Das Lied des Adlers ist die Klage.
Da hatten wir mal so richtig Fußball am Sonntagabend. Und sogar mit dem tatsächlich und unwiderruflich nicht zu widerlegendem, weil verdienten, besseren Ende für uns. Da kann der Hildmann noch so lamentieren oder können die Preußen nahen Vertreter in Blog, Funk und Fernsehen anderer Meinung sein. So objektiv sollte man wenigstens einmal auch unter dem gerupften Adlerflügel sein. Was auf jeden Fall ein gemeinsamer Konsens sein kann und sollte: Nur aufgrund der ebenfalls starken Leistung der Preußen kam dieses packende Fußballspiel zustande, welches uns alle auf Herz und Nieren getestet hat.
Jetzt weiß man natürlich, dass man in Münster nicht gut darin ist, die Leistung anderer Mannschaften anzuerkennen, und die von Rot-Weiss Essen schon mal gar nicht. Aber dieses 1:0 in der Nachspielzeit, das war der Lohn für nicht nur diese überzeugenden neunzig Minuten zuvor, sondern vielleicht auch die logische Zusammenfassung der zuvor gespielten Saisonspiele. Endlich wurde die Leidenschaft und der Einsatz belohnt, zu welcher sich vergangenen Sonntag auch noch ein großes Maß an Kombinationsfreude gesellte. Jakob Golz darf sich endlich auf seine Kernkompetenz konzentrieren, die gegnerischen Bälle spektakulär zu halten, anstatt zu oft den eigenen Rückpass aufzunehmen, nach vorne zu dreschen oder im Dreieck springen zu müssen. Oder ein Andreas Wiegel stellvertretend für seine Mannschaftskollegen: es war eine pure Freude, ihm dabei zuzusehen, wie er die Seitenlinie rauf und runter malocht. Nebenbei noch sich selbst und das Publikum anfeuert. Auf die Socken bekommt, und direkt wieder weitermacht.
Man könnte jetzt die mittlerweile ausgelutschten Begriffe wie „Mentalität oder „mehr gewollt“ benutzen, um die Leistung von RWE zu kommentieren, aber dann würde es irgendwo in der inflationären Benutzung dieser Begriffe untergehen. Die Mannschaft von Christoph Dabrowski hat einfach einen geilen Fußball gespielt. Zudem von Anfang an keinen Zweifel daran gelassen, wer in diesem Spiel als Sieger vom Platz gehen wird. Das zu unserer Mannschaft immer mehr als die Elf auf dem Platz gehören, haben spätestens nach dem erlösenden Tor die Vollsprints auch von außerhalb des Spielfeldes in Richtung Torschützen gezeigt. Dem Platz war die Mehrbelastung zu diesem Zeitpunkt dann auch völlig wumpe, denn er hatte einmal mehr bereits bei Anpfiff aufgehört, in annähernd guter Verfassung zu sein. Hoffentlich bringen die kommenden Wochen der Spielpause nun die erhoffte Festigkeit, denn eine Verdichtungspause wird es sicherlich nicht nochmal in dieser Form so geben. Da hat der Unparteiische sehr viel Fingerspitzengefühl bewiesen.
Überhaupt hatten die vier Ordnungshüter auf dem Feld und an den Seitenlinien ebenfalls ihren Anteil an diesem fußballkulturellen Fußballhochamt, indem auch die zu erwartende Selbstdarstellung einiger Preußen im Block angemessen bewertet wurde. Komplett daneben die Benutzung von Knallkörpern und Raketen, die in heimische Blöcke geschossen werden sollten. Wie dämlich kann man eigentlich sein, speziell nach den vorherigen Vorkommnissen nun ebenfalls Knallkörper (auch nicht in dem Ausmaß) zu verwenden? Und der Vorsatz der Körperverletzung durch Raketen ist einfach nur kriminell. Das ist dann definitiv nicht mehr mit egal welchem Ansatz von eigener Erlebniswelt Fußball zu erklären oder zu verteidigen.
Aber man wäre ja nicht Preußen Münster, wenn man sich ebenfalls nun auf etwas stürzt, welches von RWE-Seite also mal so gar nicht in Ordnung war und zu einem lokalen medialen Skandälchen aufgebauscht wird. Man springt heute halt gerne über jedes noch so niedriges Stöckchen. Nein, wir haben Euch nicht vermisst. Das wurde Sonntag in vielen Facetten mal wieder deutlich. Wir spielen auch kein Derby gegen Euch. Ihr habt dafür Bielefeld und wir die Blauen. Von daher darf man das doch auch mal so flapsig kundtun, egal in welcher Funktion. Diesen Satz dann aber im Kontext von Eskalation & Deeskalation zu sehen, sorry, aber das ist einfach komplett albern. Also wer bei solch Satz schon zu eskalieren droht, der sollte schnellstmöglich einen Kurs für mentale Entspannung besuchen. Man könnte sich vorzüglich über die verschiedensten Stadionsprecher- oder Sprecherinnen der Ligen austauschen und würde niemals einer Meinung sein. Aber bei diesem Satz das Fässchen der Entrüstung aufzumachen, ist schon ein wenig peinlich, meiner Meinung nach.
Also: Wir haben Euch zwar nicht vermisst. Aber: Es macht trotzdem richtig Spaß gegen Euch zu spielen, mit Euch mal wieder in einer Liga zu sein und mit Euch einen solchen Erfolg unserer Mannschaft erlebt zu haben. Alles also eine Sache der Perspektive. Und einen Perspektivenwechsel, der täte manch einem rund um Preußen Münster vielleicht mal gut. Wir haben Euch schließlich nicht als fette, versiffte Taube bezeichnet. Es gibt aber noch ein Lob Richtung singender Gästefans: Ich kann es ja schon lange nicht mehr hören, wenn dieses „Söhne der im horizontalen Gewerbe arbeitenden Mütter“ angestimmt wird. Auch das nur noch öde, egal von wem. Dass das wie Sonntag aber sogar mit fast swingender Melodie versehen gesungen werden kann, das war neu und hat den Text fast vergessen lassen.
Es waren nun die zwei anwesenden Preußen-Fans in Block G1, die nach dem Spiel fair zum verdienten Sieg gratuliert haben, während ein älterer RWE-Fan mit missmutigem Gesicht und „wir spielen trotzdem gegen den Abstieg“ von dannen zog. Fußballfans, man kann uns einfach nicht verstehen und schon gar nicht über einen Kamm scheren. Und doch haben wir als Zuschauer des Spiels Rot-Weiss Essen gegen Preußen Münster alle gewonnen. Weil das Spiel für uns zelebriert wurde, welches wir so sehr lieben: Es war Fußball! Und so traurig es auch ist, dass der kürzlich verstorbene Forumsgründer „Adiole“ nicht mehr im Stadion war, so glaube ich doch, dass seine Ankunft auf Wolke 1907 ein bisschen der Grund für diese wunderschön in Rot getauchten Wolken war, die sich lange über dem Stadion hielten.