Hygge
Ich zitiere mal:
Hygge ist ein Kernbestand der dänischen Tradition und Lebensweise. Im wesentlichen bedeutet es eine gemütliche herzliche Atmosphäre, in der man das Gute des Lebens zusammen mit lieben Leuten genießt.
Wikipedia
Und ganz schnell wird klar: Hygge ist im Grunde genommen die dänische Umschreibung für die Deutsche Bahn! Ja gut, dass war jetzt vielleicht etwas an der Realität vorbei. Aber grundsätzlich ist die Anreise zu einem Auswärtsspiel unseres RWE mit Bus und Bahn wohl doch immer auch ganz viel Hygge: Man möchte mit dem Besuch eines RWE-Auswärtsspiels das Gute des Lebens zusammen mit vielen anderen lieben RWE-Leuten genießen. Nur klappt das dann leider nicht immer so, wie man sich das im Vorfeld zeitlich ausgemalt hat. Da hofft man natürlich auch auf das gewisse Maß an Zeit für (Kneipen-)Kultur in der fremden Stadt rund um die mehr als neunzig Minuten auf dem Feld.
Doch egal wie man auch zeitlich rechnet, diese Rechnung geht mit der Deutschen Bahn einfach nicht mehr auf: Irgendwas ist schließlich immer, wenn es auf Schiene geht. Ein Unternehmen, mittlerweile so marode, dagegen ist selbst der Nachbarverein aus Gelsenkirchen ein blühendes DAX-Mitglied. Und so war es vergangenen Samstag wieder ein Drama, welches in einer kleinen aber feinen WhattsApp Gruppe miterlebt wurde, saßen doch zwei Drittel der drei Gruppenmitglieder in den betreffenden Zügen nahe an den insgesamt vierundzwanzig Stunden Reisezeit.
Das was man dann zu lesen bekommt, ist immer öfter mehr Fatalismus als ehrlicher Frust. Ich hoffe, dass mittlerweile alle der vielen hundert Fans den Antrag auf Erstattung gestellt haben. In Summe der Dinge, die bei der An- und Abreise schiefgegangen sind, hätten alle Ingolstadt Fahrer und Fahrerinnen grundsätzlich schon einen „Sambazug“ für das kommende Auswärtsspiel bei den Münchner Löwen verdient. Mit garantierter Ankunftszeit natürlich. Aber da dürfte wohl selbst der Klassenerhalt des MSV Duisburg realistischer sein. Wenn aber der Scheuer Andy endlich mal damit beginnen würde, die 243 Millionen Euro für sein selbst verschuldetes Maut-Desaster zurückzuzahlen, könnte man damit ja erstmal dem Schienenverkehr unter die Arme greifen.
Irgendwann in den langen vierundzwanzig Stunden waren sie dann doch alle im Stadion und gesellten sich zu den schon anwesenden Fans, die es auf anderen Wegen pünktlich nach Ingolstadt geschafft hatten. Leider gab es nicht mal ein Tor der eigenen Mannschaft als Lohn für die ganzen Mühen zu bejubeln. Die drei Tore des Spiels im Herr der Ringe Stadion fielen nunmal allesamt in der ersten Halbzeit. Wenn es eine schlechte Angewohnheit als langjähriger Fußballfan gibt, dann die, dass man ein Spiel eigentlich relativ schnell lesen kann und weiß, wohin die sportliche Reise in diesen neunzig plus x Minuten gehen wird. Und da war dann recht schnell klar, dass es im leichten Schneetreiben von Ingolstadt hier und heute nicht den sechsten Sieg in Folge geben wird. Trotz einer erneut guten Leistung unserer Mannschaft.
In den entscheidenden Momenten waren die Schanzer einfach den Tick aufmerksamer und nutzten unsere Fehler gnadenlos aus. Da es aber zuvor bekanntermaßen fünfmal den Dreier gab, war das Ergebnis jetzt kein Beinbruch. Wir sind einfach nur gestolpert. Aufstehen, Krone richten und kommenden Samstag gegen den SV Sandhausen wieder neu auf- und anlaufen. Erfolgsserien hören schließlich so gut wie nie nach der ersten Staffel auf. Daher bin ich zuversichtlich, dass wir an der Hafenstraße bis Weihnachten eine zweite erfolgreiche Staffel nachlegen können. Wir treffen übrigens das allererste Mal auf den SV Sandhausen. Die mitreisenden Auswärtsfans betreten also Neuland im Stadion an der Hafenstraße. Geben wir ihnen einen bleibenden Eindruck mit nach Hause. Der Heimweg könnte schließlich ein sehr langer inklusive vieler negativer Überraschungen werden, sofern sie mit der Deutschen Bahn unterwegs sind. Da hat man schon mal genug Zeit, das Erlebte zu verarbeiten.
Rot-Weiss Essen ist endlich wieder das Fundament für unseren Alltag geworden, da haut uns eine Niederlage nicht um. Ja klar, ein bisschen hat sie schon gewurmt, einfach aufgrund der Tatsache, dass ein Punkt schon drin gewesen wäre. Aber wie schön ist es andererseits, eine Niederlage einfach mal wieder als gegeben abzuhaken, ohne gleich in existenzielle Tabellennöte zu verfallen. Dieses entspannte Gefühl rund um unsere Mannschaft, das hat schon was. Und glücklicherweise sind wir noch nicht auf Freikartenaktionen angewiesen, um unser Stadion wenigstens annähernd optisch zu füllen. Der Stehbereich der heimischen Schanzer kaum besser gefüllt als die Traversen am Uhlenkrug. Die Gegengerade auch nicht wirklich in Gänze gefüllt. Man kann also auch aus der Entfernung sagen, dass die Leute in Ingolstadt selbst bei freiem Eintritt nicht zum Fußball gehen, sondern wohl eher dem heimischen Eishockey zugewandt sind. Auf jeden Fall war die offizielle Zuschauerzahl nicht entsprechend der tatsächlich Anwesenden. So mein Gefühl vor dem Bildschirm.
Was ich nun im Nachgang trotz all der Frustrationen bei An- und Rückreise aber begriffen habe: Am Ende der unendlich langen Stunden auf den Schienen der Republik war es doch ein Stück weit Hygge, was die RWE-Fans erlebt haben, und weshalb sie sich schon bald in noch viel größerer Zahl erneut auf den Weg machen. Dann gen Grünwalder Stadion auf Giesings Höhen. Viele wieder mit der Deutschen Bahn. Und alles nur für unseren RWE! Hygge in Reinkultur.