Monatsarchive: Juni 2022

Stadion an der Hafenstraße.

Es war Freitag, 10. Juni 2022, kurz vor 16:00 Uhr. Fast ehrfürchtig rollt ein betagter Saab die Hafenstraße hinauf, die er vor gar nicht allzu langer Zeit als frischer Drittligist verlassen hat. Im Umkreis der Berne wird immer noch gebaggert und auch sonst ist aus der Hafenstraße kein optisches Ruhmesblatt geworden, was sie dann wiederum von einem Saab unterscheidet. Hier kannst Du von erste bis vierte Liga kicken, doch die Straße bleibt sich immer treu. Und das ist auch verdammt gut so! Der Grund des Besuches ein ganz einfacher: Das Stadion an der Hafenstraße macht sich weiter schick und bekommt zuzüglich zur Türklingel nun auch seinen Hausnamen weithin sichtbar angebracht. Und das sogar zweimal: Der erste Schriftzug am Warmgebäude ist vollständig angebracht, darüber prangt ein LED Bildschirm, der den Paten der Hafenstraße aufzeigt, dass sie auch Paten der Hafenstraße sind. Der weitaus präsentere Schriftzug anne „West“ war noch nicht ganz fertig, hier fehlte noch ein Wort. Aber auch dem Betrachter fehlten erstmal die passenden Worte, denkt man zurück an die Zeit ziemlich genau vor zehn Jahren: Seinerzeit durfte Rot-Weiss Essen nicht mal einen Nagel im Stadion in die Wand schlagen, um einen kleinen RWE Wimpel aufzuhängen.

Mit dem Auszug aus dem Georg-Melches- Stadion wurde der Verein in diesem neuen Stadion der Stadt Essen lange Zeit absichtlich klein gehalten, um in der kritischen Öffentlichkeit ja nicht den Eindruck zu erwecken, das Stadion sei auch noch als Belohnung für die sportlichen und finanziellen Pleiten der Jahre ab 2008 dort hingestellt worden. Nun, im zehnten Jahr nach Eröffnung stellt sich die Gemengelage glücklicherweise ganz anders dar: Unser RWE zwar nicht Eigentümer, sondern weiter Mietezahler und in einer WG mit der SGS Essen lebend, aber man hat diesem Stadion von Jahr zu Jahr mehr seinen Stempel aufgedrückt, es Innen wie Außen mit Devotionalien der stolzen Vereinshistorie und erfolgreichen Dingen aus dem Hier und Jetzt zuzüglich der Herkunft als Arbeiterverein versehen. Man durfte sich nach nicht immer leichten Gesprächen Stück für Stück mehr verwirklichen. Und nun eben die großen Hingucker. Noch lange nicht das Letzte, was sich in Zukunft im Stadion an der Hafenstraße tun wird. Aber auf Gefühlsebene wohl das Wichtigste. Es braucht eben immer einen Namen, mit dem man sich identifizieren kann. Und nun läuft man, flankiert von der so wichtigen „Kleinen Gruga“ auch noch drauf zu, wird in der dunklen Jahreszeit schon von weitem sichtbar willkommen geheißen. Es hätte also alles weitaus schlechter kommen können, dessen sollten wir uns immer mal wieder bewusst sein.  

PS: Bevor hier berechtigte Kritik kommt: Natürlich heißt es Stadion an der Hafenstraße. Und in der Maske selbst war Hafenstraße auch noch Hafenstraße. Leider macht WordPress in der Überschrift dann doch Hafenstrasse draus. Ärgert mich kolossal, und versuche ich weiter zu ändern.

Bayreuther Festspiele.

Morgen an Fronleichnam ist Trainingsauftakt im Stadion an der Hafenstraße. Diesmal wohl wirklich im Stadion, da nebenan auf dem Willi-Lippens Areal ja noch ordentlich gerödelt wird. Gefühlt kommt der Trainingsauftakt so früh wie noch nie zuvor. Gerade erst ergriffen begriffen, dass wir tatsächlich aufgestiegen sind, geht es auch schon wieder los. Vielleicht war der Zeitraum zwischen alter und neuer Saison immer gleich kurz oder gleich lang, aber in den vergangenen Jahren war gerade die Sommerpause zu oft auch Balsam für die geschundene Fanseele, und konnte daher meistens gar nicht lange genug dauern. Dieses Jahr jedoch kann die Sommerpause nun gar nicht kurz genug sein, denn wir wollen endlich loslegen mit der 3. Liga und scharren bildlich betrachtet mit den Hufen.

Mag sein, dass die Regionalliga in Form des Spielplans noch einmal Nachtreten wird und uns in den ersten drei Begegnungen den SC Verl auswärts, Borussia Dortmund daheim und Viktoria Köln auswärts beschert. Ja dann soll es halt so sein. Kratzt uns jetzt auch nicht mehr, denn irgendwann geht es dann endlich über die Landesgrenze hinaus in die große weite Welt der besten dritten Liga aller Zeiten. Und sicher wird alle zwei Wochen eine Rot-Weiße Karawane dem Mannschaftsbus hinterher ziehen. Je nach Spielort und Saisonverlauf entsprechend größer oder kleiner in Summe. Aber wir Fans werden auf jeden Fall unser ABC, unser grosses Einmaleins in die Stadien nach Mannheim, Meppen, München tragen. Werden in Zwickau, Halle und Dresden unser heiliges St.Auder lobpreisen und wenn es denn schon sein muss, auch nach Duisburg fahren.

Es könnten reine Sternfahrten zu den Auswärtsspielen werden, denn es gibt sie bundesweit, die Fans von Rot-Weiss Essen. Und auch für die vielen niederländischen Fans des RWE tun sich mit Oldenburg, Meppen und Osnabrück ganz neue Möglichkeiten auf. Es könnte also zumindest zu Beginn der Saison ziemlich voll in den Stadien werden. Viele Fans sind gelangweilt von, genau, der relativen (sportlichen) Langeweile in der Bundesliga und wandern immer öfter ab in die gefühlten Niederungen der zweiten und dritten Bundesliga mit ihren dramatischen Auf- und Abstiegskämpfen, die sich oftmals erst am letzten Spieltag auflösen oder in unselige Relegationen verlängert werden. Und so rücken ab sofort auch Spiele mit Beteiligung von Rot-Weiss Essen vielfach in den Fokus jener Fans, die sich eben lieber Rot-Weiss Essen gegen den TSV 1860 München anschauen, als zum Beispiel einen VfL Wolfsburg gegen die TSG Hoffenheim. Na klar, natürlich hat dieses nicht nur sportliche Gründe, sondern lockt vor allem auch das Fluidum drumherum in den Straßen, vor den Kneipen und die Folklore auf den Rängen während der neunzig Minuten.

Was nun unsere Aufwärtsfahren angeht, so hat sicher jeder/jede Rot-Weisse seine Präferenzen für die kommende Saison schon lange klar, sofern man nicht „Allesfahrer“ oder „Allesfahrerin“ ist. Für mich stehen zwei Spiele im tiefen Süden ganz oben auf der Wunschliste: Die Löwen aus familiären Gründen auswärts! Am liebsten eine Halbzeit im Grünwalder und eine im „Oly“. Und, jetzt wird es etwas irrational: Ich möchte unbedingt das Auswärtsspiel bei der SpVgg Bayreuth besuchen. Da gibt es zum einen das Altstadt-Museum, in welchem die Vereinsgeschichte inmitten vieler Devotionalien liebevoll gehegt und gepflegt wird. Dann ist da das Hans-Walter-Wild-Stadion, im Volksmund „HaWaWi“ gennant, irgendwie noch den Hauch der Zweitliga-Spielstätten der 80er Jahre verkörpernd, und es gibt vor allem auch das Bayreuther Hell! Neben unserem Stauder ist das Bayreuther Hell definitiv das beste Bier der Liga und stellt wie Stauder alles andere in den Schatten, was es in den Stadien so als 0815-Bier zu trinken gibt. Nun fährt man ja grundsätzlich Rot-Weiss Essen hinterher, um die Mannschaft siegen zu sehen und diese dabei zu unterstützen. Aber in Bayreuth könnte auch die Fankultur im allgemeinen ein Komplettpaket erfahren. Bayreuther Festspiele sozusagen. Rot-Weiss Essen irgendwo zwischen Tristan und Isolde, Walküre und Lohengrin. Unter dem Strich bliebt also festzuhalten: Wann endlich Spielplan? die Playlist für lange Auswärtsfahrten ist schließlich auch schon fertig.

Fertig in der Kaderplanung dürfte man an der Hafenstraße auch so langsam sein. Ein zweiter Schnapper zwischen Jakob Golz und Raphael Koczor steht noch auf der Dringlichkeitsagenda, auf der mit Ron Berlinski, Meiko Sponsel, Björn Rother und Aurel Loubongo schon vier Unterschriften gesammelt werden konnten. Eine moderate Anzahl an Neuverpflichtungen im Vergleich zu ach so vielen vergangenen Jahren, als man Namen von Spielern in Kompaniestärke auswendig zu lernen hatte. Die epochale jawattdenn Familiensaga als Mehrteiler über die vergangenen vierzehn Jahre ist an dieser Stelle übrigens sehr zu empfehlen. Vielleicht eines Tages verfilmt mit Heino Ferch als Dr. Uwe Harttgen und Christoph Walz als Andreas Winkler! In weiteren Rollen Christoph Maria Herbst als die Fascher Kappe und Henning Baum als Benni Baier. Irgendwann hat man also einfach aufgehört, sich an Namen zu gewöhnen, sondern nur noch an Positionen auf dem Spielfeld orientiert. Daher tut es richtig gut, diese Sause in der 3. Liga mit einer Mannschaft anzugehen, die im Großen und Ganzen zusammengeblieben ist, sofern sportliche Attribute das zulassen (es wird mit Sicherheit noch weitere Abgänge geben). Wir dürfen nicht viele neue Namen lernen, weiter „Isi“ oder „Engel“ zu „Give It Up“ besingen (und uns schon mal nette Melodien für die Neuen ausdenken). Das ist eigentlich mit das schönste Geschenk nach dem Aufstieg, unsere Mannschaft bleibt eine von Herze(n). Und wenn dann der Waldhof anne Hafenstraße kommt, dann können wir auch noch mal einen donnernden Applaus Richtung Christian Neidhart loslassen. Bis der Anpfiff ertönt natürlich nur. Man man man, es kribbelt merklich!