Monatsarchive: Mai 2023

Fußball im Ruhrgebiet. Ein moderner Mythos im Bilde.

Dass eine Ausstellung über den Fußball im Ruhrgebiet in der ehemaligen Kohlenwäsche auf Zeche Zollverein aufgebaut wird, entbehrt nicht einer gewissen Ironie, wurde doch auch im Fußball durchaus ab und an Kohle gewaschen, um dadurch sportliche oder private Ziele etwas flotter zu erreichen. Um die Kohlenwäsche zu erreichen, nimmt man zunächst die markante Rolltreppe rauf auf die 24-Meter Ebene, um dann nach Erwerb der Eintrittskarte direkt wieder abzusteigen. Für Schalke-Fans unter den Besuchern ein bekanntes Gefühl. Also der Abstieg in die zweite Etage. Gut übrigens, wenn man die Dauerkarte eines Ruhrgebietsvereins sein Eigen nennt, denn dann spart man noch richtig Geld: Die Fans der SpVgg Erkenschwick beispielsweise sparen somit 3€ auf das Ticket. Dauerkarteninhaber von Preußen Münster hingegen hätten Pech und müssten den vollen Preis zahlen. Aber, bevor es wieder Schelte aus Münster gibt: Studenten und Studentinnen unter 25 Jahren haben Eintritt frei.

Es geht also die illuminierte Treppe hinunter in den unprätentiösen Ausstellungsbereich, es dominieren Beton und die Stellwände, um den 450 klassischen und in großen Teilen noch nie gezeigten Fotos eine geeignete Bühne zu bieten. Der große Star einer solchen Ausstellung in eher dunklen Räumlichkeiten wie so oft die richtige Belichtung. Und so gelingt es auch der Ausstellung „Mythos und Moderne. Fußball im Ruhrgebiet“ den Fußball so in all seinen Facetten in Szene zu setzen, wie er uns berührt. Wie wir mit ihm aufgewachsen sind, und wie wir uns in ihn verliebt haben. Eine Ausstellung für Menschen, die den Fußball lieben. Aber sicherlich kein Ort für Strategen in Fuschl am See, Aki Watzke und seinen Kumpanen der DFL oder all die anderen. Keine Ausstellung für einen Infantino oder Max Eberl mit ihren immer neuen Hirngespinsten, sich den Fußball so zurechtzubiegen, bis auch noch die letzte Eckfahne gewinnbringend vermarktet werden kann. Wir brauchen nicht zu diskutieren, was wir verändern sollten, um den Fußball besser zu machen. Der Fußball ist ein einfaches Spiel, es ist unser Spiel des Lebens. Und genau das sollte es auch bleiben.

Wenn wir den Fußball besser machen wollen, dann sollten wir uns eher vom VAR verabschieden, anstatt Tore zu vergrößern. Was ein bekloppter Humbug da manchmal in den Funktionärsköpfen abgeht, ist zu oft nicht mehr nachvollziehbar. Obwohl: Vielleicht wäre dann der Besuch dieser Ausstellung sogar die richtige Therapie um mal wieder wach zu werden und zu erkennen, was der Fußball alles mit uns macht. Denn diese Ausstellung zeigt den Fußball in all seinen Facetten, und man hat fast bei jedem Foto das Gefühl, irgendwie Teil dieser Aufnahme zu sein, weil auch schon so erlebt. Die Fotos mit Gelsenkirchener Beteiligung einmal ausgenommen. Die Ausstellung ist thematisch gegliedert und lässt verweilen. Mindestens genauso interessant wie die Fotos selbst die Menschen, die die Fotos betrachten und „weißte noch“ murmeln. Es geht hier in dieser Ausstellung auch nicht darum, welcher Verein nun mit den meisten Fotos in der Ausstellung vertreten ist, und ganz selten ist auch schon mal eine Beschreibung verrutscht. Hier geht es um das Land der 1.000 Derbys, dort wo Fußball noch gearbeitet wird. Und das zu transportieren, ist den Machern und Macherinnen der Ausstellung wirklich gelungen.

Besucht man nun erst die Ausstellung und fährt direkt im Anschluss zu einem Spiel eines der Vereine aus der Ausstellung: Man sieht das Spiel mit ganz anderen Augen. Im Ruhrgebiet geht man nicht nur zu einem Spiel. Man lebt das Spiel. Die Ausstellung dauert vom 08. Mai 2023 bis zum 04. Februar 2024. Zeit genug also für unsere Gästefans der Hinrunde 2023/24, vor oder nach dem Gastspiel an der Hafenstraße diese Ausstellung zu besuchen, um zu verstehen, warum wir so sind, wie wir sind! Mein Lieblingsfoto dieser Ausstellung erstaunlicherweise keines mit RWE-Bezug, sondern das Foto von Rudi Meisel aus dem Jahre 1984, welches auf dem Sportplatz Weilheimer Straße in Bottrop geschossen wurde. Hier sehen wir nicht nur den prächtigsten Schnorres der Ausstellung, sondern gefühlt auch den örtlichen Paten und Vereinsmäzen. Natürlich außerhalb der Steuer. Die Sonnenbrille und der Blick…ich kann mich gar nicht irren.

Ich komme gerne wieder. Und nicht nur einmal, sondern so oft wie geht.

[Der Dank geht an das Ruhrmuseum, welches mir gestattete, Fotos der Ausstellung zu machen. Nicht alle Fotos hier sind am Tage des Ausstellungsbesuches gemacht worden. Einige auch im August 2022.]

Es gibt für alles eine Zeit. Auch dafür, Abschied zu nehmen.

Das Unentschieden zum Ausklang der ersten Saison in der 3. Liga verstärkte noch das eigene Empfinden, recht unentschieden in der Bewertung dieser zu sein, obwohl es doch so viele davon gab. Aber wenigstens war unsere Mannschaft konsequent und hat uns auch zum Abschluss keine spielerische Leichtigkeit des Seins vorgetragen, dafür aber wie immer bis zum Schluss alles gegeben. Das Ron Berlinski mit sämtlichen Produkten des örtlichen Sanitätshauses versehen zu Spielbeginn auf dem Platz stand, hat dann verwundert, stehen seiner Spielweise Maske und Schiene eher hinderlich gegenüber. Aber wenigstens wurde Simon Engelmann ja noch eingewechselt. Auf jeden Fall freue ich mich mehr über den Klassenerhalt als gefühlt der Münchner Komödienstadl über die ausnahmsweise recht spontan errungene siebenundachtzigste Meisterschaft in Folge.

Wir wurden tatsächlich für ein weiteres Jahr übernommen, haben somit den Patch bekommen und sind keine Prospects mehr. Kurz mal ausgemalt, wie sich die Woche vor dem Verl-Spiel gestaltet hätte, wären wir bis dato noch nicht gerettet, und ganz schnell festgestellt, die Gedanken nicht weiterzuführen. Es ist jetzt alles gut so wie es ist. Danke an alle bei RWE für den Klassenerhalt! Eine Premierensaison voller Hindernisse und vielen überflüssigen Nebenschauplätzen. Dazwischen dann doch die nötigen Punkte zu sammeln war sicherlich nicht einfach. Eines hatte mich vor dem letzten Saisonspiel sehr stark beschäftigt, und das war der Zeitpunkt der Verabschiedungen. Pokale werden nach dem Spiel überreicht, aber verabschiedet wird sich davor, so will es doch das ungeschriebene Fußballgesetz. Meine Sorge galt schlicht einer negativen Atmosphäre bei möglicher Niederlage. Aber ich hätte besser wissen müssen, dass die Hafenstraße sehr wohl in der Lage ist zu differenzieren und somit den passenden Rahmen zu einer in Gänze würdigen Veranstaltung gegeben hat. Alles richtig gemacht also. Richtig lässig wäre es gewesen, eine Verabschiedung in ein neues Vertragsangebot umzuwandeln, als Fan darf man ja solch Fantasien haben.

Zu den schmissigen Melodien rund um Felix Herzenbruch und Simon Engelmann kamen diesmal langgezogene Rufe hinzu, um auch die Verdienste von Oguzhan Kefkir rund um Rot-Weiss Essen zu würdigen. Das war dann wirklich der Moment, um festzuhalten, dass wir an der Hafenstraße nicht immer nur kollern können, sondern auch die Wichtigkeit und den Fleiß eines Spielers für die Mannschaft würdigen, der in der öffentlichen Meinung bisweilen zu schlecht weggekommen ist. Der Fußballer Ötzi war für RWE tausendmal wichtiger als DJ Ötzi für die Musikgeschichte beispielsweise. Fußball ist aber auch ein Wechselbad der Emotionen, das ist schon komplett irrational. Vergangene Saison haben wir mit Kevin Grund und Marcel Platzek zwei RWE-Ikonen verabschiedet, die so viele Jahre länger noch die Knochen für RWE hingehalten haben als unsere drei Hauptprotagonisten des aktuellen Abschiedsschmerzes. Aber diese drei haben eben das erleben und gestalten dürfen, was Kevin Grund und Marcel Platzek leider versagt geblieben ist. Was hätte man doch gerade ihnen den Aufstieg gewünscht. Wir hätten auch für sie eine passende Melodie gefunden.

Nun beginnt für uns alle die spannende Zeit des Wartens auf die Ideen der Kaderplaner und deren tatsächliche Umsetzung. Und dann ist da ja auch noch das Europapokalfinale gegen den Nachbarn aus Oberhausen. Gerne haben wir unsere Stammplätze in G1 nicht geräumt, aber es ist natürlich nachvollziehbar, dass den Kleeblättern eine ganze Tribüne zur Verfügung gestellt wird, wenn der Verband schon nicht mit einem neutralen Stadion dienen kann. Dass das Kartenkontingent für die Gottschalk-Tribüne dann aber noch immer nicht in Gänze aufgekauft wurde, konterkariert ein wenig die Forderungen auf Seiten der RWO-Fans, doch bitte schön die Hälfte der Kapazität zugesprochen zu bekommen. Aber das Lied der RWO-Fans in Richtung RWE ist nun mal die Klage. Wir kennen das. Einmal abgesehen von der sicher außergewöhnlichen Atmosphäre besteht die Faszination in diesem Finale allein schon darin, dass es kein Unentschieden geben wird. Und hoffentlich auch keinen Platzsturm.

Also das waren auch zwei Platzbegehungen vergangenes Wochenende, die einmal mehr gezeigt haben, dass man erst rübermachen sollte, wenn anderswo der letzte Pfiff erfolgt ist. Das Schicksal der Wiesbadener (wo kamen die denn plötzlich alle her?) Und HSV- (das war so klar, aber sowas von!) Fans ließ tatsächlich ein wenig schmunzeln, denn vergangene Saison wurde auch anne Hafenstraße mit Abpfiff des eigenen Spiels der Rasen gestürmt, obwohl die Begegnung in Münster noch einige Minuten andauern sollte. Ging damals Gottseidank alles gut. Ich ordne einen Platzsturm weiterhin nicht unter der Kategorie „Fußballkultur“ ein und sehe das sehr kritisch, zumal es immer mehr Leute gibt, die mit brennender Pyro-Fackel auf den Rasen rennen. Da ist dann definitiv Schluss mit kontrolliertem Abbrennen, ohne die Hand zu verlassen. Auch wenn eine Mannschaft die Fans zum rasen gebracht hat, der Rasen sollte auch im Erfolgsfall der Mannschaft gehören. Wenigstens die erste Stunde. Danach kann immer noch gestürmt werden.

Die Platzstürmer müssen also nachsitzen und somit muss für uns relevant der SV Wehen Wiesbaden in der Relegation gegen Arminia Bielefeld ran. Und da wird es dann aus emotionaler Sicht als Fußballfan wieder absurd: Ich mag Arminia Bielefeld. Ich empfände die Arminia trotz deren dann eigenen Leidens als eine absolute Bereicherung für die 3. Liga und als Gegner wesentlich attraktiver als den SV Wehen Wiesbaden. Und so kommt es dann, dass man in der Relegation dem Verein die Daumen drückt, den man als eher egal empfindet, nur um den Verein zu bekommen, den man gerne anne Hafenstraße begrüßen würde. Außerdem hätte ein Zuzug aus Bielefeld den Vorteil, dass man sich in Münster endlich wieder an der Arminia abarbeiten kann, anstatt ständig Rot-Weiss Essen für alles und jedes verantwortlich zu machen.

„Nun sei bedankt, mein lieber Schwan!“ (Richard Wagner)

Es klingt vielleicht etwas ungerecht der Mannschaft von Rot-Weiss Essen gegenüber, wenn ich schreibe, dass mein schönster Saisonmoment vergangenen Sonntag um ca. 14:02 Uhr in Nordhorn während der nachmittäglichen Hunderunde stattgefunden hat. Das Handy brummte und es ploppte die Nachricht vom Ausgleich des FSV Zwickau kurz nach Beginn der zweiten Halbzeit in Wilhelmshaven als Gast des VfB Oldenburg auf. Ein Aufschrei, fast zog es mich gar zu Boden.

Das erste Tor der Oldenburger noch am TV mitbekommen, wollte ich mir das dann lieber doch nicht weiter anschauen und weidete mich in meinem RWE-Fatalismus. Doch änderte dieses Ausgleichstor unerklärlich einiges, wandelte Angst vor dem Abstieg in einen Schwanensee bis zum Abpfiff der Begegnung im Jade-Stadion. Rot-Weiss Essen hat auf der vielzitierten Couch die Klasse gehalten und es bleibt einfach nur zu sagen: Danke FSV Zwickau für diese couragierte Leistung trotz schon feststehenden eigenen Abstiegs. Der VfB Oldenburg ist nach dem Ausgleich regelrecht zusammengeknickt und hat es dann einfach nicht mehr hinbekommen.

Und genau da lag bis zum Ausgleich meine Angst begründet: Hätte der VfB seine letzte Chance auf den Klassenerhalt gewahrt, und die Schwäne meinetwegen mit 3:0 bezwungen, dann wären wir dermaßen in der Verlosung drin gewesen, und hätte der eh schon fast unmenschliche Druck auf Mannschaft und Verein noch ungeahntere Ausmaße angenommen. Ich hätte schlimmes für das letzte Heimspiel gegen einen immer unangenehmen SC Verl befürchtet. Aber nun ist es vorbei, dieses bleierne Gefühl, alles in einer Saison zu verspielen, worauf wir vierzehn lange Jahre gewartet haben. Wenn der Berg nicht zum Propheten kommt, muss der Klassenerhalt eben zu RWE gehen.

Fast schon zynisch, dass der FSV Zwickau durch eigenes Leid im Grunde genommen gleich zweimal unseren Drittliga-Poppes gerettet hat. Aus der Erfahrung der vergangenen Wochen und Monate glaube ich nämlich nicht unbedingt, dass wir das Spiel in Zwickau noch gewonnen hätten. Aber es ist jetzt natürlich müßig, sich darüber noch Gedanken zu machen. Wir blieben drin, und Aufstiegshelden bleiben Aufstiegshelden. Auch das ein wichtiger Fakt meiner Gefühlslage. Ich hätte es kaum ertragen können, wenn diejenigen, die uns zum Aufstieg verholfen haben und nicht bleiben dürfen, nun als Absteiger verlassen müssten. So können wir sie nun gebührend verabschieden und sie ihrerseits voller Stolz einer neuen sportlichen Aufgabe entgegensehen.

Engel, Herze und Ötzi (stellvertretend genannt), glaubt nicht, dass wir jemals vergessen, was Ihr und Eure Mitspieler für Rot-Weiss Essen und für uns Fans mit dem Aufstieg und der einzigartigen Pokalsause geleistet haben. Und natürlich auch mit dem Klassenerhalt, denn sicherlich ist dieser nicht nur dem FSV Zwickau zu verdanken. Wir hatten auch den einen oder die anderen schönen Momente diese Saison, die dann tatsächlich zu den Punkten geführt haben, die uns immer über dem Strich hielten. Zwischendurch haben wir uns aber zu sehr darauf ausgeruht, das war vielleicht inhaltlich eher kontraproduktiv. Würde die Saison noch länger dauern, wären wir eventuell doch noch abgestiegen, so wie sich die Dinge entwickelt haben.

Gewinner des vergangenen Spieltags die Fans des VfB Oldenburg! Wie stolz und würdig mit dem Abstieg umgegangen wurde, das nötigte unglaublich viel Applaus ab. Der Zusammenhalt zwischen Mannschaft und Fans war spürbar. Ein ähnliches Szenario bei Abstieg hätte es bei uns leider wohl nicht so gegeben. Das mit dem nachhaltigen Respekt müssen wir noch hinbekommen.

„Vollidiot“

Bis zum Ausgleich der Münchner Löwen war so weit alles in Ordnung, es gab ja auch erstaunlich viel Aufregendes von unserer Mannschaft zu sehen bis dahin. Auf jeden Fall so vieles von dem, was wir speziell in Meppen vermisst hatten. Spielerische Magerkost waren wir schon seit längerer Zeit gewohnt, aber nun gesellte sich auch noch fehlende Hingabe hinzu. Glücklicherweise hat das unsere Mannschaft wohl selbst auch so gesehen und zeigte gegen München Blau von Anbeginn an eine ganz andere Leidenschaft.

Stellvertretend dafür das Solo von Lawrence Ennali bis an die Grundlinie und die akrobatische Abnahme von Ron Berlinski, die tatsächlich sogar noch gefährlich auf das Tor kam. Oder die gigantische Rettungstat von Rios Alonso, bei der wohl so ziemlich jeder Fan eher mit einem Elfmeter rechnete, anstatt sich Sekunden später in torjubelähnlicher Ekstase von Spieler und Heimtribünen wiederzufinden. Und können wir endlich mal aufhören, ständig nur über Ballverluste von Isi Young zu lamentieren, anstatt mal festzuhalten, dass er unseren beiden Toren assistiert hat und mit Pferdelunge versehen immer wieder die Bälle nach vorne schleppt, wenn es sonst kein anderer macht? Der Blut spritzende und frisch tamponiert in die Runde grinsende Berlinski machte das Bild dann so richtig rund. Allen Unkenrufen zu Trotze hat die Mannschaft von Rot-Weiss Essen bewiesen, dass sie lebt, wie es so schön heißt.

Sie wollte das Drama Klassenerhalt endlich klären. Und das wollten auch die, die uns verlassen müssen. Feines Gespür hier auf der Tribüne in Richtung Simon Engelmann, Oguzhan Kefkir und Felix Herzenbruch mittels Produktlinie aus dem Tapetenfachhandel. Vor allem für Ötzi hat es mich sehr gefreut, kochten die Emotionen da nie so hoch wie bei den beiden anderen genannten. Im Falle von Felix Herzenbruch werde ich es weiterhin nicht verstehen, dass von Vereinsseite kein Angebot für eine Weiterbeschäftigung erfolgt ist. Selten wurde eine positive sportliche Entwicklung im Laufe einer Saison so wenig belohnt wie in seinem Falle. Zuzüglich Kapitänsbinde, Eintrag in die Torschützenliste und optimaler Außendarstellung. Was muss man denn als Spieler noch mehr anbieten?

Zurück zum Spiel: Es herrschte also nicht nur am Himmel eitel Sonnenschein, der den einen oder anderen Sonnenbrand zur Folge hatte. Eigentlich hatte es doch immer nur geregnet in unserem Zuhause. Der Klassenerhalt also greifbar nahe, bis zur 65. Minute, da fiel der Ausgleich. Und justament kippte auch die Laune einiger in G1. Nicht, dass sie trotzdem schon auch vorher gemeckert hatten, aber nun wurde so ziemlich jeder Spieler bei einer nicht gewinnbringenden Aktion als „Vollidiot“ bezeichnet. Nach dem 1:2 war eigentlich nur noch Vollidiot zu hören, oder wilde Pöbelei über das Bemühen unserer Spieler. Irgendwann reichte es dann, und mir platzte der Kragen, um für etwas mehr Respekt zu werben. Ich bilde mir ein, es hat gewirkt, denn weitere Beleidigungen in Richtung unserer Spieler blieben danach aus. Gerne können wir gegen Verl darauf zusammen in G1 ein Stauder trinken, aber dieses Kontra musste sein, sonst wäre ich selbst auch eskaliert.

Wo ist er hin, der Respekt vor unseren Spielern? Selbst nach dieser sportlichen Wiedergutmachung weit über eine Stunde bis zum ersten Gegentor und darüber hinaus? So geht das nicht, so können wir nicht mehr miteinander umgehen. Das hat nichts mit rauer Hafenstraße oder Ruhrpott-Charme zu tun, das ist einfach nicht mehr in Ordnung. Wenn doch alles so scheiße ist, dann kann man einfach auch vor sich hin schimpfen und gehen. So als Alternative. Oder unterstützen, wenn ich denn trotz Gegentor die Bemühungen erkenne. Und die waren im Gegensatz zum Meppen Spiel absolut vorhanden. Dort war es völlig in Ordnung, die Unterstützung einzustellen, so sprachlos, wie wir im Gästeblock gespielt wurden. Aber gegen 1860, das war doch ein ganz anderes Auftreten. Das muss doch auch mal honoriert werden. Natürlich gab es in den vergangenen Wochen viele Dinge auf dem Feld zu bemängeln und spielerisch wurden wir wirklich um die Freuden der 3. Liga gebracht, die wir uns nach so vielen tristen Jahren erhofft hatten. Aber das rechtfertigt in keinster Weise, dass wir die Spieler, die unsere Farben vertreten, dann einfach nach Belieben lautstark durchbeleidigen dürfen.

Und musste das sein, schon vor so einem wichtigen Spiel gegen den Trainer zu agieren und damit der Mannschaft ebenfalls eher zu schaden als zu nutzen? Wenn wir das alles aufzählen, was unsere Mannschaft auch durch uns Fans diese Saison auszuhalten hatte, da bin ich manchmal froh, dass sie überhaupt noch so engagiert für Rot-Weiss Essen zu Werke gehen. Diese Saison ist anstrengender als alle vierzehn anstrengenden Saisons davor zusammen. Und das soll wirklich was heißen! Da braucht es keinen Kleinkrieg gegen den Verein, den man doch über alles liebt. Ich dachte immer, wir gewinnen und verlieren zusammen. Aber scheinbar ist dem nicht mehr so. Wir gewinnen natürlich alle zusammen und natürlich nur durch die Unterstützung der Fans. Aber wenn wir verlieren, dann waren es nur die Versager oder Vollidioten auf dem Feld oder an der Seitenlinie?

Ja, klar, die Mannschaft hat das Spiel gespielt, und der Trainer hat sie darauf vorbereitet. Da können wir noch so großartig anfeuern, unser Einfluss darauf ist nun mal begrenzt. Aber wir könnten versuchen, jedes Ergebnis in Würde zu ertragen. Und es ist im Kontext Verein – Mannschaft – Fans nicht immer nur Verein und Mannschaft, die verliert. Manchmal treffen auch wir Fans falsche Entscheidungen, haben einen schlechten Tag erwischt oder was auch immer. Jetzt  haben wir nur noch zwei Spiele in der Liga, sind immer noch nicht gesichert. Vielleicht können wir da mal alle Ressentiments beiseitelegen und unseren Teil dazu beitragen, dass unser Verein, der über allen Befindlichkeiten stehen sollte, endlich diesen verflixten Klassenerhalt eintüten kann. Danach kommt hoffentlich alles auf den Tisch des Hauses, was das erste Jahr in der 3. Liga angeht. Es gibt sicher viel zu analysieren, da bin ich mir sicher. Denn eines ist klar: Wer meint etwas zu sein, hat aufgehört, etwas zu werden.

Lasst uns nun gemeinsam „Klassenerhalter“ werden und ein gelöstes Pokalfinale gegen RWO spielen. Und dann sollten wir auch noch einigen Aufstiegshelden einen mehr als gebührenden Abschied bereiten. Drei Spiele gemeinsam!

Auf dem Jakobsweg (Kolumne #189)

In der Woche vor dem 14.Mai 2022 hat im Dunstkreis von Rot-Weis Essen wohl kaum jemand wirklich geschlafen. Spätestens nach dem Patzer der heiligen St.Preußen und dem tags darauffolgenden Auswärtssieg in Lotte gegen Rödinghausen war klar: Die Aufregung auf das zwischenzeitlich fast Unmögliche machte es kaum möglich, irgendwie zur Ruhe zu kommen. Das eruptive und anschließend feuchtfröhliche Ende ja noch bestens bekannt.

Exakt ein Jahr später stehen wir wieder vor einem möglicherweise entscheidenden Spiel an einem 14.Mai. Diesmal sind die Vorzeichen allerdings ein wenig anders gelagert, auch wenn eine Sache identisch sein dürfte: Wir schlafen allesamt wieder sehr wenig, sofern wir es mit unserem RWE halten. Den mehrheitlich spielerisch suboptimalen Auftritten der letzten Wochen kam in Meppen dann eine noch schlechtere erste Halbzeit obendrauf, die den Grundstein dafür legte, dass man von einem fast schon designierten Absteiger eine Lehrstunde in Sachen Leidenschaft für das getragene Trikot aufgezeigt bekommen hat.

Es war also wieder nicht an der Zeit, diesen verflixten Klassenerhalt zur Beruhigung so vieler Nerven endlich eintüten zu können. Irgendwie fast schon fatal: Immer, wenn die Tabellenkonstellation auch optisch einen richtigen Sprung nach oben ermöglicht hätte, haben wir dankend abgelehnt und sind lieber kurz über dem Strich geblieben. Glücklicherweise immer mit freundlicher Unterstützung der unter uns stehenden Mannschaften. Und einer stets bärenstarken Leistung von Jakob Golz.

Das sollte an dieser Stelle endlich explizit erwähnt werden. Zu oft sah sich Jakob Golz allein einem gegnerischen Stürmer gegenüber und wehrte in einem fantastischen Reflex den Ball ab. Sein Umgang bei Eins-gegen-eins-Situationen dürfte auch bei Handball- und Eishockeytorhütern respektvolles Nicken zur Folge haben. Auch seinetwegen also stehen wir noch über dem Strich. Gegen die Münchner Löwen nun brauchen wir aber wieder die ganze Mannschaft. Ohne Wenn und Aber. Ohne persönliche Befindlichkeiten. Schließlich mucken speziell Halle und Meppen nochmal so richtig auf und deshalb bietet sich doch der 14.Mai 2023 geradezu an, ihn wieder zu einem rot-weißen Feiertag werden zu lassen. Wenngleich dann etwas gedämpfter und wohl mit einem blauen Auge versehen.

Über die kolportierte Reaktion von Isi Young nach dem Spiel Richtung Meppener Bank musste ich eher schmunzeln, als dass ich mich darüber aufregen würde. Zeigt es doch, dass bei uns noch Emotionen sind und nicht nur Lethargie übernommen hat. Wenn sich dann noch ein Ernst Middendorp darüber echauffiert und ein Fass aufmacht, dann würde ich sagen: Darauf eine Bratwurst.

Gleich viele Fässer machen wir Fans traditionell auf, wenn es um RWE geht. Einerseits die mit feinstem Stauder, andererseits immer mal wieder welche, deren Inhalt gerüchtemäßig zwischen GZSZ und Freizeit Revue variiert. Wenn es dann nicht zeitnah vom Verein verifiziert oder via Pressemeldung bestätigt wird, heißt es gerne, dass der Verein ein Kommunikationsproblem hat. Ich weiß nicht, für mich ist das eher ein kompetenter Umgang mit den Dingen, nicht über jedes Stöckchen zu springen und sich auf das Wesentliche zu beschränken. Gibt es dann was fundiertes zu vermelden, so bekommen wir es doch immer zeitnah mitgeteilt.

Und ganz ehrlich: Manches müssen wir auch einfach nicht wissen, das gibt der Status Fan formal auch einfach nicht her. Vielmehr hoffe ich doch, dass ausschließlich intern alle Dinge besprochen und aufgearbeitet werden. Denn wichtig is…genau!

Wer einmal mit dem Löwen Samba tanzt, der schnarcht auch ohne Zähne.

Auf einmal saß er da. Die Nachbarn der ersten Hälfte konnten sich das Gewürge der eigenen Mannschaft in Meppen vielleicht nicht mehr antun. Oder sie waren solidarischer im Umgang mit den eigenen Fans als diejenigen „Kollegen“, die den kompletten ersten vier Sitzreihen im so schon kleinen Sitzplatzblock des Emslandstadions einfach mal die Sicht versperrten, indem das große Banner einer Fangruppierung dort platziert wurde. Wie egoistisch kann man eigentlich sein? Ist der eigene Lappen wichtiger als die Befindlichkeit dutzender Fans, die sich ebenfalls auf den weiten Weg nach Meppen gemacht haben und viel Geld für ein Ticket bezahlt haben? Nee, das war so nicht in Ordnung und kann ja vielleicht Szeneintern nochmal besprochen werden.

Aber zurück zu dem plötzlich und unerwartet aufgetauchten Fan, der möglicherweise schon als ganz junger Fan in Hannover vor Ort war, und die Meisterschaft im Stadion bejubeln durfte. Um mal einen Eindruck davon zu bekommen, von welcher Alterskategorie wir hier schreiben. Stolz hielt er die Fahne in der einen und den Gehstock in der anderen Hand. Aber die Augen und die Stimme verrieten große Sorge nach dieser ersten Halbzeit gegen den designierten Absteiger SV Meppen.

Ironischerweise hat einmal mehr mit Felix Herzenbruch noch derjenige den meisten Einsatz auf dem Feld gezeigt, der unverständlicherweise in der kommenden Saison nicht mehr das Trikot von Rot-Weiss Essen tragen darf. Das so viele Fans in seinem speziellen Falle etwas allergisch reagieren, hat nichts mit irgendeiner Verklärung oder so zu tun. Hier geht es ausschließlich um die Anerkennung einer sportlichen Leistung in dieser so anstrengenden ersten Drittligasaison seit ewigen Zeiten. Es geht auch nicht darum, unseren neuen sportlichen Verantwortlichen schon im Vorfeld das Vertrauen zu entziehen. Aber wenn wir gewohnt sind, miteinander Tacheles zu reden, so darf dann auch mal die Reaktion erfolgen, dass das so für uns nicht in Ordnung war. Ich bin immer noch dafür, sich nochmal zusammenzusetzen. Gefühlt bekommt zudem derjenige kein Arbeitspapier, der fast als einziger keine gesundheitlichen Ausfälle zu verzeichnen hatte. Und wir sind ja wirklich gebeutelt in unserer Premierensaison, was Krankheiten und Verletzungen angeht.

Ich bin nun also sehr gespannt, was die neuen Ideen rund um RWE angeht, und wann die ersten Neuverpflichtungen auf uns warten. Was nun den Abschied von Simon Engelmann angeht, so ist auch das schade, denn seine Tore haben einen großen Anteil am Aufstieg und an dieser unnachahmlichen Pokalsause in ansonsten tristen Corona-Zeiten. Aber hier steht der Wunsch nach Veränderung im Einklang mit der familiären Situation, und das gilt es zu respektieren. Etwas befremdlich finde ich dann allerdings immer, wenn Spieler sich schon im klassischen Fotoformat mit neuem Trikot bei aufnehmendem Verein zeigen, während sie noch bei abgebendem Verein unter Vertrag stehen. Das sollte anders geregelt werden, denn „Engel“ ist noch Rot-Weisser. Und als solcher hat er nun noch alles dafür zu geben, dass er die Hafenstraße ausschließlich als Aufstiegsheld verlässt.

Ich bin frohen Mutes, dass er das nicht nur tun, sondern auch noch mit Toren garnieren wird. Kein Aufstiegsheld möchte ein gutes Jahr später als Abstiegsdepp dastehen. Auch Oguzhan Kefkir muss seinen Spind nach dieser Saison räumen. Und auch hier tut es mir sportlich sehr leid, denn ich habe ihn nie so kritisch gesehen, wie es gelegentlich der Fall war. Ich mochte sein Spiel. Danke für alles, lieber „Ötzi“! Na ja, im Grunde genommen können sämtliche Befindlichkeiten auch mit dem normalen Lauf im Fußball umschrieben werden. Da gibt es schließlich immer Umbrüche, nach der Saison ist vor der Saison, und wie schon der große Willy Brandt wusste: „Besinnt Euch auf Eure Kraft und darauf, dass jede Zeit eigene Antworten will“.

Wir Fans von Rot-Weiss Essen sind also schon so richtig gespannt auf die Antworten, die wir auf unsere vielen Fragen in Sachen Kaderplanung bekommen. Und vielleicht würde ich mir auch wünschen, Christoph Dabrowski nur einmal in anderen Klamotten am Spielfeldrand agieren zu sehen. Vielleicht würde ein solcher Kniff mal der berühmten Küchenpsychologie unter die Arme greifen und etwas Neues suggerieren. Einfach mal ein Spiel in Rot coachen. Wir haben da doch genug Schickes im Fanshop.

Sonntag also wieder einmal ein Spiel von immenser Wichtigkeit. Und dann auch noch um diese unchristliche Uhrzeit. Den anreisenden Fans der Löwen mag das egal sein, Weißwurst und Weißbier gibt es eh zum Frühstück. Aber an der Hafenstraße ist 13:00 Uhr eine Anstoßzeit, die höchstens für das erste Konterbier taugt, da man eigentlich gerade erst zu Bett gegangen ist. Es nutzt aber alles nicht, Sonntag muss nicht nur unsere Mannschaft mal wieder aus dem Tal der Untätigkeit aufwachen, sondern auch wir Fans. Wir sollten unseren Verein dermaßen laut besingen, so dass den Löwen in ihrer tabellarischen Einöde die Ohren klingeln. Der Mannschaft helfen, endlich den Deckel drauf zu machen, damit der Problempraktikant RWE für ein weiteres Jahr planen kann und übernommen wird. Meppen war gestern, Sonntag ist Klassenerhalt.