Schlagwort-Archiv: Literatur

Das (Fußball-)Buch ihres Lebens

Was als erstes auffällt ist die Haptik dieses Buches: Bedingt durch den stabilen Einband aus fester Pappe liegt es wunderbar in der Hand und klappt sich entsprechend zu (und wieder auf). Alle Bücher sollten sich so anfühlen und in der Hand liegen. Ein geradezu erwärmendes Gefühl. Eine der Autorinnen dieses Buches fand dann in einem „Post“ noch viel passendere Worte:

„Bücher soll man nicht nach ihrem Aussehen beurteilen, sagen sie. So´n Quatsch! Illustration vorne drauf, Konturlack auf dem Titel, Tornetz als Vorsatzpapier, der ganze Einband ein Liebeserklärung der Buchgestaltung an den Fußball“

Es bleibt aber nicht nur bei diesen Liebeserklärungen zur Buchgestaltung. Die Texte als solche sind es auch: Eine Liebeserklärung, Leiden inklusive! Vierundzwanzig sehr intelligente und schreibende (Fußball-) Menschen haben diesmal ihren Intellekt Intellekt sein und das (Fußball-) Herz sprechen, beziehungsweise schreiben lassen. Vierundzwanzig Mal ging es um das Spiel ihres Lebens. So erklärt sich auch der Titel des Buches: „Das Spiel meines Lebens“.

Warum das Buch einen so berührt sind bisweilen die Sätze, mit denen das Gefühl Fußball beschrieben wird. Das reine Ergebnis ist eigentlich sekundär, denn fast noch schöner als Fußballgeschichte sind doch Geschichten über den Fußball. Viel interessanter als Statistiken das, was das Spiel an jenem Tag mit den Menschen gemacht hat. Es entspringt diesem Buch das ganz große Gefühl, mit bisweilen ganz viel Hingabe. Der Leser liest von Stellvertreterdramen, Luizidem Vorsterbezustand; wird an Murdo MacLeod und das meinerseits schon vergessene „Silver Goal“ erinnert. Es handelt sogar von Arminia Bielefeld, Holstein Kiel, BFC Dynamo. Von Energie Cottbus, dem FC Carl-Zeiss Jena und nicht von Rot-Weiss Essen. Und von einigen anderen ganz bekannten Vereinen. Aber lest selbst.

Wobei Rot-Weiss Essen tatsächlich einmal erwähnt wird. Auf Seite 263.

Wer aktuell mit vielen Dingen rund um den Fußball dieser Tage hadert, der wird daran erinnert, was den Fußball wirklich ausmacht und warum wir doch immer wieder Tag für Tag auch unseren Verein leben. In diesem Buch dürfen Ball und die Neunzig Minuten endlich wieder glücklich sein. Für einen langjährigen Fan kann dieses Buch möglicherweise zweierlei bedeuten: Es kann einen schönen Abschluss der eigenen Fankarriere bedeuten, indem man sich selbst an die guten Zeiten erinnert und nun den Fußball komplett der Geldgier überlässt. Es kann aber auch einen Neuanfang bedeuten und uns darin ermutigen, dass wir die aktuell eher „kranken“ Entwicklungen im Fußball nicht gewinnen lassen werden.

Abschließend bleibt festzuhalten, dass man diesem Buch unbedingt einen zweiten und dritten Teil wünscht, und dass das schönste Paar von Berlin auch heute noch das schönste Paar von Berlin ist.

Korrelation

Es hat mich schon lange kein Buch mehr mitgenommen, wollte in einem Rutsch gelesen werden. Mal war es das Leben, mal das Buch. Doch urplötzlich und ohne Vorwarnung  sind da Sätze wie: „Wollte ich einen Sportlerkörper, müsste ich was mit einem Sportler anfangen“ oder „Auswärts ist da, wo die anderen mehr sind“. Das Nichts ist natürlich ein Buch.

Geschrieben von Stefanie Fiebrig, gelesen in wenigen Tagen. Kenne ich nicht, werden die meisten denken. Kenne ich auch nicht wirklich. Aber, ich durfte sie kennenlernen, sie war mir Hilfe zudem. Und noch mehrere der Protagonisten in diesem Buch. Menschen, Fußballfans allesamt, die ich mag. Wenige gemeinsame Momente reichten aus, um dieses Gefühl zu manifestieren. Ermöglicht durch dieses Internet.

Ich durfte sogar in der berühmten Küche zu Gast sein, dort wo die Textilvergeher aktiv sind. Einige in Essen an der Hafenstraße begrüßen. Erfreute mich an wenigen Mails mit Andora, dem ein Kapitel gewidmet ist. Habe einfach mal Andreas Lorenz angerufen, da ich eine Frage hatte. Bekommen habe ich ca. 45 Minuten Leidenschaft für das geschriebene Wort. Einen persönlichen Nachschuss.

Ich fühle mich also wohl „inmitten“ dieser Menschen. Auch heute noch und trotz  der Tatsache, dass weder der 1.FC Union noch die Hertha in naher Zukunft mal wieder an der Hafenstraße auflaufen werden. Stefanie Fiebrig kann fotografieren, so richtig und erlernt. Das alleine macht einen Menschen für mich ja schon interessant. Ich würde das nämlich auch gerne können. Macht „nebenbei“ noch in Garten, Fußball und nicht zu vergessen: Familie.

Das Buch also: Unterteilt, wie das bei Büchern so ist, in Kapiteln. Kapitel, die persönliche Einblicke gewähren. Retroperspektive beruflicher und privater Natur. Stets flüssig erzählt, schmunzelt man ob der Tatsache, dass der ebenso sympathische Herr Fiebrig bei der ersten Begegnung zwar Brille, aber keine Frisur trug. In Nebensätzen klingt nicht selten Kritik durch. Kritik daran, dass der Fußballfan eben nicht mehr überall einfach nur noch Fan sein darf. Das sich Grenzen verschoben haben.

Diebische Freude über einen Tag mal ohne Kinder, ungeplant begangen natürlich an einem unterklassigen Spielfeldrand, lässt verständnisvoll lächeln. Der niedergeschriebene Verlust über einen Freund stimmt traurig. Alles immer stimmig, fröhlich und mit der Lust am Leben und der Liebe zum Fußball erzählt. Das Kapitel über den Stadionumbau der alten Försterei sollte ein Lehrstück für alle zukünftigen Stadionplaner werden. Ein Stadion, geplant für Fans und optimale Arbeitsbedingungen der Waschfrau, anstatt den Vorgabenkatalog abzuarbeiten. Lesenswert. Nein: Nachahmenswert.

Lange Rede, kurzer Sinn: Kauft dieses Buch. Es kommt von Herzen. Und der Chronistenpflicht halber: Frank Goosen war es, der mich zuletzt mitgenommen hatte. „So viel Zeit“. 20140814_Buch_11

Herr und Frau Breitbach

Rot Weiss Essen und die 70er, Karsten Kiepert hat sie in einem Buch beschrieben. Und diesem Buch nun einen „Sidekick“ hinzugefügt, wie er im Buche steht. Neunzehn Protagonisten jener Tage kommen in „Interviews mit Legenden“ zu Wort [Warum dieses Buch, zudem noch zeitversetzt, erklärt Karsten Kiepert in seinem Vorwort]. Eigentlich ist der Untertitel falsch gewählt, besteht grundsätzlich ein Interview doch aus Fragen und Antworten, es sei denn der „Prinz von Homburg“ steht Rede ohne Antwort.

Hier werden jedoch Geschichten erzählt, wird ein guter Pass gespielt, der geschickt aufgenommen zu einer feinen Anekdote verwertet wird. Die heutige „Ich sag mal“, „Ja gut äh“ oder verständnislos guckende „Mixed Zone“ Spielergeneration wird wohl kaum in 30 Jahren eine ähnlich freie Erzählweise über damalige Erlebnisse bieten können. Despektierlich gewiss, aber auch der Generation geschuldet und daher nicht böse gemeint. Für alles andere haben wir Jürgen Klopp und Philipp Lahm.

Frappierend ähnlich die letzte Aussagen derer, welche eine spannende Dekade an der Hafenstraße maßgeblich mitgeprägt haben: In dem Zeitraum der Interviews um 2010 hatte fast keiner mehr Kontakt zu RWE. Von „Der Verein kümmert sich auch kein bisschen um seine Vergangenheit“ bis hin zu „Aber ein bisschen abstossend ist natürlich das, was die in den letzten 25 Jahren aus dem Verein gemacht haben“ reicht die Bandbreite, welche sich leider zumeist auf ein „Nein, keinen Kontakt mehr“ reduziert.

Spannend auch zu lesen, wie sehr ein Willi Lippens zu dieser Zeit polarisierte. Fast ein jeder der ehemaligen Mitspieler hat ihn in der Rubrik „Nullsieben Fragen“ als bester oder lustigster Spieler auf dem Zettel. Bisweilen jedoch auch als Unruheherd, und das nicht nur für den Gegner, in Erinnerung. Gut zu wissen auch, dass eine Ente nach verlorenen Pokerpartien an den Fingernägel kaut. Und Harry de Vlugt als Schlaghosen Model: Privatfotos aus jener Zeit als großes Kino!

Schön zu lesen bei einigen die immer noch vorhandenen Emotionen, geht es um die Hafenstraße, die Fans und überhaupt den Verein! Dieses Schalke ist oft ein Thema, zudem wurde heimlich im Bus geraucht und fühlten sich  einige als Lieblinge von Herrn und Frau Breitbach, obwohl die Spieler bisweilen den Anschein hatten, dass dem Platzwart zunächst der Rasen und dann die Spieler ans Herz gewachsen waren.

Nun hat sich Karsten Kiepert von „Books on Demand“ über Taschenbücher zu einem Hardcover hochgeschrieben,  und wissen wir nicht, in welcher Verpackung sein nächstes rot weisses Werk gestaltet wird; Aber: Dieses Buch kann  getrost hübsch verpackt und unter den Weihnachtsbaum gelegt werden.IMG_1890