Löwen & Zebras #241
Vergangenen Samstag ist im Stadion an der Grünwalder Straße etwas gar Historisches passiert: Rot-Weiss Essen hat ein Auswärtsspiel in München gewonnen. Zuzüglich der fünf Gastspiele ohne Sieg bei Münchens Nummer zwei, dem FC Bayern, wurde achtmal erfolglos versucht, die Löwen auf Giesings Höhen zu zähmen. Dreizehnmal in München angetreten, und das höchste aller Gefühle war ab und an mal ein Unentschieden. Aber im neunten Anlauf bei Münchens großer Liebe wurde der Tanz in den Mai vor und mit den vielen mitgereisten Fans euphorisch nachgeholt. Endlich der erste Sieg in München überhaupt.
Und nicht nur das: Auch der Klassenerhalt wurde mathematisch wasserdicht eingetütet. Wohlgemerkt auf dem achten Tabellenplatz stehend. Der selige Franz Beckenbauer würde vielleicht festhalten, dass der RWE auf Jahre hinaus in München unschlagbar ist, während der selige Werner Lorant den Seinen sicher noch gehörig bei einer Fluppe den Marsch blasen würde. Unsereins hat hingegen ein ganz anderes Problem: Das kannste Deinen Enkelkindern eines Tages doch gar nicht glaubhaft erklären, wie bekloppt diese 3. Liga 2024/25 damals war. Welch ein wilder Ritt allein für unsere Roten seit Anfang des Jahres. Damals, als wir noch Vorletzter waren und nicht wenige einen Hals von der Ruhr bis an die Elbe hatten.
Der sportliche Turnaround im Anschluss daran einer für das Geschichtsbuch. Der Abpfiff im Stadion an der Grünwalder Straße hatte somit etwas Leichtes und zugleich befreiendes. Wie oft hatten die Materialwarte der Fanszene das große Banner zum Klassenerhalt schon im Rucksack dabei, ohne es letztlich auspacken zu dürfen? Gedanklich hatte unsere Mannschaft sicher auch ein Banner als Dank für die Fans dabei, denn im Zuge des schon erwähnten sportlichen Turnarounds hatte sich auch manifestiert, dass der Klassenerhalt ein gemeinsames Ding zwischen Verein und Fans werden wird.
Ein Verein und seine Fans, dass wird niemals der lange ruhige Fluss sein, wie man ihn sich auf ewig für die eigene Beziehung wünscht. Es wird immer mal knirschen, Uneinigkeit zu bestimmten Themen herrschen und auch mal richtig rappeln. Dafür ist gelebte Fußballkultur auf und neben dem Platz einfach zu dynamisch. Aber bei Rot-Weiss Essen hat sich seit Januar fast als Trotzreaktion etwas entwickelt, was man als eine der Grundtugenden im Sport bezeichnen könnte: Gemeinsamkeit. An der Hafenstraße hat man sich gemeinsam aktuell Platz acht erarbeitet. Inklusive völlig neuer Erkenntnisse: Lange Zeit haben wir Fans uns in Anbetracht der Tabelle die Schmerzen wegsaufen müssen, nun durfte endlich mal ein Spieler ran.
Wieder ran darf in der 3. Liga der MSV Duisburg. Inklusive vieler großer Worte auf der Meisterschaftsfeier wie beispielsweise 3. Liga nicht das Ende oder Platzsturm nach Pokalsieg. In der Euphorie verkennt man schon mal seine eigenen Grenzen. Aber ich sehe das ganz entspannt und trägt ja auch zur Folklore bei. Außerdem: Wer einen Löwen besiegt hat, muss sich vor einem Zebra nicht ansatzweise fürchten. Neben dem MSV sind auch die Schnüdel aus Schweinfurt aufgestiegen.
Der 1.FC Schweinfurt sicher kein Zuschauermagnet, aber man hat eben diesen Spitznamen. Genau lässt sich der Begriff „Schnüdel“ nicht definieren, aber eine Erklärung bezieht sich auf die Spielgeräte der Anfangsjahre: An einer Stelle wurden die Bälle hart verschnürt, die Luft musste ja gehalten werden. Im unterfränkischen nun wurde diese Stelle, nicht wie gemeinhin als Zipfel, sondern als „Schnüdel“ bezeichnet. Schweinfurter Alleinstellungsmerkmal halt.