Je länger eine Glocke geläutet wird, umso schöner wird der Ton.

„Je länger eine Glocke geläutet wird, umso schöner wird der Ton“. Ein Zitat von Sebastian Kneipp vor Augen löste plötzlich und unerwartet alle schon gespeicherte Notizen auf der geistigen Festplatte ab. Eigentlich sollte der Blick in das RWE- Forum der Frage gelten, wie im Spieltagsthread mit dem Drama von Dresden umgegangen wird. Doch dann wurde es in der Magengrube noch etwas mulmiger als nach dem späten Ausgleich von Dynamo allein schon. Glockenhorst ist verstorben.

Irgendwann in den vergangenen Tagen muss dieses traurige Ereignis passiert sein. Die Glocke, die immer und überall dort, wo RWE gespielt hat, geläutet wurde, sie wird nie wieder erklingen. Jedenfalls nicht mehr bei einem Spiel von Rot-Weiss Essen im Stadion. Es ist nicht nur die Traurigkeit über den Verlust von Glockenhorst, der im bürgerlichen Leben Horst Gehle hieß und am 05.12.1949 geboren wurde, sondern auch das Bedauern darüber, dass uns Glockenhorst wohl ganz allein und bis Sonntag unentdeckt verlassen musste. Dabei hatte er doch in Rot-Weiss eine der größten Familien, die es geben kann, war ein wichtiger und geliebter Teil davon. Das sollte uns umso mehr dafür sensibilisieren, füreinander da zu sein. Aufeinander aufzupassen. Einfach mal melden oder nach dem Rechten schauen.

Vergessen werden sollte auch nicht, dass er leider nicht immer für alle der zutiefst gemochte und respektierte Fan war. Früher gab es auch schon mal Hohn und Spott für ihn, wenn er das eine Bier zu viel hatte und entsprechend in Bus oder Bahn gefilmt wurde. Ah, und natürlich musste das dann ja auch noch geteilt werden, weil doch so lustig… Nee, war es nicht. Deshalb ist es eine ganz wunderbare Geschichte, dass Glockenhorst und alle anderen Fans von Rot-Weiss Essen irgendwann nur noch in inniger Verbundenheit und gegenseitigem Respekt emotional tief miteinander verbunden waren. Von den jeweiligen Spielern ganz zu schweigen. Er hatte sie alle mit seinem Charme. Die Glocke im Spielverlauf nicht mehr wegzudenken.

Egal ob nun im Stadionumfeld, oder im Stadion selbst: Irgendwann kam Glockenhorst vorbei gebraust, den Rolli immer schön auf Tempo 1907 gepimpt. Das schelmische Grinsen voller Vorfreude auf das Spiel seiner Roten unter respektablen Schnorres dabei Programm. Natürlich die obligatorische Pappe mit mindestens einmal „Halleluja“ und „Stauder“ drauf immer dabei. Mittlerweile war Glockenhorst auch medial eine oft und gern genommene Perle der vielfältigen Essener Fußballkultur.

Was bleibt, ist sicher nicht nur seine Ansage an einige Oberhausener Fans, die wohl immer noch vor Angst schlottern dürften, sondern vor allem auch, dass wir in fünf Jahren endlich wieder die Bayern schlagen werden. Darauf ebenfalls ein Halleluja. Müsste dann 2027 sein, der Sieg gegen die Bayern. Sicherlich im DFB-Pokal, werden die Bayern bis dahin wohl kaum in die 3. Liga abgestiegen sein. Aber den Sieg nehmen wir natürlich auch. Auf jeden Fall werden wir dann sicher noch einmal ganz besonders an den freakigen Glockenhorst, diesen einzigartigen Fan der Hafenstraße, denken.

Nun wird es den noch obligatorischen allerletzten Weg gehen, den wir alle eines Tages gehen müssen. Aber wenn wir wissen, wo und wann Glockenhorst diesen letzten Weg antreten wird, vielleicht können wir ihn auf diesem Weg begleiten. Wenigstens einige von uns. Denn dann müsste er nicht nochmal allein gehen, so wie er im Stadion auch niemals allein war. Lieber Horst Gehle, ruhe in Frieden und grüße uns all die Rot-Weissen da oben, die Dich nun in Empfang nehmen werden. Und wenn ich mir etwas wünschen dürfte, dann wäre es, dass Deine Glocke fest an Deinem Platz montiert wird. Es sollte sie keiner läuten, denn das gebührte nur Dir. Aber es wäre eine würdige Hommage.

4 Kommentare

  • Avatar von Achim W.

    Ruhe in Frieden lieber Glockenhorst

  • Avatar von Zato1907

    Sehr schön geschrieben😢
    Ruhe in Frieden, Horst!

  • Avatar von trotzalledem

    Danke für deinen, wie immer treffenden und einfühlsamen Text.

    Mach‘ et gut, Horst!

  • Avatar von Harry

    Der beste Nachruf von all‘ dem bisherigen Geseihre, das ich bis jetzt ertragen musste.

    Und wenn wir uns da oben wiedersehen Glockenhorst, dann reden wir nicht nur über alte Zeiten abseits vom Stadion und Auswärtsfahrten, sondern auch darüber ob Du auch was von dem Reibach hattest, den die Pottoriginale mit Dir gemacht haben. In ein paar Stunden geht das Pfand spenden los. Ein Platz wird leer bleiben, ein Ton bleibt ungehört. Aber die Erinnerung bleibt und wird mit den Jahren immer schöner.

    In diesem Sinne:

    Hallelujah!

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