Denen man nicht vergibt.

Wie schon vergangene Saison ist leider direkt wieder in der ersten DFB-Pokalhauptrunde Feierabend für unsere Mannschaft. Und im Gegensatz zu manch Niederlage in der Liga haben wir erneut das Stadion größtenteils nicht enttäuscht verlassen. Auch dieser Wettbewerbs-Quicki hatte ziemlich viele gut Momente für alle, die es mit Rot-Weiss halten. Auf dem Platz, auf der Straße und auf den vier Tribünen.

Aber vor allem hat uns dieses Spiel jenen einen Moment in der 2. Minute beschert, den uns einfach keiner mehr nehmen kann. Ja klar, am Ende des Tages bei 1:4 irgendwann wohl nur noch eine Randnotiz. Aber in diesem speziellen Moment gegen den absoluten Favoriten, zu einer Zeit, als viele noch an den Verzehrständen oder den Pissoirs standen, vielleicht sogar noch am Einlass:  Dieser Traumpass von Torben Müsel auf Ramien Safi und dessen arschcooler Schuss mitten ins Tor hinein ließen die Hafenstraße vor Freude in einer Lautstärke explodieren, wie es lange nicht mehr der Fall gewesen war. Sehr lange. Und Torjubel an der Hafenstraße sind eigentlich immer laut.

Aber dieser Safi(r) glänzte einfach mehr als sonst: Ein 1907 gegründeter Verein mit einer Historie, die in ihrer Dramatik im Bücherregal direkt neben „Krieg und Frieden“ stehen könnte, geht unverhofft in Führung gegen etwas, was wir so auch nach fünfzehn Jahren nicht akzeptieren dürfen. Da wurde einfach alles rausgeschrien was geht. Der Wahnsinn nahm seinen Lauf, wenigstens für zehn Minuten. Ausgleich und Rückstand noch vor der Pause. Trotzdem raus mit Applaus. Mit Wiederanpfiff ging es sowohl auf dem Platz als auch auf den Rängen etwas verhaltener los, sicherlich auch den Temperaturen geschuldet.

Aber kurz nach der fünfundfünfzigsten Minute passierte etwas, was in dieser Intensität leider schon lange nicht mehr passiert ist. Und zu oft überhaupt gar nicht mehr in dieser Minute: Die „Rahn“ erhob sich trotz laufendem Gesang auf der „West“ und intonierte „Von der Ruhr bis an die Elbe“. Und dann geschah einer dieser magischen Hafenstraße-Momente wie sie die Älteren vermissen und die ganz Jungen so noch nicht kennengelernt haben: Die „West“ knüllte den bisherigen Liedzettel zusammen und stieg blitzschnell mit ein, auf der „Haupt“ wurde sich erhoben und auch die „Gottschalk“ wollte endlich mal lautstark mitmischen. Und so ging es über lange Minute oh immer wieder zwischen beiden Flüssen hin und her. Wenn auch auf dem Feld die eigene Mannschaft im Rückstand lag, so hat uns ihr couragiertes Spiel trotzdem dazu gebracht, auf den Rängen über Minuten das ganze orchestrale Potential der Hafenstraße fast annähernd auszuschöpfen. Das war der zweite große Moment in diesem Spiel nach dem Führungstreffer.

Der dritte große Moment teilte sich folgend in drei Akte auf, jeweils nach den Gegentoren drei und vier, sowie nach Schlusspfiff. Nach so vielen Gegentoren trotzig noch lauter die eigene Mannschaft anzufeuern hat natürlich absoluten Seltenheitswert und daran sollte sich die Mannschaft besser auch gar nicht erst gewöhnen. Es zeigte aber vor allem das feine Gespür der Menschen im Stadion an der Hafenstraße, die gebotene Leistung der eigenen Mannschaft ziemlich originalgetreu einzuschätzen und entsprechend akustisch begleiten zu können. Und somit blieb eigentlich keine andere Wahl, als den eingetragenen Verein Rot-Weiss Essen auch nach Abpfiff lautstark zu verabschieden. Und wenn es nur den Grund hatte, jenes Konstrukt und deren Kunden im eigenen Jubel zu übertönen. 

Natürlich wären wir alle gerne einen Runde weitergekommen, nicht nur unsere Finanzbuchhaltung. Da wird im gesamten Kosmos RWE von Platzwart bis Platzproll keiner etwas anderes behaupten wollen. Aber Rot-Weiss Essen hat die leider unangenehmste Aufgabe aller am DFB-Pokal teilnehmenden Vereine trotzdem mit Anstand gelöst und auch die befürchteten Sanktionen seitens des DFB dürften ausbleiben. Der angezeigte Protest war gelegentlich derb, bisweilen doppeldeutig, aber musste einfach sein. Und da der Fackel- und Rauchbeauftragte des DFB heute nichts zu notieren hatte, kann auch keine Rechnung geschrieben werden.

Was bleibt nun nach diesem Spiel: Eine Mannschaft von Rot-Weiss Essen, die sich erneut im Vergleich zum Spiel davor gesteigert hat. Die aber vielleicht noch Wünsche offenlässt und an der fleißig weiter gefeilt werden will. Und die jetzt natürlich gefragt ist, all die Lehren aus den drei gänzlich verschiedenen Spielen zu Beginn der Saison erfolgreich gegen Arminia Bielefeld umzusetzen. Denn die Ostwestfalen kommen nicht nur mit der Empfehlung von sechs Punkten, sondern auch dem Einzug in Runde Zwei des DFB-Pokals. Ergo: Denen scheint gerade so richtig die Sonne aus dem Allerwertesten. Da wäre es doch eine gute Gelegenheit, schon kommenden Samstag wieder eine Atmosphäre auf den Rängen zu kreieren, die Bielefeld in den Schatten stellt.

Ach so: Wir können diesen Text natürlich nicht schließen, ohne einmal mehr Jakob Golz hervorzuheben. Binnen weniger Minuten gleich drei hochkarätige Chancen zumeist spektakulär vereitelt. Das sind Reflexe für die Ewigkeit. Die Kür ist also getanzt, einen finanziellen Mehrwert wird es nicht geben. Gegen Arminia Bielefeld ruft somit nichts anderes als die Pflicht. Und die wird so verdammt schwer, da könnte es nochmal die Tribünen in Höchstform brauchen. Zumal die Arminia ihrerseits selbst jede Menge freigeistiger und laute Fans mitbringen wird, anstatt eine geringe Zahl an Kunden. Da kam ja mal so gar nichts an Esprit von G3 rüber. Aber Esprit ist ja auch eine Firma, und kein Verein. Eins noch: Dieser Xavi wäre durchaus einer für Rot-Weiss Essen.

Alles geben gegen Bielefeld!

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