Monatsarchive: August 2022

Bayreuth. Konradsreuth. Weißdorf.

Das war ja schon recht früh, dieser Aufbruch zu einem Spiel von Rot-Weiss Essen um 5:30 Uhr. Aber man konnte ja gar nicht anders, als diesem historischen Ereignis im Hans-Walter-Wild-Stadion zu Bayreuth beizuwohnen. Um die Reisestrapazen zu minimieren, wurde bei der Familie in Konradsreuth übernachtet. Ein schöner Ort, um von dort aus am Sonntagmorgen in Weißdorf dem Frühschoppenspiel des 1.FC Waldstein gegen die SpVgg Selbitz beizuwohnen. Weißdorf, Weißwurst und Weißbier. Die heilige bayerische Trilogie um 11:00 Uhr morgens in einer herrlichen Naturarena. Die Fahrt gen Bayreuth war eine entspannte Reise durch NRW, Hessen und Bayern. Lediglich auf dem Parkplatz Spitzberg-Süd brachte das Anbringen einiger Kleber ein gestrenges, älteres Paar aus Sachsen auf den Plan. Der Rückweg einen Tag später hingegen durch Thüringen, Hessen und NRW brachte die A44 und mit ihr viele Fragen. Vor allem die, warum diese Autobahn andauernd unterbrochen wurde! Das gelobte Land dann die A33 und selbst Paderborn konnte so etwas wie Verzückung hervorrufen. Die obligatorischen 30 Bilder in chronologisch unsortierter Reihenfolge, beginnend mit einer roten Karte. Zu den Fakten: SpVgg Bayreuth – Rot-Weiss Essen 1:1 / 1.FC Waldstein – SpVgg Selbitz 2:0

Götterdämmerung.

Der Drucker quält sich mit dem Ausdruck der Bayreuth-Tickets. Möglicherweise liegt das unter anderem wohl daran, dass ich für jedes der fünf Tickets einen extra Druckauftrag erteilt habe, obwohl diese in einer PDF zusammengefasst kamen. Und so wird der Schreibtisch mittlerweile überflutet von Eintrittskarten in Tapetengröße, einige gar doppelseitig bedruckt. Ja, auch dieser Haken wurde zunächst nicht rausgenommen. Der Sparansatz hier somit der komplett falsche Weg. Aus den überzähligen Drucken könnte ich nun Konfetti für das Spiel produzieren.

Diesen Samstag geht es also endlich über die Landesgrenze hinaus zum ersten Pflichtspiel von Rot-Weiss Essen außerhalb Nordrhein-Westfalens seit dem 24.03.2012. Die Wagnerstadt Bayreuth der wochenendliche Sehnsuchtsort. Wenn auch ohne Wagner, der musste ja unbedingt in das kulturbefreite Hoffenheim. Und da sowohl unser RWE als auch die „Oldschdod“ als Aufsteiger bislang viel Lehrgeld in der großen Unbekannten 3. Liga zahlen musste, wird es nicht nur ein Spiel um den imaginären „Bestes-Bier“ Pokal, sondern direkt der erste Abstiegskracher der noch jungen Saison.

Und wenn man dann auch noch den Wettervorhersagen Glauben schenken darf, wird es im weiten Rund des Hans-Walter-Wild-Stadions auf den unbedachten Plätzen zudem auch noch richtig nass werden. Es wird sich aktuell wohl keiner über Regen beklagen wollen, daher weckt die Mischung aus Abstiegskrimi, 80er Jahre Gästeblockfeeling und eben die Option auf klatschnass werden so richtig Vorfreude auf ein epochales Auswärtserlebnis. Welches aber Bitteschön mit einem Erfolgserlebnis für unsere Farben gekrönt werden möchte. Schließlich ist man schon vergangenen Samstag gegen die Schanzer ziemlich kurz davor gewesen, eine über weite Strecken des Spiels einwandfreie Leistung mit diesen drei Punkten für ein Halleluja zu krönen.

Der Ausgang nur zu gut bekannt und schmerzt durchaus noch etwas, denn es ist lange her, dass wir auf den Rängen zwischenzeitlich so von den Sitzen gerissen wurden (sofern wir denn Sitzplätze hatten) und gelungene Aktionen unserer Spieler wie Tore bejubelt haben. Das war noch etwas ganz anderes, als die neunzigminütige Party am letzten Spieltag der vergangenen Saison gegen RW Ahlen. Da haben wir ja eigentlich nichts anderes mehr als einen Sieg nebst Aufstieg erwartet und sind auch allesamt mit solch breiter Brust in das Spiel hineingegangen. Das war aber auch eine herrlich fröhliche Dauerparty.

Dieses Spiel eine Liga höher gegen den Favoriten aus Ingolstadt hingegen war schon wieder ein Kulturkampf, den wir wohl verlernt hatten zu kämpfen. Das Schicksal aus zig Jahren Dauerfavorit hat vergessen lassen, dass wir alles andere sind, aber nicht mehr das Nonplusultra der Liga. Gegen die Schanzer jedoch konnte der Hebel endlich umgelegt werden und wurde auf Pokalmodus umgeschaltet. Exemplarisch für diesen Kampf und einigen spielerischen Befreiungsmomenten stand für mich folgende Aktion nach exakt einundsechzig Minuten und zehn Sekunden (Das weiß ich deshalb so genau, da das Spiel mehrmals am TV nachbetrachtet): Niklas Tarnat klärt mit einer mustergültigen Grätsche aus dem Lehrbuch dermaßen hafenstraßenmässig, so dass es die in der Nähe sitzenden Fans auf der Haupttribüne nicht nur aufspringen ließ, sondern diese am liebsten vor Begeisterung auf das Feld gehüpft wären.

Nach einundsiebzig Minuten und diesmal exakt 25 Sekunden konnte Jakob Golz bravourös gegen Jalen Hawkins klären. Auch für diese Aktion brandete Jubel auf und dürfte dieser unserem Schnapper neben weiteren guten Paraden gut getan haben. Er ist nunmal aktuell etwas in der Bredouille, und es bedarf wohl 1907 absolut unhaltbar gehaltener Bälle, bis der Fauxpas von Dortmund und der Abstimmungswackler zum Anschlusstor der Schanzer vergessen werden wird. Torwart bei Rot-Weiss Essen, daneben dürfte der Job eines Wirtschaftsministers in aktuellen Zeiten ein Klacks sein. Es waren also fantastische Minuten, in denen wir von unserer Mannschaft viel Leidenschaft und noch mehr Hingabe erfahren haben. Mindestens mit gleicher Münze in Gesang und Lautstärke haben wir auf den Rängen auch über die gesamte Spieldauer zurückgezahlt. Die perfekte Symbiose eben. Dafür sind wir zusammen aufgestiegen, dafür geht man nach Rot-Weiss hin.

Dass uns dann ziemlich abrupt der Stecker gezogen wurde, tat sicher nicht nur der Wasserkiste, die von Simon Engelmann durch die Coachingzone getreten wurde, sondern allen im Stadion zutiefst in der Seele weh, die es mit unserem RWE hielten. Musste man nach dem Spielverlauf zwischen zwei verlorenen oder einem gewonnen Punkt wählen, nahm wohl der Großteil die erste Möglichkeit. Und dabei wäre man vor dem Spiel mit einem Punkt mehr als zufrieden gewesen. Ein wichtiger Faktor für diesen bisweilen tollen Auftritt unserer Mannschaft war natürlich die Führung. Psychologie ist im Sport manchmal so einfach: Mit dem 1:0 gingen die Köpfe hoch, die Brust wurde gefühlt breiter und auch Isi Young bekam endlich wieder die Körpersprache der vergangenen Saison. Phase 1 der einfachen fußballerischen Küchenpsychologie also umgesetzt: In Führung gehen.

Samstag in Bayreuth steht dann Phase 2 auf dem Lehrplan: In Führung gehen und die Führung nach Hause bringen. Mit der Leistung des vergangenen Samstag sollte das machbar sein. Unter einer Bedingung: Die SpVgg Bayreuth darf nicht unterschätzt werden. Dieses Spiel in Bayreuth ist der Europapokal für den reisefreudigen RWE-Fan. Ist das nicht mehr für möglich gehaltene Überschreiten einiger Landesgrenzen. Das Spiel, eingebettet zwischen Walküre und Siegfried, ist unser persönliches Festspiel. Daher sollte es unsere Mannschaft erneut wie ein Pokalspiel angehen, um dann nach Abpfiff vor dem Gästeblock eine fröhliche Version der Götterdämmerung dargeboten zu bekommen.

Apropos Gästeblock: Ich bin gespannt, wie viele Fans unsere Mannschaft in die Wagnerstadt begleiten werden. Am dritten Spieltag wurde die Zwote aus Freiburg von ganzen drei Fans unterstützt, während den VfL Osnabrück schon stattliche 424 Fans auf den weiten Weg gen Oberfranken begleitet haben. Schaffen wir wieder vierstellig? Oder ist der Weg doch zu weit? Es wird spannend. Grundsätzlich sollten bei einem Fassungsvermögen im HaWaWi von 21.500 unter Berücksichtigung des aktuellen Zuschauerschnitts von aktuell 2411 Fans alle im Namen des RWE Reisenden auch Zugang finden. Ach, eine Bitte hätte ich noch, liebe Bayerischen Einsatzkräfte: Immer schön locker bleiben. Wir tun nichts, wir wollen nur gewinnen. 

Gegnerspionage Ingolstadt.

Es geht tatsächlich so langsam los mit den anderen Bundesländern, die für uns mal wieder den Duft der großen weiten Fußballwelt bedeuten. Auch wenn wir aktuell noch den Mief weitestgehender Punktelosigkeit einatmen, soll uns das nicht in unserer Vorfreude hindern. „Wir lassen uns die 3. Liga nicht vermiesen, keine Angst, keine Angst, RWE!“. Die Bayern also, sie kommen tatsächlich nach Essen. Glücklicherweise nicht der FC Bayern, sondern die „Schanzer“ des FC Ingolstadt von 2004.

Clever eigentlich, sich offiziell FC Ingolstadt 04 zu schreiben, so manch einer könnte ja denken, dass 04 auch für 1904 als Gründungsjahr stehen könnte. Aber investigativ wie ISDT nunmal ist, decken wir gnadenlos auf, dass der FC Ingolstadt natürlich erst 2004 aus einer Fusion der beiden finanziell klammen Platzhirsche MTV Ingolstadt und ESV Ingolstadt entstanden ist. Klamm ist man in Ingolstadt seitdem eigentlich nicht mehr, auch hier greift ein Autobauer dermaßen kräftig unter die Arme, so das der gelegentliche Vorwurf, nun ein Werksverein zu sein, emotional nicht immer glaubhaft entkräftet werden kann. Uns eigentlich egal, aber allein bei „04“ gehen die Synapsen schon mal steil.

Aber kommen wir zu dem wichtigsten Punkt, der einen Artikel wie diesen hier eigentlich schon im Ansatz überflüssig macht: Es gab bisher nicht ein Spiel von Rot-Weiss Essen gegen einen Ingolstädter Verein! Daran konnten auch monatelange Recherchen bis an die Grenze der Belastbarkeit nichts ändern. Ein Spiel Rot-Weiss Essen – FC Ingolstadt 04 wurde bis dato noch nie angepfiffen. Und auch gegen die Vorgängervereine MTV oder ESV Ingolstadt wurde seitens des RWE niemals gegen den Ball getreten.

Kurioserweise haben der MTV und der ESV in ihrer langen Historie ihrerseits selbst nur zweimal gegeneinander gespielt, sofern die Informationen letztendlich stimmen. Sehr ungewöhnlich für Lokalrivalen. Es war in der Saison 1979/80 der 2.Bundesliga Süd, als beide Vorgängervereine aufeinandertrafen. Im Hinspiel 1979 bezwang der MTV vor 6.500 Zuschauern auf der heimischen Bezirkssportanlage Mitte den ESV mit 2:1. Das Rückspiel 1980 wurde gar vor 7.000 Fans im ESV Stadion ausgetragen, man trennte sich 2:2 Unentschieden. Der MTV somit ewiger Stadtmeister. Dumm nur, dass man am Ende der Saison absteigen musste, während der ESV die Klasse halten konnte. Wenn auch nur noch eine weitere Saison.

Die Wege der baldigen „Fusionistas“ trennten sich somit recht schnell wieder. Also auch hier also keinerlei sportliche Besonderheiten, bei denen unser geliebter RWE irgendwie hätte mitmischen können. Ingolstadt gegen RWE, das ist wie der Frost im Preußenstadion oder die Meisterschale auf Schalke: Es hat nie existiert. Nicht aufgebend konnten dann trotzdem noch drei kleine Querverbindungen aufgedeckt werden: So war zu lesen, dass die Bezirkssportanlage Mitte des MTV eine Eigenheit mit dem legendären Georg-Melches Stadion aufweisen konnte: Die Bezirkssportanlage bestand ebenfalls nur aus drei Tribünen. Ob eine vierte Tribüne in Ingolstadt niemals gebaut, oder wie in Essen durch Substanzverlust abgerissen wurde, konnte hingegen nicht ermittelt werden.

Und dann gab es da noch den Peter: Peter Dietrich, seines Zeichens einmaliger Deutscher Nationalspieler (1970) , wechselte 1966 vom ESV Ingolstadt an die Hafenstraße, um dort für unseren RWE achtundzwanzig Mal gegen den Ball zu treten. Drei Tore inklusive. Hans Krostina ging den entgegengesetzten Weg, zudem zum Lokalrivalen und über eine Zwischenstation: 1977 verließ Hans Krostina nach fünfzehn Spielen Rot-Weiss Essen, um sich über den Umweg FC Bayern Hof 1978 dem MTV Ingolstadt anzuschließen. Dort explodierte er allerdings so richtig und steigerte seine Torquote von null in Essen auf vierundzwanzig in Ingolstadt.

Wie es sich nun für einen Fusionsverein eigentlich auch gehört, gestaltete sich das Wachstum der eigenen Fanszene in Ingolstadt seit 2004 eher langwierig. Zudem erreicht der heimische Eishockeyverein ERC Ingolstadt seit jeher zuerst die Herzen der Fans vor Ort und kann auf einen großen aktiven Kern setzen. Nicht zuletzt aufgrund der Entfernung dürfte sich die Anzahl der Gästefans somit irgendwo zwischen Elversberg und Viktoria Köln einpendeln. Der Aufsteiger empfängt den Absteiger. Zehn Punkte treffen auf einen Punkt, Null Gegentore stehen eindrucksvoll ganz vielen Gegentoren gegenüber. Auf dem Papier dürfte somit alles klar sein. Aber wenn Rot-Weiss Essen wirklich mal wieder Rot-Weiss Essen Dinge macht, und die Loyalität der Fans so richtig im Sturm belohnt: Ja warum eigentlich nicht den ersten Sieg ausgerechnet gegen einen der Ligafavoriten einfahren?

Und dann, ja dann geht es endlich zu einem Pflichtspiel außerhalb von Nordrhein-Westfalen! Es geht nach Bayreuth, ins dortige „HaWaWi“ zur Altstadt. Das erste Pflichtspiel in einem anderen Bundesland seit dem 24. März 2012. Aber darum kümmern wir uns in der nächsten Folge der Gegnerspionage.

La Familia.

Tabellenletzter nach vier Spieltagen in unserer neuen Bude 3. Liga! Die aktuelle Situation komplett neu nach einigen Jahren diverser Punkterekorde und epischen Titelkämpfen. Sie wirkt allein dadurch schon komplett befremdlich, war so auch nicht geplant und überfordert uns fast in Gänze, einen zielführenden Umgang damit zu finden. Und das, obwohl wir doch alle wussten, höherklassig mit einigen bis vielen Niederlagen rechnen zu müssen. Alle anderen Mannschaften sind schließlich unsere Gegner und nicht umsonst im Profifußball zuhause. Für die ist das komplett egal, wie sehr man uns endlich wieder herbeigesehnt hat und wie viele Artikel sich vor Saisonbeginn lobpreisend mit Rot-Weiss Essen beschäftigt haben.

Das die Artikel aber allesamt nicht zu Unrecht aufgesetzt und veröffentlicht wurden, definiert sich ja nicht nur über den aktuellen Tabellenplatz. Man könnte es auch an einer ganz anderen Beobachtung festmachen: Das Spiel unseres RWE bei der Zwoten von Borussia Dortmund hatte etwas von einem gigantischen Familienausflug! Die Liebe zu Rot-Weiss Essen definiert sich also weiterhin nicht allein über sportlichen Erfolg. Sie ist vielmehr der Staffelstab von Generation zu Generation. Unglaublich viele Jungs und Mädchen haben Rot-Weiss Essen an der Seite ihrer Eltern, Verwandten, Geschwister oder wen auch immer in das Westfalenstadion begleitet. Und genau das ist auch der Grund dafür, dass Rot-Weiss Essen einfach nicht unterzukriegen ist, der aktuellen sportlichen Situation zum Trotze.

Und ich bin optimistisch, dass diese vielen jungen Fans auch nach Niederlagen einen anderen Zugang zum Netz finden werden, anstatt dieses dafür zu nutzen, unter der Gürtellinie und bisweilen hemmungslos zu beleidigen. Ein leider nicht geringer Anteil älterer Generationen vergisst nach Niederlagen bisweilen den Anstand und sieht das Internet eher als kompensatorische Plattform für eigene Unzulänglichkeiten. Nur weil ich am Rechner oder Handy irgendwelche Beleidigungen in Kommentarspalten reinhacke, oder gar als private Nachricht verfasse: Es ändert sich dadurch auch nichts am Punktestand. Und wer sich danach besser oder cool fühlt, der wird im realen Leben sowieso niemals was gewinnen.

Es bedarf vielleicht eines grundsätzlich neuen Umgangs mit den sozialen Medien. Solange die Kommentarspalten geöffnet bleiben, wird die Reaktion immer in alle Extreme ausschlagen. Als Verein kannst Du es Dir natürlich nicht mehr leisten, keine Internetpräsenz zu zeigen, sondern musst mittlerweile viele Plattformen bespielen, um möglichst viele Fans mit Deinem Output zu erreichen. Das bedeutet schließlich nicht nur Raum für Aktualität, sondern in hohem Maße auch jede Menge Möglichkeiten zur Werbung in eigener Sache. Man will die Fans also erreichen und tut das auch. Doch dabei kommt es leider immer wieder je nach Spielausgang oder grundsätzlichen Inhalten zu Reaktionen, die schwer verdaulich sind, einfach nur stumpfe Beleidigungen oder fast schon einen Strafbestand beinhalten. Das Schlimme daran: Man kann sich als Verein (zurecht) daran aufreiben und auch anprangern. Man verschließt sich aber möglicherweise auch der konstruktiven Kritik, die vielleicht überlesen wird.

Ein ganz schwieriges Feld also, welches man da tagtäglich vorfindet. Schließt man die Kommentarspalten, unterbindet man den Diskurs mit den Fans. Lässt man sie offen, könnte man den Verfasser, die Verfasserin direkt blockieren, wenn gegen die Netiquette verstoßen wird. Aber wer soll das bewerkstelligen? Es ist schwierig und wird es wohl leider auch noch einige Zeit bleiben, bis eben nachfolgende Fangenerationen den von mir erhofften respektvolleren Weg im Umgang mit sozialen Medien pflegen, da von Kindesbeinen damit aufgewachsen. Aktuell würde ich mir von Rot-Weiss Essen wünschen, diese Kommentare nicht zum Gegenstand des Tagesgeschehens zu machen. Man kann keinen Faktencheck für jedes überhitzte Fangerücht leisten. Lasst die Kommentare ins Leere laufen, lest sie gar nicht erst. Wer sich mit irgendwelchen Angeblichkeiten wichtig tun will: So what? Ich wünsche mir, dass kein Spieler, Trainer oder Mitarbeiter*Innen jemals wieder einen eigenen Account löschen muss, nur weil man darüber persönlich beleidigend angegangen wird. Das geht gar nicht. Niemals! Und wenn der aktuelle Punkt der einzige bis Saisonende bleiben sollte! Die Familie Rot-Weiss hat sicher viele Subkulturen unterschiedlichster Prägung, aber in diesem Punkt sollten wir uns einig sein!

Zurück zum Familienausflug nach Dortmund: Die ganze Familie war also einmal mehr beisammen, auch wenn der Weg ins Stadion selbst aus dem nahen Essen bisweilen ein ganz weiter werden sollte, wie in der Halbzeitpause zu erfahren war. Die Bahn machte es einmal mehr möglich! Das Westfalenstadion ein durchaus beeindruckendes Stadion mit einem Schattenwurf, der den Stehplatzbereich der Gästefans komplett zu missachten wusste. Und so lieferten die dort stehenden Fans des RWE in der prallen Sonne über die gesamte Spielzeit und weit darüber hinaus schweißtreibende Maloche ab. Viel Wasser, weniger Bier das Getränk der Stunde dort. Im Kuchenstück Oberrang/Ecke hingegen war es zwar schattig, doch staute sich die Hitze dort, so dass die Melange aus stickiger Luft, Bierdunst etc. eine ganz andere Anforderung darstellte.

Auch unsere Spieler stellten sich den Anforderungen des Spiels und der Temperaturen und zeigten sich dem Vernehmen taktisch versierter Fans nach deutlich verbessert, im Gegensatz zu den Spielen davor. Eine homogene Mannschaft suche ich leider noch vergebens. Der Einsatz einmal mehr makellos gab es auch die besseren Chancen für unseren RWE, doch das Tor des Tages erzielte nun mal der BVB. Nach dem Spiel zeigte sich dann recht deutlich, dass wir eigentlich gar nicht so richtig wissen, wohin gerade mit uns und unseren Emotionen. Während „unten“ unisono lautstarke Aufmunterung gespendet wurde, gab es „oben“ glücklicherweise keine verbalen Entgleisungen a`la Kommentarspalte, aber es herrschte schon eine große Enttäuschung vor.

Ich urteile nun nicht nach taktischen Systemen, maße mir das auch gar nicht an, denn die Umstellungen kann ich schlicht auch nicht immer direkt erkennen. Ich erlebe Spiele sicher anders als der Fachmann oder die Fachfrau. Und schon gar nicht jage ich jedes Spielergesicht nach Auswechslung direkt durch den Gesichtsscanner oder dergleichen. Für mich ist ein Fußballspiel wie eine filmische Handlung, die ich stets mit allen Sinnen und Emotionen durchlebe. Alles in allem war es vergangenen Samstag in Dortmund somit eine intensive Folge der neuen RWE Serie „3. Liga“. Vielleicht kommt nun ausgerechnet gegen den Tabellenzweiten aus Ingolstadt die erhoffte, bisher beste Folge der neuen Staffel. Gerne auch mit den Fahnengirls. Wir müssen uns ja nicht jeder lieb gewonnenen Tradition länger entledigen als notwendig, nur um modern zu sein. Und dann, ja dann dürfen wir endlich raus aus NRW. Den weiten Weg über die Landesgrenze hinaus nach so langer Zeit fährt es sich sicher leichter mit vier Punkte. Man hat ja schließlich auch seine Erwartungen an so eine Serie.

Die Stille nach dem Spiel.

Würde man unken wollen, so könnte man auf das nächste Heimspiel gegen den FC Ingolstadt einen richtig guten Tipp abgeben: Mit einem 1:3 würde man tendenziell gar nicht mal so schlecht liegen. Natürlich tippt man niemals gegen den eigenen Verein, aber nach diesem zweiten Heimspiel, welches im Backofen an der Hafenstraße doch so gut begonnen hatte, hilft gerade nur Galgenhumor.

Dabei begann alles sehr vielversprechend: Wir bekamen fast die mehrheitlich gewünschte Aufstellung (Warum Oguzhan Kefkir wieder nicht in der Startelf stand, erschließt sich mir einmal mehr nicht) und eine furiose Anfangsviertelstunde, in der Viktoria reichlich Schnappatmung bekam. Unsere Mannschaft wollte also nahtlos an die letzten Minuten im Wedaustadion anknüpfen. Doch diesmal ging der Spielfilm den umgekehrten Weg: Bevor sich unsere Mannschaft nun auch noch mit einem Tor belohnen konnte, zogen die Steuerberater von der Schäl Sick einfach den Stecker aus unserem Spiel und begannen, das Spiel nicht nur zu beruhigen, sondern auch zu verwalten. Inklusive dem dazugehörigen Tor. So geht eben die 3. Liga. Wer da aufmüpfig wird, bekommt erstmal was vor den Latz. Zumindest, wenn man Rot-Weiss Essen heißt und aktuell oft einen Schritt zu spät kommt.

Auch, weil die Zuordnung einfach nicht stimmt. Das ist manchmal ein wildes Durcheinander auf dem Feld. Und dabei stimmt eigentlich alles: Wille, Einsatz, Fitness: Alles im Rahmen. Aber wenigstens spielerisch muss das jetzt ganz dringend auf die dritte Ebene gehoben werden, sonst etablieren wir uns nicht in der Liga, sondern weit abgeschlagen in dessen Keller. Und dann bekommen wir doch alle wieder die Krise. Wir kennen das nur zu gut.

Es bedarf jetzt einer ruhigen, ordnenden Hand, denn so, wie viele Spieler aktuell drauf sind, droht zudem eine Kartenflut. Irre, wie beispielsweise Ron Berlinski immer wieder den Torwart anläuft, oder sich durch die gegnerische Hälfte grätscht. Aber wenn daraus zu viel Testosteron wird, und man das Gefühl bekommt, der Mann haut gleich einen Gegenspieler um, dann ist dass das gewisse Etwas drüber. Wir brauchen keinen Enforcer, sondern Tore. Aber Karten bekommt man ja nicht nur durch übermotiviertes Handeln, sondern oft auch, um schlechtes Stellungsspiel durch ein taktisches Foul zu kompensieren. Wir brauchen eine funktionierende Taktik.

Es steht mir als Laie in taktischen Dingen eigentlich nicht zu, sportlich Kritik zu üben, aber als Fan, dessen Vorfreude sich gerade gespenstisch auflöst, sieht man natürlich auch Sachen auf dem Feld, die so sicher nicht geplant waren. Was zum Beispiel ist mit der Spielfreude von Isi Young passiert? Die sogenannte Körpersprache macht mir bei ihm Sorgen. Und sollte nicht unser eingespielter Kader das Faustpfand für eine relativ ruhige Saison sein? Liebe Leute, es hat sich ausgefeiert, nun ist auf dem Trainingsplatz mehr Arbeit denn je zuvor angesagt. Wenn jeder nur für sich spielt, dann wird das nix mit dem Klassenerhalt. Und da kann man besser viel zu früh und nur gut gemeint den Finger in die Wunde legen, als zu spät. Auch wenn das vielleicht alles jetzt undankbar erscheinen mag.

Es ist ja auch nicht das Problem, ein Spiel zu verlieren. Das Problem ist, wie die beiden Heimspiele und die erste Halbzeit in Duisburg verloren wurden. Das macht ratlos. Im Strom der aus dem Stadion eilenden Fans mitzuschwimmen bedeutet auch auch, Teil der Meinungen zum Spiel zu werden. Wenn gemotzt wird, kann man mitmotzen, oder dagegen anstänkern, ist die eigene Meinung komplett konträr. Wenn aber überall Ratlosigkeit über das Erlebte herrscht, dann ist das ein noch viel fragileres Gefühl, und sorgt für Kummer. Der erste Sieg in dieser Saison würde sicher viele Kräfte freisetzen und der Mannschaft Aufwind geben, sofern er zeitnah erfolgen mag natürlich. Aber dafür braucht es Pässe die ankommen. Standards die Torchancen kreieren und eine Abwehr, die eine gemeinsame Linie spielt. Und eben auch einen roten Faden, den der Trainer vorgibt.

Den Kredit auf den Rängen, den darf Rot-Weiss Essen weiterhin genießen. Lieber Mannschaft und Verein bis zum Abpfiff besingen, als pöbelnd auf den Zaun springen. Aber das kann auf dem Feld so trotzdem nicht weitergehen und würde bei weiteren Niederlagen auch definitiv nicht so weitergehen. Bis Samstag im Westfalenstadion bleibt nicht wirklich viel Zeit, aber es ist definitiv an der Zeit wirklich viel aufzuarbeiten. Dann wartet wieder eine ganz neue Herausforderung auf unsere Mannschaft: Nach vollen Stadien in den ersten drei Spielen geht es diesmal in das größte Stadion der Republik, welches aber trotzdem nicht wirklich gefüllt sein wird. Es ist nach dem gestrigen Spiel sehr schlecht zu schätzen, wieviel Fans unsere Mannschaft in das Westfalenstadion begleiten werden.

Das ist aber auch schon wieder eine Achterbahn der Gefühle, die so hat keiner kommen sehen. Wir sollten dieses Etablissement 3. Liga so schnell nicht wieder verlassen. Wir haben alle zusammen doch viel zu viele Jahre drauf gewartet, es endlich betreten zu dürfen. Es ist nicht weit nach Dortmund. Machen wir also rüber und helfen unserer Mannschaft dabei, wenigstens dort den ersten flotten Dreier einzufahren. Offensichtlich hat sie alleine gerade nicht die richtigen Mittel parat, um siegreichen Fußball zu spielen.

Unterstützung, klare Ansage und Vorgabe benötigt aber nicht nur unsere Mannschaft, sondern auch unser Verein durch die GVE: Es braucht endlich eine Lösung für die Boxenproblematik im Stadion. Es kann doch nicht sein, dass der RWE sich nun andauernd für etwas zu entschuldigen hat, was gar nicht in seiner Verantwortung liegt. Es dürfte doch kein Hexenwerk sein, eine ausbalancierte Beschallung hinzubekommen, die für moderate Lautstärke sorgt. Das hat doch seit Eröffnung des Stadions vor zehn Jahren bis Ende der vergangenen Saison eigentlich ganz gut funktioniert.

Mit welchen Gefühlen wird wohl Andreas Rettig das Stadion nach Spielende verlassen haben? Man weiß es nicht. Weit vor dem Spiel aber genoß er seine Wurst am Grillstand des Hafenstübchens. Er weiß eben, was schmeckt und wo der Fußball Zuhause ist. Wahrlich ein Mann, der im Gegensatz zu so vielen Fußballfunktionären mit beiden Beinen fest am Boden geblieben ist. Eine lukullische Randnotiz an einem Fußballabend, der eher weniger schmackhaft war. Nur der RWE! 

Ulla Kasuppke. Der Aufstieg.

Danach: Es hat ein bisschen gedauert, doch dann fiel es Ulla auf: Es gibt keinen Grund mehr, dem Willi unter der Erde etwas vorzumachen, die Regionalliga ist endlich Geschichte. Ja gut, etwas flunkern  musste sie wohl noch, schließlich denkt der Willi ja weiterhin, dass sein zu Lebzeiten geliebter RWE in der zweiten Bundesliga spielt. Aber in Anbetracht der Mannschaften, gegen die seinen Roten nun wieder spielen dürfen, kann das durchaus als Notlüge verbucht werden. Gegen den MSV Duisburg zu spielen hört sich doch gehaltvoller an, als beispielsweise das Auswärtsspiel bei  Union Solingen. Außerdem müsste sie dann ja auch noch erklären, dass die Klingenstädter gar nicht mehr in der ursprünglichen Form existieren. Und das Stadion am Herrmann-Löns-Weg schon mal gar nicht. Nee nee, die Spiele gegen die Zwoten aus Dortmund und Freiburg werden einfach verschwiegen und der große Rest geht schon als zweite Liga durch. Außerdem hat sie dem Willi schon so oft Essen gekocht, von dem er dachte, die größte Delikatesse zu bekommen, und dann war es doch nur…. Gut, an diesem Punkt schweigt sich Ulla Kasuppke aus und greift einmal mehr zur Zigarette.

Dabei: Mittlerweile wird selbst gedreht, irgendwie muss man ja die Kosten in den Griff bekommen. Begreifen kann sie immer noch nicht, dass diese Bonzenpartei FDP nun in der Regierung allen anderen ihren Willen aufzwingt. Ihr Willi als ehemaliger Betriebsrat hätte denen die Hölle heiß gemacht. Hübsch hatte sie sich gemacht, an jenem 14. Mai 2022. Endlich bekam Willis verschlissene und eigentlich auch pottenhässliche RWE-Jeans noch einmal einen Sinn. Auch wenn sich der Reißverschluss nicht mehr ganz schließen ließ. Vom Knopf ganz zu schweigen. Aber er war ja auch immer sehr drahtig gewesen, der Willi. Das Knopfproblem wurde elegant mittels Fanschal gelöst, zudem war die rote Bluse aus Elasthan auch schön lang.

Ulla Kasuppke fühlte sich ein wenig aufgeregt, fast gar freudig erregt, als sie das Kissen auf der Fensterbank platzierte, um an jenem Tag dem gröhlenden Tross zuzusehen, der zur Hafenstraße zog. Endlich war es soweit. Endlich kehrte das Glück rund um die Hafenstraße zurück. Und sie war so gut es eben ging mit dabei. Würde Willi noch sein, so wären sie vielleicht schon längst auf dem Weg zum Stadion. Allein mag sie nicht mehr, manchmal kann man es da ja auch schon mit der Angst bekommen. Außerdem hilft die Polizei ja auch nicht mehr so, wie es früher mal gewesen ist. Einen Schutzmann gab es seinerzeit, für den hätte sie Willi in Gedanken fast verlassen, so unverschämt gut sah der aus.

Heute sehen sie vielleicht immer noch gut aus, aber sie reden ja gar nicht mehr mit Dir, sondern drohen gleich. Ach nein, dann lieber den Fans aus dem Fenster zuwinken. Wie das Spiel ausgegangen ist, das würde sie ja allein schon an den Gesichtern nach dem Spiel erkennen, wenn wieder alle an ihrem Fenster vorbeilaufen. Als der Strom der Fans weniger, dafür der Lärm aus dem nahe gelegenen Stadion immer lauter wurde, sinnierte Ulla, dass es gut ist, nun auch dieses Internet zu haben, von dem Willi niemals gedacht hätte, dass es sich eines Tages durchsetzen würde.

Die Enkelin von Frau Bergmann (ja genau, der Frau Bergmann) hatte ihr extra einen gebrauchten, tragbaren, Klappcomputer besorgt, und ihr erklärt, wie sie damit in eben dieses Internet kommt, und was es dafür noch braucht, um nicht nur am letzten Spieltag sehen zu können, wie Rot-Weiss Essen nach so langer Zeit auch wirklich aufsteigt. Es hätte also kein zusätzliches Rouge gebraucht an jenem sonnigen Tag im Mai, denn Ulla Kasuppkes Wangen waren auch so schon zart errötet, als sie die Schritte ausführte, die sie abzuhaken hatte, um einmal mehr den Sender von Rot-Weiss Essen zu finden.

Das waren immer auch Momente, in denen sich Ulla so sehnlichst eigene Kinder gewünscht hätte. Mit denen hätte sie nun unglaublich gerne diesen schicksalsschwangeren Tag verbringen wollen. Es war Willi und ihr leider nicht vergönnt gewesen. Irgendwann haben sie sich damit arrangiert und mit ihrem Schicksal abgefunden. Nun waren die Spieler von Rot-Weiss Essen halt ihre Jungs und die Spielerinnen der SGS Essen ihre Mädchen. Wenigstens blieb ihnen so erspart, Kinder zu haben, die vielleicht eines Tages keinen Kontakt mehr zu ihnen wünschen. Ulla schüttelt sich ob des kalten Schauers, der ihr bei dieser Vorstellung über den Rücken läuft.

Endlich ist sie drin und nimmt sich den Klappcomputer auf den Schoß. Richtig lieb gewonnen hat sie in den letzten Monaten den Christian und den Andreas. So nette junge Männer. Aber manchmal schreien sie ihr auch zu laut.

Und so kam es, dass Ulla Kasuppke in der bescheuerten Jeans ihres verstorbenen Mannes dem beiderseits geliebten Verein Rot-Weiss Essen an jenem 14. Mai 2022 endlich bei dem sehnsüchtig erwarteten Aufstieg zuschauen konnte. Was war das für ein Fest nach dem Spiel. Ulla konnte sich die Tränen nicht verkneifen und weinte bitterlich vor Freude. In Gedanken fühlte sie sich, als ob es ihr geliebter Willi war, der sie an die Hand nahm und vor die Tür führte. Dort, wo sich alle in den Arm nahmen und einfach endlich wieder glücklich sein durften. Und ja, an diesem 14. Mai 2022 war auch Ulla Kasuppke so glücklich wie schon lange nicht mehr. 

Punktlandung!

Jetzt weiß ich langsam, welcher Irrglaube mich nach diesem so herrlichen Aufstieg als Fan ereilt hat: Ich dachte tatsächlich, nun wird das Leben mit Rot-Weiss Essen endlich viel leichter und entspannter. Eine Saison als nie enden wollender, milder Frühlingsabend. Die Sonnenbrille keck auf der Nase, während das Resthaar von einer frischen Brise zerzaust wird. Noch im Spiel gegen die SV Elversberg schnell geerdet wurde klar: Hier und jetzt hat uns zunächst einmal der Gegner und keine erhoffte Leichtigkeit des Seins zerzaust.

Ja und dann dauerte es auch gleich mal zwei ganze Wochen, bis das nächste Ligaspiel anstand. Zu allem Überfluss auch noch direkt nebenan in Duisburg. Der Wichtigkeit dieses Spiels entsprechend, wurde ordentlich auf vielen Kanälen darüber geschrieben, gesprochen und gesendet. Medial schon eine ganz andere Hausnummer als noch eine Etage darunter. Kein vierzehntätiger Frühlingsabend von Elversberg bis Duisburg also, eher ein ebenso lange andauerndes Stahlbad bei täglich wachsender Anspannung und Hitze. Diese leicht erklärt: Verliert man auch das zweite Spiel in der 3. Liga, zudem in Duisburg, und vielleicht sogar auf ähnliche Art und Weise wie noch zwei Wochen zuvor: Dann ist relativ früh gleich wieder Schicht im Schacht mit unserer Euphorie und fahren wir in den Keller der Liga ein.

Wir wir nun erleichtert wissen, ist nichts dergleichen eingetreten. Der erste Punkt in der 3. Liga wurde eingesackt. Quergelesen leidet man darüber im MSV Portal wie nach einer Niederlage, während wir noch nicht genau wissen, wie das Spiel einzuordnen ist. Das Forum schwankt in seiner Beurteilung. Genau genommen haben wir ja auch zwei verschiedene Spiele in einem bestritten. Da kommt selten ein gemeinsamer Konsens auf. Wie sollte er auch? In einem war, beziehungsweise ist man sich dann aber doch einig: Mit der selben Aufstellung wie noch gegen die SV Elversberg zu beginnen war sicher eine hehre Absicht unseres Trainers, brachte aber zunächst nicht den gewünschten Effekt der Wiedergutmachung, sondern gefühlt eine Fortführung des ersten Spiels.

Daraus aber direkt abzuleiten, dass wir einigen Spielern zwar unendlich dankbar für den Aufstieg sind, ihnen aber nach einem (anderthalb) Spiel(en) direkt die Drittligatauglichkeit absprechen, das halte ich nicht nur für vermessen, sondern auch viel zu verfrüht. Wir wollten alle zusammen in der Liga ankommen und dort Fuß fassen. Daran sollte auch das Elversberg Spiel nichts ändern, welches die gültige Einarbeitungszeit aber leider direkt außer Kraft gesetzt zu haben scheint. Die 3. Liga ist auf so vielen Ebenen eine ganz andere Hausnummer, da müssen wir akzeptieren, dass das auch für das Spiel an sich gilt. Keiner unserer Spieler hat in der Sommerpause und Vorbereitung das Kicken verlernt.

Glücklicherweise haben ja die Reaktionen im Stadion nach Elversberg gezeigt, dass wir zusammen verlieren, so wie wir auch in Duisburg zusammen den Punkt geholt haben. In Duisburg nun hat unser Trainer das getan, was wir noch gegen die SV Elversberg vermisst haben: Die Schlüsse aus der ersten Halbzeit gezogen, personell reagiert und taktisch umgestellt. So geht Coaching und es tat mir fast leid, selbst lautstark zu monieren, wie denn der Matchplan unseres Trainers aussieht, und ob die Mannschaft auch davon in Kenntnis gesetzt wurde, beziehungsweise ob überhaupt einer existiert. Aus der Erregung heraus bei 0:1 Rückstand. Irgendwie, ach quatsch, absolut nicht fair von mir, aber dem Treiben unserer geliebten Mannschaft auf dem Feld geschuldet.

Somit geht der Punktgewinn definitiv auch auf das Konto von Christoph Dabrowski. Waren nun die beiden Vorgänger bei uns zu erfolgreich, oder sind die sportlichen Meriten als Trainer von „Dabro“ insgesamt noch zu gering? Und warum bleibt der doch so gelobte Kefkir beispielsweise zunächst auf der Bank? Natürlich beschäftigen uns Fans all diese Fragen und bewegen über Gebühr die rot-weissen Synapsen. Die ja bekanntermaßen im Falle von RWE immer anders ticken, als es vielleicht rational der Fall sein sollte. Die hoffentlich positiven Antworten werden wir noch im Verlaufe der aktuellen Saison bekommen. Da bin ich mir sicher.

Wir sind also zurückgekommen im Stimmungshochofen Wedaustadion und durften uns aufgrund eben jenes Spielverlaufs als moralischer Sieger fühlen. Was unter dem Strich natürlich nicht einen einzigen Punkt mehr bedeutet. Aber wir konnten uns trotzdem um drei Plätze vorarbeiten und bewegen uns tabellarisch in die richtige Richtung. Was der Deutschen Bahn bei der An- und Abreise der vielen Fans einmal mehr nicht gelungen ist. Chaos auf den Schienen vor und nach dem Spiel. Aber bevor die Deutsche Bahn tatsächlich jemals effektiv und kundenorientiert in die richtige Richtung funktionieren sollte, wird ein Verein aus Gelsenkirchen deutscher Meister. Und das wird ja niemals passieren. Das kann auch keiner wollen.

Ganz hochoffiziell will ja eigentlich auch keiner Pyrotechnik im Stadion. Und leider wird der RWE direkt zweimal zur Kasse gebeten. Das ist einerseits mehr als ärgerlich, wir sind nicht auf Rosen gebettet, hatte aber in Duisburg tatsächlich auch diesen einen Moment, bei dem man zugeben muss, das der Umgang damit an diesem atmosphärisch überhitzten Abend letztendlich sogar verantwortungsvoll war. Keine Leuchtspur auf dem Rasen oder idiotisches und gefährliches Ballern auf das Feld und gegnerische Fans, sondern gut verteilt und im Block entsorgt. Ja, es ist und bleibt verboten und wird teuer. Und viele Fans überlegen sich langsam zweimal, ob eine Spende letztendlich wirklich einer Choreo oder doch der Anschaffung von Pyromaterial dient. Aber vielleicht muss man sich auch hier irgendwo in der Mitte annähern. Bei aller Brisanz, Vereinzelungsanlagen und schlechter Anreisebedingungen haben sich die Fans beider Vereine doch grundsätzlich so verhalten, wie es dem Spiel angemessen war. Die Schlagzeilen danach gehörten dem Spiel.

Zur Wahrheit gehört übrigens auch, dass in den Medien bei den „besten Fotos“ des Spiels mindestens immer „drölf“ atmosphärische Fotos einer jeden Pyroaktion zu sehen sind. Auch so eine Ambivalenz in der Fußballberichterstattung.

Schon Dienstag nun beginnt also der jetzt aber mal so richtig wirkliche harte Alltag in der 3. Liga. Es geht an der Hafenstraße gegen die von uns nicht sonderlich gemochte „Vikki“ aus Köln. Wir verharren also immer noch in NRW, und auch der Gästeblock ruft ein weiteres Mal „Oh weh“. Aber es wird allein schon dadurch hochspannend, wie Trainerteam und Mannschaft sich dann aufstellen werden. Jedes Spiel also ein eigener Lernprozess. Bis dahin werde ich in meiner Playlist ziemlich oft „Easy Livin`“ von Uriah Heep anschmeißen. Direkt so zu zweifeln, das war nicht in Ordnung.