Die zwei Tennisbälle
Der Deutsche Fußball debattiert über den Einstieg von Investoren. Der ganze Fußball? Natürlich nicht. Den ganzen Fußball gibt es schon lange nicht mehr. Es geht also um den Einstieg von Investoren in die DFL, die bekannterweise nur die ersten beiden Ligen unter ihrem Dach vereint. Die erste Abstimmung scheiterte, da man die erforderliche Mehrheit aus dem Kreise der Erst- und Zweitligisten nicht bekam.
Die Verantwortlichen auf dem Podium waren bei der Verkündung pampiger als es Kleinkinder jemals sein könnten. Außer vielleicht Thomas Tuchel nach einer Bayern Niederlage. Es wurde anschließend ein wenig an dem Inhalt herumgebastelt, um sich dann einer zweiten Abstimmung zu stellen. Und in geheimer Mission klappte es dann: Vierundzwanzig der sechsunddreißig Vereine stimmten für „Yo, her mit der Kohle, auch wenn wir dann das Pokalfinale auf Bigeh Island in Ägypten spielen müssen“. Die dabei eventuell eiskalte und nicht bestätigte Rolle von Hannovers Folterknecht Martin Kind dürfte hinlänglich bekannt sein. Da wurde mal eben die 50+1 Regel außer Kraft gesetzt, wenn es stimmt, dass das Kind im Ohr gegen die Anweisung des Stammvereins Hannover 96 gestimmt haben könnte. Zudem ist es die geheime Abstimmung, die die Zornesröte in die Gesichter vieler Fans hat steigen lassen.
Die Fanszenen der Republik sind seit diesem Zeitpunkt auf Krawall gebürstet, und nicht nur die der ersten beiden Ligen. Wenn Investoren übernehmen, leiden immer mehr Vereine, als dass einige daraus ihren (kurzfristigen?) Nutzen ziehen können. Man wird unterhalb der DFL einfach abgehängt, wie ein Waggon von der Lok oder Bayern von Bayer. In der DFL reagiert man nun genervt. Frei nach dem Motto: „Jahaaa, wir haben verstanden, dass Ihr sauer seid. Aber nun ist auch mal gut, wir machen eh was wir wollen“.
Und genau an diesem Punkt hat sich die DFL verkalkuliert: Man will ja unbedingt der Premier League hinterherhecheln. Mit all ihrem Geld, der schönen Sterilität auf den Tribünen. Der Möglichkeit, stehende Fans mittels App zu denunzieren oder des Stadions zu verweisen. Man möchte auf Höhe Mittellinie in aller Ruhe seine Schnittchen und den Prosecco genießen und dabei nicht von rotzigen Fans gestört werden. Eigentlich möchte man den Fußball zu Lockdown-Zeiten zurück. Funktioniert so natürlich so nicht. Und genauso, wie sich viele aktuell für die Demokratie gerade machen und auf die Straße gehen, weil es dafür Protest bedarf, findet auch Protest auf den Tribünen statt.
Finden vor allem Springer Leute wie Alfred Draxler oder Marcel Reif natürlich doof. Oder manch Doppelpass Diskutanten, die gefühlt die ganze Woche dort im Sessel verbringen, und nur für die Sendung geweckt werden. Als Speerspitze des Stadionprotests fungieren die sogenannten aktiven Szenen, sehr zum Ärger mittlerweile bereits nicht weniger Tribünenbesucher, die einfach nur ihren Fußball konsumieren wollen. Auch das ein berechtigtes Ansinnen. Wird aber nicht protestiert, finden Spiele vielleicht am Dienstagmorgen um 7:30 Uhr statt, weil dann irgendein Sender in irgendeiner Zeitzone gerade Prime-Time hat und die Senderechte für Hoffenheim gegen Heidenheim gekauft hat. Da ist dann eh nichts mehr mit Stadionbesuch.
Kurzum: Der Protest ist also berechtigt und angekommen. Aber er muss leider weitergehen, um auch was zu bewirken. Doch dabei sollten auch die Akteure auf den Tribünen Spielregeln beachten und den berechtigten Protest nicht für bisweilen justiziable Aktionen missbrauchen. Wir kennen das von den Treckern und den Klebern. Belassen wir es doch bei den Tennisbällen (wie um Himmels Willen bekommt man die eigentlich mit rein?) oder Schokotaler. Aber Fahrradschlösser an Toren oder gar jemand ins Fadenkreuz zu nehmen, das geht einfach nicht und schadet der Sache mehr als es nutzt. Da haben sich die Szenen von 96 und dem HSV schlicht ein Eigentor geschossen. Das bedarf dringender Korrektur.
Ein Protest nimmt nur dann alle mit, wenn er sich an gewisse Regeln hält und diese nicht überschreitet. Ansonsten werden die klugen und gemäßigten Köpfe aus den Vereinen mit ihrer Forderung nach einer neuen, offenen Abstimmung einfach ins Nichts laufen. Der DFB und die DFL haben schon so viel Beschlüsse gegen den Fußball und die Fans als Seele des Fußballs unternommen, die sitzen das einfach eiskalt aus. Und kriminelle Aktionen geben den Verbänden dabei sogar Recht. Also nochmal: Das Recht auf Protest ist unabdingbar und ein hohes Gut unserer demokratischen Gesellschaft. Aber wir müssen einen Weg finden, dass der Protest der Tribünen letztendlich zu einer Lösung führt, mit der alle im Profifußball leben können. Auch und vor allem die Fans. Denn ohne Fans gibt es keine bunten Bilder mehr, die man medial verkaufen kann….