Von kleinen Helden und großem Kampf.
Es mag etwas verwundern, aber der Gewinner dieses überaus aufregenden zehnten Spieltags in der 3. Liga ist für mich die SpVgg Unterhaching. Und dass, obwohl es auf dem Feld bei der mittlerweile von beiden Seiten als Münchner Derby akzeptierten Begegnung gegen den TSV 1860 gar keinen sportlichen Gewinner gegeben hat. Aber die Hachinger punkten immer wieder auch neben dem Platz und stellen soziale Randthemen in den Vordergrund, für die im Alltag einfach kein oder kaum mehr Platz ist.
Zuständig dafür hauptsächlich die Initiative „Haching schaut hin“, die vielleicht vergleichbar ist mit unseren wunderbaren Essener Chancen. An diesem Sonntag Abend im Hachinger Sportpark liefen diesmal keine Jugendkicker mit den Mannschaften auf, sondern schwerstkranke und sterbende Kinder der Kinderpalliativstation aus dem Klinikum „Rechts der Isar“. Für die Angehörigen dieser so tapferen jungen Menschen und dem betreuenden Personal aus dem Team „kleine Riesen“ gab es zudem 100 Freikarten. Und wer dann am Empfangsgerät in die leuchtenden Augen dieser kleinen Riesen schauen konnte, der konnte nicht umhin, eine Träne zu verdrücken.
Adi Preißler hat leider nicht immer ganz Recht mit seiner These. Denn diesmal war wichtig vor Anpfiff. Wir bei RWE trauern gerade um Glockenhorst. Aber wir dürfen wenigstens dankbar sein für die vielen Jahrzehnte, in denen Glockenhorst auf seine ureigene Art eine prägende Figur der Hafenstraße war. Diese Kinder der Palliativstation, die haben nicht mal eine Chance im Leben, das eigene Leben zu genießen um ihrerseits eines Tages etwas über Jahrzehnte zu prägen. Sei es im privaten und beruflichen Bereich. In der Freizeit. Als Fan. Es wird ein kurzes Leben werden. Es ist so ungerecht, so tragisch.
Aber an diesem Abend im Hachinger Sportpark, da waren sie unsterblich und so viel mehr Sportler als die Spieler der beiden Mannschaften. Man hat es Alexander Klich am Mikrofon angemerkt, dass er froh war, als das Spiel angepfiffen wurde. Seine Empathie wurde auf eine harte Probe gestellt, aber er hat diese Probe bewundernswert gemeistert. Also: Vergessen wir nicht die auf unserem Weg, die vielleicht nicht so schnell und so laut unterwegs sind, wie wir selbst. Halten wir inne und hören hin, wo es Hilfe bedarf. Es wird nichts daran ändern, dass auch weiterhin Kinder unheilbar erkranken und viel zu früh sterben. Aber vielleicht können wir es durch mehr Miteinander schaffen, dass man nicht alleine gehen muss, so wie unser Glockenhorst. Das Leben ist nicht nur im Stadion. Lag mir auf dem Herzen.
Zurück zum Sport, und da sind wir direkt bei dieser wilden Sause, die uns unser RWE und Dynamo Dresden Sonntag beschert haben. Ein Spiel, welches man nicht ruhig sitzend vor dem Monitor verfolgen konnte. Möglicherweise habe ich in Sachen Bewegungsintensität den Gegenpart zu Dabro auf der anderen Seite des Spielfeldes gegeben. Bei weniger aufregenden Spielen, die ich nicht selbst im Stadion bin, hole ich mir schon mal frisch gewaschene Knickwäsche hinzu, um meine Nervosität zu kanalisieren. Das ging Sonntag nicht, kein Schlüpper wäre in Normalform in den Schrank gewandert. Führung – Ausgleich – wieder Führung – Ausgleich – noch ne Führung – Ausgleich anstatt zuvor Abpfiff.
Ich war empört. Und das lautstark in nicht zitierfähigem Vokabular. Ich hätte es unserer Mannschaft und uns allen so sehr gewünscht, diese ersten drei Punkte jemals aus Elbflorenz heim an die Hafenstraße zu bringen. Flanke, Kutschke, Tor! Machste nix dran, außer den Sekundentod als Fan zu erleben. Aber dann kam schnell die Erkenntnis zurück, dass ich im Vorfeld des Spiels blind für einen Punkt unterschrieben hätte. Es war ein spielerisch wie kämpferisch sehr guter Auftritt unserer Mannschaft, da kann man keine Vorwürfe machen. Mit Abstrichen allerdings in der Entstehung des Ausgleichs zum 2:2: da waren wir lediglich Begleitservice, anstatt mal das lange Bein auszufahren oder den Körper in den Weg zu stellen. Meinetwegen auch einfach umhauen. Hauptsache am Schuss hindern.
Aber ich kann gut reden, als Fan weiß man sowieso meistens (Kirsche immer) alles besser. Allein der Eitschberger Wahnsinn, das kannst du doch keinem erzählen: Während man noch über den Bock zum 1:1 kollert, haut der gleiche Spieler nicht mal eine Minute später den Ball auf der anderen Seite in die Maschen. Kollektives Ausrasten nicht nur im Fanblock. Oder die dritte Führung: was für ein Zuspiel, und wie cool die Vollendung von Owusu. Es war ein wilder Ritt. Und es wird tatsächlich von Spiel zu Spiel in Nuancen besser. Besser in der Abstimmung untereinander, besser im Spiel nach vorne. Besser in der Emotionalität.
Es ist einfach eine Tabellenkonstellation frisch aus der Tabellenkonstellationshölle, welche uns weiterhin umtreibt. Das ist alles so nah beieinander, der reine Fußballfan darf begeistert sein. Aus Sicht eines Fans jedoch nervenaufreibend, wie sich aktuell alles darstellt. Keiner ist oben wirklich weg, keiner ist unten wirklich abgeschlagen. Und eigentlich helfen allen Mannschaften zur Zeit immer nur drei Punkte. Sehr schade, dass diese so spannende und ausgeglichene Liga finanziell immer ein Wackelkandidat bleiben wird, obwohl das Zuschaueraufkommen allein für ein solides Fundament an Interesse steht. Kann da eine dritte Liga weltweit mithalten?
Ich kann nicht nachvollziehen, warum ganz oben drei bis vier Vereine alles an Geld abgreifen und auch gar keinen Hehl daraus machen, dieses nicht ändern zu wollen, anstatt eine Umverteilung in Gange zu setzen, die es auch den Vereinen der unteren Ligen wenigstens ermöglicht, entspannt zu atmen. Der Erfolg sei ihnen doch gegönnt, davon haben wir nichts. Aber emotional betrachtet ist die 3. Liga möglicherweise mehr erstklassig als so einige Vereine der ersten Liga. Und wenn nun die Bayern, die Dortmunder oder Leverkusen die eine Million weniger bekommen, da ändert sich dort nichts. Gar nichts ändert sich dort. Aber für die Vereine der 3. Liga könnte es Überleben in Gegenwart und Zukunft bedeuten. Außer ein paar wenigen komplett emotionslosen Geldsäcken in den Vorstandsetagen der Großen kann doch keiner eine 3. Liga wollen, die eines Tages zur Hälfte aus Zweitvertretungen besteht und zur anderen Hälfte aus Klopps noch zu schaffenden Brauseablegern.
So weit sind wir glücklicherweise noch nicht, aber auch nicht mehr allzu weit davon entfernt. Deshalb sollten wir so Spiele wie das in Dresden umso mehr genießen. Es hat mich absolut abgeholt. Dieses Stadion, diese Kulisse, dieses Spiel: Wir machen uns einfach immer unsere eigene erste Liga. Rostock – Aachen, Bielefeld – Osnabrück oder auch Haching gegen die Streitlöwen. Das ist der Fußball, den wir lieben! Nun kommt Mittwoch der SC Verl an die Hafenstraße. Wer jetzt meint, unsere Mannschaft könnte da nach dem Kracher in Dresden und Rostock vor der Brust etwas an Spannung verlieren (nicht despektierlich dem SC Verl gegenüber gemeint), dem kann schnell geholfen werden: Es gilt zum einen ein 0:5 aus der Vorsaison gutzumachen und zum andern wird dieses Spiel das Abschiedsspiel für einen der Größten, den die Hafenstraße jemals erlebt hat. Das Spiel findet im Namen der Glocke statt. Bei einem wie ihm wäre ich eher bei Applausminute, anstatt eine Minute zu schweigen. Der Dank gilt schon jetzt der FFA, die eine Spendenaktion zugunsten der Bestattung von Glockenhorst gestartet hat.
Müssen wir abschließend noch einmal kurz über Vinko Šapina reden? Gut, können wir machen: Da wurde im Vorfeld einfach zu viel aufgebauscht. Es ist erbärmlich, zu was sich Menschen berufen fühlen, ungestraft in die Tasten zu hauen, wenn ein Spieler wechselt. Das tut mir leid für alle Spieler, die davon betroffen sind. Geht gar nicht! Lasst es endlich sein, Ihr ändert dadurch nichts. Letztendlich war es leider nur ein halbes Jahr richtig guten Fußball anne Hafenstraße. Schon zur Winterpause hatte man das Gefühl, da will jemand weg, am liebsten nach Ulm. Danach dann wieder salbungsvolle Wörter, aber nicht mehr die entsprechende Leistung, sicher auch gebremst durch Verletzungen. Eventuell wird es zum Rückspiel wieder medial losgehen und wird schon laut gepfiffen, da dann nun mal unser Heimspiel. Aber ansonsten ist doch alles gut so. Fußball und Business halt. Also: Sich selbst nicht ganz so wichtig nehmen, verletzungsfrei bleiben und eine gute Saison spielen. Das wünsche ich Vinko Šapina. Bis auf die 90+x Minuten im Rückspiel natürlich.
Danke für diesen tollen Kommentar. Hatte überhaupt nicht mitbekommen, welch tolle Aktion Unterhaching da unternommen hatte. So ein überschaubarer und doch so löblicher Einsatz und soviel unbezahlbaren Ertrag. Das geht zu Herzen und wird den jungen Menschen hoffentlich etwas Kraft geben Deine Kommentierung des Dresden-Spiels teile ich zu 100 %. Auch ich habe mindestens 10 Mal das Wort Nein im Wechsel mit dem Wort Sch…. geschrien im Gefühl der kompletten Ohnmacht. Natürlich Kutschke, wer auch sonst… Trotzdem ein tolles Spiel unserer Mannschaft, die so Potenzial zu haben scheint Jetzt bitte gegen Verl dran bleiben und den Sack zumachen. Danke nochmal für deine Kommentare, die ich immer wieder gerne lese. Herzliche Grüße, Karsten Fähndrich von der GMS-Initiative