Cup der guten Hoffnung
Der 24.Mai 2025 ist Endspieltag in vielen Pokalwettbewerben hierzulande. Und um die Faszination Pokal direkt mit gewaltigen Argumenten zu füttern, hier zwei der wichtigsten Begegnungen des Tages, wobei die Hauptbegegnung kurioserweise zuerst ausgespielt wird. Eigentlich ist das doch immer andersherum:
Das Finale im Niederrheinpokal bestreiten schon am Nachmittag der MSV Duisburg und Rot-Weiss Essen an der Wedau, während am Abend im Finale des DFB-Pokals in Berlin Arminia Bielefeld und der VfB Stuttgart aufeinandertreffen. Der Sieger im ersten Finale darf sich kommende Saison dann selbst auf den langen Weg gen Berlin machen, während dem Sieger im zweiten Finale gleich ganz Europa als Reiseoption winkt. Beide Finals Begegnungen, die polarisieren, die vor allem aber in punkto Arminia den Reiz Pokalwettbewerb wunderbar erklären und dick unterstreichen. Herzlichen Glückwunsch nach Bielefeld zu dieser wilden Reise im Pokal!
Einen Tag später folgte dann der VfB Stuttgart in einem wirklich wunderbaren Halbfinale der Arminia gen Olympiastadion. Die richtig gute Nachricht des Abends, wenn wir den Gegner aus Leipzig schon mitspielen lassen müssen: Ein weiteres Jahr keine Brause im Pokal. Jürgen Klopp als Head & Shoulders von RB bei einem Tor für RBL jubeln zu sehen, auch so eine Sache. Seine persönliche zwar, und damit völlig legitim. Aber irgendwie verortet man ihn wohl immer noch im normalen Fußball, anstatt einem Konsortium vorzustehen.
Aber auch dieser Move von Liverpool nach Fuschl am See kann der Faszination Pokalwettbewerb natürlich nicht schaden. Sicher kann der Ligaalltag ebenfalls von monatelanger, aktuell gar nervenzerfetzender Spannung geprägt sein. Besonders anschaulich gerade in der 2. Bundesliga und unserer 3. Liga zu erleben. Aber die Liga ist Alltag. Das ist die Pflicht, in der es zu bestehen gilt. Eine ganze Saison, die bestenfalls gut durchgeplant ist und an deren letzten Spieltag hoffentlich das gesetzte Ziel erreicht wird.
Der Pokalwettbewerb hingegen, in Reinkultur gibt es ihn ja nur noch auf nationaler Ebene, ist die Kür. Hier weiß kein Verein, wie der kommende Gegner heißt, sofern man überhaupt die aktuelle Runde überstanden hat. Hier ist nichts planbar. Natürlich: Im Grunde genommen sollten immer alle Erstligisten über die unterklassigen Vereine gewinnen und am Ende hält der Kapitän des FC Bayern den Pokal in den Berliner Abendhimmel. Aber der Pokal ist da doch etwas eigenwilliger als vielerorts gewollt. Schon seit einigen Jahren funktioniert der Masterplan der Großen nicht mehr. Einmal abgesehen davon, dass man in Fuschl am See mittlerweile davon ausgeht, immer Teil der Halbfinals zu sein. Leipzig darf gerne immer ein Halbfinale im DFB-Pokal spielen, und diesen sogar gewinnen. Wenn die Vereine Lok oder Chemie heißen.
Die besondere Faszination des Pokalwettbewerbs offenbart sich ja schon bei der Auslosung. Leider mittlerweile hierzulande etwas aus den Fugen geraten bei der Ausstrahlung, beißt man sich immer noch fast auf die Lippen, massakriert das Kissen oder hampelt nervös vor dem Endgerät herum, wenn endlich die Kugel des eigenen Vereins geöffnet wird. Und dann beginnen die Sekunden, manchmal gefühlte Stunden, bis endlich der Gegner aufgeschraubt und in die Kamera gehalten wird.
Tja, und dann fällt einem tatsächlich alles aus dem Gesicht, wenn es ausgerechnet das Konstrukt aus Leipzig ist, so geschehen anfangs dieser Pokalsaison. Der HSV dagegen ein Jahr zuvor, das war cool. Auch wenn es wieder einmal nicht die Blauen waren, auf die wir so sehnsüchtig als Gegner warten. Richtig genial hingegen die Auslosungen beispielsweise im Scottish FA Cup. Im kleinen Rahmen ausgetragen und auf das nötigste reduziert werden Kugeln mit Nummern gezogen, die vorher einem Verein zugeordnet werden. Daraus ergibt sich dann die Paarung. Richtig unterhaltsam wird es dann, wenn Sir Rod Stewart reichlich angeschickert als Losfee agiert.
Nun verfügt Schottland nicht über die Vielzahl an Vereinen, wie es beispielsweise bei uns oder in England der Fall ist, aber der Pokal wird trotz öfter vorkommender Paarungen mit einer Intensität gelebt, die fasziniert. Und obwohl die Finalpartie der vergangenen Saison tatsächlich Rangers gegen Celtic hieß, gab es die erwartbarste aller Finalpaarungen davor erst im Jahre 2002. Was also in der Pflicht Liga weiterhin der Zweikampf schlechthin ist, bedeutet in der Kür Pokal weiterhin Suprise, surprise!
2016 holten sich die Hibs, unser zukünftiger Europapokalgegner, den FA Cup im Finale gegen die Rangers. Etwas überraschend damals. Aber der Verein gewann nun mal den Pokal und wir alle konnten viele Clips mit dem mehr als emotional vorgetragenen „Sunshine on Leith“ anschauen. Gänsehaut, wenn man sich vorstellt, dass dieser Song schon bald an der Easter Road nicht wenigen RWE-Fans live vergönnt ist. Vielleicht hat man an diesem Tag im Hampden Park zu Glasgow auch einfach nur deshalb so intensiv gesungen, da der letzte Erfolg im FA Cup schlappe 114 Jahre zurücklag. Daran können sich dann nicht einmal die Älteren erinnern.
Weitere Anekdoten im schottischen FA-Cup bieten sicher die Partien zwischen Dundee United und dem FC Dundee, klar, auch die zwischen Hibs und Hearts. Aber das Spiel der Glasgow Rangers zwischen Queens Park ebenfalls aus Glasgow in dieser Pokalsaison war wohl die größte Pokalüberraschung seit langer Zeit. Einfach mal googlen. Das nun in Schottland neben dem FA-Cup auch noch der League-Cup ausgespielt wird, ist einfach der Liebe zum Pokalwettbewerb auf der Insel geschuldet.
Schließlich hat man beim südlichen Nachbarn in England gleich drei davon: Den FA-Cup als absolute Krone aller Pokalwettbewerbe und zugleich meinem Lieblingswettbewerb mit über siebenhundert teilnehmenden Mannschaften, dem EFL-Cup als zweitwichtigsten Wettbewerb, der unter allen zweiundneunzig Vereinen der ersten vier Ligen ausgespielt wird und der EFL Trophy als Pokalwettbewerb der dritten und vierten Liga, sowie ausgesuchten Vereinen der fünftklassigen Nations-League. Man sollte meinen, dass spätestens der letzte Wettbewerb im vollen englischen Fußballkalender kaum Liebhaber finden wird, aber auch hier Fehlanzeige: In den Runden bewegen sich die Zuschauerzahlen sicher unter dem Durchschnitt der jeweiligen Liga oder der anderen Pokalwettbewerbe. Aber am Ende steht immer Wembley.
Und dann werden die Leute doch nervös und wollen dabei sein. Das Finale der EFL Trophy am 13.April bestreiten dieses Jahr Birmingham City und Peterborough United. City ja eigentlich ein Verein wie RWE, wenn da nur nicht dieses Royal Blue als Vereinsfarbe wäre: Nach Aston Villa, den Wolves oder West Bromwich Albion die Nummer vier im Speckgürtel Birmingham, zudem vergangene Saison das erste Mal abgestiegen in die Drittklassigkeit, sieht man sich eigentlich doch immer mit großer Klappe als die Nummer Eins der Region. UB40 und Jeff Lynn von ELO die wohl bekanntesten Fans der Bluenoses. Auf jeden Fall wurde der Finaleinzug in das somit drittklassige Pokalfinale mehr gefeiert, als es hierzulande jemals der FC Bayern bei seiner x-ten Meisterschaft emotional hinbekommen würde. Auch das ein Beleg für den Stellenwert Pokalwettbewerb.
Die prägnanteste Pokalauslosung wohl immer noch die fiktive aus dem Film „The Football Factory“, als einer der Filmprotagonisten namens Billy Bright in einer schummerigen Londoner Bar dabei zuschaute, wie sein Verein Chelsea nach Jahren den FC Millwall zugelost bekam. Die Reaktionen dürften in Essener Lokalitäten wohl ähnlich emotional ausfallen, ginge es endlich mal wieder gegen Königsblau. Doch um überhaupt ein weiters Mal in den Lostopf zur ersten DFB-Pokal Hauptrunde zu gelangen, bedarf es diese Saison diesen einen Erfolg im Wedau Stadion gegen den heimischen MSV an jenem, anfangs erwähnten, 24. Mai 2025. Dann hätten wir das Triple. Zuzüglich den nervösen Moment bei der Auslosung zur ersten DFB-Pokalhauptrunde einige Wochen später.
Ich bin froh, dass auch der Niederrheinpokal mittlerweile enorm an Aufwertung erfahren hat, auch wenn ich immer noch nicht verstehe, warum für den Wettbewerb anders geflaggt wird als in der Liga. Aber man muss auch nicht immer alles verstehen. Viele Szenen bundeweit unterscheiden nicht zwischen den Wettbewerben, manche schon und unsere gehört halt zu manchen schon. Wie auch immer: der unterklassige Niederrheinpokal ist der Schlüssel zum DFB-Pokal. Und somit mindestens genauso wichtig. Der Pokalwettbewerb als solcher also meine große Fußballliebe. Hier hilft kein Tabellenrechner, hier fliegt man raus oder kommt eine Runde weiter. Und dann beginnt das nervenaufreibende Spiel Auslosung von vorne. Werden Derbys zugelost, die es aufgrund der Ligenzugehörigkeit schon seit Jesu Geburt nicht mehr gab, oder bekommen Fußballplätze in der Provinz Stahlrohrtribünen aufgebaut, um dem zu erwartenden Zuschaueraufkommen gerecht zu werden. Und am Ende gewinnen nicht mehr immer die Bayern. Pokal ist toll!