Kategorie-Archiv: Abstiegskampf

Ballast der Republik.

Weil es auch nach der Stunde Null weiterging.

„Wenn ich schon da gewusst hätte, bald zu sterben; ich hätte mich nach Abpfiff von der Tribüne gestürzt“ Diese tragischen Worte erreichten mich einige Wochen nach dem Lübeck Spiel. Mein Freund Peter hatte gerade erfahren, unheilbar an Krebs erkrankt zu sein. Während er diese Worte relativ gelassen in unserer Küche sprach, um direkt wieder auf sein Lieblingsthema Rot-Weiss Essen zu kommen, zog es mir den Boden unter den Füßen weg. Um dann zu reagieren, wie ich es einige Wochen zuvor nicht konnte: „Laber nicht, wir kriegen das hin“.

Eine blödere Reaktion gibt es wohl kaum auf solche tragischen Worte, aber ich meinte tatsächlich ihn. Den RWE konnte ich zu diesem Zeitpunkt nicht mehr meinen. Was also war passiert? Was meinen wir heute mit dem „Lübeck Spiel“? Es war schwülwarm diesem Samstag, den 31. Mai 2008. Eine Woche zuvor hatte der RWE in Magdeburg gewonnen. Unerwartet, zudem von Tausenden Fans ohne Unterlass unterstützt. Die Qualifikation für das neue Baby des DFB namens Dritte Bundesliga war wieder möglich, der zweite Abstieg hintereinander schien noch vermeidbar. Ein lächerlicher Punkt, es musste nun nur noch ein lächerlicher Punkt her, dazu noch gegen den schon abgestiegenen VfB Lübeck. „Läuft“, so der Tenor rund um die Hafenstraße.

Gronau, Westfalen: Nach dem Frühdienst, diesmal zu zweit, wurden wir direkt von Peter aufgegabelt, der seinerseits bei der Arbeit hat alles stehen und liegen gelassen, nur um schnell an die Hafenstraße zu gelangen. Die gemeinsamen Fahrten gestalteten sich meistens so, dass Peter immer ziemlich viel loswerden musste und erst kurz vor Bottrop fragte: „Und, bei Dir/ Euch?“ Das Thema Karten blieb zumeist außen vor. Hatten wir diese meistens schon im Vorfeld organisiert und ausverkauft war auch schon lange nicht mehr. Der die Karten zahlt, zahlt keinen Sprit und umgekehrt.

Es kam nun kurz hinter Bottrop zu einem weiteren, fast schon legendären Dialog: „Hast Du die Karten?“ „Nein, Du?“ „Oh, dann haben wir ein Problem, ich auch nicht“ „Ja, ich glaube das haben wir“. Schuldzuweisungen waren jetzt fehl am Platz, der Weg war das Ziel, es sollte schließlich voll werden im Georg- Melches Stadion. Spätestens zu erkennen daran, wie viele Fahrzeuge schon auf der geheimen und natürlich allen bekannten Parkmöglichkeit „Welkerhude“ abgestellt wurden. Viele, es waren viele! Das anschließende Anstehen in der Mittagssonne vermittelte ein Gefühl, wie es sich im sogenannten Glutofen anfühlen könnte.

Zu zweit standen nun mein anderer Freund und ich an jeweils einem anderen Kassenhäuschen an, während Peter auf dem Vorplatz der Osttribüne wie ein Tiger im Käfig hin und herlief; uns via Handy zu koordinieren versuchte. Endlich, nach gefühlten, ebenfalls endlos dauernden Minuten wurden noch Karten an eines der Kassenhäuschen geliefert. Der RWE Countdown näherte sich dem Ende. Bereit, dem nahenden Anpfiff Platz zu machen. Die Luft surrte; alles und alle war und waren zum Zerreissen angespannt. Eine unwirkliche Atmosphäre hier und heute, ein Gemisch aus Anspannung, Schweiss und Alkohol auf den Tribünen. Die Lockerheit und der Optimismus nach Magdeburg hat es nicht unter die Hitzeglocke Georg-Melches Stadion geschafft.

Geschafft aber hatten wir wenigstens das Existenzielle an diesem Tag: Dreimal Stehplatz „Nord“. Das diese schon prall gefüllt war, als wir endlich in unser Wohnzimmer konnten, dürfte klar sein. Zum einen lief das Spiel schon und zum anderen waren 18.027 Fans im GMS zugegen. Der RWE begann eigentlich recht furios und rannte immer wieder an, darum nicht! Aber, rückblickend betrachtet wussten wir schon nach einigen Minuten im Stadion: Das Ding hier und heute, das geht in die Hose.

Inwieweit vertragliche Gründe einiger Spieler dazu beitrugen, im Kopf und Trikot schon bald woanders aufzulaufen, vermag ich nicht zu beweisen. Aber die Spielerwechsel nach dem Super GAU Abstieg sprachen allesamt für sich. Der Klassenerhalt und somit eine weitere Saison an der Hafenstraße war von einigen Helden in Stutzen nicht erwünscht. Je länger das Spiel andauerte, umso klarer wurde das allen die es nicht mit den Gästen von der Lohmühle hielten. Und das waren prinzipiell fast alle im Stadion. Schon ein Jahr zuvor bettelte der RWE im letzten Heimspiel der Saison (Wacker Burghausen, 1:1), förmlich um das Gegentor. Und doch war seinerzeit fast alles anders. Wurde in der zweiten Halbzeit gegen Wacker auch zu tief gestanden, anstatt mutig offensiv zu agieren, stimmte trotzdem der Kampf; die Leidenschaft. Für den Verein und den Klassenerhalt.

Das gab es an diesem Samstag nicht. Die locker aufspielenden Lübecker hatten ja nichts mehr zu verlieren und fanden somit immer mehr in das Spiel hinein, kontrollierten es, bekamen Chancen. Hatten Spaß. Es war die 88. Spielminute; die tausende von Fans trotz der Hitze eiskalt erwischte: Der VfB Lübeck ging mit 1:0 in Führung. Das Ende ist bekannt, kein Ausgleich mehr. Abstieg! Die Sicherungen brannten nun gleich reihenweise durch. Die Kombination aus Trauer, Wut, Alkohol und Temperatur liess Zäune überwinden. Sinnlose Jagdszenen auf dem Rasen. Es dauerte lange Minuten, bis die Polizei die Situation unter Kontrolle hatte. Fassungslos diejenigen, die auf den Tribünen stehen und mit ihrem Abstiegsschicksal alleine gelassen wurden.

Gestandene Männer lagen sich in den Armen, weinten hemmungslos. Suchten Trost bei ihren Frauen. Leere Blicke. Wüste Beschimpfungen. Nichts und niemand konnte in diesen Stunden nach Abpfiff an der Hafenstraße Trost spenden. Die Fans litten, während der Söldner seinen Spind räumte und klammheimlich von dannen fuhr. Richtung nächster Verein. Wir waren zu apathisch, das Stadion zu verlassen. Erst als wir dazu aufgefordert wurden, verliessen wir die „Nord“, über die teilweise verwüstete „Ost“ Richtung Stadionkneipe. Umgeknickte Zäune, Reste der Choreographie, auch hier weinende Fans. Wer noch eine Woche zuvor in Magdeburg war, der wusste schlicht nicht, wie ihm hier und heute geschah. Viertklassig, und das bis zum heutigen Tage.

Die Stadionkneipe übrigens, integriert in die wohl schönste Haupttribüne der Republik, war von außen nicht zu erreichen, ohne an Helmut Rahn vorbeizukommen. Seine Statue zeugte von besseren Tagen. Und von einem Menschen, dem ich mich sehr verbunden fühle. Warum auch immer. Er gab uns jedenfalls einen Moment der Ruhe und Zeit für ein Foto. Betrachte ich es heute, sehe ich Peter, Helmut und mich. Eine Statue, zwei Fans mit traurigen Blicken; unwissend, dass in einem von ihnen schon der Krebs wütet. Die Stadionkneipe, dieser rauchgeschwängerte VIP Raum des kleinen Mannes, war an diesem Tag natürlich auch nicht dazu angetan, die Stimmung aufzuhellen. Zudem trauerten Mitglieder der „Crazy Boys“ noch um einen der ihren. Es war einfach alles nur noch zum heulen.

Fußball kann so weh tun, lebt man ihn als Fan. Fußball kann aber auch so schön sein, ist man selbst in tiefster Enttäuschung doch niemals alleine. Die Hundertdreißig Kilometer Heimfahrt lassen natürlich immer viele Emotionen zu, doch kann ich mich daran erinnern, dass es eine ungewöhnlich ruhige Heimfahrt war. Zuhause angekommen, bat mich Peter noch auf ein „Terrassenbier“ bleiben zu dürfen. Er konnte so einfach nicht weiter nach Hause. Wollte gar in den Arm genommen werden. Ein Mann, der auch schon manch dritte Halbzeit erlebt hat. Dieser Tag war einfach zu viel für den Fan, der es mit Rot-Weiss Essen hielt. Es war die Stunde Null. Aber es ging trotzdem weiter. Leider nur für den RWE. Einige Wochen später bekam Peter seine Diagnose: Speiseröhrenkrebs. Unheilbar. Aber zu Beginn der neuen Saison waren wir trotzdem wieder im Stadion. Es war seine letzte Saison.

Zwischen Szenenapplaus und Sonntagsschuß spielt sich ganz viel Leben ab.

Gibt es eigentlich wissenschaftliche Untersuchungen darüber, wie sich Erfolg und Misserfolg einer Lieblingsmannschaft auf das Wohlbefinden der eigenen Fans auswirken? Gäbe es eine solche, dann könnte diese dem RWE Fan attestieren, aktuell genug gelitten zu haben und unter sportlichem Burnout zu leiden. Entweder man lässt sich also eine AU ausstellen und bleibt der Gesundheit zuliebe Zuhause, oder es wird ein Trainerwechsel verschrieben, der wenigstens kurzfristig für Linderung sorgen könnte. Manchmal hilft diese Therapie sogar langfristig. Aber dafür gibt es zumindest in Essen noch keine gesicherten Erkenntnisse.

An der Hafenstraße wurde also wie bekannt, die gängige Therapie Trainerwechsel verordnet, welche leider stets mit hohen Zuzahlungen an den Ex-Trainer die Krankenkasse verbunden ist. Aber, sie verschaffte diesmal wirklich schnelle Linderung der körperlichen Symptome bei sportlichem Misserfolg: Wurden die Schmerzen gegen den ETB zunächst etwas gemildert, trat nach dem unerwarteten Erfolg in Aachen schon spürbar Erleichterung der verspannten Gedanken rund um den RWE ein.

Und so kam es, dass man vor dem Oberhausen Spiel fast schmerzbefreit aus dem Bett hüpfte und ein lange nicht mehr gekanntes Gefühl erleben durfte: Vorfreude auf ein Spiel der Roten. Danke Trainerwechsel mochte man rufen, ohne den aktuellen Trainer nun über den grünen Klee loben zu wollen; schließlich wirkt er ja noch nicht wirklich lange. Hier also ist man auf die therapeutische Langzeitwirkung gespannt. Auch Viagra wollte erst lange getestet werden, bis es dann eines Tages als Mittel der Wahl feststand und es bei manchem fest stand.

Zur eigenen Verblüffung wollte sogar die ganze Familie mit. Durchaus doch schon infiziert mit dem Rot-Weissen Virus, wohl aber noch nicht zu sehr damit belastet um ihrerseits daran zu erkranken. Somit überwiegt stets die Freude auf ein sportliches Ereignis vor vielen Menschen inklusive Stadionerlebnis. Ich wünschte mir auch einmal wieder eine so unbelastete Herangehensweise an ein Spiel meines RWE. Aber, es war ja heute mit zwei Siegen im Nacken eigentlich nichts, was in jenem sitzen und Schmerzen bereiten könnte.

Auf der Autobahn erst einmal hupend den Bus des Schalke Fanclubs Nordhorn überholt. Wir haben kurz überlegt, sie am nächsten Rastplatz aufzumischen, aber zum einen wissen sie einfach nicht, was sie tun, und zum anderen kennt man den einen oder die andere natürlich auch vom Eintracht Stadion am Heideweg. Warum fährt man nur nach Gelsenkirchen, wenn man als Ziel Essen haben kann? Unbegreiflich!

Rund um das Stadion war verkehrstechnisch weniger los als erwartet. Es haben sich also doch viele Fans eine AU ausstellen lassen. Krank ist krank, das ist dann einfach mal so. Trotzdem waren letztendlich gut 8.200 Fans beider Mannschaften im Stadion. Und wir reden weiterhin vom Krankheitsgrad Liga Vier. Gute Quote also.

Im Stadion selbst standen sich bei diesem Spiel nicht wie gewohnt „Heimkurve“ und Gästeblock gegenüber, sondern wurde temporär ein weiterer Heimblock in der Nähe des Gästeblocks geschaffen. Warum das so war, geht mich nichts an, aber ich hoffe, eine Kritik darf angebracht sein, dass es im Sinne einer besseren Unterstützung der Mannschaft eher suboptimal war. Die Heimkurve, die ja eine Gerade ist, ließ trotzdem gelegentlich aufblitzen, wozu sie an Lautstärke in der Lage ist. Besonders in den Schlussminuten. Ansonsten geht der Stimmungspunkt leider dieses Mal nach Oberhausen. Auch unbegreiflich. Wir sind alle Rot-Weiss. Wir kriegen das hin.

So wie es auch die Mannschaft dieses Mal endlich hinbekam. Die viel in Anspruch genommene Körpersprache eine ganz andere als noch in den Wochen zuvor. Die Raumaufteilung ebenfalls eine ganz andere; die gefürchteten Lücken taten sich einfach nicht auf. Es wurde Gras gefressen. Am Gegner festgebissen, um jeden Millimeter Hafenstraßengras gekämpft. So gehört sich das, so wollen wir das sehen. Folglich gab es in der dreizehnten Minute die verdiente Führung. Es gab nicht nur das: Es gab sogar zur Halbzeit Applaus von den Rängen für die Leistung der eigenen Mannschaft.

Ich wiederhole das hier gerne noch einmal: Es gab sogar zur Halbzeit Applaus von den Rängen für die Leistung der eigenen Mannschaft. Das Spiel der eigenen Mannschaft tat wirklich gut, war eine Wohltat für die geschundene Seele.

In der zweiten Halbzeit gab es dann sogar noch zwei bis drei spielerische Leckerbissen, die den Fan auf den Tribünen zwischen Verzückung und Fassungslosigkeit zurückließ. Warum geht erst jetzt, was all die Spiele zuvor nicht ging? Es gab tatsächlich und verdient somit Szenenapplaus. Sogar aufgestanden wurde auf der „Haupt“, als Marcel Platzek aus dem Spiel genommen wurde.

Es sah also alles gut aus auf dem Feld.  Rot-Weiss Essen wollte unbedingt die Entscheidung. Keine Rede davon, das Spiel zu zerstören, wie anschließend ein Oberhausener Spieler befand. Aber, der hat auch keine Ahnung vom Fußball.

Es sah wirklich gut aus. Vor einigen Wochen noch, da lägen wir schon 1:3 in Rückstand.

Und dann kam der Sonntagsschuß.

RWO glich in der 89. Minute aus dem Nichts aus. Der vielzitierte „Sonntagsschuß“ wurde schneller in den Kasten gezimmert, als Heller reagieren konnte.

RWE versuchte es weiterhin in den Restminuten, aber ohne Erfolg. Der verdiente Dreier blieb somit leider aus, und doch blieb unter dem Strich Applaus für eine engagierte und in vielen Punkten verbesserte Mannschaftsleistung.

Ich war nicht traurig, da eine wirklich gute Leistung der eigenen Mannschaft gesehen. Ich war eher geknickt für die eigene Mannschaft, die sich die drei Punkte wirklich verdient gehabt hätte.

Nun muss weiter gearbeitet werden an der Hafenstraße. In so vielen Bereichen, damit wir wieder eine Einheit werden.

„Schluss mit Gelaber und Vereinsmeierei, wenn ihr heut gewinnt ist das einerlei. Jubeln, Jammern, Spielen oder Stehen wir sind der Verein…
Wir (ALLE) sind RWE“

Die Hoffnung ist der Regenbogen über den herabstürzenden Fußball des Lebens. (Frei nach Nietzsche)

Rückblende: Alle gegen alle. Hoffnungen und Miteinander mal wieder am Boden zerstört. Totale Verunsicherung auf dem Feld. Trainerwechsel.

Mittwoch, 18. Oktober. Essen, Stadtwald: Die Mannschaft muss zum Verbandspokal ausgerechnet an den Uhlenkrug im Süden der Stadt reisen, wo sich heimische Lackschuhe gerade in einem unerwarteten Aufschwung sportlicher Natur üben. Das erste Pflichtspiel des neuen Trainers Argirios Giannikis. Vielleicht der richtige Rahmen für einen Neuanfang. Die Erwartungshaltung der knapp dreitausend Fans eher gering, außer bei den ungefähr vierzehn Anhängern der Schwatten.

Deren Stadion (trotz Rückbau der imposanten Gegengerade) bei schönstem Herbstwetter immer noch ein wundervolles Fußballstadion alter Prägung, welches dem Fan keinen Komfort, aber Stehen unter Baumkronen; zudem auf einer Stehgegengerade bietet. Auch kommen Flutlichter zum Einsatz, welche in ihrer Helligkeit eher an Taschenlampen kurz vor Batterieausfall erinnern. Wenigstens wurde der Platz trotzdem einigermaßen beleuchtet. Auf den Stehrängen war es so dunkel wie früher in einem Partykotten, um gemütlicher schwofen und fummeln zu können. Alles in allem also ein stimmiges Fußballambiente.

Rot-Weiss Essen gewann dieses Pokalspiel gegen den klassentieferen Stadtrivalen letztendlich mit 2:0 und ist eine Runde weiter. Es war kein gutes Spiel unserer Jungs und zudem enttäuschten die Schwatten. Da hatte man mehr befürchtet. Auf den Rängen hatte es den Anschein, der Mannschaft nun eine zweite Chance zu gewähren, so erstaunlich gelassen die Gemütslage. Keine Anfeindungen. Argirios Giannikis hatte (natürlich) taktische und personelle Veränderungen vorgenommen, welche zur bestehenden Unsicherheit als Lern- und Umsetzfaktor auf dem Feld hinzukamen. Dass da der monatelang rumpelnde (Mannschafts-)Motor nicht direkt wieder flüssig laufen konnte, war einfach zu offensichtlich.

Aber sie haben es gemeistert und zeigten sich nach dem Spiel sichtlich erleichtert. Kaum auszudenken, was bei einem Ausscheiden zusätzlich auf Mannschaft und Verantwortliche eingeprasselt wäre. Ebenfalls erleichtert ging es wieder gen Heimat.

Sonntag, 22. Oktober. Aachen, Tivoli: Keine Herbstsonne; keine gute Bilanz auf dem Tivoli; kein Derby! Der RWE zu Gast bei jener Alemannia, die uns auf dem Tivoli (egal ob neu oder alt) irgendwie immer gut im Griff hat. 1995 der bislang letzte Erfolg bei den Kartoffelkäfern. Viel schlauer war man nach Mittwoch jetzt nicht wirklich, außer dass Mannschaft und Trainer ihr erstes gemeinsames Spiel gewinnen konnten. Schon nach zwei Minuten war das kleine Fünkchen Hoffnung zunächst einmal wieder dahin, da die Alemannia nach einem Abstimmungsfehler unserer Hintermannschaft in Führung gehen konnte. Eigene Gefühlslage in diesem Moment: „Die gleiche Scheiße also wie immer und die schießen uns nun gnadenlos ab“.

Das Tor haben übrigens nur die 9.600 Stadionbesucher gesehen! Der übertragende Werbesender Sport1 war noch mit seiner Haupteinnahmequelle beschäftigt und konnte dem Tor erst mit einer Kameraführung wie auf Energydrink hinterherhecheln. Ein peinlicher Einstieg in eine Übertragung, welche an Peinlichkeiten noch überboten werden sollte.

Fußball pur gibt es also weiterhin nur im Stadion oder auf dem Sportplatz. 

Nach ungefähr fünfzehn Minuten konnten unsere Roten das spielerische Heft in die Hand nehmen, hatten auch die anfangs auftretenden Probleme der „Standfestigkeit“ auf rutschigem Rasen weitestgehend im Griff. Die Aachener wurden zu Fehlern gezwungen, bisweilen hinten reingedrängt. Ein Torabschluss wurde gesucht, Chancen taten sich auf. Diese berühmte Körpersprache schien eine andere zu sein als noch in den Spielen zuvor. Die Panik aus dem Gesicht wich zugunsten einer leichten Zuversicht, hier noch den Ausgleich zu markieren. Die Zuversicht wurde schon in der 32. Minute durch Timo Becker belohnt: Ausgleich. Geil! Schon zur Pause hätte der RWE eigentlich die Führung verdient gehabt. Ein für Viertligaverhältnisse aufregendes Fußballspiel, sofern man das bei den temporären- und dauerhaften Einblendungen auf dem Bildschirm überhaupt noch erkennen konnte.

In der zweiten Hälfte ging das muntere Treiben auf dem Feld weiter, die Pause brachte nicht den befürchteten Bruch im RWE Spiel. Man ist (leider) halt zunächst immer (und aus Erfahrung) erst negativ konditioniert. Isso! Und dann trat tatsächlich das unerwartete und doch so erhoffte ein. Es war dem Spielverlauf nach sogar mehr als verdient: Unsere Roten gingen nach einem wunderbar vorgetragenen Angriff, abgeschlossen durch Kai Pröger, mit 2:1 in Führung. Wie geil war das denn? Echt jetzt? Die Gesichter der Spieler auf dem Feld sprachen Bände, die Gesten zudem. Wie schon im ersten Spiel in Dortmund wurde sich oft abgeklatscht oder aufgemuntert. Ganz wichtig auch: Der auch von mir kritisierte Käpt`n (und Lieblingsspieler) Baier war mit einer ganz anderen Präsenz als noch in den Vorwochen auf dem Platz. Man steckt einfach nicht drin in der Psychologie einer Mannschaft.

Einige Male galt es noch zu zittern, als die Aachener zu Eckbällen oder der ein- oder anderen Chance kamen. Aber gleichermaßen ging es auch direkt wieder Richtung Aachener Tor. Zudem wurde mit geschickter Wechseltaktik Zeit von der Uhr genommen. Auch damit hatten wir ja schon mal unsere Probleme vor noch gar nicht langer Zeit. Ist aber auch auch wurstegal, denn am Ende blieb es bei dem ersten Erfolg von RWE bei Alemannia seit zweiundzwanzig Jahren. Auswärtssieg der etwas unerwarteten Art. Luft im Abstiegskampf, verbunden mit Hoffnung auf sportlich bessere Zeiten (Auch unser Brustsponsor dürfte sich sicher nicht nur über galoppierende Wettquoten sondern auch mal über den positiven Eindruck des eigenen Partners gefreut haben).

Nun gut, die Hoffnung hatten wir bei schon einigen Trainern zuvor auch und wurden doch nur bitter enttäuscht. Aber für den Moment durfte man sich an diesem Sonntag einfach nur freuen. Jeder so wie er wollte. Und mit der Freude kam die Erleichterung. Man freute sich für die Fans, die Spieler, die Verantwortlichen…. ach einfach für alle. Die Freude sollte zudem genossen werden, denn schon kommenden Samstag könnte es ja wieder vorbei sein mit der Freude. Da kommt der Nachbar aus Oberhausen zu Besuch. Wieder kein Derby. Aber hoffentlich ein Dreier.

Und dann war da noch: Die TV Übertragung direkt aus der TV Übertragungshölle. Was den mitfiebernden Fans beider Vereine inklusive vieler neutraler TV Fußballfans da am heimischen Empfangsgerät geboten wurde, war meines Erachtens schlicht frech. Nein, es war peinlich! Die Vierte Liga ist gemeinhin kein Profifußball, aber deswegen muss man sie noch lange nicht dermaßen amateurhaft übertragen wie an diesem Sonntag.

Den Einstieg durch die Bildregie aufgrund der vorherrschenden Werbung schlicht grandios vermasselt, schaffte der Kommentator ebensowenig den Einstieg in das stattfindende Spiel, sondern drosch die üblichen Phrasen zur Vergangenheit beider Vereine. Mittlerweile geschenkt, wir kennen die Fakten in und auswendig. Aber, die aktuellen Namen der Spieler zu kennen, hätte ja Vorbereitung bedurft.

Die Bildregie hatte mittlerweile Spaß daran gefunden, dass TV Bild mit unwichtigen anderen Dingen zuzukleistern. Was interessiert uns ein Bundesligaspiel, wenn Rot-Weiss Essen spielt? Was interessieren uns die groß eingeblendeten Fakten eines anderen Spiels über Ballbesitz, Schüsse etc.? Die, die das interessiert haben Sky oder den Eurosport Player. Aber die gucken wohl kaum Alemannia Aachen gegen Rot-Weiss Essen! Ich hatte wirklich Angst, es könnte noch der Newsflash über Sarah & Pietro kommen. Oder eingeblendete (un)sexy Sport Clips. Sowas halt.

Und dann diese Sprüche. Da denkt man, man hat Jörg Dahlmann auf diesem Sender überlebt, doch dann kommt es noch schlimmer. Den Aachener Torwart als „Nicht die hellste Kerze in der Strafraumbeherrschung“ zu bezeichnen, das geht meines Erachtens gar nicht.  Sätze wie „Seine Frau die Lisa, mit der ist er ja verheiratet“ und viele andere Stilblüten der Kommentatorenkunst vervollständigten das Bild .

Wenigstens hat Glockenhorst die „Senderkompetenz“ erkannt und das Interview des Feldreporters für knackige Eigenwerbung zur Teilnahme am Filmprojekt Pottoriginale genutzt. In Grund und Boden hat er ihn geredet und für einen weiteren Essener Erfolg an diesem Nachmittag gesorgt. Man informiert sich doch vorher, warum Glockenhorst Glockenhorst heißt.

Nein, es war im Gegensatz zum Auftritt der Roten auf dem Feld kein guter Auftritt eines TV Senders und seiner Protagonisten. Wenn Ihr Fußball zeigen wollt, dann zeigt einfach auch nur Fußball. Wenigstens dann, wenn das Spiel läuft. Setzen, Sechs! Nächstes Mal dann doch wieder Stadion.

Gegen Oberhausen wünsche ich mir nun ohne wenn und aber eine Abkehr der Kultur des Gegeneinander. Miteinander, das hat uns immer ausgezeichnet. Von 0 – 100, von A – C. Diese kleine Pflanze Hoffnung mal wieder.

Nur der RWE!

 

Finales

Die Saison als solche ist ja bereits abgehakt und das Statement dazu an anderer Stelle bereits kundgetan. Wir befinden uns also im Landeanflug auf das Europapokalfinale 2016 gegen den Wuppertaler SV. Ausgetragen wieder in Essen. Essen könnte doch eigentlich direkt als ständiger Austragungsort bestimmt werden. Das Berlin des kleinen Mannes sozusagen. Die Klagen des Finalgegners  über eine Bevorteilung des RWE kann aktuell auch in keinster Weise nachvollzogen werden: Waren doch Fans und Mannschaft des RWE in der vergangenen Saison nicht wirklich eine Einheit und konnte zu kaum einem Zeitpunkt ein wirklicher Heimvorteil generiert werden; irgendetwas war doch immer. Und jammern gilt schon mal gar nicht, wenn man als Wuppertaler SV plötzlich und unerwartet in fast doppelter Anzahl zum heimischen Zuschauerschnitt auswärts anrücken möchte. Dann sollte man eher die vielen unbekannten eigenen Mitreisenden fragen, wo sie denn sonst so stecken. Punkt! Finalort? Nicht unsere Entscheidung, nicht unser Problem. Auch für den abermals letzten Platz beim ESC trägt der RWE keine Verantwortung und selbst der Preisverfall in der Causa Milch kann uns nicht angelastet werden. Das aber nur am Rande.

Rot-Weiss Essen hatte schließlich eine ziemliche Kacksaison und somit seine eigenen Probleme. Der Gewinn im Niederrhein- Europapokal könnte da ein wenig Balsam auf die Wunden bedeuten. Mit den allseits bekannten Folgen DFB Pokal und Erstrundenfestpreis. Wie schon im Finale des letzten Jahres sehe ich beide Endspielgegner auf gleicher Höhe mit Vorteilen sogar auf Wuppertaler Seite. Kommen diese doch mit der Euphorie eines Aufsteigers; sind nunmehr also auf gleicher (Ligen-)Höhe und haben definitiv die aktuell breitere Brust als die tabellarischen Hühnerbrüste der Hafenstraße. Aber vielleicht liegt genau darin der Vorteil des RWE: Wir haben endlich nichts mehr zu verlieren, wurde doch der Abstieg so gerade eben noch verhindert. Der Druck also genommen, es kann Fußball gespielt werden. Zudem möchten sich Abgänge sicher doch als Gewinner verabschieden. Und, dessen kann sich die Mannschaft sicher sein: Auch für uns auf den Rängen stellt der Pokal in seiner Endphase mittlerweile den (leider wohl einzigen) Höhepunkt einer jeden Saison da. Und somit sind wir wie ein gutes Steak auf den Punkt genau fertig, um mit Anpfiff um 17:00 Uhr auch alles dafür zu geben, dass es zur Titelverteidigung kommen wird. „Rot-Weiss Essen Du bist mein Verein, RWE so soll es immer sein“. Die Saison und alles andere gewesene komplett ausblenden für dieses eine letzte Spiel.

Danach hoffentlich zusammen feiern. Und dann miteinander reden. Aber auch mal durchatmen und gut durchlüften. Sehr gut durchlüften. Für die dann kommende Saison benötigen wir richtig frischen Wind in der Bude. Auch wenn das Gemecker spätestens dann wieder losgehen wird, sickern weitere Verpflichtungen durch oder wird das neue Trikot vorgestellt. Da uns diese unselige Relegation zur Dritten Bundesliga ja leider noch länger erhalten bleibt, als uns allen lieb ist, haben wir Fans wohl nur die Möglichkeit, uns in Gelassenheit zu üben. Und damit meine ich nicht nur uns in Essen, sondern wohl so ziemlich alle Fans, die sich einem Verein in der Viertklassigkeit verpflichtet fühlen. Es wurde noch kein Aufstieg erzwungen, sondern dazu gehört eine richtige Mannschaft; ganz viel Glück; Mut und Miteinander. Eine Truppe die Erster wird und genau weiß: Erst nach der Relegation können wir Helden sein, ansonsten sind wir nur die „DFB Deppen“, die nicht mal auf den Meistertitel einen heben können, da irgendwie doch nichts erreicht. Um aber überhaupt „Relegationsberechtigter“ zu werden, bedarf es eben jener Gelassenheit und noch mehr Geduld. Über Jahre. Schließlich wollen einige andere auch durch dieses vermaledeite Nadelöhr. Lotte zum Beispiel einmal mehr, denn ich hoffe ja, dass der SV Waldhof sich aktuell durchsetzen wird.

Vielleicht liegt der Wunsch nach Geduld und Gelassenheit auch ein wenig in der eigenen Krebserkrankung begründet. Eine solche Diagnose verschiebt die Dinge von jetzt auf gleich in einer Intensität, wie sie hoffentlich so vielen wie möglich erspart bleibt. Es ist grad nicht wichtig, in welcher Liga mein Verein spielt. Ich möchte ihn einfach nur spielen sehen, denn dann weiss ich, dass ich noch die Kraft dazu habe, einem Spiel beizuwohnen. Es ist jetzt der alleinige Wunsch, endlich operiert zu werden um genesen zu können. Dies in Ruhe und Gelassenheit. Aber in der Gewissheit, doch niemals alleine zu sein. Und auch Rot-Weiss Essen muss endlich sportlich genesen dürfen; braucht Zeit und Freunde, die zusammenstehen. Ihn nicht alleine lassen. Erst dann können jene Kräfte und Energien entstehen, die es bedarf, dass eine Mannschaft erfolgreich spielt und folgenreich die Sympathien der vielen so sehr enttäuschten rot-weißen zurückerobern kann. Ein beschwerlicher und langer Weg der sportlichen Genesung liegt an; aber wenn wir nicht den ersten Schritt machen und nur meckern, können wir auch gleich aufgeben. Aufgeben jedoch ist einfach nicht das Ding eines RWE Fans, auch wenn es bisweilen den Anschein hatte. Emotionen können wir hingegen sehr gut. Und auch die gilt es wieder wachzurütteln. In der vergangenen Saison waren so viele einfach nur müde ob der gebotenen Leistungen. So viele „Veteranen“, die einfach nicht mehr konnten und wollten. Die Ära Harttgen und Fascher; auch sie steckt noch in den Vereinsknochen, ist nicht so leicht abzuschütteln.

Wo wir aber gerade auch beim Thema Relegation sind und waren: Bis heute habe ich alle Spiele dieses sportlichen Irrsinns am heimischen Empfangsgerät verfolgen können und bin bisweilen entsetzt über die gebotenen Leistungen. Eine Relegation erzeugt einen so unmenschlichen Druck auf Spieler, Verantwortliche und Fans, so dass ein Spiel im eigentlichen Sinne kaum mehr möglich ist. Mit Ausnahme der Kickers aus Würzburg vielleicht, die zur Relegation kamen wie die Jungfrau zum Kinde und entsprechend befreit aufspielen konnten. An diesen zwei Spielen hängen Existenzen, Zugehörigkeiten und sogar Vereinsschicksale; glaubt man den aktuellen Nachrichten aus Nürnberg und Duisburg. Die TV Quoten mögen gestimmt haben, aber auf dem Felde herrschte bisweilen blanke Angst. Ergo: Auf- und Absteiger müssen klar definiert werden und Meister aufsteigen. Nur so kann sportlicher Erfolg oder Misserfolg einer Saison fair quittiert werden.

Übrigens nehmen wir in der kommenden Erstrunde des DFB Pokals nur Gegner und Fans ernst, die wie schon Düsseldorf und nun auch Tupperwal mit eigens kreierten „Anti-RWE“ Shirts anreisen. Wir brauchen das einfach. Sieht ja auch gut aus, so ein einheitlicher Gästeblock. Nur der RWE!

 

 

Das Gesetz der Trägheit

Ungekannte Gefühle machten sich vor diesem Spiel breit: So etwas wie Vorfreude schlich sich ein. Tatsächlich: Ich freute mich auf das Spiel des RWE gegen den Nachbarn aus Oberhausen. Aber warum eigentlich? Vielleicht weil es bis auf weiteres der letzte Besuch sein dürfte, oder weil sich die sportliche Situation etwas entspannt hatte? Auf die Freunde vor Ort oder auch darauf, Fritz Herkenrath zu Ehren applaudieren zu dürfen? Zwei Tage danach gibt es keine Antwort mehr auf diese Frage, denn die eigenen Mannschaft hat einmal mehr und diesmal so richtig ohne Ansage enttäuscht. Vor dem Spiel jedoch ging es nach Monaten mal wieder mit der „RWE Hit Mix CD“ an Bord auf die Reise gen Glutofen Essen. Lautstark mitgesungen wurden etliche Fanbusse eines benachbarten Bundesligisten  überholt. Denn sie wissen nicht was sie tun!

Warum nun schon um 13:00 Uhr angepfiffen werden musste, konnte nicht so richtig in Erfahrung gebracht werden; der guten Laune rund um das Stadion tat es aber scheinbar keinen Abbruch, sollte doch der endgültige Klassenerhalt ( Für temporäre Leser: tatsächlich Klassenerhalt, nicht Relegationsplatz oder dergleichen!) hier und heute gesichert werden. Nur unsere Mannschaft jedoch, die hat davon leider nicht viel mitbekommen! Würde man von Stehgeigern oder von Sommerfußball sprechen, so würde man jeden Stehgeiger und jeden Sommerfußballer prinzipiell beleidigen. Welch blutleere und fast pomadige Vorstellung in der ersten Halbzeit. Zugegebenermaßen von beiden Mannschaften! Vielleicht hatte ja doch die ungewohnte Anstoßzeit inklusive ebenso ungewohnt hoher Temperaturen seine Finger mit im Spiel. Das war bei allen schlechten Spielen in dieser schlechten Saison definitiv die schlechteste Halbzeit. Paradox wirkte im Verhältnis dazu die nimmermüde und durchgängige Anfeuerung von der „West“.

Mit dem Ende der torlosen ersten Halbzeit rissen die schlechten Nachrichten allerdings noch lange nicht ab: Denn es folgte ja tatsächlich noch eine zweite Halbzeit, die es zu überstehen galt. Hätte man abstimmen lassen, ob weitergespielt oder das Spiel zur Halbzeit als beendet gewertet werden dürfte, so hätten sich die allermeisten der geduldigen  Zuschauer sicher für das sofortige Ende entschieden. Natürlich wurde die zweite Halbzeit gespielt; lag der Fokus zudem immer noch auf die Beruhigung der Seele durch die möglichen drei Punkte auf dem Platz. Wenn die erste Halbzeit nun überhaupt eine sportlich verwertbare Erkenntnis brachte, dann die, wie wichtig ein Benjamin Baier aktuell für unser Spiel ist. Jemand der wenigstens einmal aus der zweiten Reihe den unverhofften Schuss ansetzt, und auch mal die eigenen Mitspieler wachrütteln kann. Dem neuen Trainer jedoch wurde endgültig und deutlich deutlich vor Augen geführt, auf welches Abenteuer er sich mit der aktuellen Mannschaft eingelassen hat.

Der Nachbar aus Oberhausen, selbst auch in dieser ersten Halbzeit nicht die hellste Kerze auf der Spieltorte konnte in der zweiten Halbzeit gar nicht mehr anders, als die Essener Trägheit mit Toren zu bestrafen. Endlich wurde das Betteln erhört, in Rückstand zu geraten. Blitzsauber wurde zweimal die Abwehr ausgehebelt und an Heimann vorbei eingeschoben beziehungsweise reingestochert. Man lacht an der Emscher wahrscheinlich noch immer darüber, wie simpel das an diesem Samstag möglich wahr. Vielleicht war es Galgenhumor, oder die Freude an einem wirklich gelungenen, neuem Lied auf der Tribüne: Die „West“ sang unverdrossen weiter, es kamen keine Schmähungen gegen die eigene Mannschaft, die es ansonsten schon bei wesentlich  besseren Leistungen und Rückstand gegeben hätte. Das Werfen von Gegenständen sollte trotzdem und überhaupt endlich einmal unterlassen werden! Wir sind nur noch auf Bewährung auf den Tribünen! Eine Atmosphäre also , die in der Beziehung zwischen den Geschehnissen auf Rasen und Tribünen einem Verwirrspiel glich.

Es wurde also nichts mit dem vorzeitigen Klassenerhalt. Wie dumm auch von uns Fans, das von der aktuellen Mannschaft zu erwarten. Wie dummdreist aber auch von nicht einmal einer Handvoll trunkener und scheinbar von Sonnenstich  geplagten Besuchern die Aktion, die Würde eines gegnerischen Spielers anzutasten. Das geht in keinster Weise und wurde entsprechend im Spielverlauf von Leon Binder kommentiert und geregelt. Eine bedauernswerte Randnotiz, die im Spielverlauf außer den Beteiligten selbst wirklich kaum einer mitbekommen hat. Ich denke, dann hätte es einen größeren Aufschrei gegeben. So jedenfalls war der Weg frei für den Berichterstatter der RevierSport, den RWE einmal mehr unter Generalverdacht zu stellen.

Rot-Weiss Essen benötigt in der kommenden Saison nicht nur endlich wieder eine Mannschaft, die diesen Namen und unser Trikot auch verdient; sondern auch eine Berichterstattung, die sich mit Fakten und Fußball beschäftigt, anstatt in Boulevard Manier Geschehnisse oder Gesagtes aus dem Zusammenhang zu reißen und auf mögliches Fehlverhalten einiger weniger zu warten. Wir sind nicht doof, wir Fans wissen doch, dass der RWE nicht sonderlich gut gelitten ist im Hause RevierSport. Wir wollen keine Hofberichterstattung, denn das ist auch keinem zuträglich! Aber ich glaube, Verein, Fans und natürlich auch auch Medien ihrerseits haben ein Recht auf eine gegenseitig faire Behandlung. Auf gut recherchierte Beiträge, deren Inhalte den Sachverhalt erzählen und nicht auf eine reisserische Überschrift, der kaum  wirkliche Fakten folgen, dafür aber Klicks generieren . Wenn in längst vergangenen Tagen vielleicht mal Fehler auf beiden Seiten gemacht wurden, dann ist es an der Zeit, nun einen Punkt zu setzen. In Münster zum Beispiel hat diese Form der Berichterstattung leider auch Überhand genommen, was die Preußen gar zu einem offenen Brief veranlasste. Weniger ist manchmal mehr! Die WAZ Essen kann es doch auch, berichtet sportjournalistisch und den Tatsachen geschuldet. Und das sicher nicht nur, weil die West ihren Namen trägt.

Diesen finalen Punkt können wir alle ja bald auch endlich unter die aktuelle Saison setzen. Gottseidank. Nie zuvor habe ich so viele Fans so müde erlebt. Veteranen in Rot und Weiß, der ständigen Enttäuschungen überdrüssig. Vielleicht kann ja  kommenden Samstag endlich der Klassenerhalt geschafft werden und dann das Endspiel im Europapokal der Landesmeister gegen den Wuppertaler SV die Saison wenigstens auf Papier und Konto halbwegs noch retten. Nur der RWE!

Es rappelt in der Kiste…

Spätestens nach der samstäglichen Niederlage gegen Tante Lotte war klar, was eigentlich schon seit Wochen klar war: Mit unserer aktuellen Mannschaft werden wir in dieser Saison keinen Blumenpott mehr gewinnen, sondern nach langen Jahren eher den so sehnlichen Wunsch erfüllt bekommen, diese Liga endlich zu verlassen. Allerdings in andere Richtung als gedacht. In den letzten Wochen hat sich der Druck auf Trainer Jan Siewert und somit auch auf Mannschaft und Verein  von schlechter Leistung zu schlechter Leistung verständlicherweise, und von Tag zu Tag erhöht.

Leider begnügt sich der frustrierte Fan in Zeiten (a-)sozialer Medien nicht mehr mit der schlichten Forderung nach der Entlassung des sportlichen Verantwortlichen. Da wird gelegentlich beleidigt, was die Tastatur hergibt; wird scheinbar wie von Sinnen und in blinder Wut gelegentlich unter jeglicher Gürtellinie der Mensch hinter der Funktion und der Funktionär auf das Übelste angegangen. Nun ist das kein Phänomen der Hafenstraße, lässt der gegenseitige Respekt und das Miteinander leider immer mehr zu wünschen übrig; aber es gibt zu denken. Das muss nicht sein! Heisst es nicht:“Die Familie Rot Weiss..hält zusammen“? Auf dem Feld hält momentan wohl auch kaum einer der fast dreißig Vertragsspieler von Rot-Weiss Essen zusammen.

Mit jedem Spiel mehr wurde und wird deutlich, dass dort keine Mannschaft mehr agiert, sondern die Grüppchenbildung regiert. Es gibt aber natürlich auch diejenigen, die man von dieser Kritik ausnehmen möchte, wie unter anderem einen Baier, Platzek, Binder, oder beispielhaft gerade auch einen Patrick Huckle. Nicht der filigransten Einer; aber ein Kämpfer vor dem Herrn, dem anzumerken ist, ein Mannschaftssportler zu sein. Der leidet, genauso wie wir da draußen. Diesen Spielertyp brauchen wir nun besonders.

Es gab also keine Alternative mehr dazu, Jan Siewert seines Postens zu entheben. Der Protest so laut, da hätte sogar ein Marc Fascher in blau- weiß gehüllt, begleitet von Uwe Harttgen als Sancho Panza und auf Esel, die Hafenstraße hinunter galoppieren können: Sie wären freudig begrüßt worden! Der Schmerz so groß, die Angst immer mehr. Gestern dann trug der Verein dem anhaltenden Sinkflug in Tabelle nebst Sturzflug in der Leistung Rechnung und entband Jan Siewert von seinen Aufgaben als Cheftrainer von Rot-Weiss Essen. Wer einigermaßen gut vernetzt ist, wusste innerhalb von Minuten Bescheid.

Prompt wandelte sich Hass und Häme in spürbare Erleichterung darüber, dass endlich gehandelt wurde. Namen zählen dieser Tage einfach nicht, es geht um das große Ganze, welches da Rot-Weiss Essen heisst. Erstaunlich allerdings, dass die Demission des Trainers von Andreas Winkler kommentiert wurde, der verantwortlich dafür steht, dass kaum einer mehr weiß, wer aktuell überhaupt so alles bei RWE unter Vertrag steht. So viele Spieler sind es, die kamen und gingen. Oder noch nie spielen konnten, da verletzt verpflichtet. Oder einfach auch nicht regionalligatauglich waren. Jan Siewert hat sicher nicht nicht immer die beste Figur abgegeben, obwohl sportlich durchtrainiert, aber er hatte auch damit klarzukommen, was ihm der sportliche Direktor Andreas Winkler so alles auf den Trainingsplatz bestellt hat.

Und so kann meines Erachtens nach ein Klassenerhalt inklusive Neuanfang nur dann gelingen, wenn auch Andreas Winkler seines aktuellen Postens entbunden wird. Bei allen Verdiensten um den Verein. Aber diese Saison trägt, unter Einbezug der Fascher/Harttgen Ära, nun mal seine Handschrift. Und ich glaube, auch das Tischtuch zwischen sportlichem Direktor und Mannschaft ist zerschnitten. Man schaue sich nur die Fotos an. Bilder sagen mehr als Worte!

Aber was kommt jetzt? Wer kann uns alle vor dem Abstieg retten? Wir sind dann nicht mehr froh, dass es den RWE überhaupt noch gibt! Haben wir doch keine finanziellen Probleme mehr (Übrigens immer noch der Verdienst von Michael Welling, welcher natürlich als Verantwortlicher gerade auch ziemliche unter Beschuss steht wie seine sportlich leitenden Angestellten und ebensowenig zimperlich behandelt wird). Otto Rehhagel war gegen Lotte auf der Tribüne. Willi Lippens sicher selbstredend auch.  Otto Rehhagel hatte noch auf der Jahreshauptversammlung Jan Siewert seine Hilfe angeboten. Vielleicht sollte der Verein sie jetzt annehmen und ihn um Hilfe bitten. Vielleicht nur für eine Kabinenansprache. Mit Unterstützung von Willi Lippens. Denn, was haben wir denn noch zu verlieren außer unsere Existenz?

Die Spieler haben nicht auf ihren Trainer gehört, haben zumeist keine Ahnung, wie es uns Fans überhaupt geht, und was uns der RWE bedeutet. Somit brauchen wir nun dringend ein- oder zwei Legenden, die ihnen bis Saisonende aber genau das vermitteln: Der RWE ist unser Leben! Ihr geht, aber wir bleiben. Wir haben unbefristete Verträge auf Lebenszeit. Und wollen endlich wieder lachen. Am liebsten mit Euch. Auch wenn wir nicht mal mehr Eure Namen kennen, da einfach zu viele.

Lieber Jan Siewert, ich wünsche Ihnen alles Gute für die Zukunft und möchte mich dafür bedanken, dass Sie sich auf das Abenteuer Rot-Weiss Essen eingelassen haben. Ich hätte mir manches Mal etwas mehr Gelassenheit bei Ihnen gewünscht. Einen lockeren Spruch. Was auch immer. Aber vor allem sportlichen Erfolg. Der blieb leider aus und somit griff erst jetzt, und hoffentlich nicht zu spät, das was immer passiert, wenn eine Mannschaft vor dem Abstieg steht.

Die Spieler sind nun auch ihres Alibis Trainer entbunden und müssen kommenden Freitag in Ahlen beweisen, dass sie ebenfalls nicht absteigen wollen.

Wir sind alle abhängig und hadern mit dem Schicksal.

Leicht abgewandelt eine Aussage von Bayerns KHR (nicht zu verwechseln mit KMH aus dem ASS) als Titel. Nur gut, das wir uns aktuell nicht mit dieser dreisten Forderung nach einer finalen Wild Card auseinandersetzen müssen, um auf ewig für ein Finale gegen den FC Barcelona gesetzt zu sein. KHR tritt jeglichen Wettbewerbsgedanken im Fußball mit den Füßen.

Den Fußball mit den Füßen traten die Kicker von der Hafenstraße auch. Jedoch in letzter Zeit so schlecht, so dass sich die Situation rund um die Hafenstraße 97a immer mehr zuspitzte und nach der Niederlage vergangener Woche in Düsseldorf in wütendes Aufheulen der Anhängerschaft gipfelte. Unter dem Strich stand nach dem Spiel unter dem Strich. Man ist geneigt zu schreiben: Endlich!

Wochenlang schon pfiffen es die Spatzen von den Dächern: Abstiegskampf, Ihr seid im Abstiegskampf! Schien aber so wirklich keinen zu interessieren, denn verloren wurde ja auch nicht wirklich. Und so ging es stark kritisiert immer weiter. Unterbrochen gar von einem Halbfinalerfolg im Pokalwettbewerb des kleinen Mannes gegen den Angstgegner FC Kray. Wer glaubte da schon ernsthaft an einen Abstieg? Scheinbar keiner der Aktiven auf dem Feld, denn ansonsten ist die Leistung gegen Düsseldorfer Zweitfortunen nicht zu erklären. Oder ging es doch gegen den Trainer? gegen den Mitspieler? Gegen den Fan? Wir werden es wohl nie erfahren.

Jedenfalls brachte uns Düsseldorf nun definitiv die Erkenntnis, in höchste Abstiegsgefahr geraten zu sein. Wir, der Meister von 1955, welcher unterklassig höchstens durch Lizenzentzug absteigt, steht auf einem Abstiegsplatz der Regionalliga West. „Caramba, mir kocht der Blut“, um es mal mit Marika Rökk zu schreiben! Das war und ist zu viel für den leidgeprüften Fan. Die Kommentarzeilen kochten über; oftmals auch mit ungesundem Hass und blanker Gewaltandrohung. Das geht leider noch weniger, als eine unterirdische Leistung auf dem Feld! Isso! Die Tage nach Düsseldorf also Tage, die verwirrten; sprachlos machten und zugleich unfähig, auch nur annähernd etwas zu Papier zu bringen, was der Situation entsprechen könnte. Als außenstehender Blogger jedenfalls.

Die Argumente wogten hin und her; die Zuordnungen wurden im Minutentakt neu verteilt, ebenso die Schuldfrage. Jan Siewert schien schon entlassen, als Suspendierungen zweier Spieler ausgesprochen wurden und der suspendierende Trainer überraschenderweise bleiben konnte. Es ist ja nicht so, als ob ich mir nicht gewünscht hätte, dass der Trainer zum Verein gepasst hätte oder immer noch passen könnte. Ich würde mir aber wünschen, dass Jan Siewert wenigsten einmal auch menschelt. In einer Pressekonferenz zum Beispiel. Er agiert bisweilen so trocken und unnahbar wie die britischen Kronjuwelen hinter Panzerglas. Herrgott von Bentheim, da ist es doch kein Wunder, dass wir Unwissenden von schlechtem Betriebsklima zwischen Mannschaft und Trainer schwadronieren. Wir haben doch bald mehr Abgänge und Suspendierte als aktive Spieler im Kader. Zuzüglich Drölftausend Neuzugängen.

So viele Spieler, so viele Namen. Aber für uns nur ein Verein: Rot-Weiss Essen! Ok, wir atmen einmal kurz durch und sammeln die Fakten bis zum heutigen Spielbeginn: Trainer und sportlicher Leiter weiter im Amt; Mannschaft dezimiert; Vorstand in der Kritik; Abstiegsplatz; Boykott vieler Fans; Boykott des Boykottes durch ebenso viele Fans….na das konnte ja was werden. Und es wurden, um das Ganze ein wenig abzukürzen, drei Punkte! Der SC Verl erwies sich gestern Abend als der endlich richtige Gegner, den es verunsichert galt, verunsichert zu bezwingen. Wir alle im Stadion haben kein richtig gutes Fußballspiel gesehen. Und nur der Verler Harmlosigkeit in diesen neunzig Minuten war es zu verdanken, das stets kämpfenden und vollsten Einsatz zeigenden Essener zu einem 1:0 Kantersieg kamen. Dem ersten Dreier seit langer, langer Zeit. Die Verunsicherung und der Willen gaben sich bei den Spielern des RWE die berühmte Klinke in die Hand. Erst das einzige Tor des Abends offenbarte einen kleinen Einblick in die Seele des rot-weißen Vertragsspielers: Die Auswechsel- und somit nicht suspendierten, Spieler rannten wie von Sinnen auf das Feld nach jenem Treffer, während es andere Spieler sogar Richtung Trainerbank zog. Der Trainer also doch nicht derjenige welche?

„Siewert raus“ Rufe gab es übrigens nur dezent zweimal. „Abgefeuert“ auf der Haupttribüne von einem älteren Fan in Zivil. Der Boykott übrigens sollte nicht unerwähnt bleiben, denn meines Erachtens hat er funktioniert! Funktioniert deshalb, weil er beiderseitig respektiert wurde. Von denen die trotzdem gucken und jenen, die wegschauen wollten. Beide bekamen ihre Bühne Westtribüne. Und das war gut so! Gewaltandrohungen weniger, denn die helfen einfach keinem. Was auch nicht hilft, ist der Auftrag der RevierSport, alles und jedes in dermaßen überzogener Art zu martialisieren. Flatterbänder sind de facto keine Barrikaden. Warum muss immer alles so überzogen dargestellt werden? Warum diese Gier nach reisserischen Überschriften und Artikeln? Kommt mal runter und schreibt wieder über Fußball. Ein frommer Wunsch, ich weiß. Aber wünschen darf man sich alles, hat meine Mutti früher immer gesagt. Tja, wir alle haben also endlich einmal wieder drei Punkte mit auf den Heimweg bekommen. Drei Punkte für die Seele, aber noch nicht zur Beruhigung. Und sicher nicht annähernd dafür geeignet, um etwas Ruhe an die Hafenstraße zu bekommen. Das schaffen nur weitere Punkte. Und vielleicht mal klare Worte, was wirklich los war, im Frühjahr 2016.

STOPP!

Wenn zwei zerstrittene Parteien etwas miteinander zu klären haben, kann mitunter eine professionelle Mediation helfen. Diese ist kostenlos und bedarf der Bereitschaft beider Parteien, etwas an der aktuell verfahrenen Situation zu ändern. Ein ganz wichtiges Merkmal einer Mediation ist, das im Vorfeld ein Signal vereinbart wird, mit dem eine mögliche Hasstirade, Negationen oder einfach auch zu belastende Momente sofort unterbrochen werden. Hält sich eine der beteiligten Parteien nicht daran, ist die Mediation sofort für gescheitert erklärt und übernehmen die Gerichte. Oder die Fünftklassigkeit!

Nun haben weder die Mannschaft noch die Fans prinzipiell ein gescheitertes Verhältnis zu klären, reden wir angeblich ja immer noch von Fanliebe einerseits und dem Fußballerstolz, an der Hafenstraße spielen zu dürfen, andererseits. Und doch ist es vielleicht an der Zeit, den Reklamierarm zu heben und lautstark „STOPP!“ zu rufen. Nehmen wir doch einfach mal an, es wären nach der Winterpause Vereinbarungen getroffen und Ziele vereinbart worden; denn auch das ist Bestandteil einer Mediation. Und tun wir weiterhin einfach mal so, als säßen der RWE und manch Fan in einer Mediation: Dann müssten die Mediatoren nun langsam, aber eindringlich und bestimmt mal darauf hinweisen, dass wir uns alle nicht an die Vereinbarungen halten.

Wir tun also einfach weiter so als ob: Die Mannschaft hatte das Ziel, einen Dreier einzufahren und personell aufpoliert, diese Vereinbarung mindestens beim abgeschlagenen Tabellenletzten FC Wegberg-Beeck  in die Tat umzusetzen. Zumal nach dem couragierten Auftritt gegen Wattenscheid 09. Die Mannschaft hat sich jedoch nicht an die fiktive Vereinbarung gehalten und einen besorgniserregend schwachen Auftritt im Morast von Wegberg hingelegt. Es war ja klar; und das ist jetzt Fakt, dass dieses Spiel eines der schwersten der Saison sein wird: Es galt in Anbetracht der eigenen, insbesondere aber der Tabellensituation der Wegberger, nichts anderes als ein Dreier inklusive vieler eigenen Tore. Brutaler Druck.

„Angst essen Seele auf“. Mich an diesen Filmtitel erinnernd, vermochte ich mich der allgemeinen Sicherheit vor dem Spiel nicht anschließen und habe vor Zeugen 1:1 getippt. In der Hoffnung, dass dieses Ergebnis niemals so kommen wird. Es kam so und nun musste kommen was fast zu erwarten war: Auch manch Fan fühlte sich direkt mit Abpfiff nicht mehr an die fiktive Zielvereinbarung gebunden und aus allen Rohren wurde wieder unter jedem möglichen Post zu dem Spiel Hohn und Spott bis hin zu blankem Hass in die Kommentarspalten geledert.

STOPP!

So geht das nicht mehr weiter. So steigen wir ab. Liebe Mannschaft, was können wir tun, was braucht Ihr? Was können wir (fiktiv) neu vereinbaren, damit der so ersehnte Erfolgsfall eintritt und wir die Tabelle wieder etwas entspannter betrachten können? Ihr seid gute Fußballer. Aber vielleicht nehmt Ihr nach dem Training mal zwei Kisten Stauder unter die Arme und setzt Euch alle zusammen in die Zeche Hafenstraße und spielt gemeinsam am dortigen Kickertisch einen aus. Guckt Euch an den Wänden um und erkennt, warum uns Fans das alles so viel bedeutet. Stellt Euch vor, Ihr steht eines Tages in den Geschichtsbüchern, hängt da überdimensional in Jubelpose an der Wand. Und vergesst nicht den Willi mitzunehmen, ist schließlich Euer Mannschaftskamerad. Der hat Euch einiges zu erzählen. Meinetwegen geigt Euch die Meinung. Aber betretet Samstag mit erhobenem Kopf den Platz und nicht mit ängstlicher Seele.

Und wir, die Fans, was könnte uns als neue (fiktive) Zielvereinbarung auferlegt werden? Respekt fällt mir da als erstes ein. Respekt auch den Spielern, die in Wegberg leider Gottes nicht gewonnen haben, aber keiner versagt extra! Solche spielen jetzt woanders für mehr Geld. Dieses Internet ist Fluch und Segen zugleich: Segen, wenn sich auch der RWE Fan in Australien ein Bild von der aktuellen Lage machen kann. Fluch, da die Hemmschwelle gegen den Spieler und Vertreter des eigenen Vereins mitunter unter Teppichbodenhöhe gesunken ist. Alle gegen alle. Aber es ging doch auch früher kreativer, seinen Unmut zu äußern: Fan könnte das Stadion erst gar nicht betreten. Fan könnte schweigen und die Mannschaft erst einmal machen lassen. Fan könnte so vieles. Aber nicht mehr blindwütig agieren. Droht der Fan sogar, so steigt auch er ab. Moralisch und tatsächlich dann am Saisonende.

Keiner will einen Abstieg. Wir wollten ursprünglich etwas ganz anders. Aber darüber schweigen wir uns besser aktuell aus. Jetzt gilt es etwas zu verhindern. Danach wird sicher zu Tisch gebeten und muß Tacheles geredet werden. Es geht um Rot-Weiss Essen. Und wir alle sind doch auch Rot-Weiss Essen. Der Fan ein Leben lang, der Spieler bis Vertragsende. Das neue Ziel lautet nun Velbert. Das Spiel wird sicher kein Ball werden, denn der Ball sollte gut rollen. Aber vielleicht ist dieses Zitat aus dem Film „The Rock“ aktuell ganz angebracht:

  • Mason: „Schaffen Sie das auch wirklich?“Goodspeed: „Ich werd‘ mein Bestes tun.“Mason: „Ihr Bestes? Versager jammern immer von wegen ihr Bestes, aber Sieger gehen nach Hause und vögeln die Ballkönigin!“Goodspeed: „Carla war die Ballkönigin.“Mason: „Wirklich?“Goodspeed: „Ja!“

Holt Euch die Ballkönigin!

Abstiegskampf

Ich gehe einfach davon aus, dass kein Vertragsspieler von Rot-Weiss Essen gerne verliert. Und ich gehe weiter davon aus, dass ein jeder Vertragsspieler von Rot-Weiss Essen bereit ist, alles für seinen Arbeitgeber zu geben. Denn dieser finanziert seinen Lebensunterhalt und könnte Sprungbrett sein für höhere sportliche Weihen oder andere interessante Angebote. Also unterstelle ich keinem Spieler Absicht und schon gar nicht würde ich mir anmaßen, nun wüste Beleidigungen in Richtung Spieler oder sportlicher Leitung loszulassen. Es bringt nichts. Rein gar nichts!

Die heutige Niederlage bei einer durchaus bezwingbaren Alemannia aus Aachen bringt uns aber etwas ganz anderes: Seit heute Nachmittag steckt die sportliche Leitung und Mannschaft von Rot-Weiss Essen mitten im Abstiegskampf. Und zwar schon ziemlich tief. Es ist mir deshalb wichtig, dass zu betonen und explizit darauf hinzuweisen, da es schon viele Mannschaften in der Historie des Fußballs gab, die bis kurz vor Saisonende ziemlich lässig mit dem Abstiegskampf umgegangen sind, um dann scheinbar plötzlich und unerwartet doch abzusteigen.

Also nach oben haben wir ja nun Geduld und sind ja bereit, einen Weg mitzugehen, der etwas länger dauern könnte, bis er sportliche Früchte trägt. Aber der Weg noch tiefer ist definitiv keine Option und den gilt es mit Wille, Einsatz und vor allem harter Arbeit zu vermeiden. Und wer dazu nicht bereit ist, oder nicht Willens, Teil einer Mannschaft zu sein, die für sich und den Verein Rot-Weiss Essen alles gibt, der darf gerne gehen. Mag hart klingen, ist aber der einzige Weg, um Rot-Weiss Essen auf eine Einheit zu reduzieren. Gerne auch auf den Rängen. Wir können ja nun nicht einfach die Saison beenden, aber manchmal wünschte man sich diese Option, um schlimmeres  zu verhindern.  Es geht doch um unseren Verein.