Die erträgliche Leichtigkeit des Seins
Den Titel eine Filmklassikers leicht abgewandelt, und zack ist man bei der Gefühlslage so unglaublich vieler Fans von Rot-Weiss Essen nach dem Auswärtserfolg beim SV Sandhausen. Ein Auswärtserfolg, der im Grunde genommen mehr ein Heimsieg war, so unterschiedlich die Aktivitäten bei beiden Fanlagern. Die in Rot und Weiss sangen durch. Von Anpfiff bis Abpfiff und noch weit darüber hinaus. Das war grandios! Die Fanschar der Sandhäuser hingegen übte sich in Teilen zuerst im Boykott, um nach etwa zehn Minuten doch die Unterstützung aufzunehmen. Im weiteren Spielverlauf jedoch wurde aus Gründen endgültig in stille Depression verfallen oder sich mittels scheinbar konstruktiver Kritik am eigenen Verein abgearbeitet. Zu souverän unser RWE und zu lethargisch der eigene SVS.
Man muss kein Phantast sein, um nach dem heutigen Spiel festzuhalten, dass im beschaulichen Hardtwald wohl die Lichter der 3. Liga ausgehen werden, während sie in der bisweilen hektischen Großstadt Essen aktuell heller leuchten, als man sich das noch vor Monaten hätte erträumen können. Da sind wir dermaßen tief in den Tabellenkeller eingefahren, so dass ein komplett sportliches Grubenunglück drohte. Aber dann kam der neue Steiger namens Uwe und mit ihm ging es nach einigen holprigen Schichten zu Beginn langsam, aber sicher Glück auf. Unsere Mannschaft gefühlt Kumpels geworden, die aber nicht mehr nur Maloche, sondern bisweilen auch das schöne Spiel zelebrieren können. Natürlich kommt nicht jeder Pass an oder sitzt jeder Schuss. Aber diese berühmte Körpersprache, das ganze Auftreten überhaupt, lässt keinen Zweifel mehr daran, dass man aktuell die beste Rückrundenmannschaft der aberwitzigen 3. Liga ist und nicht ansatzweise daran denkt, diesen leider wertlosen Titel noch herzuschenken. Hier wäre mal der DFB gefragt und sollte dem Rückrundenmeister der 3. Liga jede Saison die Relegation gegen den FC Schalke 04 ermöglichen.
Rot-Weiss Essen steht nun bei 49 Punkten und könnte rein theoretisch immer noch absteigen. Aber das wären auch nach den Spielen an Ostersonntag dermaßen viele Pferde vor den Apotheken, eine solch große Herde wird es hierzulande wohl kaum geben. Nee, untenherum wird sich ja schließlich auch noch mal gegenseitig an die Wäsche gegangen, dem Spielplan sei dank. Wir selbst kommen nach schweren Monaten der Ungewissheit und des Bangens endlich in den Bereich einer Saison, wo die letzten Spiele ohne großen Druck als Festtage des Fußballs angesehen werden können, aber trotzdem mit der gebotenen Ernsthaftigkeit angegangen werden müssen. Der Pferde und der Apotheken wegen. Nacheinander trifft der RWE zunächst daheim auf den 1.FC Saarbrücken. Dann geht’s auswärts auf Giesings Höhen zu den Münchner Löwen, die aktuell ebenfalls auf der Erfolgsspur unterwegs sind. Anschließend gastieren am letzten Heimspiel der Saison der Doc und das liebe VfL Osnabrück an der Hafenstraße. Dreimal ausverkaufte Stadien dürften garantiert sein. Was für Paarungen. Was für eine geile Liga.
Interessant wird kommenden Samstag vor allem sein, wie sich der 1.FC Saarbrücken nach der derben Heimniederlage gegen die Dynamos bei uns präsentieren wird: Scheitert die Mannschaft nun endgültig an sich selbst und dem chronisch viel zu großen Druck rund um den „LuPa“, oder will man es noch einmal wissen und versucht uns zu überrennen? In beiden Fällen sehe ich eine große Chance für die Roten, das auszunutzen: Den FCS wahlweise nervös spielen oder auskontern, wir können alles. Der Saisonabschluss dann findet in der „Wir machen Druck“ Arena der SG Sonnenhof-Großaspach statt, wo die Zwote des VfB Stuttgart ihre Heimspiele austrägt. Da ist dann von Stadionname bis Gegner leider nicht mehr viel an Festtag übrig, aber irgendwie hat das Stadion trotzdem seinen ganz eigenen Charme. Wenngleich auch ganz weit entfernt von Lübeck und Lohmühle. Eventuell können drei eigene Punkte dort aber dabei helfen, eine weitere Zweitvertretung Richtung Regionalliga zu verabschieden. Die Zwote aus Hoffenheim kommt hoch, wir müssen uns irgendwie gegen diesen Spuk wehren. Daher gilt im Falle von Zweitvertretungen in der 3. Liga: Weniger ist mehr!
Während nun vergangenen Samstag die Spiele der 3. Liga schon weit in der zweiten Hälfte waren, wurden in der 1. Bundesliga die fünf Nachmittagsbegegnungen angepfiffen. Darunter Spiele wie RB Leipzig gegen Holstein Kiel, Mainz 05 gegen VfL Wolfsburg oder auch SC Freiburg gegen TSG Hoffenheim. In der 3. Liga gab es unabhängig von unserer Partie in Sandhausen die Spiele Arminia Bielefeld gegen Hansa Rostock oder auch 1860 München gegen Alemannia Aachen. Bei exakt gleichen Bedingungen hinsichtlich der TV-Übertragungen würde mich wirklich mal interessieren, wie viele Fans sich für die jeweiligen Einzeloptionen entschieden hätten. Die 3. Liga würde mindestens in dieser Saison wohl nicht selten mit der besseren TV-Quote aufwarten. Absolut klar und komplett ohne Neid festgestellt bleibt: Wer oben spielt hat es sich natürlich sportlich verdient und sich über die Jahre hochgearbeitet. Oder eben den Erfolg erkauft. Daran hat sich in Leipzig/Fuschl am See auch 357 Jahre nach Vereinsgründung von RB nichts geändert und gehört weiterhin emotional abgewatscht.
Speziell in Leipzig dürfte es nun kommende Saison in Sachen Zuschauer sehr interessant werden, sollte die Lok endlich das Gleis Richtung 3. Liga finden und dann auch erfolgreich befahren: Können abgewanderte Erfolgsfans zurückgeholt werden? Eigentlich ja auch egal: Bei RB können 14.000 Zuschauer im Zentralstadion sein, und man meldet trotzdem ausverkauft. Das sind alles natürlich nur Gedankenspiele und grundsätzlich hätte ich persönlich am liebsten Chemie Leipzig in der 3. Liga. Von oben aus der ebenfalls vogelwilden zweiten Bundesliga kommt so gut wie sicher der Jahn aus Regensburg in die 3. Liga zurück. Und, wer hätte das gedacht, auch die heiligen Preußen aus Münster sind wieder in der Verlosung um den direkten Abstieg und kabbeln sich gerade mit dem SSV Ulm um Relegation oder nicht Relegation.
Eine Konstellation, die nur der abermaligen Auferstehung der Braunschweiger Eintracht zu verdanken ist. Beim BTSV ist mittlerweile jede Saison Ostern: Monatelang ist Karfreitag, nur um dann doch wieder aufzuerstehen. Man muss das dann auch mal ganz rational betrachten: Der RWE hält die Liga. Der MSV kommt definitiv hoch. Die Preußen möglicherweise runter: Bedeutet schon mal zweimal volle Bude. Was wiederum beste Argumente für den Ausbau der Ecken im Stadion an der Hafenstraße sind. Aber das alles ist Zukunftsmusik. Samstag nach Abpfiff in Sandhausen: Das hingegen war jetzt. Das war toll. Das war: Danke, Danke!
bitte, bitte