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„Nun sei bedankt, mein lieber Schwan!“ (Richard Wagner)

Es klingt vielleicht etwas ungerecht der Mannschaft von Rot-Weiss Essen gegenüber, wenn ich schreibe, dass mein schönster Saisonmoment vergangenen Sonntag um ca. 14:02 Uhr in Nordhorn während der nachmittäglichen Hunderunde stattgefunden hat. Das Handy brummte und es ploppte die Nachricht vom Ausgleich des FSV Zwickau kurz nach Beginn der zweiten Halbzeit in Wilhelmshaven als Gast des VfB Oldenburg auf. Ein Aufschrei, fast zog es mich gar zu Boden.

Das erste Tor der Oldenburger noch am TV mitbekommen, wollte ich mir das dann lieber doch nicht weiter anschauen und weidete mich in meinem RWE-Fatalismus. Doch änderte dieses Ausgleichstor unerklärlich einiges, wandelte Angst vor dem Abstieg in einen Schwanensee bis zum Abpfiff der Begegnung im Jade-Stadion. Rot-Weiss Essen hat auf der vielzitierten Couch die Klasse gehalten und es bleibt einfach nur zu sagen: Danke FSV Zwickau für diese couragierte Leistung trotz schon feststehenden eigenen Abstiegs. Der VfB Oldenburg ist nach dem Ausgleich regelrecht zusammengeknickt und hat es dann einfach nicht mehr hinbekommen.

Und genau da lag bis zum Ausgleich meine Angst begründet: Hätte der VfB seine letzte Chance auf den Klassenerhalt gewahrt, und die Schwäne meinetwegen mit 3:0 bezwungen, dann wären wir dermaßen in der Verlosung drin gewesen, und hätte der eh schon fast unmenschliche Druck auf Mannschaft und Verein noch ungeahntere Ausmaße angenommen. Ich hätte schlimmes für das letzte Heimspiel gegen einen immer unangenehmen SC Verl befürchtet. Aber nun ist es vorbei, dieses bleierne Gefühl, alles in einer Saison zu verspielen, worauf wir vierzehn lange Jahre gewartet haben. Wenn der Berg nicht zum Propheten kommt, muss der Klassenerhalt eben zu RWE gehen.

Fast schon zynisch, dass der FSV Zwickau durch eigenes Leid im Grunde genommen gleich zweimal unseren Drittliga-Poppes gerettet hat. Aus der Erfahrung der vergangenen Wochen und Monate glaube ich nämlich nicht unbedingt, dass wir das Spiel in Zwickau noch gewonnen hätten. Aber es ist jetzt natürlich müßig, sich darüber noch Gedanken zu machen. Wir blieben drin, und Aufstiegshelden bleiben Aufstiegshelden. Auch das ein wichtiger Fakt meiner Gefühlslage. Ich hätte es kaum ertragen können, wenn diejenigen, die uns zum Aufstieg verholfen haben und nicht bleiben dürfen, nun als Absteiger verlassen müssten. So können wir sie nun gebührend verabschieden und sie ihrerseits voller Stolz einer neuen sportlichen Aufgabe entgegensehen.

Engel, Herze und Ötzi (stellvertretend genannt), glaubt nicht, dass wir jemals vergessen, was Ihr und Eure Mitspieler für Rot-Weiss Essen und für uns Fans mit dem Aufstieg und der einzigartigen Pokalsause geleistet haben. Und natürlich auch mit dem Klassenerhalt, denn sicherlich ist dieser nicht nur dem FSV Zwickau zu verdanken. Wir hatten auch den einen oder die anderen schönen Momente diese Saison, die dann tatsächlich zu den Punkten geführt haben, die uns immer über dem Strich hielten. Zwischendurch haben wir uns aber zu sehr darauf ausgeruht, das war vielleicht inhaltlich eher kontraproduktiv. Würde die Saison noch länger dauern, wären wir eventuell doch noch abgestiegen, so wie sich die Dinge entwickelt haben.

Gewinner des vergangenen Spieltags die Fans des VfB Oldenburg! Wie stolz und würdig mit dem Abstieg umgegangen wurde, das nötigte unglaublich viel Applaus ab. Der Zusammenhalt zwischen Mannschaft und Fans war spürbar. Ein ähnliches Szenario bei Abstieg hätte es bei uns leider wohl nicht so gegeben. Das mit dem nachhaltigen Respekt müssen wir noch hinbekommen.

Bier bewusst genießen.

Ein Schiedsrichter wurde gezielt Zielscheibe einer Ladung Bier mitten ins Gesicht. Der Werfer hat sich dazu ganz bewusst den Weg Richtung Tribünenmitte gebahnt, um so sicher wie nur möglich zu treffen. Herzlichen Glückwunsch, das hat prima geklappt. So gut, dass nun ein richtig hoher Preis dafür fällig wird. Für den gastgebenden FSV Zwickau zum einen, aber auch für den Helden des Tages selbst. In diesem Falle: Hoffentlich! Die einmal mehr weit gereisten Fans des RWE bekamen für ihren wie immer hohen monetären Aufwand somit leider nur die Hälfte des Spiels beim FSV Zwickau geboten. Und auf die Punkte muss man auch noch warten.

Es ist richtig, dass der Unparteiische diese Entscheidung getroffen hat. Da sollte es keine zwei Meinungen geben, auch wenn die Kommentarspalten natürlich wie zu erwarten voll von Meinungen sind, die dem Schiedsrichter nun mimosenhaftes Gehabe unterstellen. Im harmlosesten Falle natürlich. Wir kennen mittlerweile derlei Auswüchse zu Genüge und realistisch betrachtet: Dieses Rad der digitalen Geschichte werden wir leider nicht mehr zurückdrehen können, dazu sind wir Menschen zu unsolidarisch. Die Gilde der Unparteiischen in sicher ziemlich vielen Sportarten kämpft also den Kampf, den schon Don Quijote gegen die Windmühlen geführt hat.

Für viele Fußballfans ist die Bierdusche zwar das Parfum der Stehränge, der Duft von Toren und Triumph. Ein Zeichen hemmungsloser Emotion und Freude. 

Aber diese gesehene Handlung nach dem Halbzeitpfiff der Begegnung FSV Zwickau – Rot-Weiss Essen hatte nichts davon. Sie sollte als Befriedigung der eigenen sportlichen Frustration dienen. Inhaltlich war der Frust anhand der zwei zuvor getroffenen Entscheidungen gegen die eigene Mannschaft sogar noch nachvollziehbar. Wie hätten wir als RWE-Fans da empfunden? Emotional sicher genauso. Und wie immer ist die Schiedsrichterei für eine Fanseite so gut wie niemals unparteiisch. Wir wissen ja schon oftmals vor Anpfiff, das der angesetzte Schiri niemals für uns pfeift, da er doch damals in XY den Elfmeter gegen uns gepfiffen hat. Und oftmals bestätigt natürlich der Spielverlauf die eigene negative Haltung. Der Fußballfan an sich fühlt sich im Kern seiner Leidenschaft immer durch Fehlentscheidungen auf dem Feld in seinem Wohlbefinden bedroht. 

Rechtfertigt das aber eine solch übergriffige Handlung? Absolut nicht. Was käme denn dann als nächstes? Teeren und Federn mit Pommes und Mayo? Oder müssen Trikot und Pfeife vor der Kurve niedergelegt werden? Früher wussten wir lediglich, wo sein Auto steht. Heute wollen wir es direkt abfackeln. Nee, das geht so nicht weiter. Aber wenn doch, dann sind es ausnahmsweise mal nicht die Verbände, die unser Spiel bedrohen, sondern wir selbst. Denn wer möchte in Zukunft noch Schiedsrichter werden, wenn er oder sie Gefahr läuft, nur noch Zielscheibe von Hass und Häme zu werden. Schiedsrichter leiten ein Spiel. Und somit sollte ihnen schon dafür Respekt gezollt werden. Unabhängig eben davon, wie man mit der Leitung je nach Vereinszugehörigkeit zufrieden ist. Aber wenn eines Tages keiner mehr die Spielleitung übernehmen mag, dann kann eben nicht mehr gespielt werden. So einfach ist das! 

Leider sind es nicht nur wir Fans und das gesellschaftliche Spiegelbild, die Anteil daran haben, dass Unparteiische immer öfter zu Freiwild werden: Es ist da auch der VAR der im Ansatz an seiner eigenen Idee erstickt ist, und die Schiedsrichter und Schiedsrichterinnen immer öfter als Deppen der Nation dastehen lässt. Viele von ihnen kommen gar nicht mehr dazu, in den quälenden Minuten der Kellersichtung auf dem Feld eine souveräne Figur abzugeben. Und auch das Verhalten der Spieler hat in den vergangenen Jahren immer mehr zum Verlust des Respekts den Schiedsrichtern gegenüber beigetragen. Ein erfolgter Pfiff hat zu oft zur Folge, dass alle wie wild auf den Mann oder die Frau an der Pfeife zustürmen, herumbrüllen, an die Wäsche gehen und so weiter und so fort. Oder diese peinlichen theatralischen Darbietungen, die einen Pfiff hervorrufen sollen und doch nur eine Schwalbe sind. Das Fordern von Karten, auch so ein No Go.

Es gibt also so viele Mechanismen, die das Amt und die Würde eines Schiedsrichters so unglaublich erschweren. Ja, Nicolas Winter hat keine guten fünfundvierzig Minuten erwischt, um beide Fanseiten von einer souveränen Leistung sprechen zu lassen. Aber er hat eine gute Entscheidung im Sinne des Fußballs und dem Respekt ihm gegenüber getroffen. Wer würde denn von uns gerne weiter Kunden bedienen, nachdem diese uns aus Unzufriedenheit über die Beratung einen halben Liter Bier ins Gesicht „geschmissen“ haben?

Genau!