„Nein!?“ – „Doch!“ „Ohh!“

Es war recht still und beschaulich rund um das Stadion an der Hafenstraße, bevor unser Wohnzimmer die üblichen neunzig Minuten vor Anpfiff seine Tore öffnete. Die Fans strömten eher nach dem Motto „Muss ja“ anstatt euphorischem „kann gar nicht abwarten“ Richtung Stadion. Selbst die Parkplatzsuche drumherum gestaltete sich ohne die sonst übliche Attacke auf das Nervenkostüm. Vielleicht aber genoss man einfach auch nur den Umstand, dass sich der extreme Verkehr unter der Woche rund um die Hafenstraße wenigstens am Samstag ein kleines bisschen in normalen Grenzen hält.

Das Stadion an der Hafenstraße an einem Mittwochabend zur englischen Woche im Feierabendverkehr pünktlich zum Anpfiff um 19:00 Uhr zu erreichen kommt mittlerweile fast einem Walking Dead gleich. Dagegen ist der Samstag tatsächlich eher so gemütlich wie ein Rosamunde Pilcher Film. Auf dem Feld hingegen fühlte man sich vor allem in der ersten Halbzeit gegen die Kölner Vikki eher an einen Flipperautomaten erinnert.  Oder an Louis de Funès. Schließlich war der Ball bisweilen dermaßen unkontrolliert unterwegs, so dass sich dieser so weltberühmte wie geniale Dialog „Nein!? – „Doch!“ „Ohh!“ aus „Hasch mich – ich bin der Mörder“ geradezu angeboten hat. Höhepunkt dabei die wembleyeske Situation vor dem eigenen Tor. So ganz genau aufklären, ob der Ball dabei vor oder hinter der Linie war, konnte auch die Spielzusammenfassung im Nachgang nicht wirklich.

Vielleicht aber habe ich auch einfach nicht konzentriert genug hingeschaut, die so wichtigen drei Punkte haben auch ohne Amaretto die Sinne freudig erregt und weitestgehend lull und lall gemacht, um auch noch Spliff mit ins Boot zu nehmen. Die zweite Halbzeit dann vor allen Dingen von rot-weißer Seite aus wesentlich zielstrebiger in Richtung Tor der Kölner Viktoria, von deren hochgelobter Offensive glücklicherweise so gut wie gar keine Gefahr in Richtung Jakob Golz ausging.

Aber der RWE-Fatalismus wurde natürlich doch noch bestens bedient, als nach einem Foul an Lukas Brumme der Kölner Handle nicht mit care, sondern mit dem Gegentor handelte. Aber wer jetzt gedacht hatte, unsere Mannschaft oder auch die Hafenstraße selbst, ergibt sich ihrem Schicksal, der oder die lag ausnahmsweise mal daneben. So wie sich unsere Mannschaft ab sofort gegen die drohende erneute Niederlage zu stemmen wusste, war sie sich der minutiös immer lauter werdenden Unterstützung von den Rängen sicher. Das war eigentlich Hafenstraßen-Fußball in Reinkultur: Schlechtes Spiel, Rückstand, Aufbäumen, Ausgleich, weitermachen, Sieg erzwingen! Ein Lehrstück in Rot-Weiss. Wer da eher gegangen ist, dem fehlen nicht nur die zwei Tore, sondern auch die Emotionen.

Nach so einem Erfolg haben dann eigentlich doch alle Recht: Die notorischen Zweifler, die einfach nur Erleichterten (Ich!), die chronischen Miesmuscheln und die, die immer alles gut finden. Sehr zum Ärger der Zweifler und Miesmuscheln natürlich. Kurz vor dem Ende übrigens noch ein Freistoß in sogenannter aussichtsreicher Position für Viktoria und meine Frohnatur wusste sofort: Der geht rein! Gut, war jetzt glücklicherweise nicht so und somit konnte dem Abpfiff diese kollektive Erleichterung folgen, die allenthalben zu spüren war. Gut dass die Tapeten schon in der ersten Halbzeit gezeigt wurden, so konnte man sich in der zweiten Halbzeit und auch bei den Feierlichkeiten danach der großen Gemeinsamkeit widmen, und zwar unserer Mannschaft.

Es ist tatsächlich sehr schwierig, bei den aktuellen Strömungen überhaupt den Überblick zu behalten, wer im Vorfeld der JHV genau was will. Es wird von so vielen Seiten offen oder unterschwellig Stimmung gegen den Verein, seine Gremien oder handelnden Personen gemacht, so dass es nicht leicht ist, dabei einen klaren Kopf zu behalten. Konstruktive Kritik kann nur weiterhelfen und wer es damit im Sinne von Rot-Weiss Essen ernst meint, anstatt vielleicht doch nur Populismus oder Clickbait in eigener Sache zu betreiben, der wird hoffentlich auch gehört und für wichtig genommen werden.

Das ist ganz wichtig, dafür ist man Mitglied. Wir sind schließlich nicht nur eine Zahl oder Staffage. Aber eines ist allemal sicher, und das für wirklich sieben Tage die Woche: Bei Rot-Weiss Essen wird gemacht. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von RWE drehen allesamt nicht nur Däumchen. Das kommende Wochenende nun bedeutet einerseits eine weitere nervige Länderspielpause, aber andererseits auch das Pokalspiel am Samstag in Hilden beim dortigen VfB und am Sonntag die diesjährige Jahreshauptversammlung, bei der alle Themen wünschenwerterweise konstruktiv behandelt und auf den Tisch des Hauses RWE gebracht werden. Und wenn es dann in der Woche danach nach Dresden geht, um eine Locke mit dem RWE-Glätteeisen aus der Form zu bringen, dann haben wir hoffentlich bestenfalls wieder diesen einen gemeinsamen großen Nenner, der da Rot-Weiss Essen heißt.

Übrigens: Dieser kleine Nenner hier namens „Im Schatten der Tribüne“, der wird heute tatsächlich volljährig. Zwei Jahre also noch bis zum großen Ziel zwanzig Jahre und dem ultimativen Finaltext. Herzlichen Dank für achtzehn Jahre mitlesen.

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