Analytisches aus der Kachelloge

Wenn Männer nach einem Fußballspiel in Stadien an Pissoirs stehen, eint sie eigentlich nur die eine Hand am Dödel. Einen gemeinsamen Nenner in der Spielanalyse findet man hingegen nur selten. Zu unterschiedlich die Wahrnehmung, der Alkoholpegel oder einfach auch nur die Laune. Nach dem Spiel gegen die Schanzer hingegen gab es in der Kachelloge keine zwei Meinungen: Das war eine grandiose Mannschaftsleistung! Zu einer tiefergründigen, inhaltlichen Auseinandersetzung mit den vergangenen fünfundneunzig Minuten bleibt keine Zeit, es ist an diesem Ort schließlich ein stetes Kommen und Gehen.

Rot-Weiss Essen hat nach einem aufregendem Spiel nicht nur Audis Liebling mit 2:0 bezwungen und die Löwen gleich mit eingefangen, sondern das Fanbarometer an der Hafenstraße insgesamt wieder auf heiter gestellt. Natürlich kommt ein solcher Sieg durch fußballerische Qualitäten zustande, die wir glücklicherweise durchweg im Kader haben. Ebenso ist das Training hauptsächlicher Bestandteil des Erfolgs einer Mannschaft. Ohne Fleiß kein Preis! Oder die gar nicht genug hervorzuhebende Arbeit der Mannschaft hinter der Mannschaft. Die meisten Spieler kommen heutzutage nur noch mit Kopfhörer und Kulturtasche zur Arbeit. Die ganze Maloche drumherum wird für sie erledigt. All das würde trotzdem nicht zu Punkten führen, wenn die Mannschaft als solche nicht funktioniert.

Und dann wären wir direkt bei dem Thema „Körpersprache“: Hier hat sich im Spiel gegen die Schanzer einmal mehr offenbart, was wir nun schon seit mehreren Wochen erleben dürfen: Da ackert eine Mannschaft gemeinsam gegen den Abstieg. Es ist eine Freude mit anzusehen, wie sich da gegenseitig motiviert, angefeuert und aufgerichtet wird. Das ist nicht allein der übliche Kreis vor oder nach dem Spiel. Es sind vielmehr diese vielen kleinen Gesten zwischendurch. Dieses Unterstützen, abklatschen, aufmuntern. Unsere Mannschaft hat vor allem nach dem lethargischen Auftritt bei Hansa Rostock viel Kritik dafür einstecken müssen. Und vielleicht hat sie daraus zuzüglich der neuen Charaktere zur Winterpause ihre Lehren gezogen.

Ich kann mir nicht mehr vorstellen, dass einer unserer Spieler achtlos am Seitenrand liegengelassen wird, nachdem ihn die Stollen des Gegenspielers fies erwischt haben. Das hat mich damals fast noch mehr empört als der sportliche Offenbarungseid an jenem Tag. Und so ist es nicht nur der sportliche Aufschwang, der erleichtert, sondern vor allem die mannschaftliche Geschlossenheit. Nur so lassen sich die Ziele erreichen. Das wir nun keinen mehr am Boden liegenlassen, durfte vor allem der Ingolstädter Felix Keidel erfahren, als er dem am Boden liegenden Kaito Mizuta an die Wäsche wollte.

Wie von der Tarantel gestochen waren sie alle da, die Roten, die Ersatzbank, die Haupttribüne (verbal) und natürlich auch die Schanzer. Gab dann einige gelbe Karten, war ja in Summe nichts Dramatisches. Aber es war genau die Reaktion, die in Rostock gefehlt hat. Es war in Summe ein wildes und aufregendes Spiel, bei dem man eigentlich keinen Spieler der Roten hervorheben möchte, so gut alle an diesem Tag. Ok, der Jakob, aber was soll man dazu noch sagen außer: Wow! Er ist halt frei nach den 257ers „wir und unser Golz“. Wir können nur für jedes Spiel dankbar sein, welches er noch für unsere Farben bestreitet. Glücklicherweise haben wir in Felix Wienand einen weiteren Schnapper dieser Güteklasse.

Vielleicht sollte aber Dominik Martinovic erwähnt werden: Es ist ihm noch nicht das so ersehnte Tor für uns gelungen, obwohl die Chancen dazu sicherlich da waren. Aber was er am Samstag für Meter gemacht, Bälle behauptet und Räume geschaffen hat. Dazu die Vorlage auf Eitschberger zu dessen 2:0: Das hat die Hafenstraße bei seiner Auswechslung mit stehenden Ovationen honoriert. Was wiederum eindrucksvoll beweisen konnte, dass auch die Hafenstraße ihr Gespür nicht verloren hat, ehrliche Arbeit auf dem Feld mit Dank und Empathie zu belohnen. Und so bekam eigentlich jeder ausgewechselte Spieler seinen stehenden Dank ab. Lucas Brumme dabei sogar etwas länger, ging es für ihn um das halbe Spielfeld. Auch gerade bei ihm ist die Lust am Spiel zurück. Lieber den Gegner foppen als selbst Fleppe ziehen.

Oder Tom Moustier, der Mann mit den vielen Vornamen, Nationalitäten und Lungen. Der ist überall und nirgends auf dem Platz unterwegs. Das ist Freude pur, die er bei Toren und gewonnenen Spielen ausstrahlt. Da geht einem das Herz auf und ich kann mir vorstellen, dass seine positive und herzliche Ausstrahlung auch in der Kabine etwas mit der Mannschaft macht. Das Strahlen hört auch nach dem (gewonnenen) Spiel nicht auf, fröhlich wurde vergangenen Samstag jeder Selfie-Wunsch erfüllt. Tom Moustier, die Ein-Mann-Boygroup von RWE mit sportlicher Klasse. Ich hoffe, er lebt seinen Traum vom Profifußball noch lange an der Hafenstraße weiter.

So könnte man eigentlich die ganze Mannschaft durchgehen und den Samstag sicherlich nicht über den grünen Klee, aber mehr als zufrieden loben, aber dann schimpft die Redaktion wieder über einen zu langen Text. Eines ist mir noch sehr wichtig: Wenn am Samstag Uwe Koschinat gefeiert und von den Fans gefordert wurde, dann ist das geschehen, weil er Teil der Mannschaft und des ganzen Teams ist. Dabei die ganze Verantwortung trägt. Aber sicherlich auch, weil er aktuell wie Arsch auf Eimer anne Hafenstraße passt. Es ist definitiv nicht als Affront Christoph Dabrowski gegenüber zu bewerten.

Im Gegenteil! Christoph Dabrowski ist als einer der beliebtesten Trainer, den Rot-Weiss Essen jemals hatte, gegangen. Dabro hat sich durchgebissen, ist ein grundsympathischer Typ. Und auch er wurde gefeiert oder hat sich nach Niederlagen gestellt. Es hat leider nicht mehr sollen sein, der Fußball regelt dann halt die Dinge wie bekannt. Aber Uwe Koschinat deshalb nicht spontan zu feiern, wäre ja echt schade. Schließlich bringt er genau das mit an Leidenschaft und natürlich aktuell an Ergebnissen, was wir an der Hafenstraße so lieben. Diese spontane Aktion, den Trainer lautstark zu fordern, und als Teil des Ganzen zu sehen, zeigt daher abermals das Gespür der Hafenstraße, wie schon bei den Auswechselungen.

Es hatte einfach auch den Gänsehautmoment, es war das gelebte Motto „Wir halten zusammen“. Vielleicht wurde nur von Seiten der West unterschätzt, dass sich Uwe Koschinat ungern von einem Mikrofon trennt, welches ihm unter seine Nase gehalten wird. Es war also ein rundherum toller Fußballnachmittag an der Hafenstraße. Einziger Wehrmutstropfen: Gab in G1/G2 ab der 60en Minute keine Pommes mehr. Der Vorsatz jedoch, alles etwas leichter zu sehen hat funktioniert. Ebenfalls funktioniert hat der Wunsch nach kompatiblen Ergebnissen in den anderen, für uns relevanten Spielen. Abgesehen von der Zwoten des VfB mal wieder.

Die Aachener, der BVB, Waldhof und der VfL Osnabrück: Alle fein mit dem gewünschten Unentschieden. Hannover 96, Haching und die FDP haben verloren und sind somit weiterhin die treusten Anwärter auf einen Abstiegsplatz. Die letztgenannten ziemlich sicher schon der erste Direktabsteiger. Die Münchner Löwen plötzlich mittendrin und seit Sonntag Abend auch noch der SV Sandhausen. Und wenn man genau hinschaut: Selbst die Kumpels aus Aue sind noch nicht in sicheren Gefilden und hängen noch im Stollen fest ohne zu wissen, wohin es geht. Holla, die Waldfee: 3. Liga, Heimat der Emotionen!

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