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Kontrollverlust

Für die Spiele des RWE sollte eine neue Steuer eingeführt werden. Keine Vergnügungssteuer, denn dazu fehlen die nötigen Heimspielpunkte. Eher eine rot-weisse Variante der Mehrwertsteuer. Rot-Weiss Essen in diesen Tagen bedeutet viele Tore, Platzverweise, Auswärtserfolge, Heimremis, fünfstellige Zuschauerzahlen. Mehrwert, ohne Frage! Vor allem bedeutet Rot-Weiss Essen aber weiterhin auch den kollektiven Verlust an Nerven.

Trainer Fascher rumpelte wie Stielzchen an der Seitenlinie entlang, dem vogelwilden Treiben seiner Abwehr versuchend, Einhalt zu gebieten. Die Pässe nach vorne handgezählt, derer zum eigenen Torwart dagegen unzählig. Der Einsatz wieder ohne Fehl und Tadel, es wurde gegrätscht und gerannt; Wurden Rudel gebildet und Tore geschossen. Vier eigene an der Zahl, ein jedes nach Rückstand. Tore, die von Moral zeugen. Aber auch davon, dass der Keinderbygegner seinerseits im Vorfeld viermal eingenetzt hat. Vier Gegentore im eigenen Stadion.

Ein Spektakel allemal, welches aber eigentlich so nicht sein darf. Für ein Jahrhundertspiel fehlte es an der nötigen qualitativen Arbeit eben in der Defensive. Vier Tore im eigenen Stadion könnten auch viermal ein 1:0 bedeuten, nebst 12 Punkten auf der Habenseite. Aber da ist er wieder, der Fußball als Konjunktiv. Neunzig unplanbare Minuten, die uns da draußen einmal mehr zwischen Verzückung und Verzweiflung zurücklassen. 

Ackerbau und die Axt im Walde

Einem Gemäßigten platzt nun der Kragen. Und ich bin so gemäßigt, dass ich mich bei meinen Stadionnachbarn entschuldige, wenn ich mal spielbezogen lauter werde. Schlicht und ergreifend: Ich bin furchtbar normal im Stadion. Trage meine Farben, will meine Mannschaft siegen sehen und ein klein wenig dazu beitragen.

Aber was ist mit Dir oder Euch, die Ihr gestern kurz vor Anpfiff verfügt habt, eine lange im Vorfeld geplante Choreo abzusagen? Was treibt Euch an? Welche Axt im Walde habt Ihr gefunden, um mal eben ein Stück Fußballkultur mit den Füßen zu treten? Glaubt Ihr, weil wir nun alle Weltmeister sind, haben wir uns auch den Dogmen der FIFA zu unterwerfen? Einen Scheiß müssen wir!

Wir sind Essen, wir leben und lieben Fußball. Und nur, weil nicht immer alles rund läuft, nicht alle einer Meinung sind, so wissen wir doch, dass Fußball vor allem eines ist: Emotion! Sicher habt Ihr die Choreos der letzten Jahre gesehen. Gar bewundert. Vielleicht sogar fotografiert und zu Werbezwecken benutzt; Wie toll doch unsere neue Bude ist. Wie stimmungsvoll die Atmosphäre und so weiter. Ihr wisst, was ich meine.

Die Highlights der letzten Jahre im Stadion waren nicht die Spiele, sondern die Choreos der letzten Spieltage. Oder lag es nun daran, dass es sich um den ersten Spieltag gehandelt hat? Urlaubszeit, und der fußballaffine Entscheider vielleicht nicht im Büro zugegen, sondern in der Sonne? Also raus damit, wo genau lag das Problem, dass eine, uns allen nun unbekannte Choreo zu unchristlicher Zeit verboten wurde? Zeigt wenigstens Anstand und lasst uns die Gründe wissen. Vielleicht können wir dann im Ansatz etwas verstehen, was ich aber zu bezweifeln wage.

Übrigens hätte auch dieses Werbeluftschiff mitten in das schöne neue Stadion fallen und platzen können….und dann? Alles kaputt!

Ich wünsche mir, dass der Entschluss, nun keine Choreos mehr durchzuführen, noch einmal überdacht wird. Ein Boykott pudert den Amtsschimmel! Ich weiss, ich habe gut reden: Ich plane weder, noch opfere ich Stunden auf den Knien, um für andere Fans und meinen Verein etwas glanzvolles zuwege zu bringen. Aber wir anderen Fans wissen um die Leidenschaft und Arbeit, die dahintersteckt. Ackert weiter! Isolieren wir friedlich und mit Witz diese fußballfremden Menschen, die eine Kultur mit Füßen treten. Die mir vorschreiben wollen, in welchen Farben ich zum Beispiel in Lotte die Tribüne zu betreten habe oder dergleichen. Voll gemäßigt natürlich.

Danke übrigens dafür, trotzdem die Mannschaft zu unterstützen und nicht den bei Unstimmigkeiten häufiger gewählten Weg des Stimmungsboykottes zu beschreiten! Das war großes Kino!

Ach, um das gestrige Spiel nicht unerwähnt zu lassen: Die Mannschaft hat geackert. Und besonders in der ersten Halbzeit ein gutes Spiel abgeliefert. Ich glaube, wir finden schnell zueinander. Die auf dem Feld und wir auf den Tribünen. Wenigstens das kann uns keiner verbieten.