Srivaddhanaprabha

Weit nach Mitternacht noch Udo Lindenberg zu hören, dass geht nur mit einem Pils dabei und hört sich allein von seinen Texten schon nach Kneipe an. Melancholie macht sich breit. Melancholie kann ich gut. Pils habe ich auch noch. Zeit und Muße also, die Dinge der letzten Tage einmal zu sortieren. Gestern haben wir die traurige Nachricht bekommen, dass Fritz Herkenrath bereits am 18. April dieses Jahres im Alter von 87 Jahren verstorben ist. Geboren in Köln, feierte Fritz Herkenrath seine größten sportlichen Erfolge hier an der Hafenstraße in Essen. Ein tadelloser Sportsmann alter Schule; Schultätigkeit nach der Karriere. Die Meistermannschaft von 1955 nun vollzählig versammelt im Himmel; hier unten auf Erden kann jetzt keiner mehr davon erzählen. Wir zehren nunmehr endgültig von den Erinnerungen an längst vergangene, sportlich so erfolgreiche Tage. Niemals jedoch werden wir diese Fußballer vergessen, die unserem Verein so viel Gutes beschert haben. Auf ewig werden wir hoffentlich ihr Andenken bewahren und ihnen Samstag gedenken.

An der Hafenstraße dieser Tage ist es momentan relativ ruhig geworden. Die Kommentarspalten schwappen nicht mehr über vor Verzweiflung, Wut und dem Strafbestand der Beleidigung. Sieben Punkte aus den letzten drei Spielen sorgten für eine kaum mehr gekannte Entspannung des rot-weißen Herzmuskel. Wir alle hatten den Rubikon Richtung Abstiegspanik gefühlt längst überschritten; normal war doch keiner in den letzten Wochen und Monaten unterwegs. Wir wussten und wissen alle: Ein Abstieg diese Saison und den Mythos können wir uns definitiv von der Backe putzen. Sieben Tage, vierundzwanzig Stunden Angst. Das zehrt an den Nerven. Das kostet Kraft. Unbezahlter Bluthochdruck vom Feinsten. Fan eines aktuell mäßig begabten Viertligisten zu sein geht an die Substanz, und ist unter dem Strich doch so viel mehr wert, als ein Ausscheiden im Halbfinale der Champions League. Ich möchte nicht tauschen. Nie mehr!

Ziemlich zeitgleich bejubelt gefühlt die ganze Fußballwelt die erste Meisterschaft des bis dato relativ unbekannten Vereins Leicester City aus England. Diese leider nicht auf dem grünen Rasen, sondern erst einen Tag später auf dem Sofa errungen. Chelsea sei Dank. Warum aber dreht die ganze Fußballwelt nun frei und mutiert zu Füchsen, obwohl aus Tradition eher den Reds zugetan? Auch Leicester City ist kein Verein mehr alter Prägung und hat mit Vichai Srivaddhanaprabha einen Milliardär als Eigentümer. Formal also nicht wirklich viel anderes als in den Akten Hopp,Mateschitz oder Abramowitsch zum Beispiel. Im diesjährigen Ranking, die finanzielle Kaderschwere betreffend, rangieren die „Foxes“ in England auf Platz 12 und 127 Millionen Euro in den Beinen. Was übrigens und interessanterweise in Deutschland den monetären Platz 7 einbringen würde. Insgesamt wird der Kader momentan auf 300 Millionen britische Pfund taxiert. In etwa also dem Börsenwert von ISDT.

Ich glaube, die Freude mit und am „Meister Leicester City“ liegt einem ganz anderem Faszinosum zugrunde: Nämlich dem der Meisterschaft und dem Wettkampf, der zur selbigen führen kann. Oder eben auch nicht. Auch in Leicester wird nicht mit Peanuts bezahlt, aber hier hat sich eine Mannschaft gefunden, die fast abgestiegen, ein Miteinander entwickelt hat, welches finanzielle Schwergewichte auszuhebeln verstand und der Basis endlich wieder die Hoffnung zurückgeben konnte, dass Fußball Wettbewerb und nicht nur Scheckheft ist. Der britische Fan war es leid, immer nur die selben Vereine um die Meisterschaft spielen zu sehen. Und man kann es auch nachvollziehen. Was wäre hierzulande wohl los, würden der 1.FC Köln, die SG Eintracht Frankfurt oder unser aller Rot-Weiss Essen in einem Par­force­ritt sondergleichen die Meisterschale holen?  Die Sympathien aller wären für ein Jahr gesichert.

Vielleicht geht es auch noch ein Stück weiter: Karl-Heinz Rummenigge zum Beispiel will Setzlisten und somit die altbewährten Wettbewerbe quasi am Nasenring durch die imaginäre Arena ziehen. Nee, er kann sich seine Setzlisten sonstwo hinstecken! Gewinner wird nur, wer die Wettbewerbe annimmt,  übersteht und nicht plant. Leicester City hat den Wettbewerb angenommen und diesen gewonnen. Das wohl die einmalige Faszination aktuell um einen Meistertitel in England. Rot-Weiss Essen muss noch viel trainieren um eines Tages überhaupt in den Wettbewerb um die deutsche Meisterschaft einsteigen zu können. Aber wir würden dann keine Setzlisten, sondern Gegner wollen.

Samstag nun aber erst einmal Oberhausen der Gegner. RWE gegen RWO. Bis auf weiteres das letzte Spiel in einem Stadion, gilt es ja alsbald den eigenen Wettbewerb anzutreten und natürlich zu gewinnen.

2 Kommentare

  • Pingback: Srivaddhanaprabha | re: Fußball

  • Hallo Uwe,

    nachfolgend einige kurze Anmerkungen zu deinem Artikel.

    Udo Lindenberg ist mittlerweile echtes Kulturgut und der Mann ist einfach saucool. Mag ihn als Typ und als Musiker. Sein neues Album ist ja irgendwie eine musikalische Biographie seiner bisherigen 70 Lebensjahre. Wie du richtigerweise geschrieben hast, mit Alkohol und ein Schuß Melancholie besonders hörenswert.

    zu RWE: Manchmal wäre es sinnvoll nicht so viel in der Vergangenheit zu leben und längst vergangenen Zeiten hinterherzutrauern. Aktuell ist es ja noch mal gut gegangen, wünsche euch auf jeden Fall schnellstmöglich den Aufstieg in die 3. Liga, die Regionalliga ist einfach sportliche Wüste…

    zu Leicester City: Ich persönlich finde die engliche Liga ziemlich uninteressant, Überraschungsmeister hin oder her, der Profifussball ist natürlich Marktwirtschaft pur, aber die Engländer schießen hier den Vogel ab. Mittelklassige Vereine nehmen ein Vielfaches mehr an Fernsehgeldern ein als deutsche Spitzenvereine, viele Clubs haben ihr Herz an Scheichs, Oligarchen und andere Privatinvestoren verkauft, in den Stadien ist oft überhaupt keine Stimmung, da der richtige englische Fussballfan sich die Eintrittskarte nicht mehr leisten kann. Nein danke!

    zum FC.Bayern: Als langjähriger Bayern-Fan und Vereinsmitglied kann ich dir sagen, dass ein Aus im Halbfinale der Championsleauge sehr weh tut, besonders da die Mannschaft gegen Atletico Madrid begeisternden Fussball mit viel Leidenschaft und Herz gespielt hat. Das ganze Stadion hat am Dienstag gekocht und die Stimmung war aussergewöhnlich. Bei einer Endspielteilnahme wäre ich in die Verlosung gekommen und wäre vielleicht sogar zum Finale nach Mailand gefahren.

    zu Karl Heinz Rummenigge: Seine Ideen bzgl Setzlisten, Europaliga etc halte ich auch für Blödsinn und nicht zielführend. Auf der anderen Seite ist es aber nun mal so, dass die Bundesliga zu klein für Bayern München geworden ist. Die sportliche Spitzenstellung hat sich der Verein über Jahrzehnte hart erarbeitet und das ganz ohne Scheichs oder sonstigen Bonzen! Andere Traditionsvereine hatten auch die Chance, sie haben sie aber einfach nicht genutzt. Beispiel: Bayern München war Anfang der 80er Jahre fast Pleite, hat sich aber eigenständig durch sportlichen Erfolg und neue Geschäftsideen aus der Misere heraus gearbeitet. Der HSV war 1983 Europapokalsieger der Landesmeister, war finanziell gesund und hatte mit Hamburg eine finanzstarke Stadt im Rücken. Gemacht hat der HSV daraus sehr wenig…

    Grüße Bernd

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