Möwenpick
Ich möchte jetzt nicht schon wieder auf die tabellarischen Besonderheiten dieser Saison hinweisen und schon gar nicht sollte man Aachen mehr Raum als nötig geben. Aber nach unserem Spiel Mitte Januar dort war man nun mal Vorletzter. Vergangenen Sonntag hingegen haben wir Roten das Stadion als sechster der Tabelle verlassen . Gut, die Vikki hat uns am Abend des gleichen Spieltags noch runter auf Rang sieben geschubst, aber das tut kaum noch zur Sache. Es ist auch so eine Entwicklung in diesem Kalenderjahr, die bisweilen sprachlos macht. Rot-Weiss Essen spielt den schönen Fußball oder kämpft mit Leidenschaft. Je nach Bedarf erlebten wir in den letzten Monaten Jogo Bonito oder auf Asche. Manchmal auch beides zusammen. Gar nichts davon geht natürlich auch, wie alljährlich zu erleben bei unseren Klassikern in Verl und bei Viktoria. Hier muss dem Uwe seine Möwe für die kommende Saison noch entsprechende Voodoo-Skills entwickeln, damit wir die sechs Punkte dort nicht wie gewohnt schon vor der Saison abschreiben können.
Alle konnten also nach einer nervenaufreibenden Saison komplett entspannt an die Hafenstraße pilgern. Wirklich alle, egal ob die in Rot oder auch die in Lila. Gedankenspiele am Vorabend, wie es uns gehen würde, stünde ein finales Abstiegsendspiel statt Fußballfest an, wurden aus dem Umfeld erst gar nicht mitgespielt. Es geht uns gerade verdammt gut. Da bedarf es keiner anderen Gedanken. Punkt! Gut, habe ich so verstanden. Sollte auch nicht vertieft werden, aber es hätte so kommen können. Unser Saisonverlauf schließlich alles andere als selbstverständlich. Apropos Saisonverlauf: Im Rahmen des aktuellen Spieltags gab es schon am Samstag zwei bedeutende Entscheidungen zu verzeichnen: Dynamo Dresden und Arminia Bielefeld stehen als Aufsteiger in die zweite Bundesliga fest. Die einen auf dem Spielfeld und die anderen im Getränkemarkt. Da gratulieren wir doch ganz herzlich und freuen uns besonders für den Isi. Und generös, wie wir nun mal sind, gratulieren wir auch einer Locke in Dresden, bedeutet für uns schließlich noch zusätzliche Kohle. Die 3. Liga wird leider zwei große Vereine und auch Zuschauermagneten an die zweite Bundesliga verlieren, aber was solls: Die Zwote der TSG Hoffenheim wird das natürlich komplett kompensieren können.
Wer jetzt im Spiel Rot-Weiss Essen gegen den VfL Osnabrück in Anbetracht der Tabelle, des schönen Wetters und der schon absolvierten Frühschicht vieler RWE-Fans in der Dubois-Arena Sommerfußball auf Rasen und Tribünen erwartet hat, der wurde spätestens in der vierzehnten Minute eines Besseren belehrt: Ramien Safi hatte mal wieder seinen ganz persönlichen Runners High, dem kaum ein Osnabrücker folgen konnten, wohl aber Kelsey Owusu. Der Winkel spitz, aber Owusu spitzer. Cooles Tor und die fast allesamt in Rot getauchten Tribünen dadurch früh auf Betriebstemperatur. Die Gästeblöcke in Lila zeigten sich nicht geschockt, man war schließlich auch nur zum Feiern da. Aber unabhängig davon: Wie schon vor zwei Jahren boten die Fans des VfL Osnabrück einen der besten Auftritte eines Gästeanhangs an der Hafenstraße. Vielleicht sogar den besten. Durchgehend lautstark und dabei die Anfeuerung des eigenen Vereins Beleidigungen gegen den Heimverein vorziehend. Die Animositäten Ahmet Arslan gegenüber waren mir im Vorfeld nicht bekannt, brachten aber noch eine Prise Pfeffer in das Geschehen.
Nebenbei bemerkt: Meine Top 3 der Auswärtigen Fans anne Hafenstraße waren diese Saison besagter VfL Osnabrück, Arminia Bielefeld und der 1.FC Saarbrücken. Auf dem Feld ging es munter weiter, Kelsey Owusu wuselte nochmal und dann gab es noch den Elfmeter zum 3:0. Und das feine Gespür der Hafenstraße davor. Am Ende gab es dann noch den einen Gegentreffer und das letzte Heimspiel der Saison wurde mit einem verdienten 3:1 gegen den VfL Osnabrück gewonnen. Jubel Trubel Eitschbergerkeit im Anschluss. Es gab sogar noch Freudentränen zu verzeichnen: Weit nach dem Spiel bekam ein junges Mädchen in G1 ein Trikot von Ramien Safi überreicht, was diesen jungen Fan kurzfristig emotional überforderte, so sehr gingen Freude und Überraschung einher. Es tat uns fast leid für den jungen Fan wenige Meter weit entfernt davon, der tapfer die ganze Spielzeit über eine selbstgemalte Pappe mit dem Wunsch eines Safi-Trikots hochhielt und zudem wohl auch heute noch heiser sein dürfte. Nun bin ich kein Freund dieser plakatierten Trikotwünsche, da bisweilen ausufernd. Aber das hatte alles in allem eine Leidenschaft, wie sie zur Hafenstraße passt. Glücklicherweise gab es wenigstens noch Autogramm und Selfie. Sie sind gefragt, unsere Spieler und es tut gut zu sehen, wie viele junge Fans mittlerweile die Hafenstraße bevölkern. Das sind schließlich die knurrigen Alten von morgen, die ihr ganzes Leben dem Verein widmen und für ihn einstehen. So wie wir es auch singen.
Kommenden Samstag nun geht es für die Roten zum Abschluss in der Liga noch einmal auswärts. Dieses Mal in weiß, aber natürlich ohne roten Brustring. Gastgeber im wirmachendruck Exil zwischen Aspach und Kleinaspach die Zwote des VfB Stuttgart. Und auch hier dürfte von unserer Seite aus kein Sommerfußball zu erwarten sein, denn das Spiel ist definitiv die beste Vorbereitung auf das so wichtige Pokalfinale gegen den MSV Duisburg eine Woche später.
Laut Fußballbibel Transfermarkt.de liegt unser aktueller Zuschauerschnitt der Saison 2024/25 bei 16.957 Fans und konnte im Vergleich zum Vorjahr noch einmal gesteigert werden. Der davor höchste Zuschauerschnitt lag in der Saison 1970/71 bei sagenhaften 23.118 Fans und somit eine halbe Ewigkeit zurück. Wolfgang Rausch war einer unserer Spieler, die diesen Rekord genießen durften. Vergangenen Samstag ist Wolfgang Rausch im Alter von 78 Jahren verstorben. Möge der Mann mit dem markanten Schnauzbart in Frieden ruhen. Zwischen diesen beiden Spitzen lagen beispielsweise die 4.242 Fans in der 2. Bundesliga Nord der Saison 1978/79, die 4.237 Fans der Regionalliga-Südwest in der Saison 1997/98 als negative Werte oder auch die unglaublichen 7.008 Fans in der fünftklassigen NRW-Liga 2010/11 als Hoffnungsbringer. Es war irgendwie immer ein auf und ab in den Zahlen derer, die an die Hafenstraße gepilgert sind.
Spätestens seit unserem Aufstieg in die 3. Liga halten sich die Zuschauerzahlen aber nicht nur konstant hoch, sondern steigen von Saison zu Saison. Zudem werden die jüngeren Fans immer mehr und entdecken direkt ihre Leidenschaft und Liebe zu RWE, so dass es kaum noch Fußballtrikots anderer Standorte wie die in Paris, Dortmund, Barcelona oder Hoffenheim bedarf. Das macht Hoffnung, so dass man für die Zukunft von RWE schon mal Rot sehen kann. Und es hoffentlich eines baldigen Tages im Stadion nicht mehr durchgängig zieht wie die berühmte Hechtsuppe, da dann alle Ecken geschlossen sind.
Diese Saison 2024/25 hält noch zwei Spiele für uns parat. Sie hat uns wirklich viele Nerven gekostet, bisweilen die Haare zu früh grau (noch weißer) werden lassen. Aber vor allem hat uns diese Saison auch zusammengeschweißt. Wir halten zusammen, RWE, RWE!