Es endet erst, wenn RWE das Spiel umgebogen hat. #205
Gehetzte Menschen eilen mit genervten Blicken durch die Straßen, die Köpfe oft gesenkt um sich vor dem Regen, der leider kein Schnee mehr ist, zu schützen. Der Ton auf den Straßen wird rauer, es hupt und drängelt sich eine wahre Blechlawine durch die Großstadt. In den Fenstern leuchtet es je nach Vorliebe ruhig kalt- oder warmweiß bis aufgeregt rhythmisch rot, grün oder sogar unsäglich blau. Oft gestellte Fragen dieser Tage lauten „Habe ich alles“, „was ziehe ich an“ oder „muss Deine Mutter schon wieder zu uns kommen, die war erst letztes Jahr da“.
Man ahnt: Weihnachten steht vor der Tür. Und damit der Weihnachtsmann vollgepackt mit Geschenken auch genug Platz für die Landung hat, bekommt er im Essener Norden sogar die ganze Rhein-Herne-Kanal-Brücke zur Verfügung gestellt. Vielleicht sogar bis auf weiteres. Ganz Essen also von vorweihnachtlicher Hektik besetzt? Ganz Essen? Nein! Eine von unbeugsamen rot-weissen bevölkerte Hafenstraße 97a hört nicht auf, der schlechten Laune und dem Stress Widerstand zu leisten. Rot-Weiss Essen geht als Tabellenvierter in die Winterpause der Saison 2023/2024. Optional hätte man vielleicht sogar auf dem Relegationsplatz überwintern können, aber das Spiel gegen die zu harmlosen Kätzchen mutierten Löwen gilt es noch nachzuholen.
Aber egal ob Platz drei oder vier oder meinetwegen auch Platz neun: Diese bisher gespielte Saison ist ein wunderbarer Beleg dafür, was man als Verein und Mannschaft schaffen kann, wenn man zusammenhält, nicht unter jeder Empörung einknickt oder gleich Köpfe rollen lässt. Und auch dafür, wie man eine einzigartige Symbiose zwischen Mannschaft und Fans schaffen kann, wenn beide sich aufeinander einlassen. Zuletzt vergangenen Dienstag im Spiel gegen den Halleschen FC erlebt. Was noch am Freitagabend gegen den VfB Lübeck auf dem Feld und bei uns auf den Rängen alles sehr schwerfällig gewirkt hat, und man bei einigen schon wieder den Eindruck bekommen konnte, wir hätten gegen die Marzipanstädter verloren, anstatt einen weiteren Heimsieg zu verbuchen, kehrte sich gegen den HFC in eine wilde Sause bei unsäglichem Wetter um.
Natürlich hindert ein 0:2 Rückstand nach neunundvierzig Spielminuten die übliche Kommentarmeute in den Foren oder auf social Media nicht daran, alles wieder in Grund und Boden zu pöbeln, äh schreiben. Aber, die brauchen das scheinbar und haben natürlich immer auch gleich einen Schuldigen parat. Vielleicht sollte man einfach den Anstand haben, mit einem Kommentar bis nach dem Schlusspfiff zu warten! Schließlich ist speziell in dieser bislang so geilen Saison oftmals erst dann Schluss, wenn unser RWE das Spiel noch umgebogen bekommt. Wer also immer noch nach einer Erklärung für die oftmals genutzte Definition „Hafenstraßenfußball“ sucht, der schaut sich einfach noch einmal das Spiel gegen den HFC an und bekommt diese in allen, wirklich allen Facetten geliefert.
Vielleicht und sogar ganz sicher hat die Atmosphäre in dieser Saison speziell in der ersten Halbzeit ein wenig nachgelassen. Was in Anbetracht der sportlichen Erfolge manchmal schon etwas irritiert hat. Aber das ist dann Klagen auf hohem Niveau. Wie himmlisch ist es schließlich, wenn die Funken spielbezogen vom Rasen auf die Ränge und umgekehrt fliegen und man sich gegenseitig zum Sieg spielt und brüllt. Danke Mannschaft! Danke Fans! Und den ewigen Nörglern sei etwas Demut an der Tastatur unter den Weihnachtsbaum gelegt. Neun Punkte mehr als in der Vorsaison: Es fühlt sich nach so viel mehr und viel besser an. Frohe Weihnachten!