Einfach mal den Doppler machen: #256 & #257

#257

Manchmal hilft ein Blick zurück, um die Aktualität besser einordnen zu können: Vor ziemlich genau einem Jahr haben wir an der Bremer Brücke zu Osnabrück mit dem damals neuen Trainer Uwe Koschinat 0:2 verloren. Es war bitterkalt, wir standen nach Spielende mit gerade einmal 16 Punkten bei lediglich vier gewonnenen Spielen, vier Unentschieden und satten zehn Niederlagen auf einem Abstiegsplatz. Und nicht wenige Fans fragten frustriert, warum nicht wir den Antwerpen geholt haben. Exakt ein Jahr später stellt sich diese Frage glücklicherweise nicht mehr, da reicht der Blick auf die aktuelle Tabelle: 31 Punkte bei acht Siegen, sieben Unentschieden und gerade einmal drei Niederlagen. Weniger Niederlagen hat nur der Gegner des vergangenen Wochenendes, der SC Verl vorzuweisen. Rot- Weiss Essen hat sich punktuell im Vergleich zur Vorsaison somit so gut wie verdoppelt, das ist mal eine Hausnummer.

Und doch darf man zaghaft den Finger, in die nicht wirklich schmerzende Wunde legen, dass es den einen oder anderen Punkt mehr durchaus auch noch hätte geben können. Aber genau dann kommt eben diese Ausgeglichenheit der Liga zum Tragen: Es spielt immer eine andere Mannschaft mit, die etwas genau dagegen hat. Also, machste nix, es ist gut so wie es ist. Schon kommenden Samstag gegen den SSV Ulm wartet die nächste Gelegenheit, nun aber endgültig und so richtig an der Spitze mitzumischen. Das vergangenen Freitag der VfL Osnabrück direkt mit Kanonen auf Spatzen geschossen hat, habe ich in der Deutlichkeit nicht erwartet. Ebenso wenig wie die Niederlage des Waldhofs beim Jahn, dem Unentschieden des MSV und der Niederlage von Energie Cottbus. Letztere natürlich nicht ohne den üblichen Wollitz Reflex der Schuldzuweisung. Verlieren können; auch etwas, was unseren Trainer im Gegensatz zu manch anderen auszeichnet.

Es ging also nach diesem Spieltag erstmal tabellarisch wieder runter, ohne punktuell wirklich an Boden verloren zu haben. Die Liga der unendlichen Tabellenoptionen verdichtet sich weiter von Woche zu Woche. Da steht uns allen in der zweiten Saisonhälfte ein ziemlicher Nervenkitzel bevor, der Ausgang selbst mit der poliertesten Glaskugel nicht vorhersehbar. Funfact: Es gibt sagenhafte 2.662 Wörter, die „verl“ enthalten. So unter anderem verlieren verboten. Das hat unsere Mannschaft auf jeden Fall mehr als engagiert umgesetzt. Was an dem torlosen Spiel der aufregenderen Sorte aber richtig fasziniert hat, war das Duell Jannik Hofmann gegen Alessio Besio. Das war „Rumble in the Jungle“ des kleinen Mannes. Auf dem Eis ausgetragen, wären wahrscheinlich irgendwann die Handschuhe ausgezogen worden. Zweikämpfe in einer Intensität, wie wir sie nicht jeden Spieltag erleben dürfen. Herrlich!

Das Jahr nähert sich somit seinem Ende. Die Gremien im Verein sind neu bestellt und wir haben beim letzten Heimspiel noch einmal die Chance, gegen die zuletzt herrschende Lethargie auf den Tribünen anzusingen. Einmal noch Hafenstraße pur erzeugen. Gesungen wurde aktuell in Essen überhaupt viel, denn das Weihnachtswunder des WDR ist aktuell auf dem Burgplatz zu Gast. Das waren starke Emotionen, die dort geschaffen wurden. Emotionen, die die Essener Chancen ihrerseits seit 14 Jahren zu Weihnachten durch die Herzenswünsche zu Gunsten bedürftiger Kinder und obdachloser Erwachsener schaffen. Fußball kann so viel mehr als nur das Ergebnis.
 

#256

Unser RWE schreibt viele Geschichten. Sonst wäre es ja auch nicht unser RWE. Vergangenen Samstag in Saarbrücken wurde einmal mehr das Kapitel nervliche Belastungssteuerung Fan aufgeschlagen: Es gibt eine Berechnung, dass ein Fußballfan ca. 540 Kalorien dabei verbrennt, mit allen Emotionen ein Spiel seiner Mannschaft anzuschauen. Ich wage zu behaupten, dass der geneigte RWE-Fan diese Kalorien allein in den letzten zehn Minuten zuzüglich Nachspielzeit vergangenen Samstag beim Spiel der Roten im „LuPa“ verbrannt haben müsste. Zuzüglich der Spieldauer davor und Jubel danach, dürften alle Fans somit auf exakt 1907 Kalorien gekommen sein. Noch lange danach war das Lied in meinem Kopf „The Joker“ der Steve Miller Band. Nun handelt dieser Song im Original über eine Person, die sich als „Joker“ im Sinne von Scherzbold bezeichnet und ihre Erfahrungen, Höhen und Tiefen im Leben beschreibt.

Mit Höhen und Tiefen kennt sich Rot-Weiss Essen natürlich bestens aus, aber die Intention dabei, dieses Lied zu hören, zielt schon in Richtung der Einwechslungen, die Uwe Koschinat in Saarbrücken vorgenommen hat. Ein Joker ist laut Definition ein Einwechselspieler, der aufgrund seiner besonderen Fähigkeiten oft als entscheidender Trumpf von der Bank ins Spiel gebracht wird. Und was soll man schreiben? Sie hatten ihre besonderen Fähigkeiten und sie waren der entscheidende Trumpf für den ersten Erfolg seit dreißig Jahren in Saarbrücken. Was ich mir aber in Dauerschleife anschauen kann, sind eben nicht nur die Tore, sondern die Reaktionen direkt nach dem finalen Treffer durch Franci Bouebari. Klar, der Block eskaliert eh, aber die Mannschaft auch. Egal ob noch auf dem Feld stehend, frisch eingewechselt, gerade ausgewechselt oder gar nicht aktiv. Aus allen wurde am Ende ein riesiges Jubelknäuel.

Und genau das macht doch den Fußball aus: Einer für alle, und alle für einen. Ja gut, liest sich schon kitschig, aber diese kleinen Beobachtungen abseits des Spielfeldes beschreiben den Zustand einer Mannschaft immer ziemlich gut. Beeindruckend, wie beispielsweise Michael Schultz da agiert. Aktuell seinen Stammplatz verloren, ist er in Gestik und Mimik auch von außen immer noch der Kapitän der Mannschaft und hilft somit, wie alle helfen. Die Gesichter nach Abpfiff oder auch die diversen Laufwege nach den Toren sprechen Bände. Das passt! Da aber das Glück im Fußball meistens ja nur so kurz wie ein Wimpernschlag andauert, grassiert in Fankreisen schon wieder die Angst vor dem Trip nach Verl. Und das nur, da der dortige Sportclub am Sonntag den VfL Osnabrück vermöbelt hat. Gut, vielleicht auch, weil wir an der Poststraße gefühlt immer abgestempelt werden. Aber zum einen wartet zunächst einmal die Zwote des VfB und zum anderen muss es doch mal gut sein mit der negativen Einstellung.

Drei Spiele noch bis Weihnachten. Da wartet sicher die ein oder andere Bescherung auf uns. Eine Bescherung des vergangenen Wochenendes war die Botschaft aus Fankreisen des MSV Duisburg, hinter der Initiative RWE für Toleranz zu stecken. Eine fiktive Initiative, wie sich also herausgestellt hat. Ich muss gestehen, so viel Kreativität nötigt fast Respekt ab, denn die Aktion war nicht nur gut durchdacht und durchgeführt, sondern auch zeitnah aufgelöst, bevor es medial noch weiter aufgebauscht worden wäre. Durchaus ein besseres Kapitel Rivalität, als sich körperlich anzugehen, in dumpfen Beleidigungen zu üben oder Keramiken zu zerstören. Es könnte also kommenden Freitag endlich mal wieder nur um Fußball gehen.
 

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