Es gibt für alles eine Zeit. Auch dafür, Abschied zu nehmen.
Das Unentschieden zum Ausklang der ersten Saison in der 3. Liga verstärkte noch das eigene Empfinden, recht unentschieden in der Bewertung dieser zu sein, obwohl es doch so viele davon gab. Aber wenigstens war unsere Mannschaft konsequent und hat uns auch zum Abschluss keine spielerische Leichtigkeit des Seins vorgetragen, dafür aber wie immer bis zum Schluss alles gegeben. Das Ron Berlinski mit sämtlichen Produkten des örtlichen Sanitätshauses versehen zu Spielbeginn auf dem Platz stand, hat dann verwundert, stehen seiner Spielweise Maske und Schiene eher hinderlich gegenüber. Aber wenigstens wurde Simon Engelmann ja noch eingewechselt. Auf jeden Fall freue ich mich mehr über den Klassenerhalt als gefühlt der Münchner Komödienstadl über die ausnahmsweise recht spontan errungene siebenundachtzigste Meisterschaft in Folge.
Wir wurden tatsächlich für ein weiteres Jahr übernommen, haben somit den Patch bekommen und sind keine Prospects mehr. Kurz mal ausgemalt, wie sich die Woche vor dem Verl-Spiel gestaltet hätte, wären wir bis dato noch nicht gerettet, und ganz schnell festgestellt, die Gedanken nicht weiterzuführen. Es ist jetzt alles gut so wie es ist. Danke an alle bei RWE für den Klassenerhalt! Eine Premierensaison voller Hindernisse und vielen überflüssigen Nebenschauplätzen. Dazwischen dann doch die nötigen Punkte zu sammeln war sicherlich nicht einfach. Eines hatte mich vor dem letzten Saisonspiel sehr stark beschäftigt, und das war der Zeitpunkt der Verabschiedungen. Pokale werden nach dem Spiel überreicht, aber verabschiedet wird sich davor, so will es doch das ungeschriebene Fußballgesetz. Meine Sorge galt schlicht einer negativen Atmosphäre bei möglicher Niederlage. Aber ich hätte besser wissen müssen, dass die Hafenstraße sehr wohl in der Lage ist zu differenzieren und somit den passenden Rahmen zu einer in Gänze würdigen Veranstaltung gegeben hat. Alles richtig gemacht also. Richtig lässig wäre es gewesen, eine Verabschiedung in ein neues Vertragsangebot umzuwandeln, als Fan darf man ja solch Fantasien haben.
Zu den schmissigen Melodien rund um Felix Herzenbruch und Simon Engelmann kamen diesmal langgezogene Rufe hinzu, um auch die Verdienste von Oguzhan Kefkir rund um Rot-Weiss Essen zu würdigen. Das war dann wirklich der Moment, um festzuhalten, dass wir an der Hafenstraße nicht immer nur kollern können, sondern auch die Wichtigkeit und den Fleiß eines Spielers für die Mannschaft würdigen, der in der öffentlichen Meinung bisweilen zu schlecht weggekommen ist. Der Fußballer Ötzi war für RWE tausendmal wichtiger als DJ Ötzi für die Musikgeschichte beispielsweise. Fußball ist aber auch ein Wechselbad der Emotionen, das ist schon komplett irrational. Vergangene Saison haben wir mit Kevin Grund und Marcel Platzek zwei RWE-Ikonen verabschiedet, die so viele Jahre länger noch die Knochen für RWE hingehalten haben als unsere drei Hauptprotagonisten des aktuellen Abschiedsschmerzes. Aber diese drei haben eben das erleben und gestalten dürfen, was Kevin Grund und Marcel Platzek leider versagt geblieben ist. Was hätte man doch gerade ihnen den Aufstieg gewünscht. Wir hätten auch für sie eine passende Melodie gefunden.
Nun beginnt für uns alle die spannende Zeit des Wartens auf die Ideen der Kaderplaner und deren tatsächliche Umsetzung. Und dann ist da ja auch noch das Europapokalfinale gegen den Nachbarn aus Oberhausen. Gerne haben wir unsere Stammplätze in G1 nicht geräumt, aber es ist natürlich nachvollziehbar, dass den Kleeblättern eine ganze Tribüne zur Verfügung gestellt wird, wenn der Verband schon nicht mit einem neutralen Stadion dienen kann. Dass das Kartenkontingent für die Gottschalk-Tribüne dann aber noch immer nicht in Gänze aufgekauft wurde, konterkariert ein wenig die Forderungen auf Seiten der RWO-Fans, doch bitte schön die Hälfte der Kapazität zugesprochen zu bekommen. Aber das Lied der RWO-Fans in Richtung RWE ist nun mal die Klage. Wir kennen das. Einmal abgesehen von der sicher außergewöhnlichen Atmosphäre besteht die Faszination in diesem Finale allein schon darin, dass es kein Unentschieden geben wird. Und hoffentlich auch keinen Platzsturm.
Also das waren auch zwei Platzbegehungen vergangenes Wochenende, die einmal mehr gezeigt haben, dass man erst rübermachen sollte, wenn anderswo der letzte Pfiff erfolgt ist. Das Schicksal der Wiesbadener (wo kamen die denn plötzlich alle her?) Und HSV- (das war so klar, aber sowas von!) Fans ließ tatsächlich ein wenig schmunzeln, denn vergangene Saison wurde auch anne Hafenstraße mit Abpfiff des eigenen Spiels der Rasen gestürmt, obwohl die Begegnung in Münster noch einige Minuten andauern sollte. Ging damals Gottseidank alles gut. Ich ordne einen Platzsturm weiterhin nicht unter der Kategorie „Fußballkultur“ ein und sehe das sehr kritisch, zumal es immer mehr Leute gibt, die mit brennender Pyro-Fackel auf den Rasen rennen. Da ist dann definitiv Schluss mit kontrolliertem Abbrennen, ohne die Hand zu verlassen. Auch wenn eine Mannschaft die Fans zum rasen gebracht hat, der Rasen sollte auch im Erfolgsfall der Mannschaft gehören. Wenigstens die erste Stunde. Danach kann immer noch gestürmt werden.
Die Platzstürmer müssen also nachsitzen und somit muss für uns relevant der SV Wehen Wiesbaden in der Relegation gegen Arminia Bielefeld ran. Und da wird es dann aus emotionaler Sicht als Fußballfan wieder absurd: Ich mag Arminia Bielefeld. Ich empfände die Arminia trotz deren dann eigenen Leidens als eine absolute Bereicherung für die 3. Liga und als Gegner wesentlich attraktiver als den SV Wehen Wiesbaden. Und so kommt es dann, dass man in der Relegation dem Verein die Daumen drückt, den man als eher egal empfindet, nur um den Verein zu bekommen, den man gerne anne Hafenstraße begrüßen würde. Außerdem hätte ein Zuzug aus Bielefeld den Vorteil, dass man sich in Münster endlich wieder an der Arminia abarbeiten kann, anstatt ständig Rot-Weiss Essen für alles und jedes verantwortlich zu machen.