Monatsarchive: Februar 2023

Hall of Fame.

Drei Punkte. Die geholt, macht es exakt den gravierenden Unterschied zu einem oder gar keinen Punkt aus, mit welcher Laune man nach dem Spiel das Stadion verlässt. Drei Punkte tun gut, sind Balsam für die Seele und wichtige Bausteine für den Klassenerhalt. Der Abpfiff im Spiel gegen die Zwote der Borussia somit nicht nur ein Moment des Arme in die Höhe reissen, sondern ganz besonders auch einer der Erleichterung. Da lag mal wieder jede Menge Druck auf unserer Mannschaft und dem Trainerteam. Und das trotz der erstaunlichen Tatsache, dass wir uns wohl zu sehr an der beinahe glorifizierten Zeit ohne Niederlage festgehalten haben.

Die mittlerweile fast ebenso lange Zeit ohne einen Erfolg fand dadurch gefühlt eher unter dem Radar statt. Es war dann der spielerische Auftritt inklusive verdienter Niederlage bei der Kölner Vikki, welcher in Windeseile auf den Schirmen der rot-weissen Fluglotsen aufploppend, für Alarm sorgte. Nun galt es also gegen die Anzahl der sieglosen Spiele zuzüglich mal wieder aufkommender Unruhe anzukämpfen, und was soll man schreiben: Das ist Rot-Weiss Essen vorzüglich gelungen.

Exkurs:

  • Wie sehr auch Spieler unter einer langen erfolglosen Serie leiden, konnte man eindrucksvoll an den TV-Bildern nach dem Spiel SV Meppen – 1860 München sehen, als die Emsköppe nach sage und schreibe siebzehn Spielen ohne Sieg wieder gewinnen konnten: Gleich mehrfach sanken die Spieler des SV Meppen zu Boden und konnten ihre Tränen nicht zurückhalten. Wir können also wirklich damit aufhören immer direkt so zu tun, als ob sieglosen Phasen ausschließlich an unserer Fanseele kratzen. Da leiden ganz viel mehr. Besonders auch die Protagonisten auf dem Feld.

In der ersten Halbzeit gegen den BVB war unserer Mannschaft deutlich anzumerken, dass sie es diesmal besser machen würde, auch wenn manch gut gemeinter Pass einfach nicht dem Laufweg des angedachten Empfängers entsprechen wollte. Es war eine engagierte Leistung, die sich die (wenigen) unüberhörbaren Pfiffe zur Halbzeit nicht verdient hatte. Vielleicht pfiffen auch nur diejenigen, die schon unter der Woche ständig via verbaler Kommunikation daran arbeiten, alles schlecht zu schreiben. Sei’s drum, das wird es immer geben, da muss man sich ein dickes Fell anschaffen.

Exkurs:

  • Was ich mich in diesem Zusammenhang gerade frage: Wieso wurde eigentlich „Engel“ eingewechselt? Nach gesicherten geheimdienstlichen Erkenntnissen und geknackter RWE-Chiffriermaschine sollte er doch nie mehr für RWE auflaufen. Echt jetzt: Auf Nichts ist mehr Verlass!

Leider kann ich nicht pfeifen, bekomme das motorisch nicht wie gewünscht hin. Ansonsten hätte ich voller Freude dem 1:0 von Thomas Eisfeld hinterhergepfiffen: Welch eine Schönheit von einem Schuss. Der Erweckungsmoment für die Mannschaft, das ganze Stadion und die Redaktion der Sportschau. Das Tor des Monats Februar: Nur echt mit Rot-Weiss! Das 2:0 in Entstehung und Vollendung ein weiterer Hingucker: Balleroberung – butterweiches Zuspiel – aus dem Lauf geköpft…alles zusammen wie eine perfekte Kombination auf dem Laufsteg. Den sogenannten zweiten Ball festmachen oder auch mal beherzt aus zweiter Reihe pöhlen, es sind manchmal die einfachen Zutaten, die einen auf der Tribüne erfreuen und eigentlich ja auch schon in Halbzeit Eins das ein oder andere Tor verdient gehabt hätte. Da die Gottschalk Tribüne bei diesem Spiel ja wieder mehrheitlich von RWE-Fans bevölkert wurde, war die Freude über diese beiden Tore so direkt vor Augen sicherlich noch den Tacken größer.

Die Gottschalk-Tribüne an sich ist mittlerweile das Chamäleon der Hafenstraße: Je nach Gegner wird ständig die Farbe gewechselt, aber auch der Charakter wandelt sich durchaus schon mal. Den Block „G1“ als dauerhaft festen Heimbereich auszurufen war eine gute Idee. Nicht nur, um dadurch die Kapazität im sogenannten Heimbereich zu erhöhen. Zwar stellen wir Stammgäste in „G1“ mit Dauerkarte noch den kleinsten Anteil der Fans (im Gegensatz zu den anderen drei Heimtribünen), was eine gewachsene Struktur erschwert, aber dafür bekommen wir ständig was geboten:

Regelmäßige Gäste mittlerweile eine Truppe niederländischer Groundhopper. Zuerst noch in Zivil, dann schüchtern mit Fischerhut wird mittlerweile in vollem RWE-Outfit supportet, was die niederländischen Stimmbänder hergeben. Noch nicht immer ganz textsicher wird aber das R von RWE dermaßen landestypisch gerollt, da dürfte selbst „Ruthe“ bei seiner Version von José-Enrique Ríos Alonso blass vor Neid werden. Standesgemäß, wie Niederländer das nun mal so machen, knubbelt man sich natürlich auch auf engstem Raum beieinander und verteilt somit nicht nur fleißig Stauder sondern auch Viren in der Luft. Was für den einen oder die andere schon mal positive Folgen hatte. Fazit: Man muss sie einfach mögen, denn dem guten Virus, dem von RWE, dem sind sie direkt verfallen.

Eine weitere Spezies in „G1“ ist die der Inkognito-Besucher bei Spielen mit vielen Gästefans. Dem Gastverein zugehörig dürfen sie ja offiziell nicht die Farben des eigenen Vereins vertreten. Doch als geübter Dauergast erkennt man sie trotzdem: Manchmal spricht schon der Dialekt für sich, denn wir könnten uns noch so anstellen: Nur Sachsen beherrschen sächsisch perfekt. Und so wurden zwei komplette Sitzreihen unter uns durch laut gemurmeltes „Dünamö“ schnell dem Gastverein zugeordnet. Aber die taten nichts, sie wollten nur dem Spiel zuschauen. Wie wir auch.

Weiterhin ist der Versuch, möglichst unauffällig zu wirken, genau die auffälligste Art und Weise und somit kontraproduktiv. Irgendwie dem eigenen Verhalten in den 80ern bei einem Tagesbesuch in Ostberlin ähnlich. Nur nicht auffallen. Regelrecht ungeniert hingegen die vier Fans der SV Elversberg, die ihrer Freude beim ersten Saisonspiel dermaßen freien Lauf ließen, so dass sie nach dem dritten Tor dann doch zur eigenen Sicherheit aus dem Block begleitet wurden. Im Spiel vergangenen Sonntag wiederum eroberten einige Narren „G1“ und ließen ihre karnevalistischen Gefühle einfach mal raus. Polonaise inklusive.

Eine kleine „Hall of Fame“ gibt es auch schon und die beiden ersten dafür in Frage kommenden Fans im internen „G1“ Ranking sind natürlich Rot-Weisse! Zum einen würden wir gerne eine Heavy Metal Kutte unter das Stadiondach hängen, dessen Träger stilecht im Modus der 80er im Block aufschlug. Dauerwelle, Schnorres, rot-weiße Kordel und eine dermaßen enge Jeans mit Schlag, so dass die eigenen Hoden Phantomschmerzen verspürten. Altenessen rules! Und zum anderen hängen wir direkt daneben den Kassenzettel desjenigen Fans, der schon vor einem Spiel sagenhafte zwei Pommes plus zwei Bratwürste zuzüglich mindestens fünf Stauder verzehrt hatte. In ca. sechzig Minuten vor dem Spiel. Respekt an dieser Stelle und weiterhin guten Hunger.

„G1“, so ganz lange noch nicht Rot-Weiss. Aber schon längst Geschichten schreibend. 

Satz mit X!

Vor dem Spiel:

Ach was ist das frustrierend: Erneut ein punktloses Wochenende für unseren RWE. Aber, dem vermeintlichen Frust kann natürlich heute an einem flachen Montag entgegengewirkt werden. Gut, dass diese Montagsspiele bald Geschichte sind. Nicht, dass die „Fanlogistik“ für das den Montag ablösende Sonntagabend Spiel eine einfachere werden wird, schließlich ist der DFB nicht umsonst eine durch und durch fanunfreundliche Organisation. Aber der Sonntag gehört im Gegensatz zum heutigen Montag wenigstens noch zum Wochenende. Am Montag daddelt man gefühlt nur für sich selbst, während die Spiele des Wochenendes schon Geschichte sind. 

Heute also Höhenberg auf der falschen Kölner Rheinseite. Vertrautes Terrain, ein Hauch langer gemeinsamer Regionalligahistorie macht sich breit. Der in die Ecke gefrickelte Sitzplatzblock auf Stahlrohr ist der Montag des Spieltages: Man steht alleine dar. Was nicht für die Spezies RWE-Fan als solches gilt, denn auch bei der Viktoria ist man natürlich auf jeder sich bietenden Tribüne vertreten. Kulinarisch für alle Auswärtsfahrer und Fahrerinnen ein ganz hartes Brot: Ist das Nationalgetränk Kölsch schon in der normalen Variante schlimm, alkoholfrei ist es noch schlimmer. Dann doch lieber ein Wasser. Ist ja auch Montag.

Während des Spiels: 

[Der angedachte Humor wohl schon zu Spielbeginn nicht wirklich lustig. Passte sich dann aber auch noch nahtlos an die Leistung der Mannschaft an.]

Felix Götze recht flott wieder auf Werbekampagne Karte unterwegs, Isi bekommt sie. Der Rest der Mannschaft hingegen zu Beginn etwas planlos. Kommt aber zeitweise besser ins Spiel, erste Pässe werden auf der ballschweren (neue Wortkreation, vergangenes Wochenende im TV gehört) Seite von polyvalenten (auch neu) Spielern durchgesteckt (nicht mehr neu). Allerdings ist der sogenannte „zweite Ball“ weiterhin unser Sorgenkind. Die Möglichkeiten, die sich aus dessen Eroberung bieten lassen wir viel zu oft liegen.

Bei Ron Berlinski alles wie immer: Rennt hin und her, zofft sich mit Gegenspielern oder liegt am Boden. Was einmal mehr fehlt sind spielerisch entwickelte Torchancen, die man der Vikki glücklicherweise selbst und stets vielbeinig zu verwehren weiß. Die erste Halbzeit somit eine müde Veranstaltung beiderseits, die so gar keine Leidenschaft zu entfachen wusste. Das konnten einige Anhänger der Roten nach der Halbzeit nicht auf sich sitzen lassen: Getreu dem Motto: „Wenn Ihr kein Feuer für uns entfacht, fackeln wir für Euch ab“ wurde das Stadion erleuchtet. Leider einmal mehr zu Lasten unserer Vereinskasse.

Die Inszenierung hat als Motivation auf dem Feld bestens funktioniert: Wunderlich macht direkt im Anschluss das 1:0 für die Viktoria….

Christoph Dabrowski hingegen verlässt gewohnte Pfade und wechselt für seine Verhältnisse schon erstaunlich früh rund um die sechzigste Minute. Isi Young hingegen wechselt sich nach einem Foulspiel selbst aus, denn zweimal Gelb bedeutet nun mal Ende im Gelände. Nun also nur noch zu zehnt und es fehlt rund um die siebzigste Minute weiterhin endgültig die Idee, wer für uns überhaupt nochmal das Tor treffen könnte.

Zeit also, um den Vorteil TV-Spiel vollends auszureizen: Ein Stauder aus dem Kühlschrank zu holen wird damit verbunden, Gattin und Hund nebenan kurz das eigene Leid zu klagen. Verbale Höchststrafe derweil aus dem Essener Block: „Wir woll`n Euch kämpfen seh`n“. Geht inhaltlich für mich am Thema vorbei, denn am Einsatz hat es bis dato nicht gelegen. Unsere Mannschaft spielt einfach keinen Fußball. Folglich würde ich verbal dagegen halten und singe vor mich hin „Ich will Euch spielen seh`n“. Puh, kaum diesen Gedanken zu Ende gedacht, verhindert Schnapper Golz mit einer fantastischen Parade den zweiten Gegentreffer und wohl das endgültige Aus.

Zehn Minuten noch zu spielen. Luca Wollschläger kommt. Ein gelernter Stürmer, mit bislang aber Einsatzzeiten, die gegen Null tendieren. Wenn überhaupt im Kader. Er hätte nun mal die Gelegenheit, Werbung in eigener Sache zu betreiben. Hat er natürlich nicht. Schade, dass ein Spieler mit dermaßen Null-Bock-Mentalität einen Kaderplatz blockiert! Dreiundachtzigste Minute: Rot-Weiss Essen hat in Form von Ennali einen Kopfball auf das Tor gebracht. Was fast verwundert, denn Lawrence Ennali bringt als Einwechselspieler gefühlt eine Lustlosigkeit mit auf dem Platz, die mich genauso auf die Palme bringt, wie der Auftritt des Herren Wollschläger.

Die RWE-Fans sind mittlerweile von der eigenen Mannschaft lethargisch gespielt worden und verstummen immer mehr. Es ist aber auch ein Fluch in dieser Saison: Egal wann Christoph Dabrowski auswechselt, und egal wer auch eingewechselt wird: Dieses Stilmittel, eine Mannschaft im Spielverlauf positiv zu verändern, verpufft bei RWE dermaßen zuverlässig, so dass es einen am Spielfeldrand fast verzweifeln lässt. Wir hätten also noch Tage weiter „spielen“ können, ein Tor wäre daraus nicht entstanden. Und somit geht das schlechteste Saisonspiel verdient verloren. I don`t like Mondays!

Nach dem Spiel:

Den Stream direkt mit Abpfiff ausgeschaltet. Einerseits erleichtert, dass das Spiel endlich ein Ende gefunden hatte, mag ich aber auch nicht mit ansehen, wie sich der verständliche Fanfrust nun über unserer Mannschaft entlädt. Das geht zu oft unter die Gürtellinie! Schließlich muss man zudem erstmal selbst damit klarkommen, was ein solcher Auftritt nun für die nahe Zukunft bedeuten könnte. Mir fehlt die Phantasie, dass es mit diesem Matchplan zu einem Erfolg gegen die Zwote aus Dortmund reichen könnte. Der wäre aber dringend erforderlich, denn ansonsten sind wir wieder mitten drin in der Verlosung Abstiegskampf. Und ob wir das können, wage ich aktuell ganz ernsthaft zu bezweifeln.

Mir schüttelt es bei dem Gedanken daran, dass unsere Mannschaft nun in kurzer Zeit alles einreissen könnte, wofür vor allem der Verein und wir alle lange, lange vierzehn Jahre gekämpft haben. Na ja, jetzt werden erstmal aus Gründen die „Boomtown Rats“ gehört, bis sich der Blutdruck wieder auf ein normales Level eingependelt hat. Und da, wie ich gerade festgestellt habe, justament die „Reds“ und „Toffees“ ihr Merseyside Derby spielen, besteht ja noch die Hoffnung auf einige Minuten guten Fußball. 

Der Auftritt von Rot-Weiss Essen an diesem Montag Abend: Machste nix dran, muss man aber nicht verstehen.