Bier bewusst genießen.
Ein Schiedsrichter wurde gezielt Zielscheibe einer Ladung Bier mitten ins Gesicht. Der Werfer hat sich dazu ganz bewusst den Weg Richtung Tribünenmitte gebahnt, um so sicher wie nur möglich zu treffen. Herzlichen Glückwunsch, das hat prima geklappt. So gut, dass nun ein richtig hoher Preis dafür fällig wird. Für den gastgebenden FSV Zwickau zum einen, aber auch für den Helden des Tages selbst. In diesem Falle: Hoffentlich! Die einmal mehr weit gereisten Fans des RWE bekamen für ihren wie immer hohen monetären Aufwand somit leider nur die Hälfte des Spiels beim FSV Zwickau geboten. Und auf die Punkte muss man auch noch warten.
Es ist richtig, dass der Unparteiische diese Entscheidung getroffen hat. Da sollte es keine zwei Meinungen geben, auch wenn die Kommentarspalten natürlich wie zu erwarten voll von Meinungen sind, die dem Schiedsrichter nun mimosenhaftes Gehabe unterstellen. Im harmlosesten Falle natürlich. Wir kennen mittlerweile derlei Auswüchse zu Genüge und realistisch betrachtet: Dieses Rad der digitalen Geschichte werden wir leider nicht mehr zurückdrehen können, dazu sind wir Menschen zu unsolidarisch. Die Gilde der Unparteiischen in sicher ziemlich vielen Sportarten kämpft also den Kampf, den schon Don Quijote gegen die Windmühlen geführt hat.
Für viele Fußballfans ist die Bierdusche zwar das Parfum der Stehränge, der Duft von Toren und Triumph. Ein Zeichen hemmungsloser Emotion und Freude.
Aber diese gesehene Handlung nach dem Halbzeitpfiff der Begegnung FSV Zwickau – Rot-Weiss Essen hatte nichts davon. Sie sollte als Befriedigung der eigenen sportlichen Frustration dienen. Inhaltlich war der Frust anhand der zwei zuvor getroffenen Entscheidungen gegen die eigene Mannschaft sogar noch nachvollziehbar. Wie hätten wir als RWE-Fans da empfunden? Emotional sicher genauso. Und wie immer ist die Schiedsrichterei für eine Fanseite so gut wie niemals unparteiisch. Wir wissen ja schon oftmals vor Anpfiff, das der angesetzte Schiri niemals für uns pfeift, da er doch damals in XY den Elfmeter gegen uns gepfiffen hat. Und oftmals bestätigt natürlich der Spielverlauf die eigene negative Haltung. Der Fußballfan an sich fühlt sich im Kern seiner Leidenschaft immer durch Fehlentscheidungen auf dem Feld in seinem Wohlbefinden bedroht.
Rechtfertigt das aber eine solch übergriffige Handlung? Absolut nicht. Was käme denn dann als nächstes? Teeren und Federn mit Pommes und Mayo? Oder müssen Trikot und Pfeife vor der Kurve niedergelegt werden? Früher wussten wir lediglich, wo sein Auto steht. Heute wollen wir es direkt abfackeln. Nee, das geht so nicht weiter. Aber wenn doch, dann sind es ausnahmsweise mal nicht die Verbände, die unser Spiel bedrohen, sondern wir selbst. Denn wer möchte in Zukunft noch Schiedsrichter werden, wenn er oder sie Gefahr läuft, nur noch Zielscheibe von Hass und Häme zu werden. Schiedsrichter leiten ein Spiel. Und somit sollte ihnen schon dafür Respekt gezollt werden. Unabhängig eben davon, wie man mit der Leitung je nach Vereinszugehörigkeit zufrieden ist. Aber wenn eines Tages keiner mehr die Spielleitung übernehmen mag, dann kann eben nicht mehr gespielt werden. So einfach ist das!
Leider sind es nicht nur wir Fans und das gesellschaftliche Spiegelbild, die Anteil daran haben, dass Unparteiische immer öfter zu Freiwild werden: Es ist da auch der VAR der im Ansatz an seiner eigenen Idee erstickt ist, und die Schiedsrichter und Schiedsrichterinnen immer öfter als Deppen der Nation dastehen lässt. Viele von ihnen kommen gar nicht mehr dazu, in den quälenden Minuten der Kellersichtung auf dem Feld eine souveräne Figur abzugeben. Und auch das Verhalten der Spieler hat in den vergangenen Jahren immer mehr zum Verlust des Respekts den Schiedsrichtern gegenüber beigetragen. Ein erfolgter Pfiff hat zu oft zur Folge, dass alle wie wild auf den Mann oder die Frau an der Pfeife zustürmen, herumbrüllen, an die Wäsche gehen und so weiter und so fort. Oder diese peinlichen theatralischen Darbietungen, die einen Pfiff hervorrufen sollen und doch nur eine Schwalbe sind. Das Fordern von Karten, auch so ein No Go.
Es gibt also so viele Mechanismen, die das Amt und die Würde eines Schiedsrichters so unglaublich erschweren. Ja, Nicolas Winter hat keine guten fünfundvierzig Minuten erwischt, um beide Fanseiten von einer souveränen Leistung sprechen zu lassen. Aber er hat eine gute Entscheidung im Sinne des Fußballs und dem Respekt ihm gegenüber getroffen. Wer würde denn von uns gerne weiter Kunden bedienen, nachdem diese uns aus Unzufriedenheit über die Beratung einen halben Liter Bier ins Gesicht „geschmissen“ haben?
Genau!