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Em·pö·rung [Substantiv, feminin /die]

Quasi aus dem Nichts kamen heute die genauen Spielansetzungen und TV Übertragungen für das kommende Viertelfinale im DFB-Pokal auf den Tisch. Und was soll man schreiben, außer: Sie haben es wieder getan! Vier Spiele, davon drei frei zu empfangen. Man ahnt: Das Spiel unseres RWE gegen die Kieler Sportvereinigung Holstein gehört nicht dazu. Unabhängig von allem Quotenwahn und der statistischen Erhebung, dass die drei zwei anderen Paarungen (Borussia Mönchengladbach – Borussia Dortmund ganz klar ausgenommen, das ist de facto der Quotenbringer schlechthin in dieser Runde) schon aufgrund der Ligenzugehörigkeit das meiste Interesse hervorrufen und so auch wesentlich besser zu vermarkten/bewerben sind als unsere Partie.

Man sollte sich aber trotzdem einfach auch mal im Rahmen ordentlicher Wortwahl empören dürfen: Rot-Weiss Essen und Holstein Kiel sind keine Unbekannten im Fußball. Verfügen jeweils über eine außerordentlich große Fangemeinde und speziell im Falle von RWE bröckelt der Putz des jahrzehntelangen Frustes von vielen Altfans ab, die sich wieder zuwenden und mitfiebern. Zuzüglich vieler Neufans, die einfach spüren, was an der Hafenstraße für eine Leidenschaft herrscht. Jahrzehntelang haben wir den Verein durch die zig Krisen getragen, nun wird sich revanchiert und trägt uns Rot-Weiss Essen durch diese tristen Zeiten.

Es gibt also neben einer sicher großen Fangemeinde (Im Vorfeld meiner Buchveröffentlichung 2016 gab es eine These, dass der Verein bundesweit über 1,2 Millionen Fans und Sympathisanten verfügt) auch viele neutrale Fußballfans, die sich alleine schon aus Gründen der sportlichen Anerkennung lieber das Spiel von Rot-Weiss Essen gegen Holstein Kiel angeschaut hätten, als die Begegnung des Leipziger Vertreters gegen den VfL Wolfsburg zum Beispiel. Wohlwissend natürlich, dass sie dort den qualitativ besseren Fußball bekommen hätten. Aber RWE und die KSV stehen in diesem Pokalwettbewerb vor allem auch für Dramatik und Leidenschaft. Für bedingungslosen Kampf und das große Quäntchen Glück, was es braucht um gegen scheinbar übermächtige Gegner weiterzukommen.

Die übertragenden Sender haben hier meines Erachtens eine große Chance verpasst: Sie hätten die sportliche Leistung dieser beiden Vereine mit einem Spiel vor größtmöglicher TV Öffentlichkeit adeln können. Doch stattdessen wurde wieder der zu erwartenden Quote Vorrang gegeben. So wurde einmal mehr die Möglichkeit verpasst, auch den Kleinen eine Bühne zu geben, ihnen zu zeigen, dass sie auch dazu gehören. Und es geht auch gar nicht speziell um RWE oder Holstein: Es geht vielmehr darum, dass unterklassige Vereine eigentlich nur noch geduldet werden.

Man möchte allen jetzt am liebsten ein Finale Rot – Weiss Essen/Holstein Kiel gegen den SSV Jahn Regensburg wünschen. Wahrscheinlich läuft das Spiel dann auch nicht im Free TV. Denn nur die Quote zählt!

Schade.

Fan-Office

Ein Jahr lang ungeschlagen. Das bedeutet, 365 lange Tage in Liga und Pokal nicht einmal als Verlierer vom Platz gegangen. Ich weiss nicht, ob wir derlei schon einmal seit 1907 erleben durften. Kleiner Rückblick: Es war der erste Februar vergangenen Jahres, als wir vor 12.113 Fans an der Hafenstraße mit null zu zwei gegen den designierten Meister SV Rödinghausen verloren haben. Schon nach zwei Minuten traf ein gewisser Simon Engelmann gegen uns. Gut, dass er nun für uns trifft. Gegen den Bonner SC erneut zweimal. Diesmal auch wieder vom Punkt. Legendär weiterhin seine Freudenausbrüche nach den Toren. Kein Batman Quatsch oder gestenreiches versinnbildlichen privater Ereignisse. Sobald der Ball im Tor zappelt, ist das Ding abgehakt und weiter geht`s.

Vor dem nächsten Torerfolg gilt es aber für ihn und seine Mannschaftskollegen, sich zu regenerieren, denn die kommenden Aufgaben werden auch nicht viel leichter als das Spiel vom vergangenen Wochenende gegen den Tabellenletzten. Dieses barg sogar viel höhere Gefahren in sich, als man sich bei den beiden nächsten Spielen gegen Bayer Leverkusen und Borussia Dortmund Zwo vorzustellen vermag. Gegen Bonn konnte man eigentlich nur verlieren, gegen Bayer wird man aller Wahrscheinlichkeit nach verlieren und gegen den BVB sollte man irgendwie gewinnen. Erst nach harter Maloche wurde Samstag gewonnen und somit das Jahr ohne Niederlage besiegelt.

Wahnsinn, wer hätte das gedacht, dass in diesen schwierigen Zeiten ausgerechnet unser RWE der Regenbogen am Horizont der Pandemie ist. Das macht schon stolz und zufrieden, wenngleich sich weiterhin alles nicht so wirklich gut anfühlt. Es bleibt weiter ungewohnt, wie sich aktuell Spieltage gestalten. Bis vor einiger Zeit und hoffentlich auch irgendwann mal wieder, sind die neunzig Minuten im Stadion doch nur kleiner (zugleich natürlich wichtigster) Bestandteil vieler Rituale und Vorkommnisse, die sich um das Spiel drehen. Die Anreise nicht mehr auf der Autobahn, sondern höchstens aus einem anderen Raum in das Arbeitszimmer. Oder wo auch immer das Empfangsgerät steht. Es muss auch nicht mehr vor einem Spiel Ölstand und Luftdruck kontrolliert werden, sondern höchstens die Netzwerkverbindung. Es muss nicht einmal getankt werden, Brennstoff zum Spiel ist das Spieltags Ticket, sofern man kein Dauerkartenbesitzer*in ist.

Am heimischen Empfangsgerät gibt es auch keine sogenannten Hochrisikospiele, zu denen man nach Möglichkeit noch früher anreisen sollte, da an solchen Spieltagen leicht überhöhte Sicherheitsmaßnahmen schon mal den Weg abschneiden oder behindern. Im Fan Office zu spät zum Anpfiff zu kommen, liegt also wirklich und ausschließlich an einem selbst. Es sei denn, unverhoffte Baustellen tauchen aus dem Nichts auf, wie Mutters Anruf, zu viel Kontakte auf der Spielvorbereitungshunderunde oder eben auch die Wäsche, die noch aufgefangen werden will. Diese war es übrigens vergangenen Samstag, die aus einem Akt partnerschaftlicher Solidarität aufgehangen wurde. Zeitgleich mit dem Elfmeterpfiff wurde ein Schlüpper mit roter Klammer aufgehangen. Multitasking in Rot und Weiss!

Auch das gewohnte Catering gestaltet sich mittlerweile etwas anders: Die Frikadelle im Brötchen oder die Bratwurst vor dem Hafenstübchen hat sich zu einem flockigen Stück Kuchen gewandelt. Dafür darf aber das Stauder direkt aus der Flasche genossen werden, muss nicht in einem Plastikbecher ausgeschenkt werden. Die „Gefahrenlage“ im Fan Office natürlich auch deutlich entspannter, als man es gemeinhin einem Stadion zuschreibt. Eins aber bleibt immer gleich: An Spieltagen ist irgendeine RWE-Klamotte Pflicht. Ich wechsle diese zur Zeit nach jedem Unentschieden, denn einen obligatorischen Tausch nach einer Niederlage kann man aktuell einfach nicht einplanen. Und man will ja nicht irgendwann aus den Klamotten müffeln, wo es doch gerade alles so nach Erfolg riecht.

Epilog: Gegen Nachmittag hatte ich einen kleinen Empörungsbeitrag geschrieben, in welchem ich mich über den Tausch des Heimrechts der beiden Borussen Mannschaften aufregte. Ich witterte Wettbewerbsverzerrung und war direkt wieder auf 1907. Doch die allseits entspannten Reaktionen darauf, besonders von unserer Vereinsseite, waren ziemlich entspannt und lässig, so dass die Empörung nebst Beitrag nicht mehr vonnöten war. Außerdem klären wir das alles schon bald an der Hafenstraße.