Monatsarchive: August 2011
Von Guten und Bösen
Die weitere Torfolge nach der Pause: Der RWE erhöht durch Grund auf 2:0 und schon kurz darauf kommt der FSV durch Durm zum Anschluß- und einzigen Tor der Mainzer. Endergebnis also 2:1 für den RWE und drei Punkte für den Aufsteiger. Optimaler Saisonauftakt de facto mit den beiden Erfolgen in Pokal und Meisterschaft. Und doch gibt es ein paar Misstöne, die schnell geklärt werden sollten, sonst ist es spätestens nach der ersten Heimniederlage vorbei mit der neuen, schönen RWE Welt. Der Grund heißt hier nicht Kevin, sondern: Es gab Pfiffe gegen die eigene Mannschaft! Vereinzelte zwar nur, wohl von der Haupttribüne! Durch die an diesem Tag verhaltenere Anfeuerung aber gut hörbar.
Gut, das Spiel in der zweiten Halbzeit war auch nicht mehr besonders, aber das sollte der Mannschaft auch zugestanden werden! Eine Liga höher, nicht in Bestbesetzung und trotzdem in Führung liegend. Einen dümmeren Zeitpunkt für pfiffige Bemerkungen hätten sich die dazu veranlasst gefühlten Zuschauer nicht aussuchen können. Selbst auf der Pokalwolke konnte keiner mehr schweben in diesen Minuten nach dem Anschlußtreffer. Ich gebe es ja auch offen zu: Zu diesem Zeitpunkt hat mich das Spiel des RWE auch enttäuscht, aber das darf es auch und doch würde ich niemals auf die Idee kommen, zu pfeifen. Das nicht aus lauter Dankbarkeit darüber, daß es den Verein überhaupt noch gibt, sondern aus meinem Selbstverständnis heraus.
Ich habe es nie verstanden, warum der Fan als solcher bei einem 5:0 singt, als ob es kein Morgen gibt, diese gräßliche Paola kreisen lässt und sich selbst feiert. Bei einem knappen Rückstand dagegen, bekommt die Mannschaft keine Unterstützung mehr. Gerade dann muß man es doch krachen lassen. Soweit der Blick in meine Fanseele. Problematisch wird es nun aber, wenn sich auch die Spieler recht dünnhäutig zeigen und Vincent Wagner zum Beispiel via Facebook seinen Unmut über die Pfiffe äußert. Das ist natürlich sein gutes Recht, wird aber selbstredend von zig Fans kommentiert. Und da ist ganz klar der Tenor zu lesen: „Die „Haupt“ ist schuld, da sitzen nur Meckerköppe. Von daher sollte ein Spieler sich immer seiner Vorbildfunktion und Meinungsbildung bewusst sein und vorsichtig im öffentlichen Umgang mit den neuen Medien (Natürlich soll hier aber auch der Fairness halber nicht unterschlagen werden, daß sich Vincent Wagner ein paar Einträge später noch sehr lobend über den „Block D“ auf der Haupttribüne geäußert hat). Ich bin auch auf der Haupttribüne und möchte nicht per se in eine Meckerecke gedrängt werden. Schwarz – Weiß Denken bei Rot Weiss.
Wenn wir dem nicht frühzeitig entgegengewirken, haben wir bald wieder das klassische und altbekannte: „Alle gegen Alle“ an der Hafenstrasse. Die Tribünen untereinander fühlen sich falsch verstanden und die Spieler nach einem schlechten Spiel auch. Fakt aber: Mit diesem Typus Zuschauer werden wir auch in Zukunft leben müssen, dagegen gibt es keine Marketingstrategie. Vielleicht kann man ihnen immer wieder nur erklären, daß der Eintritt lediglich beinhaltet, für die Dauer des Spieles ein Stadion zu betreten. Nicht aber die Garantie auf eine Sternstunde des Fußballs inklusive grandiosen Erfolg der eigenen Mannschaft.
Die Fans des 1.FC Union haben da einen wunderbaren Konsens getroffen und als „eiserne Gesetze“ verbrieft, den ich mir überall wünschen würde: (Das die Fans trotzdem ihre Enttäuschung ausdrücken können und dürfen, haben einige ja beim Pokalspiel bewiesen, als sie einfach die Tribünen verlassen haben. Pfiffe gab es dagegen keine). Also, anbei die Gesetze und die nochmalige Erkenntnis für all die Frustrierten: Wir, also der RWE, haben mit 2: 1 gewonnen. Und was sagt uns das: Nur der RWE ! Und von daher möchte ich zum Abschluß den Trainer zitieren: „Immer locker durch die Unterhose atmen“
Pfeife nie die eigene Mannschaft aus!
Mache nie einen unserer Spieler zum Sündenbock!
Gehe nie vor dem Abpfiff aus dem Stadion!
Heiserkeit ist der Muskelkater des Unioners!
Reinhören
Flaschenhals
Von Gefühlen
Freitag Nachmittag, kurz vor Essen kam es zu dieser Begegnung, die mich zu folgendem Tweet veranlasste: „Wenn Dich vor dem Spiel in Bottrop hupend und winkend der Trainer überholt weißt Du: Es wird ein guter Abend“. Drei Tage später weiß ich nun auch, warum der Optimismus weiter geschürt wurde: Es war dieses freche Grinsen im Gesicht von Waldemar Wrobel! Zu sehen später noch einmal vor der Einstimmung auf das Elfmeterschiessen. Wo sonst angespannte Stimmung und Nervosität die Szenerie beherrscht, hat der Trainer wohl mit einem Kalauer diese genommen.
Aber, der Reihe nach: Voll war es rund um die Hafenstraße, auf den Rängen, in der schützenswerten Stadiongaststätte und später auch auf der manuellen Anzeigetafel. Voll sicher auch die meisten Besucher dieses Spieles: Voll Freude oder voll der Enttäuschung. Sogar die Westkurve ward neugeboren. In Zusammenarbeit mit Karstadt Sports wurde diese legendäre Tribüne in Kleinformat nachempfunden und einigen Besuchern zugänglich gemacht. Der Blick von dieser „Tribüne“ aus auf das Spielfeld war atemberaubend. Nicht, dass sich nun die anderen Dinge verändert hatten, allein die eigene Sichtweise war es: Ein Blick auf ein geschlossenes Stadion. Kurze Momente des Verweilens. Zudem den ein oder anderen Gesprächspartner, der recht bewegt davon berichtete, hier vor genau 19 Jahren das letzte Mal gestanden zu haben. Gefühle getroffen! Auf den Punkt!
Das Medieninteresse war natürlich auch ungleich größer, als in der letzten Saison und so wuselten überall TV- und Pressevertreter herum. Prominente gaben sich die Klinke in die Hand oder das Mikrofon vor die Nase. Draußen vor dem Stadion suchten Fans per Pappschilder nach Karten oder versuchten diese zu tauschen. Aber über allem lag eine Stimmung, die sich hoffnungsfroh anfühlte. Nicht der Defätismus der letzten Jahre. Unterm Strich und vor Spielbeginn konnte festgehalten werden: Unentschieden geht das hier heute nicht aus…..
Zu Spielbeginn eine schöne Choreographie der Essener Fans, ein gut gefüllter Gästeblock und auch der Rest der Ruine prall gefüllt: Anpfiff also für das erste DFB Pokalspiel seit 2008. Und mit ihm Anfangsminuten, die mühevoll ohne Gegentor überstanden wurden. Die Eisernen machten gleich Druck und wollten sicher schnell eine Führung erzwingen. Diese Bemühungen waren nur von erstaunlich kurzer Dauer. Langsam setzte sich bei RWE die taktische Marschroute gegen die Nervosität durch, der individuelle Gegenspieler (und die eigene Position) ward gefunden und zur Not auch gerne gedoppelt. Zudem kam zum Tragen, was die Mannschaft von Waldemar Wrobel auch schon in der letzten Saison ausgezeichnet hat: Diese unglaubliche Laufbereitschaft. Ständige Bewegung auf dem Feld bringt ständige Anspielstationen. Oder die Möglichkeiten, den ballführenden Gegner schnell zu stellen, ihn so zu Fehlpässen zu zwingen oder den Ball direkt zu erobern. Dieses schnelle Spiel hat natürlich zur Folge, das es mitunter schwer fällt, den Ball zu kontrollieren oder jener das Tempo nicht mithalten kann und schon wieder liegt, während der rot weisse Spieler immer noch läuft. Und dann aus dem Nichts heraus das 1:0, ein Kopfballtor von Timo Brauer, seines Zeichens wohl der kleinste Spieler auf dem Feld. Unbeschreiblicher Jubel, Gefühle! Bis zur Halbzeit passierte dann nicht mehr viel, denn das Spiel ließ die Strafräume weitestgehend unbenutzt. Zu pomadig Union, zu groß der Wille bei RWE, kein Tor mehr zuzulassen. Raus mit Applaus in die Kabinen.
Und wenn es wirklich diese Körpersprache gibt, dann sprach sie nach 45 Minuten rot und weiss. Auf den Tribünen war der Tenor derselbe wie zu Spielbeginn: Wenn wir die ersten 20 Minuten ohne Gegentor überstehen, dann haben wir eine Chance. Ohne Chance übrigens der Versuch, auszutreten. Das waren keine guten Gefühle. Anpfiff zur zweiten Halbzeit: Diese begann ohne den erwarteten Sturmlauf. Couragiert und tapfer machten die RWE Spieler weiterhin die Räume dicht, fanden immer noch ein Bein, um es dazwischen zu stellen, und hatten das nötige Glück: Ein Tor wurde aufgrund einer Abseitsentscheidung des Linienrichters nicht gegeben. Dieser fehlende Drang zum Tor bot zwar nicht den Platz zum kontern, den es gebraucht hätte, um selbst einmal wieder gefährlich vor Glinkers Tor aufzutauchen, aber auch hier stand Union gerne Pate: In der 72. Minute standen sich Torwart und Abwehrspieler im Weg und der eingewechselte Koep konnte trocken auf 2:0 erhöhen.
Wildfremde Menschen lagen sich jubelnd in den Armen, Becher und Gefühle flogen kreuz- und quer, ältere Paare drückten sich stumm und Freudentränen kullerten. Das muß der Mythos Hafenstrasse sein, von dem uns die Älteren immer wieder erzählt haben. Im Union Block wurden die Fahnen abgehangen, und auch die Spieler schienen so langsam begriffen zu haben, was hier heute abend in die Hose gehen kann. Die Hoffnung auf einen körperlichen Einbruch des RWE, die konnte mittlerweile auch getrost ad acta gelegt werden. Endlich (aus Unioner Sicht) wurde also nun mehr Druck auf das Tor von Dennis Lamczyk ausgeübt, der sich nun mehrfach auszeichnen konnte. Bis zur 82. Minute, da traf Zoundi zum Anschluß. Der nimmermüden Anfeuerung von den Rängen tat das keinen Abbruch, das schaffte erst Terodde in der Nachspielzeit. Jetzt flossen Tränen der Wut und Enttäuschung. Der Abpfiff der regulären Spielzeit ging fast in den versammelten Emotionen unter.
Verlängerung, diesmal auf Höhe Mittellinie verfolgt (Meine Wege während eines Fußballspiels sind manchmal unergründlich). Die erste Halbzeit war meines Erachtens keine gefühlten fünfzehn Minuten lang und hatte drei Erkenntnisse zur Folge: Wir Fans brauchten eine Zeit, um uns zu erholen, Union hat immer noch nicht verstanden, den RWE zwingend einzuschnüren und der RWE brach immer noch nicht ein. In der Zweiten Hälfte der Verlängerung gelang es gar dem Viertligisten, wieder das Heft in die Hand zu nehmen und prompt einige Male konstruktive Chancen herauszuspielen oder Konter zu fahren. Eine Entscheidung fiel aber wieder nicht, und somit kam das, welches es gemeinhin zu vermeiden gilt: Elfmeterschießen und der eingangs beschriebene Kreis, in welchem der Trainer kalauerte. Was sollte auch noch groß passieren, die Herzen der Zuschauer waren gewonnen, Otto Rehhagel gestikulierte neben uns auf seinem Platz wie in besten (?) Zeiten, dem Favoriten Paroli geboten usw.
Alles gut also. Und es wurde ja noch besser: Da die Spieler von Union ihre Lethargie auch im Elfmeterschießen nicht ablegen konnten, war es nun also an der Zeit von Dennis Lamczyk im Tor des RWE, seine Klasse zu beweisen. Groß die Szenen nach dem verschossenen Elfmeter des neuen Spielers auf Seiten von RWE, Maik Rodenberg: Die Mannschaft forderte ihn zu sich, und das Publikum honorierte seine großes Spiel und die Gefühle nach dem Fehlschuß mit donnernden Applaus. Vor dem letzten entscheidenden Elfmeter hielt es auch „Doc“ Welling nicht mehr auf seinem Platz, verschwand er doch in den Katakomben. Anlauf, Treffer und der Rest war Jubel, Jubel und noch mehr Jubel. Warum allerdings Waldemar Wrobel auf einmal aus dem Mundloch der Tribüne auftauchte, blieb mir bis heute ein Rätsel: Aber auch der Trainer hatte es nicht mehr ausgehalten und war in die Katakomben geflüchtet. Nun aber durfte er seinen Gefühlen freien Lauf lassen.
Danke für dieses Spiel, diesen Abend. Ganz großen Dank aber vor allem den Menschen, die man aus dem Netz „kennt“ und heute persönlich kennenlernen durfte, alle miteinander. Das war noch größer als das Spiel! Und nun das Gefühl zum Schluß: „Nur der RWE“!