trifft unser allseits geliebter RWE an diesem Samstag wieder auf einen Gegner. Und zwar auf dem grünen Rasen. Nix Konsole, nichts mit Geistern. Realer Fußball. Der Bezirksligist VfB Bottrop ist wie so oft erster Gastgeber in der Vorbereitung auf eine diesmal ganz besondere Saison. Es ist eigentlich auch total egal, wer der erste Gegner nach einer solch langen Zeit und unter diesen aktuellen Bedingungen ist. Gefühlt ist um 16:00 Uhr Anpfiff der wichtigsten Begegnung seit was weiß ich. Hundertvierzig Tage ohne Aufregung rund um ein Spielergebnis mit Rot-Weisser Beteiligung. Balsam für den Blutdruck möchte man meinen. Weit gefehlt, kümmert sich um den doch seit Monaten ausgiebig ein Virus. Treibt ihn hoch, wenn die Zahlen hochgehen und Menschen meinen, sich darüber stellen zu müssen. Wie aktuell geschehen.

Es gab in den vergangenen Wochen Momente, da war Ich sehr positiv gestimmt, dass wir uns bald alle im Stadion wiedersehen werden. Doch dann begannen die Sommerferien und die Urlauber schwärmten aus. Die Mitbringsel in diesem Jahr allerdings alles anderes als willkommen und folglich steigen Infektionszahlen und Sorge im Gleichschritt wieder an. Wir sollten uns also darauf gefasst machen, dass die neue Saison uns erst einmal außen vor lassen wird. Für einen Verein wie Rot-Weiss Essen ein weiteres Horrorszenario zu all denen der letzten Monate. Ich glaube, dass wir nicht einmal ansatzweise wissen, wie sehr im Verein um das Überleben unser aller Heimat gekämpft wurde. Doch, eigentlich wissen wir es alle. Und deshalb an dieser Stelle ein ganz ganz fettes Dankeschön an diejenigen, die Rot-Weiss Essen über Wasser gehalten haben. Die im coronaren Alltag weiter an der Mannschaft gebastelt haben. Die uns medial in den Fokus bringen konnten und die, die auf eine Rückforderung in Sachen Dauerkarte verzichteten.

Hätte Rot-Weiss Essen einen Balkon, wir würden drauf stehen und klatschen. Und der Applaus wäre ehrlicher gemeint als die Verarsche in Richtung Pflegeberufe. Die Saison der Unwägbarkeiten geht also irgendwann los, und unser Ziel ist klar formuliert: Endlich raus aus der Regionalliga. Rein in das Stiefkind dritte Bundesliga. Für uns aktuell der Sehnsuchtsort schlechthin, für den FC Bayern und seine Zweitvertretung auch schon wieder nicht gut genug. Corona hat nicht nur unsere Leidenschaft zum Erliegen gebracht, sondern auch viele charakterliche Eigenschaften zu Tage gefördert. Der Award einer Boulevard Sportzeitung ziemlich dümmlich, die Allüren der Bayern bezüglich ihrer Zweitvertretung schlichtweg anmaßend. Man wollte sich bisweilen übergeben ob all der Peinlichkeiten. Getoppt wurde das Ganze dann noch von der Ankündigung, dass im Konstrukt eine Rückennummer ob der Verdienste selbiger nicht mehr vergeben würde. Ihr habt doch echt nicht mehr alle Latten am Zaun an der Säbener Straße oder in Fuschl am See. Der Fußball kann wirklich ohne Euch. Auch wenn Ihr das genau anders herum seht.

Wir können aber nicht ohne Rot-Weiss Essen, und deshalb wurde für das Testspiel in Bottrop tatswahrhaftig ein kostenpflichtiger Stream geordert. ich hoffe, der funktioniert dann auch. Aus Bottrop vom VfB selbst habe ich leider keine Antwort auf die Anfrage bezüglich Spielbesuch bekommen. Es ist also nicht mehr allzu lang bis zum ersten Spieltag. Zur Erinnerung: Ein Verein wie Rot-Weiss Essen lebt fast ausschließlich von den Tageseinnahmen und dem Verzehr. Vom Merchandising und natürlich von Emotionen. Auch wenn die die Kasse nicht klingeln lassen. Wir kommen also zur Frage aller Fragen: Wie kann es der RWE gestalten, dass Zuschauer anne Hafenstraße dabei sind, ohne ein Hygienekonzept zu sprengen? Bei einigen Fanszenen der Bundesliga ist die Haltung diesbezüglich eindeutig: „Alle oder keiner“. Die Formulierung lässt sich fast leicht aussprechen bei bestehenden TV Verträgen in üppiger Höhe. Hilft uns aber gar nichts.

Rot-Weiss Essen braucht Zuschauer. Ansonsten gehen wir doch noch über den Jordan. Ich glaube, die Fans von RWE müssen ein weiteres Hilfspaket in nie gekanntem Ausmaß schnüren um der Reihe nach auf Heimspiele zu verzichten, damit andere dabei sein können. Wir können nicht einfach auf Plakate schreiben „Alle oder keiner“. So gerne wir es auch würden. Wir müssen uns verständigen auf einen Akt des Miteinanders, der Absprache und des Ausloten auf allen Tribünen, was gerade geht und was nicht. Lieber wechselweise 3.000 Fans auf vier Tribünen verteilt als gar keine Einnahmen. Lieber nur jedes vierte Heimspiel sehen, anstatt gar keins.

Ich habe so eine Sehnsucht nach meinem Verein, nach den Menschen dort. Den Gesängen. Nach Melli, Andreas, Olli, Nikki und all den anderen, die mein Leben so bereichern. Aber ich weiß auch, dass der unsichtbare Feind noch nicht bezwungen ist. Noch lange nicht. Und das ich vielleicht abwägen sollte, was mir lieber ist: RWE oder nicht RWE. Die Antwort liegt auf der Hand: ich vermisse RWE so sehr, so dass es schon schmerzt. Aber ich kann es weiter verschmerzen, ihn nicht zu sehen, wenn ich damit die Chancen erhöhe, dass wir uns eines Tage alle Wiedersehen und mit Inbrunst unsere Lieder singen werden. Harren wir also dem Konzept, welches dem RWE vorschwebt. Und nun freue ich mich sehr auf das Spiel VfB Bottrop – Rot- Weiss Essen. Inklusive kaltem Stauder vor lauwarmen Monitor. Machste nix dran. Geht endlich wieder los!

Nichts genaues weiß man nicht.

Eins vorneweg: Ich habe die Wiederaufnahme des Spielbetriebs in der Ersten und Zweiten Bundesliga am Empfangsgerät nicht verfolgt. Es macht für mich so keinen Sinn: Fans gehören zum Fußball wie keine Meisterschaft zu Schalke oder die herrliche Blume auf dem frisch gezapften Pils. Meinetwegen kann der Ball aber trotzdem dort rollen, was habe ich von den Ligen der anderen?

Im Autoradio hörten sich die kurzen Einblendungen fast wie immer an. Lediglich die Geräuschkulisse im Hintergrund hatte etwas von Kreisklasse C inklusive lautstarken Eingebungen. Doch brach es mir auch da kurz das Fußballer- und Fanherz: „Fußball kann auch ohne Fans Spaß machen“, sprach der Radiokommentator aus Köln-Müngersdorf.

Er tat dies sicher ohne jedweden Hintergedanken, sondern einfach aus der Freude darüber, wohl ein schönes Spiel gesehen zu haben. Trotzdem war dieser Satz schmerzhaft zu verkraften. Fußball muss ja nicht einmal Spaß machen. Schließlich ist Fußball unser Leben, so wie unser Verein die Luft zum Atmen ist. Und da ist eben auch nicht immer alles heile Welt. Wir sind ja nicht auf dem Ponyhof.

Einen kleinen Vorteil übrigens haben Fans von Vereinen, die der DFL zugehörig sind, trotzdem. Auch ohne aktiven Stadionbesuch: Sie wissen wenigstens um die Liga, können sich wieder an Spieltagen orientieren und sehen die Zukunft ihres Vereins zunächst einmal gesichert. Die so wichtigen „Aki“Millionen „Kalle“-Gelder, nachfolgend schlicht TV-Gelder genannt, fließen wieder. Schön, denken sich nun die Vereine ab Liga Drei: Und was ist mal wieder mit uns?

Irgendwie fühlt sich der DFB mittlerweile an wie seinerzeit die Titanic: Mit überteuertem Luxusdampfer sehenden Auges auf den Eisberg namens Kollaps zu. Rettungsboote lediglich für die Passagiere der oberen 36 an Bord. Die Passagiere der unterklassigen Holzklasse stören eigentlich eh schon und würden bei Bedarf gerne über Bord geworfen. Keine Zeit für Rettungsaktionen, Solidarität? Fehlanzeige.

Somit weiß also auch Rot-Weiss Essen (Holzklasse) immer noch nicht, wie es weitergeht. Ob es mit der aktuellen Saison überhaupt weitergehen wird. Da nun der Westdeutsche Fußballverband aus seinem Hauptquartier immer noch keinen weißen Rauch in Form einer Entscheidungsfindung hat aufsteigen lassen, ist man mit Nachbar RWO nach gemeinsamem Brainstorming überein gekommen, einen Vorschlag zur sportlichen Lösung im Rennen um den Relegationsplatz zu unterbreiten.

Dem temporären Tabellenplatz des SC Verl Rechnung tragend, würde laut Vorschlag Rot-Weiss Essen gegen Rot Weiß Oberhausen ein geisterhaftes Halbfinale austragen. Der Sieger daraus ist wie von Geisterhand für das gespenstische Finale gegen den SC Verl qualifiziert. Und der Gewinner dieser Begegnung dann, darf in der verhexten Relegation gegen den Nordostvertreter antreten, um dem Spuk Regionalliga endgültig ein Ende zu bereiten. Bislang habe ich weder von Verbandsseite noch aus Verl eine Reaktion auf den Vorschlag mitbekommen.

Auf Fanebene diverser Vereine wird der Vorschlag wie zu erwarten kontrovers diskutiert. Meines Erachtens wird es niemals eine Lösung geben, mit der alle Vereine auch nur annähernd zufrieden sein werden und können. Keiner hat es sich so ausgesucht. Was man aber nun den beiden Kontrahenten aus dem Pott hoch anrechnen sollte, ist die Bereitschaft, mit einem Halbfinale ein großes sportliches Risiko einzugehen. Da wird wenigstens mal Mumm gezeigt, sich überhaupt in Richtung einer zielorientierten Lösung zu bewegen. Das verdient Respekt!

 

Soweit die Kolumne für die WAZ vom vergangenen Dienstag. Einen Tag später erfolgte dann die mittlerweile schon obligatorische Telefonkonferenz zwischen Verband und Vereinen. Das Resultat dieser „TelKo“ entnervt und irritiert einmal mehr: Erst am 20. Juni   2020 will der Verband seine endgültige Entscheidung bekanntgeben. Vorher soll aber schon der Teilnehmer zur Relegation gegen den Nordostvertreter feststehen. Und der SC Verl seinerseits hat noch bis Ende Juni (faktisch also bis zum 30.Juni 2020) Zeit, in der Stadionfrage nachzubessern, so dass die Lizenz erteilt werden könnte.

Also eigentlich haben wir einen Termin, der aber egal ist, weil möglicherweise schon vorher etwas ganz relevantes verkündet wird, und sich auch nachher noch alles verschieben kann, weil dann eventuell doch noch eine Lizenz vergeben wird. Ja hömma, bin ich jetzt zu doof, dass alles noch auf die Kette zu bekommen, oder ist es wirklich so verwirrend?

Warum gibt es vielerorts schon Beschlüsse und Entscheidungen, so tragisch und unsportlich sie auch immer sein mögen, nur der Westdeutsche Fußballverband dehnt seine Entscheidung weiter und weiter hinaus. Man kann nicht ewig hinauszögern, bis es  alles so auf dem Tisch liegt, wie es dem Verband genehm ist.

Und nein! Definitiv nein: Es ist aus meiner Sicht kein Versuch von Rot-Weiss Essen, sich einen Aufstieg am grünen Tisch als Corona Günstling zu erschleichen. Wattenscheid darf und kann hier nicht außer Acht gelassen werden, und sollte den RWE Gegnern noch einmal vor Augen geführt werden: Hätte Wattenscheid sein Konto im Griff gehabt, wäre RWE aktuell vor dem SC Verl und es gäbe keine Diskussion diesbezüglich. Zudem: Kann jemand garantieren, dass der SC Verl die Nachholspiele allesamt gewonnen hätte? Oder das Heimspiel gegen den RWE, welches definitiv ein Auswärtsspiel für den Gastgeber geworden wäre…. also alles legitim, was an der Hafenstraße gerade probiert wird. Und sicher weiß man nicht nur hier, sondern auch an der Verler Poststraße und bei RWO, dass alle drei sportlich natürlich nur die Kronprinzen hinter den Küchenjungs sind.

Eine Entscheidung nun aber um weitere vier Wochen hinauszuzögern bekommt den Makel des Zugeständnisses Richtung SC Verl, um notwendige Zeit in Sachen Lizenzfrage zu gewinnen. Für alle anderen Vereine jedoch bedeutet es wertvolle Wochen des Verlustes, um seriös die kommende Saison zu planen. Wie willst Du mit den Spielern verhandeln, wenn Du als Verein gar nicht weißt, wo es möglicherweise im September anzutreten gilt? Natürlich kann auch der Verband nichts für dieses verfluchte Virus. Aber bitte: kommt endlich mal in die Pötte (Und außerdem: Eigentlich ist es mir mittlerweile auch fast egal, wo unser RWE in der kommenden Saison auflaufen wird: Hauptsache, wir sehen ihn überhaupt endlich wieder auflaufen)!

Ansonsten fordere ich auch einfach mal „Gerechtigkeit für Rot-Weiss Essen“! Eben so, wie es eine Abordnung Essener Fans schon 1972 am Rande des Endspiels um die Deutsche Amateurmeisterschaft in Neuwied zwischen dem FSV Frankfurt und dem TSV Marl-Hüls tat.

Finale Deutsche Amateurmeisterschaft 1972 in Neuwied zwischen TSV Marl H¸ls und FSV Frankfurt am Ra

(Eine Bitte: Ich habe die Lizenz an diesem Bild ausschließlich für diesen Beitrag erworben. Eventuelles Teilen könnte strafrechtliche Folgen durch Imago  Images als Rechteinhaber zur Folge haben. Leider.)

 

Geduld ist das Trostpflaster der Sehnsucht (T.W Keßler)! MAZ ab…

Es dürfte überraschen, wenn ein Fan einer Mannschaft sagt, dass er auch andere Vereine vermisst. Aber es ist in der Tat so. Schließlich sind wir zwar in den Farben (oder den Buchstaben) getrennt, aber gegen Corona vereint. Und vermissen selbst diese bescheidene Liga. Unseren Fußball! Die Sticheleien gegen andere Vereine und dessen Fans. Die Emotionen, wenn unsere Mannschaften auflaufen und die Fahnen wehen. Wir vermissen das Bier davor, währenddessen und danach. Wir können nicht mehr vergnügt nach einem Spiel nach Hause fahren. Wir können ja nicht einmal mehr nach einer Niederlage frustriert den Heimweg antreten. Nein, momentan müssen wir im wahrsten Sinne des Wortes den Ball flach halten. Und da das Spiel gegen Corona ein Gemeinschaftsdingen erster Güte ist, frage ich mich nicht nur ständig, wie es unserem RWE geht, sondern auch, wie es wohl den anderen gehen mag. Daher einfach mal angefragt bei uns im Hause. In Aachen, bei RWO und am Zoo. 

Kleine Anmerkung am Rande: Die Fragen gingen vor jener Telefonkonferenz raus, bei jener viele Vereine einer Meinung waren. Unser RWE diese nicht vertreten kann und die kleinen Fohlen sich nicht entscheiden wollten. Die Reise ins sportlich Ungewisse bei bleibender wirtschaftlicher Problemantik geht also weiter. Dabei wissen wir alle eines doch schon jetzt: Es wird keine gerechte Lösung geben!  Die Antworten aus Essen und Aachen trudelten vor der „TelKo“ ein, die aus Oberhausen danach und entsprechend der Situation angepasst. Danke, Danke, Danke Euch!

Aus Wuppertal kam leider keine Rückmeldung. Irgendwie verständlich, hat doch der WSV wie immer am meisten von uns allen zu kämpfen. Muss sich einmal mehr neu sortieren. Daher beste Grüße an den Zoo: Für uns kommt das Spiel gegen W(uppertal) immer noch vor dem Spiel gegen V(erl). Auch wenn es das Alphabet anders sehen mag.

Aus Aachen berichtet nun Klaus Schwarze; aus Oberhausen Ernst Huberty und aus Essen Kurt Brumme. MAZ ab:

Wie geht es Euch? Haltet Ihr Euch und vor allen Dingen, haltet Ihr durch, so ohne das Tagesgeschäft Heimspiel?

Martin vom Hofe (Geschäftsführer Alemannia Aachen): Natürlich ging es uns schon besser aber wir halten uns über Wasser – wir sind gespannt was uns morgen der Verband in der Telefonkonferenz sagen wird.

Marcus Uhlig (Dem RWE sein Vorsteher): Gesundheitlich sind wir bisher glücklicherweise alle vom Corona Virus verschont geblieben. Trotzdem fehlt es uns, auf die Heimspiele hinzuarbeiten, im Stadion zu stehen und mit unserem RWE mitzufiebern. Was uns beunruhigt ist jedoch vor allem die Ungewissheit, wie und wann es weitergeht und wie wir sicherstellen, dass unser Verein diese Krise übersteht.

Thorsten Sterna (Leiter Medien & Kommunikation RWO): Erstmal sind wir tatsächlich überrascht, dass diese Anfrage ins Haus geflattert kam. Aber das allein zeigt uns doch, dass wir letztendlich alle in einem Boot sitzen. Irgendwie kann der eine ohne den anderen nicht. Aber wenn man Corona etwas Positives abgewinnen kann, dann die Tatsache, dass sich alle wieder auf die Basics besinnen und auch mal an der Nachbar-Tür anklopfen. Das freut uns auch in Oberhausen. Aber zurück zur Frage: Uns geht es den Umständen entsprechend. Was ist ein Fußballverein ohne Fußball? Ein Verein. Ein Team, das eng zusammenrückt und versucht, das Beste aus der Situation zu machen. Am Ende fehlt uns aber einfach unser Kerngeschäft – der Fußball. Genau wie Euch in Essen auch.

Geistertickets, virtuelle Biere und kalorienfreie Bratwurst…nicht nur bei RWE aktuell im Angebot. Was passiert diesbezüglich bei Euch und wie ist die Resonanz der Fans? 

Martin vom Hofe: Wir verkaufen auch schon länger unser goldenes Ticket. Für 10 Euro gibt es einen Gutschein für eine Wurst oder ein Getränk. Es haben sogar Rot-Weisse bei uns gekauft – absoluter Rahnsinn! ☺ Darüber hinaus gibt es immer mal wieder Versteigerungen von Alemannia-Artikeln wie Trikots, Bilder etc.

Marcus Uhlig: Bei dieser Frage erübrigt sich ja die Antwort von der Hafenstraße. Eines wollen wir aber noch loswerden: Wir sind tief beeindruckt von unseren Fans und auch ein Stück weit stolz darauf, wie solidarisch sich unsere Anhänger in Krisenzeiten zeigen. „Rot-Weiss Essen, wir halten zusammen“ ist nicht nur eine Liedzeile, sondern wird an der Hafenstraße gelebt.

Thorsten Sterna: Wir waren mit den Geisterspiel-Tickets ja sehr früh dran. Die Idee keimte intern schon, bevor sie der VfL Bochum als erster Revierverein umgesetzt hat. Aber da waren die Techniker in Sachen Umsetzung eben einen Tag schneller. Daraus entstehen dann Folge-Aktionen, weil eben jeder von uns seinen Stadionbesuch vor Augen abspult und sich hinterfragt: Was gehört noch dazu? Darum ähneln sich die Aktionen der Vereine auch so. Das hat nichts mit Abschreiben oder so zu tun. Das sind einfach grundlegende Artikel, mit denen ein Verein Geld verdient. Wir gönnen es jedem, wenn er dadurch sein Corona-Loch stopfen kann. Unsere Fans haben das quasi per Social Media mit angestoßen. Darum konnten wir auch problemlos behaupten, dass uns der Wunsch der Fans Befehl sei. Über die Solidaritätsschiene konnten wir einige Fans und Freunde mobilisieren. Das ist eine tolle Erkenntnis. Ich hoffe, sie hält an, bis wir wieder richtige Spieltagskarten verkaufen können, denn dann können wir auch im Stadion ordentlich Eigenwerbung betreiben. Aber bis hierhin muss man unseren Unterstützern – die es der Bestellerliste nach zu urteilen von Sylt bis Bad Tölz gibt – ein großes Kompliment machen.

Es wird viel spekuliert, wie mit der coronistisch unterbrochenen Saison nun weiter zu verfahren ist. Es muss ja irgendwie weitergehen, auch ohne Eierlikörchen. Von Saisonabbruch bis hin zur Verlängerung vor leeren Tribünen ist fast alles dabei. Was ist Euer Wunsch für die restliche Saison?

Martin vom Hofe: Ich glaube wir sind leider weit entfernt von Wünsch Dir was. Aber wenn Ihr mich so fragt: Saisonabbruch und Alemannia und RWE in Liga 3!

Marcus Uhlig: Leere Tribünen stellen uns wirtschaftlich vor eine fast unlösbare Aufgabe, weil wir unsere Kosten wieder hochfahren müssten, gleichzeitig aber keine Einnahmen über unsere Heimspiele generieren könnten und uns mit Rückforderungen von Dauerkarteninhabern und Sponsoren konfrontiert werden. Da sprechen wir dann mal eben über 2,5 Millionen Euro. Daher würden wir uns wünschen, dass die Saison zu einem späteren Zeitpunkt zu Ende gespielt werden kann oder abgebrochen wird, wobei in einem solchen Fall das bisherige sportliche Abschneiden sowie die Chance auf sportlichen Erfolg zwingend mitgedacht werden müsste. 

Thorsten Sterna: Da ein Großteil unserer Saisonplanung auf den Zuschauerzahlen basiert, wäre es genauso fatal wie für RWE, wenn wir zu Geisterspielen gezwungen werden. Erst kürzlich hat die Regierung das Kontaktverbot verlängert und dem Verband die Entscheidung quasi aufdiktiert. Alles andere als eine Bestätigung des Votums seitens des Verbandspräsidiums würde uns nur schwer wundern. Eine „künstliche“ Verlängerung bis ins nächste Jahr sehen wir aus diversen Gründen für undenkbar – und auch rechtlich angreifbar.

Die obere Hälfte der dritten Liga wünscht keine Zweigleisigkeit; befürchtet sportliche Verwässerung und finanzielle Verluste magenta-ler Art. Die untere Hälfte der Drittligisten würde für einen „Saisonus interruptus“ plädieren. Ohne Absteiger natürlich (Diese Schlingel). Und ambitionierte Regionalligisten könnten sich bisweilen sehr für eine zweigleisige Dritte Bundesliga erwärmen. Wie sieht der Wunsch für die Zukunft aus?

Martin vom Hofe: Allgemeiner Wunsch nach einer richtigen Reform ist ja schon seit längerem da. Nun hätte man da ja ggf. mal die Chance es coronabedingt aufzugleisen. Das „Wie“ ist und bleibt aber doch die Gretchenfrage.

Marcus Uhlig: Wir sollten uns in der aktuellen Situation zumindest keine Denkverbote auferlegen. Der Übergang von Liga 4 in Liga 3 ist längst als Fehler im System erkannt. Eine zweigleisige 3. Liga würde den Flaschenhals weiten und würde dazu führen, wirtschaftliche Folgen für einige Vereinen zumindest abzuschwächen.    

Thorsten Sterna: Ist doch klar. Wer einmal etwas hat, gibt es auch ungern wieder. Aber das muss ja nicht zwingend so eintreffen. Die zweigleisige 3. Liga ist aus mehreren Gründen spannend. Sie lässt die Vereine ihre bisherigen Ausgaben durch kürzere Reisewege und weniger Hotelkosten reduzieren. Auf der Habenseite könnten die vielen Derbys, die dadurch generiert werden, zu Buche schlagen. Es wäre auf jeden Fall eine großartige Sache für alle Freunde des Traditionsfußballs. Als Schlingel würde ich die aktuelle untere Drittliga-Hälfte nicht unbedingt bezeichnen. Durch Corona sind alle Vereine mehr als genug gestraft. Jetzt wäre es das richtige Zeichen der Verbände, in diesem für alle Beteiligten schwierigen Jahr nur Gewinner zu produzieren. Das schafft man ganz leicht mit der einmaligen Aussetzung der Abstiegsregel. Wenn die Verbände sich dafür öffnen und dann auch noch die 3. Liga anpassen, könnten auch die Verbände als Gewinner der Coronakrise vom Platz gehen.

Wir wissen ja aus Essen, dass „Geisterspiele“ in der Regionalliga möglicherweise Punkte bringen können, ohne TV Vertrag aber keine rentable Veranstaltung darstellen. Im Gegenteil, die Kosten  für das „Drumherum“ dürften ein weiteres Verlustgeschäft bedeuten. Grundsätzlich und losgelöst von unserer gemeinsamen Liga die Frage an den Fußballfan: Geisterspiele im TV, guckt man sich die wirklich gerne an? Und hat Dieter Karten mit seiner steilen These Recht, dass Bundesliga Fußball ohne Zuschauer/Emotionen qualitativ profitieren kann?

Martin  vom Hofe: Ich habe mir auch das Spiel Gladbach gegen Köln angeguckt. Es war schon gruselig aber aktuell ist halt nichts und ich würde es so werten für mich, dass es der Übergang zur neuen Saison ist, in der hoffentlich wieder alles beim Alten ist.

Marcus Uhlig: Nein, das sehe ich anders. Fans und Emotionen sind ein extrem wichtiger Teil dieses Sports. Was Geisterspiele angeht, ist unsere Position ja bekannt. 

Thorsten Sterna: Machen wir uns nichts vor: Zum Fußball gehören Emotionen. Das gegenseitige Befeuern der Fanblöcke, der Jubel beim entscheidenden 1:0 in der Nachspielzeit und so weiter. Aber über allem steht nun mal die Gesundheit der Menschen. Die muss immer gewährleistet sein. Wenn das nicht der Fall ist, muss man Kompromisse eingehen. Wenn es den 36 Klubs da oben weiterhilft, dann kann dieser Kompromiss das Geisterspiel sein. Davon, dass es die Klubs da oben gibt, profitieren wir ja auch. Sei es bei Zuschauereinnahmen durch Testspiele oder Transfers von Talenten unter den Nachwuchsleistungszentren (NLZ). Andersrum brauchen die Top-Klubs uns natürlich auch. Wenn wir wegbrechen würden – und mit „wir“ meine ich sämtliche Viertligisten, die freiwillig ein NLZ unterhalten – DAS würden die da oben auch merken. Dann kommen die Felix Passlacks, Gideon Jungs, Max Meyers und Co. nicht mehr so zielstrebig oben an. Deshalb: Leben und leben lassen. Am Ende sitzen wir auch hier wieder in einem Boot.

Kommt die Stadt Euch als Verein entgegen? Bis September ist noch lange hin. Alles will weiter gepflegt werden für den ersehnten (Ball-)Tag X. Und auch das macht sich ja nicht von alleine.

Martin vom Hofe: Hier befindet man sich noch in Gesprächen.

Marcus Uhlig: Die Stadt hält hier alles gut in Schuss, der Platz sieht so gut aus, wie seit vielen Monaten nicht mehr. Was jetzt noch fehlt, ist der Fußball.

Thorsten Sterna: Glücklicherweise ja. Das Oberhausener Gebäudemanagement, die OGM, hat uns zunächst bis Mitte des Jahres auf sämtliche Räumlichkeiten die Miete erlassen. Das ist ein großes Pfund und da sind wir der OGM sehr dankbar. In den letzten Spielen vor der Pandemie sah unser Trainingsplatz, gelinde gesagt, nicht schön aus. Auch das Spielfeld im Stadion Niederrhein war teilweise in einem desolaten Zustand, sodass sich sogar unser Cheftrainer Mike Terranova zu der Aussage hinreißen ließ, dass er den Rasen in seiner siebenjährigen RWO-Zeit so nie gesehen hat. Aber mittlerweile muss man unsere Grünflächen als die großen Gewinner der Auszeit erwähnen. Beide Plätze sind auch dank der Bearbeitung der unermüdlichen Pflegekräfte der OGM wieder in einem erstklassigen Zustand. Wenn es allein danach ginge, könnte es gerne bald wieder losgehen (lacht).

Wie geht es Eurer Mannschaft? Den Spielern? Wird wieder trainiert und was macht Corona mit der Psyche eines Sportlers, der an die Kette gelegt ist? Klar, ein jeder kann sich individuell fit halten. Aber die Abläufe auf dem Feld und all das, was den Mannschaftssport ausmacht: All das darf momentan nicht stattfinden. Kann das auf lange Zeit kompensiert werden? 

Martin vom Hofe: Das ist eine gute Frage die wohl kaum einer beantworten kann. Es wird Ihnen so gehen wie vielen anderen Arbeitern aktuell die in Kurzarbeit sind. Wir haben uns das alles bestimmt nicht so vorgestellt. Für die Jungs wünsche ich mir natürlich, dass sie bald aus dem öden individuellen Trainingsalltag rauskommen und wieder auf den grünen Rasen dürfen – aber das steht leider noch in den Sternen wann dies sein wird.

Marcus Uhlig: Das kann es ganz und gar nicht. Fußball ist ein Mannschaftssport, daher müssen Spieler zusammen funktionieren. Man kann noch so fit sein: Individuelles Training kann nie ein Ersatz für Mannschaftstraining sein.

Thorsten Sterna: Momentan befinden sich alle Spieler im Standby-Modus und halten sich individuell fit. Jeder Spieler hat einen eigenen Trainingsplan von unserem Trainerstab mitbekommen. Aber irgendwann kennt man dann auch jeden Baum im Park und hat die Zeiten der anderen Jogger auch auswendig drauf. Die Jungs wollen Fußball spielen! Sie wollen mit dem Ball arbeiten, Spielzüge einstudieren und Wettkämpfe bestreiten. Aber all das darf momentan nicht stattfinden. Wie würden Sie sich fühlen, wenn man Ihnen Ihr Spielzeug wegnehmen würde? Natürlich arbeitet der eine oder andere auch an seinem zweiten Standbein und büffelt grad Stoff für die Uni weg. Aber letztendlich sehnen sich alle wieder nach dem guten alten Fußballspiel.

Das erste Spiel nach dem „Hustensohn“: Wird der Fußball ein anderer sein? Gibt es den Zweikampf, wie wir ihn kennen? Oder die Jubeltraube nach einem Tor? Oder ist das Stadion voller denn je und wird inbrünstiger als jemals zuvor gesungen? 

Martin vom Hofe: Ich denke schon, dass alles ein wenig anderes sein wird denn es ist aktuell nicht gerade vorstellbar, dass alles wie gehabt weitergeht zumal ja erst mal (zumindest in den oberen Ligen) Geisterspiele drohen. Ich hatte mich eigentlich schon auf den ausverkauften Tivoli gegen Rot-Weiss gefreut da alle endlich wieder im Mai ins Stadion dürfen aber…..

Marcus Uhlig: Die  Hafenstraße ist nicht ohne RWE-Fans zu denken, die sich in den Armen liegen. Ich glaube, die Sehnsucht nach Fußball wird nach überstandener Coronakrise so groß sein, dass wir noch stimmungsvollere und noch ausgelassenere Spiele an der Hafenstraße erleben. Darauf freue ich mich jetzt schon. 

Thorsten Sterna: Ich weiß, es ist unhöflich, aber dennoch gestatten Sie mir diese Gegenfrage: Bis Oktober sollen Großveranstaltungen nicht möglich sein. Was heißt das für den Fußball? Was sind Großveranstaltungen? Werden die Stadionkapazitäten zunächst auf 100, 200 oder 500 Zuschauer runtergeschraubt oder gehen wir sofort wieder „All in“? Der Fußball wird sich definitiv verändern. Natürlich hoffen alle auf ausverkaufte Stadien, wenn das Kontaktverbot wieder aufgehoben ist, aber so vorsichtig, wie unsere Politiker sich an die ganze Thematik begeben – was nicht zwingend falsch sein muss – denke ich einfach, dass wir uns auch im Fußball langsam wieder herantasten. Hoffen wir einfach mal, dass der neue Spielplan es gut mit uns meint und das nächste Derby weit weg von allen Krisen vorsieht. Sicher ist sicher (lacht).

Ich wünsche Euch und Euren Vereinen, dass wir uns alle spätestens irgendwann eines Tages wieder gesund und in alter Rivalität im Stadion wiedersehen. Egal ob Tivoli, Niederrhein Stadion, anne Hafenstraße oder am Zoo…Corona ist hart, aber wir sind härter! Und natürlich (dass wird man mir weder in Aachen noch in Oberhausen verübeln): Nur der RWE! Wir geben zurück ins Studio* zu Addi Furler. 

*Zunächst noch einmal kurz die Schalte zu Thorsten Sterna mit dem Schlusswort: Das wünschen wir uns auch. Vielen Dank für die Kontaktaufnahme. Wir drücken Euch auch die Daumen, dass die ganze Nummer möglichst schadlos an Euch und uns vorbeigeht. Haltet durch und bleibt alle gesund!

Gerade meldete sich noch Werner Hansch mit einer aktuellen Meldung: Corona trägt tatsächlich zur „Konsoledisierung“ bei und sorgt so für Duelle der etwas anderen Art im Klassiker am 9.Mai zwischen der Alemannia & RWE. Wir können für 2€ Tickets dafür erwerben und den Tivoli noch voller als 2015 machen. Da geteiltes Leid halbes Leid ist, kommen die Erlöse aus dem Ticketing beiden Vereinen zu gleichen Teilen zu. Der Gewinner an der Konsole bekommt zudem ein handsigniertes 111 Gründe RWE Buch. Wenn das mal kein Anreiz ist…

Man muß die Zukunft abwarten und die Gegenwart genießen oder ertragen (Alexander von Humboldt).

Ach könnten wir doch in die Zukunft schauen, ist doch die Gegenwart gerade schwer zu ertragen und kaum zu genießen. Aber, wir alle müssen und kommen da durch. Gemeinsam! Und wir haben nun auch verstanden, dass wir unsere geliebte Hafenstraße wohl erst im September wieder aus Anlass eines RWE Spiels betreten werden. Zusammen! Wer dann der Gegner sein wird; in welcher Liga das Spiel gespielt wird und überhaupt….dass kann stand heute keiner sagen.

Allerorten ruht auch der Sport und wird nie wieder derjenige sein, der er einmal war. Vielleicht aber ist Corona wirklich nicht nur tödlich, sondern auch diese eine letzte Chance, unsere Sicht auf viele Dinge zu verändern. Zu erden und zu relativieren. So auch den Fußball. Als Rot-Weiss Essen sind wir dieser Tage sehr gefragt, scheint unser Überlebenskampf in Anbetracht der hohen Leidenschaft aller Rot-Weissen etwas ganz besonderes zu sein. Und ja, wir sind auch etwas ganz besonderes. Wir sind weit unten und doch immer auch ganz oben. Wir sind RWE!

Mangels Berichterstattung über den rollenden Ball rauchen nun die Köpfe, wie man nach Corona wieder starten kann. Sucht nach einer Neuausrichtung in Sachen Ligenstruktur. Es muss ja irgendwie weiter gehen.  Dahingehend habe selbst ich mir so meine Gedanken gemacht. Gut, wir wissen alle, die spinnen die Briten. Und das schreibe ich, obwohl sie meine große Zuneigung und Liebe genießen. Zudem kommen immer mehr Fans von der Insel rüber in unser Land, um ein intensives Fußballwochenende zu genießen. Die Dinge in Sachen Leidenschaft haben sich diesbezüglich umgekehrt. Aber, die Engländer haben etwas, was mich weiterhin auf ewig faszinieren wird, und zwar ist das deren Ligenpyramide. Neben Lisbeth der Zwoten natürlich.

Wäre unser Fußball einfacher zu verwalten, würden wir diese eins zu eins auf den Deutschen Fußball übertragen? Könnten wir nach dem Lockdown einfacher starten mit jener klaren Struktur in England? Ich habe mir mal die Mühe gemacht, und nach englischem Vorbild die ersten sechs Ligen (nach aktuellem Tabellenstand) eingeteilt. Und würde mich zur Belohnung über eine Diskussion darüber freuen. Die Zweitvertretungen habe ich außen vor gelassen. In meiner Welt spielen die dann in einer eigenen, separaten Runde. Wie in England halt.

Aber was wären das für Ligen? Der BFC Dynamo Berlin könnte endlich auf den TSV Buchbach treffen. Die Ein Mann Fanfraktion aus Illertissen könnte sich am Meckerhügel bei Altona 93 so richtig austoben und der Old School Anhang des SV Atlas aus Delmenhorst am Schetters Busch in Essen mal so richtig pöbeln. Und natürlich würde auch der Auftritt von Lokomotive Leipzig anne Hafenstraße einiges an Althauern hervorzaubern. Ich sach mal so: Ich wollte schon immer mal mit dem RWE nach Rödinghausen!

Erste Bundesliga ( 20 Vereine3 Absteiger)

FC Bayern München,

Borussia Dortmund,

SSV Markranstädt/FaS,

VfL Borussia Mönchengladbach,

Bayer 04 Leverkusen,

Gelsenkirchen,

VfL Wolfsburg,

SC Freiburg,

TSG Hoffenheim,

1.FC Köln,

1.FC Union Berlin,

SG Eintracht Frankfurt,

Hertha BSC,

FC Augsburg,

1.FSV Mainz 05,

Fortuna Düsseldorf,

SV Werder Bremen,

SC Paderborn,

DSC Arminia Bielefeld,

VfB Stuttgart,

Zweite Bundesliga (24 Vereine – 3 Aufsteiger, 3 Absteiger)

Hamburger SV,

1.FC Heidenheim,

SpVgg Greuther Fürth,

SV Darmstadt 98,

Holstein Kiel,

Erzgebirge Aue,

Hannover 96,

SSV Jahn Regensburg,

FC St. Pauli,

VfL Osnabrück,

SV Sandhausen,

1.FC Nürnberg,

VfL Bochum,

SV Wehen Wiesbaden,

Karlsruher SC,

Dynamo Dresden,

MSV Duisburg,

SV Waldhof Mannheim, 

SpVgg Unterhaching,

SV Meppen,

FC Ingolstadt,

TSV 1860 München,

FC Hansa Rostock,

Eintracht Braunschweig,

Dritte Bundesliga (24 Vereine – 3 Aufsteiger, 4 Absteiger)

Würzburger Kickers,

KFC Uerdingen 05,

FC Viktoria Köln,

Chemnitzer FC,

1.FC Kaiserslautern,

1.FC Magdeburg,

Hallescher FC,

FSV Zwickau,

SC Preußen Münster,

SG Sonnenhof Großaspach,

FC Carl-Zeiss Jena,

VfB Lübeck,

SC Weiche Flensburg 08,

VSG Altglienicke,

1.FC Lokomotive Leipzig,

Energie Cottbus,

SV Rödinghausen,

SC Verl,

Rot-Weiss Essen,

1.FC Saarbrücken,

SV Elversberg,

TSV Steinbach Haiger,

Türkgücü München,

1.FC Schweinfurt 05,

Vierte Bundesliga (24 Vereine – 4 Aufsteiger, 2 Absteiger)

SV Drochtersen/Assel,

Eintracht Norderstedt,

BSV SV Rehden,

VfB Oldenburg,

TSV Havelse,

Union Fürstenwalde,

BFC Dynamo Berlin,

Berliner AK 07,

FC Viktoria 1889 Berlin,

VfB Auerbach,

Rot-Weiß Oberhausen,

TSV Alemannia Aachen,

Sportfreunde Lotte,

Bonner SC ,

Wuppertaler SV,

FC 08 Homburg,

FC Astoria Walldorf,

SSV Ulm 1846,

Kickers Offenbach,

FSV Frankfurt,

SpVgg Bayreuth,

Viktoria Aschaffenburg,

VfB Eichstätt,

TSV Buchbach,

Erste Amateurliga (24 Vereine – 2 Aufsteiger, 4 Absteiger)  (Level 5)

Lüneburger SK Hansa,

SSV Jeddeloh,

Altona 93,

Heider SV,

HSC Hannover,

ZFC Meuselwitz,

SV Lichtenberg 47,

BSG Chemie Leipzig,

Optik Rathenow,

Wacker Nordhausen,

TuS Haltern,

SV Lippstadt 08,

VfB  Homberg,

SV Bergisch-Gladbach,

VfR Aalen,

FC Gießen,

FK Pirmasens,

TSG Balingen,

TuS RW Koblenz,

TSV Aubstadt,

Wacker Burghausen,

FV Illertissen,

TSV Rain,

SV Heimstetten,

Zweite Amateurliga Nord (22 Vereine – 2 Aufsteiger, 3 Absteiger) (Level 6)

1.FC Phönix Lübeck,

SV Todesfelde,

TSB Flensburg,

TuS Dassendorf,

FC Teutonia Ottensen,

Tennis Borussia Berlin,

Greifswalder FC,

FC Hertha 03 Zehlendorf,

TSG Neustrelitz,

MSV Pampow,

Borussia Hildesheim,

SV Atlas Delmenhorst,

VfL Oldenburg,

Egestorf-Langreder,

FC Oberneuland,

TuS Schwachhausen,

SV Straelen,

1.FC Monheim,

SpVg Schonnebeck,

SC Wiedenbrück,

RSV Meinerzhagen,

SG Wattenscheid 09,

Zweite Amateurliga Süd (22 Vereine – 2 Aufsteiger, 3 Absteiger) (Level 6)

TSV Schott Mainz,

TuS Koblenz,

SV Eintracht Trier,

Eintracht Stadtallendorf,

KSV Hessen Kassel,

FC Eddersheim,

FSV 63 Luckenwalde,

FC Einheit Rudolstadt,

FC Eilenburg,

FC International Leipzig,

VFC Plauen,

1.FC Merseburg,

Göppinger SV,

Stuttgarter Kickers,

FV Ravensburg,

SV Oberachern,

DJK Vilzing,

SC Eltersdorf,

SV Seligporten,

FC Pipinsried,

TSV Wasserburg/Inn,

FC Deisenhofen,

 

Wir denken selten an das, was wir haben, aber immer an das, was uns fehlt (Arthur Schopenhauer)

Ich kann nicht für Fans von hochklassigen Vereinen sprechen. Ich kann das nicht einmal für die vielen Fans von Rot-Weiss Essen. Ich kann einfach nur meine viertklassigen Gedanken niederschreiben. Und die drehen gerade emotional so ziemlich am berühmten Rad. Rational betrachtet machen wir gerade alles richtig. Am vergangenen Donnerstag wurden jetzt sogar Reisende aus den benachbarten Niederlanden daran gehindert, in unsere Grafschaft Bentheim einzureisen, sofern sie denn keinen triftigen Grund vorweisen konnten. Zwischen Nordhorn und Denekamp herrscht normalerweise mehr zwischenmenschlicher Verkehr als in jedem Puff der Republik, das zur Erklärung!  Diesen zu unterbinden zeigt einmal mehr den Ernst der Lage und ist auch richtig so. Irrational betrachtet jedoch fehlt uns gerade so ziemlich alles, was unser Leben als Fan ausmacht. Dabei ist übrigens ein schönes Phänomen zu beobachten: Je mehr uns der Alltag momentan im direkten Miteinander an Distanz auch abverlangen mag, umso mehr steigt die emotionale Bindung zu unserem Verein. Also zu Rot-Weiss Essen. Ich denke, dass renommierte Robert Koch-Institut käme zu der selben Erkenntnis, würde sie diesbezüglich Untersuchungen anstellen.   

Auch der allerletzte Fan, der sich in den Kommentarspalten vergangener Tage selbst nach knappen Erfolgen noch hämisch über den Verein ausgelassen hat, dürfte langsam aber sicher verspüren, dass ihm etwas ganz wichtiges im Leben fehlt. Was zuvor im normalen Ligabetrieb so nicht zugegeben werden konnte, galt es doch in erster Linie zu lästern und kundzutun, was für Schwachmaten da Saison für Saison auf dem Feld herumstolpern. Keine Liga, kein pöbeln! Tut uns anderen natürlich auch mal gut. Man kann einen Verein übrigens auch mögen, ohne ihn runterzumachen. Das aber nur so am Rande. 

Unseren stolzen Verein Rot-Weiss Essen besuchen diese Saison bislang durchschnittlich aktuell 10.934 Fans. Unser Verein lebt von diesen Fans. Lebt von den Tageseinnahmen (abzüglich der Dauerkarteninhaber*innen). Lebt davon, was die Fans im Fanshop und an den diversen Tresen an Geld lassen, um sich ihr eigenes Stadionerlebnis zu schaffen. Natürlich lebt ein Verein wie RWE auch von der Unterstützung der Sponsoren, ohne Zweifel! Aber hier an der Hafenstraße zählt und zahlt der Fan noch! Das ist nicht zu vergleichen mit dem Zirkus Bundesliga, wo der Fan oftmals zum Kunden deklariert wird, und ansonsten gerne seinen Mund oder Feindbild zu halten hat. Hier in der Regionalliga lebst Du nicht nur Deinen Verein, sondern dieser lebt auch durch Dich und Deinen Besuch. Das schafft schon mal eine Nähe, die vielen Vereinen speziell der ersten Bundesliga abhanden gekommen ist. 

Zudem bin ich sehr erschrocken darüber, wie schnell das finanzielle Kartenhaus dort im Verbund „Verein und Übertragungsrechte“ zusammenzubrechen droht. Ganz wichtig auch die Botschaft handelnder Personen: Während zum Beispiel bei unserem RWE recht schnell alle Beteiligte Kurzarbeit und Gehaltsverlusten zugestimmt haben, um Verein und Arbeitsplätze zu retten, liest man recht wenig darüber in den oberen Etagen. Im Gegenteil, wird doch eher Rettungsschirm an Rettungsschirm herbeigerufen, um den Bumms am Laufen zu halten. Dumm nur, dass den Bumms wohl kaum einer sehen will, findet dieser zwar am TV, aber in leeren Stadien statt. Hier überschätzt sich der Bundesliga Fußball meines Erachtens gerade gewaltig. Der wirkliche Fußballfan guckt lieber im Stadion Rot-Weiss Essen gegen den „1.FC Wenauchimmer“ als beispielsweise die TSG Hoffenheim gegen den 1.FC Köln als Geisterspiel am Bildschirm. 

Und weil der RWE eine solche Anziehungskraft auf den Fan hat; im hiesigen Fußball immer noch eine gute und emotionale Adresse darstellt, ist er auch ständig mit dabei, wenn in Funk und Fernsehen von den wirtschaftlichen Problemen der Vereine die Rede ist. Marcus Uhlig dürfte sich mittlerweile den Mund fusselig geredet haben, um das Dilemma Corona für den RWE erklärt zu bekommen. Auch dem RWO sein Hajo Sommers in diesen Tagen ein gern gesehener Interviewpartner mit guten Ansichten. Gute Ansichten, die aber immer dann an die Grenzen stoßen, wenn es wirklich um eine Entscheidung geht. Wenn es wirklich um den Tag X geht, an dem die Saison für beendet erklärt wird.

Und nun sitzen wir hier und schreiben auf teurer Tastatur einen Text über unsere Vergangenheit, damit ich den Frust verlier. Ich möcht wieder singen, nicht schön, sondern geil und laut. Denn RWE find man bekanntlich im Dreck und Heimspiele sind aus Dreck gebaut. 

ja gut, dass war jetzt die Abwandlung von Marius Müller-Westernhagens „Mit 18“. Aber genau so sieht es doch aus. Wir haben Frust ob der Situation, möchten wieder für unseren Verein singen, diesen malochergeprägten und eingetragenen Verein. Aber keiner kann uns sagen, wann wir uns an der Hafenstraße 97a wiedersehen. Ich glaube, dass ist etwas, was am meisten an uns nagt: Es fehlt nicht am Bewusstsein daran, dass alle Maßnahmen aktuell wichtig und richtig sind. Es fehlt an der für uns einzig wirklich wichtigen Entscheidung: Was ist mit der aktuellen Saison? Wer erklärt sie endlich für beendet? Und zu welchen Bedingungen? Wer hat die Lösung parat um allen Vereinen auch nur annähernd gerecht zu werden? 

Gibt es überhaupt eine gerechte Lösung? Oder, ist eine sportliche Lösung überhaupt wichtig, wenn zigtausende Menschen um ihr Leben kämpfen? Ist es vielleicht sogar anmaßend, seinen eigenen Verein über die Belange der Allgemeinheit zu stellen? 

Ich weiss es nicht mehr, zu schwierig eine passende Antwort. Was ich aber in den letzten Wochen gespürt habe ist, einmal mehr zu empfinden, wie sehr ich Rot-Weiss Essen liebe. Der RWE ist Teil meiner Familie. Ich kann nicht ohne, mag mir das auch gar nicht vorstellen. Die Spiele fehlen; die Menschen fehlen. Wir haben aktuell doch nur den Verein als solches. Und den dürfen wir nicht auch noch verlieren.  Ich habe solch eine Sehnsucht nach der Hafenstraße. Aber, ich halte das aus! 

Wenn ein Verein unkaputtbar ist, dann wohl Rot-Weiss Essen. Eher friert die Hölle zu, als das Corona Helmut Rahn vom Sockel holt. Aber wir sollten trotzdem auf unseren Verein aufpassen. So als ob er Teil unserer Familie wäre. Denn eigentlich ist er das ja auch. Seit 1907.

Frohe Ostern. Bleibt gesund. Und bitte bleibt zuhause!

Liebe ist nicht das was man erwartet zu bekommen, sondern das was man bereit ist zu geben (Katharine Hepburn).

Lieber RWE, Du weisst, ich bin Dir ja ziemlich wohlgesonnen. Wahrscheinlich liebe ich Dich auch. Ziemlich sicher sogar; so wie viele andere Dich auch lieben. Und ab und an schreibe ich hier auch über Dich. Ok, es lesen nicht mehr sehr viele, was ich schreibe, aber ich mach das ja auch für mich. Damit ich klarkomme mit unserer Beziehung. Weil, einfach biste ja nicht. Weisste ja selbst am Besten. Hast zu oft verkackt, wenn es darauf ankam. Hattest aber trotzdem unser aller Liebe. Konntest auf das Feuerzeug für die Kerzen bauen, die wir hoffnungsvoll vor den Stadiontoren aufgestellt haben. Wusstest um die Tatsache, dass wir trotzdem immer wieder zu Dir kommen, egal wie schlecht Du uns mal wieder behandelt hast. In dieser Saison bist Du ja bislang ungewohnt gut zu uns. „Läuft“, könnte man punktuell sagen, auch wenn es sicher das eine oder andere Problem gibt. Heute wären wir Dir natürlich auch wieder gefolgt: Richtung Ostwestfalen, zum womöglich „Alles oder Nichts“ Spiel gegen den dortigen SC Verl. Hätten alles  für Dich gegeben.

Doch nun sitzen wir im besten Falle Zuhause, wo man auch sein sollte, hat Mann/Frau/Divers anderweitig gerade nichts zu suchen. Haben anhand der aktuellen Ereignisse fast vergessen, dass es heute eigentlich um so viel gehen würde. Denn, und das dürfte mittlerweile auch dem Letzten klar geworden sein: Es geht aktuell um alles, anstatt um so viel. Und es geht auch um Dich, Du unser RWE! Und deshalb schreibe ich Dir diesen Brief, denn gestern habe ich wieder gespürt, warum ich Dich so sehr liebe:

Lieber RWE, ein Satz hat mich heute sehr berührt, und zwar derjenige, welcher die einstimmige Entscheidung für das bittere Los „Kurzarbeit“ verkündet hat. Ihr alle, die Ihr für unseren RWE arbeitet; egal ob am Ball oder am Rechner: Ihr alle habt einstimmig eine  Entscheidung mitgetragen, die Euch finanzielle Einschnitte bescheren wird. Die vielleicht aber am Ende der Krise bedeuten kann, dass Rot-Weiss Essen einmal mehr weiterleben darf. Ich behaupte einfach, dass es Deine Magie war, die allen Beteiligten zu dieser Entscheidung verholfen hat. Ihr habt in den letzten Wochen und Monaten gespürt, wie wertvoll es ist, für Dich aufzulaufen. Wieviel Liebe und Zuneigung auch gerade Dir entgegenschwappt, wenn es rund um die Hafenstraße 97a sportlich ein wenig heller wird.

Dafür möchte ich mich ganz herzlich bedanken und darf sagen, wie stolz ich darauf bin. Auf Dich und auf Deine Angestellten in kurzen und langen Hosen. Es ist etwas anderes, ob Du als Viertligist um Deine Existenz kämpfst, oder aber als börsennotierter Erstligist derart jammern lässt, als sei bei Durchfall nur noch ein Blatt Papier auf der Rolle. Du mein RWE spielst aktuell leider nicht auf dem selten grünen Rasen der Regionalliga; dafür aber das Spiel Deines Lebens!  Und auch hierzu hast Du, wie auch schon andere Vereine vor Dir, eine Meinung: Du spielst die Saison halt virtuell weiter.

Seit gestern können alle, die es gut mit Dir meinen, den Dreiklang der Hafenstraße kaufen. Ohne baldige Aussicht auf ein wirkliches Spiel wohlgemerkt! Dreiklang? Klar: Spiel, Stauder & Bratwurst (alternativ auch gerne Frikadelle). Was auch sonst? Und weisste was? Wir haben gemerkt, dass es wirklich um die Wurst geht, Dich betreffend. Man stelle sich einmal vor, Du hättest uns vor Corona eine weitere Möglichkeit angedreht, um Geld für die laufende Saison zu bekommen: Das wäre Dir natürlich um die Ohren geflogen. Weisste auch selbst. Aber jetzt ist eine andere Situation. Jetzt ist es kein Spiel mehr, jetzt heisst es: Rot-Weiss oder eventuell nicht mehr Rot-Weiss. Und das ausnahmsweise mal komplett ohne, dass Du etwas dafür kannst. Da wir das aktuell auch so sehen und spüren, fackeln wir natürlich nicht lange:

Wir wollen dieses virtuelle Spiel. Wir wollen Dich bei Bratwurst und Stauder anfeuern, als ob es um Dein Leben ginge.  Dabei geht es vorrangig auch um unser eigenes Leben. Schließlich vermissen wir Dich gerade so sehr, so dass es schon weh tut. Denn Du, unser RWE, Du bist unser Leben. Vielleicht hätten wir Dir das in all den Jahren viel öfter sagen müssen! Wir können nicht ohne Dich, wir vermissen Dich seit Wochen, wie auch Du vielleicht uns vermisst. Vor allem aber wissen wir endgültig, dass Du gerade absolut keinen Mist gebaut hast, sondern tatsächlich unser aller Hilfe brauchst.

Ey Du, weisste was: Wir schaffen das! Weil wir Dich und das Leben lieben. Egal in welcher Liga. Darum kümmern wir uns erst wieder „danach“.

Macht die virtuelle Hütte voll!

Nur der RWE!