Monatsarchive: April 2023

Bier bewusst genießen.

Ein Schiedsrichter wurde gezielt Zielscheibe einer Ladung Bier mitten ins Gesicht. Der Werfer hat sich dazu ganz bewusst den Weg Richtung Tribünenmitte gebahnt, um so sicher wie nur möglich zu treffen. Herzlichen Glückwunsch, das hat prima geklappt. So gut, dass nun ein richtig hoher Preis dafür fällig wird. Für den gastgebenden FSV Zwickau zum einen, aber auch für den Helden des Tages selbst. In diesem Falle: Hoffentlich! Die einmal mehr weit gereisten Fans des RWE bekamen für ihren wie immer hohen monetären Aufwand somit leider nur die Hälfte des Spiels beim FSV Zwickau geboten. Und auf die Punkte muss man auch noch warten.

Es ist richtig, dass der Unparteiische diese Entscheidung getroffen hat. Da sollte es keine zwei Meinungen geben, auch wenn die Kommentarspalten natürlich wie zu erwarten voll von Meinungen sind, die dem Schiedsrichter nun mimosenhaftes Gehabe unterstellen. Im harmlosesten Falle natürlich. Wir kennen mittlerweile derlei Auswüchse zu Genüge und realistisch betrachtet: Dieses Rad der digitalen Geschichte werden wir leider nicht mehr zurückdrehen können, dazu sind wir Menschen zu unsolidarisch. Die Gilde der Unparteiischen in sicher ziemlich vielen Sportarten kämpft also den Kampf, den schon Don Quijote gegen die Windmühlen geführt hat.

Für viele Fußballfans ist die Bierdusche zwar das Parfum der Stehränge, der Duft von Toren und Triumph. Ein Zeichen hemmungsloser Emotion und Freude. 

Aber diese gesehene Handlung nach dem Halbzeitpfiff der Begegnung FSV Zwickau – Rot-Weiss Essen hatte nichts davon. Sie sollte als Befriedigung der eigenen sportlichen Frustration dienen. Inhaltlich war der Frust anhand der zwei zuvor getroffenen Entscheidungen gegen die eigene Mannschaft sogar noch nachvollziehbar. Wie hätten wir als RWE-Fans da empfunden? Emotional sicher genauso. Und wie immer ist die Schiedsrichterei für eine Fanseite so gut wie niemals unparteiisch. Wir wissen ja schon oftmals vor Anpfiff, das der angesetzte Schiri niemals für uns pfeift, da er doch damals in XY den Elfmeter gegen uns gepfiffen hat. Und oftmals bestätigt natürlich der Spielverlauf die eigene negative Haltung. Der Fußballfan an sich fühlt sich im Kern seiner Leidenschaft immer durch Fehlentscheidungen auf dem Feld in seinem Wohlbefinden bedroht. 

Rechtfertigt das aber eine solch übergriffige Handlung? Absolut nicht. Was käme denn dann als nächstes? Teeren und Federn mit Pommes und Mayo? Oder müssen Trikot und Pfeife vor der Kurve niedergelegt werden? Früher wussten wir lediglich, wo sein Auto steht. Heute wollen wir es direkt abfackeln. Nee, das geht so nicht weiter. Aber wenn doch, dann sind es ausnahmsweise mal nicht die Verbände, die unser Spiel bedrohen, sondern wir selbst. Denn wer möchte in Zukunft noch Schiedsrichter werden, wenn er oder sie Gefahr läuft, nur noch Zielscheibe von Hass und Häme zu werden. Schiedsrichter leiten ein Spiel. Und somit sollte ihnen schon dafür Respekt gezollt werden. Unabhängig eben davon, wie man mit der Leitung je nach Vereinszugehörigkeit zufrieden ist. Aber wenn eines Tages keiner mehr die Spielleitung übernehmen mag, dann kann eben nicht mehr gespielt werden. So einfach ist das! 

Leider sind es nicht nur wir Fans und das gesellschaftliche Spiegelbild, die Anteil daran haben, dass Unparteiische immer öfter zu Freiwild werden: Es ist da auch der VAR der im Ansatz an seiner eigenen Idee erstickt ist, und die Schiedsrichter und Schiedsrichterinnen immer öfter als Deppen der Nation dastehen lässt. Viele von ihnen kommen gar nicht mehr dazu, in den quälenden Minuten der Kellersichtung auf dem Feld eine souveräne Figur abzugeben. Und auch das Verhalten der Spieler hat in den vergangenen Jahren immer mehr zum Verlust des Respekts den Schiedsrichtern gegenüber beigetragen. Ein erfolgter Pfiff hat zu oft zur Folge, dass alle wie wild auf den Mann oder die Frau an der Pfeife zustürmen, herumbrüllen, an die Wäsche gehen und so weiter und so fort. Oder diese peinlichen theatralischen Darbietungen, die einen Pfiff hervorrufen sollen und doch nur eine Schwalbe sind. Das Fordern von Karten, auch so ein No Go.

Es gibt also so viele Mechanismen, die das Amt und die Würde eines Schiedsrichters so unglaublich erschweren. Ja, Nicolas Winter hat keine guten fünfundvierzig Minuten erwischt, um beide Fanseiten von einer souveränen Leistung sprechen zu lassen. Aber er hat eine gute Entscheidung im Sinne des Fußballs und dem Respekt ihm gegenüber getroffen. Wer würde denn von uns gerne weiter Kunden bedienen, nachdem diese uns aus Unzufriedenheit über die Beratung einen halben Liter Bier ins Gesicht „geschmissen“ haben?

Genau! 

Die Kolumne, die aus dem Fenster stieg und verschwand, weil sie von der Aktualität überholt wurde.

Geschrieben nach dem Spiel in Dresden aber noch kurz vor der Demission von Jörn Nowak. Gänzlich überholt also von der Tagesaktualität. Ich verweise an dieser Stelle einfach auf den letzten Satz dieser Kolumne. Ein Satz für die Ewigkeit. Lieber Jörn Nowak, danke für die Maloche der letzten vier Jahre. Und alles Gute für die Zukunft. Und falls es etwas tröstet: Der Name Jörn Nowak wird an der Hafenstraße wie einige andere auf Lebzeiten mit dem Prädikat „Aufstiegsheld“ verbunden sein.

Kommenden Sonntag kommt unser Punktbester mit den Baracklern vom Waldhof in hochoffizieller Mission zurück an die Hafenstraße. Im notorisch unruhigen Umfeld des SV Waldhof sieht man dieses Spiel bei unserem RWE als die mal wieder allerletzte Chance an, doch noch proaktiv im Aufstiegsrennen mitzumischen. Im notorisch unruhigen Umfeld von Rot-Weiss Essen hingegen steht dieses Spiel dafür, weiter den Abstandhalter über dem Strich auf Kurs zu halten. Das Klassentreffen des 1907er Jahrgangs ist somit durchaus als Wegweiser für den Saisonendspurt zu bezeichnen. Dadurch bedingt ist es wohl nur vor dem Spiel an uns, Christian Neidhart einen durchaus warmen Empfang zu bereiten. Den hat er sich als „so gut wie“ Aufstiegstrainer wahrlich verdient.

Bei Anpfiff hat es sich dann aber auch direkt mit der Sympathie erledigt: Sollte Christian Neidhart eventuell ein zweites Mal an unseren Roten scheitern, bedeutet es doch nichts anderes als drei Punkte auf unserer Habenseite. Und nur das zählt. Mit im Bus der Waldhofer sitzt wohl auch Bentley Baxter Bahn. Was ein Fest für jeden Stadionsprecher, diesen schönen Namen ankündigen zu dürfen. Gut, nehmen wir den Unseren mal raus, denn mit dem rollenden R kann man hier nicht glänzen. Aber wer kann schon von sich behaupten, in seinem Namen einen britischen Automobilhersteller, ein US-amerikanisches Pharmaunternehmen und die  Deutsche Bahn zu vereinigen? Wer nun auch immer für den SV Waldhof auflaufen wird, er wird definitiv nicht auf Björn Rother treffen, der ist aktuell ein Roter durch und durch. Gesperrt auch Felix Herzenbruch, bei dessen zupackender Spielweise wirklich höhere Mächte am Start gewesen sein durften, um ihm den Traum vom Spiel vor den über 30.000 in Dresden zu erfüllen. Aber dort gab es sie dann doch, die fünfte gelbe Karte.

Das war ja auch was im Rudolf-Harbig-Stadion zu Dresden. Allein in der ersten Halbzeit hätte der VAR auf Dresdener Seite ungeahnte Sympathiewerte erreicht, waren wir doch diesmal auf der guten Seite der Fehlentscheidungen. Endlich Mal, so egoistisch darf man dann sein. In der zweiten Halbzeit gab es wohl von Anfang an die Aufforderung für die Dynamos, sich im Strafraum nur noch wälzend, stolpernd oder Rudel bildend aufzuhalten. Möchtegern-Enforcer auf Dresdner Seite hierbei der Sportskamerad Kutschke. War schon recht peinlich. Nicht mal ansatzweise peinlich, sondern einfach nur dreist und fassungslos machend die Aktion einiger RWE-Fans, sich ohne Ticket in einen ausverkauften Bus der FFA zu pflanzen. Selbst wenn es möglicherweise organisatorische Schwachstellen gab, oder Zeitdruck auf allen lastete: Das macht man einfach nicht. Da wurde eine Solidargemeinschaft unter der Fahne von Rot-Weiss Essen mit Füßen getreten. Hoffentlich ist hier schon eine Entschuldigung erfolgt.

Grundsätzlich aber sei einmal ein dicker Dank an alle gerichtet, die ihre Freizeit dafür opfern, um diese Saison möglichst viele Fans gemeinsam und kostengünstig in die Auswärtsstadien der 3. Liga zu bringen. Für die kommende Saison winken auch schon hochinteressante Auswärtsfahrten und Sehenswürdigkeiten aus der Ferne: Das Holstentor in Lübeck ganz sicher, der Strand von Warnemünde bei Rostock eventuell und möglicherweise auch das Ulmer Münster. Münster selbst auch. Wir biegen also auf die Zielgeraden einer unglaublich emotionalen ersten Saison in der 3. Liga ein. Und es war natürlich kein bisschen entspannter als bei den vielen Dramen der vergangenen Saisons. Den langen ruhigen Fluss können wir einfach nicht

Seniorenapplaus.

Markus Höhner hatte vergangenen Samstag seinen Spaß am Mikrofon der übertragenden Sendeanstalt. Wasserball im Stadion ist ja nun auch nicht alle Tage. Je mehr das Spiel im Matsch der Hafenstraße an Fahrt aufnahm, desto flüssiger kamen die flotten Sprüche. Der rote Faden „Trikotcontest Ron Berlinski“, Pottfolklore en masse und vieles mehr an diesem Nachmittag im Verbalportfolio vertreten. Selbst an die Synchronisierung vermeintlicher Dialoge zwischen Spieler und dem Unparteiischen traute sich Markus Höhner ran. Alles glücklicherweise eingebettet in eine objektive Berichterstattung unter Verzicht auf das Geschrei mancher Kollegen, sobald der Ball auch nur ansatzweise den Mittelkreis verlassen hat.

Es geht natürlich nichts über den Stadionbesuch. Aber wenn ein Stadionbesuch mal nicht geht, dann war diese Übertragung des Spiels gegen den SC Freiburg die Kirsche auf der leckeren Spieltorte. Endgültig zertifiziert mit dem Satz „Engelmann bekommt seinen Seniorenapplaus“. Aber eines ist klar: Die gesteigerte Freude an der Übertragung ging komplett mit der wunderbaren Leistung unserer Mannschaft einher. Ansonsten hätte das natürlich nicht funktioniert. Rot-Weiss Essen hat dem Tabellenzweiten aus Freiburg eine heroische Seeschlacht geliefert und so einen unglaublich wichtigen Sieg erkämpft.

Und da wären wir direkt wieder bei dem Spieler, der am Samstag sogar Kapitän zur See war und einmal mehr eine tadellose Leistung abgeliefert hat. Mittlerweile fragen sich immer mehr Fans, was Felix Herzenbruch noch anstellen muss, um auch in der kommenden Saison verdientermaßen das Trikot von Rot-Weiss Essen zu tragen. Mehr geht ja gar nicht, als der Reihe nach: Stammspieler, Torschütze, Abräumer, Gesicht des Vereins, Kapitän. Aber sollte es immer noch nicht reichen, wir hätten da noch ein paar Ideen: Karsamstag in Dresden, Jakob Golz rettet in der Nachspielzeit beim Stande von 1:0 für unseren RWE vor dem heranstürmenden Stefan Kutschke und sieht dafür die rote Karte. Felix Herzenbruch geht ins Tor und hält irgendwie den fälligen Elfmeter. Im darauffolgenden Heimspiel gegen den Waldhof versagt Walter Ruege die Stimme, kurz bevor er auf den Platz gehen will. Kurzerhand schnappt sich Felix Herzenbruch das Mikrofon und erledigt Walters Job während des Aufwärmens.

Es bleibt also spannend, was die Kaderplanung für die kommende Saison angeht. Was den Saisonverlauf an sich angeht, so wurde aus der stürmischen See der Vorwoche direkt nach Abpfiff Samstag ein etwas ruhigeres Gewässer. Noch vor dem Freiburg Spiel herrschte bei einigen ja schon schiere Panik vor einem direkten Abstieg. Der sukzessive Verlust des Punktepolsters ließ bisweilen jegliche Rationalität vermissen. Die rot-weissen Synapsen schalten dann einfach nicht mehr geordnet, werden bei nicht wenigen toxisch und bahnen sich ihren Weg in die Kommentarspalten. Dann kommt ein wirklich ganz schlechter Pokalauftritt hinzu und schon ist die Forderung klar: Köpfe müssen rollen. Das ist natürlich auch ein wilder Wellenritt durch die Saison, den wir mit unserer Mannschaft da hinlegen, aber wir sollten endlich mehr Vertrauen zeigen. Gerade auch in die Arbeit von Christoph Dabrowski und seinem Trainerteam. Wir sind und bleiben bis Saisonende Aufsteiger. Nicht weniger, aber eben auch nicht mehr.

Da geht es zumeist nur gegen den Abstieg. Ja und dann sind wir ja Immer noch Rot-Weiss Essen. Wir können nicht normal, sondern leben gefühlt immer nach diesem Zitat aus einer ehemaligen TV-Serie:

Weißt du, in Extremsituationen da reagieren Menschen anders als wie sie normalerweise reagieren. Sie reagieren in Extremsituationen extrem, also ist was in einer Extremsituation passiert als nicht geschehen zu werten, denn es ist extrem und wäre nicht geschehen, wenn es die Extremsituation nicht gegeben hätte.

TV Serie „Berlin, Berlin“ 2005

Nur gut, das Marcus Uhlig und Jörn Nowak stets besonnen reagieren und sich immer vor die Mannschaft werfen. Aber nochmal zurück zu den Wasserspielen gegen den SC Freiburg: Die Entstehung des zweiten Tores auf diesem Untergrund nebst Vollendung durch ausgerechnet Ron Berlinski, das kann man sich einfach nicht ausdenken. Das ist Freude pur. Für uns, für RWE, aber vor allem auch für Ron Berlinski selbst. Drei Punkte für etwas mehr Seelenfrieden, für einen entspannteren Ausblick auf die beiden kommenden Begegnungen und für das Überhaupt.

Vielleicht sogar noch wichtiger als die drei Punkte die Szenen nach Abpfiff, Lawrence Ennali gegenüber. Hier haben ganz viele etwas reparieren können, was ganz wenige zerstört haben. Und jetzt schaue ich mir noch einmal das ganze Spiel von Samstag an. Weil`s so schön war. Und weil Markus Höhner ebenfalls einen Sahnetag erwischt hat.