Ich habe den Sachsen das Angeln beigebracht. Seitdem heißen sie Angelsachsen (Monty Python)
3.Liga
Es werden meistens die Torschützen oder die (Gegen-) Tor Verhinderer im Anschluss an ein erfolgreich geführtes Spiel hervorgehoben und gefeiert. Und so war es natürlich nicht verwunderlich, dass nach dem gewonnenen Spiel im Wedaustadion vor allem Marvin Obuz für seine moderne Verfilmung eines Arjen Robben Klassikers, Musti Kourouma für den entscheidenden Kopfball ins Glück und einmal mehr Jakob Golz für Großtaten im Tor jenseits des eigentlichen Machbaren im Fokus der Ovationen standen. Neben den drei genannten haben natürlich alle zu dem ersten Sieg nach vierzig Jahren an der Wedau beigetragen.
Und doch gab es da auch noch die Aktionen eines Spielers, die in der ganzen Euphorie vielleicht ein bisschen untergegangen sind: Es war die sechzigste Minute, als Andreas Wiegel eingewechselt wurde, um den stabilen Eric Voufack relevant zu ersetzen. Und wie es nun mal das Spiel von Andreas Wiegel ist, wird sich direkt dreckig gemacht. Der Mann muss den Atem des Gegners und den Geruch des Rasens riechen, um nach Abpfiff zufrieden vom Feld zu gehen. So dauerte es nur zwei Minuten und Wiegel machte Wiegel Dinge: Er wuselte und wiegelte sich halb stehend, bald liegend im Gedränge mit Duisburgern um den Ball, konnte diesen erfolgreich behaupten und sitzend zu Kollege Šapina weiterleiten. Seinerseits gedankenschnell zu Obuz weitergeleitet folgte der erste Schuss ins Glück!
Zwischendurch gab es den verdienten Ausgleich und diverse Wunderdinge unseres Schnappers, bevor es in der Nachspielzeit erneut einen besonderen Wiegel Moment in Form eines Eckstoßes gab. Vielleicht wollte er diesen auch gar nicht treten, aber von Vorarbeiter Šapina unmissverständlich dazu herbeigewunken, erledigte er auch diesen Auftrag präzise in Richtung Kollege Götze, der so ungestört und butterweich in den Strafraum flanken konnte. Der sollte da genau hin. Dann der Kopfball durch Kourouma und vierzig Jahre Wedaustadion-Tristesse waren von jetzt auf gleich vergessen.
Und wieder raste die ganze Essener Bank Richtung Torschütze und eigenen Fans, um die bereits bestehende Freudentraube noch zu ergänzen. Dieses Gefühl, nicht mehr nur Fan eines Vereins zu sein, sondern auch wirklich einer geilen Mannschaft zu folgen, die ein Team im besten Sinne des Wortes ist, dass ist ein unglaublich befreiendes und schönes Gefühl. Die Metaphern „Wir halten zusammen“ und „gewinnen oder verlieren gemeinsam“ zurzeit somit alles andere als leere Worthülsen. Nun gut, wie sind Rot-Weiss Essen, von daher kann sich das auch mal schnell wieder ändern, umso mehr gilt es eben, das Momentum zu genießen. Und wenn dann der eine oder die andere schon wieder von Relegation träumt, dann ist das vielleicht nicht ganz realistisch, aber hat doch Charme. Wir können schließlich nur in Extremen denken.
Europapokal
Und weil das ja so ist, und weil uns Straelen schon mal so richtig am Wickel hatte, war ich dann doch tatsächlich angespannt vor dem Pokalspiel im schummerig erleuchteten Stadion an der Römerstraße. Das hatte nichts mit Befürchtungen bezüglich der sinnvollen Rotation zu tun: Der Gedanke ging tatsächlich in die Richtung, ob man dem Oberligacharme überhaupt noch gewachsen ist, nach dem aktuellen Ritt durch die großen Stadien und den vollen Tribünen der Liga. Die Sorgen stellten sich als unberechtigt heraus: Der Sportverein hielt zwar lange gut dagegen, doch der RWE auch unter der Woche weiter von Kopf bis Fuß stabil unterwegs. Das Viertelfinale im Europapokal wurde schlussendlich souverän mit einem 4:0 Auswärtssieg erreicht.
DFB-Pokal
Auch unser kommende Gegner Arminia Bielefeld musste im Pokal ran, wenn auch nur im DFB-Pokal. Uns eint nun das Ausscheiden gegen den Hamburger SV, sowie eine jeweils großartige Leistung. Sonst eint uns nicht viel, die Arminia ist schließlich auch mit dem Makel Bundesliga-Skandal zu unseren Ungunsten behaftet. Zudem mussten die Alm-Öhis noch ein Elfmeterschießen im Spiel gegen die Hanseaten draufpacken. Die Beine dürften also etwas schwerer sein als die unserer Kicker. Aber schwere Beine haben ebenfalls körperlich hart arbeitende Menschen schließlich jeden Tag.
Die Bielefelder Brust dürfte zurecht trotzdem breit sein, schwimmt man wie wir auf einer sportlichen Erfolgswelle und hat in den letzten drei Spielen ebenfalls alle Neune geworfen. Wer gibt nun wem auf die Zwölf oder einigen wir uns auf Unentschieden? Wohl kaum. Samstag nun müssen die Arminen auf dem Weg zum Spielfeld zuerst an dem Penny ihm sein Knie vorbei, diesem Symbol für rot-weißen Kampfgeist. Dann blicken sie im Herbstregen auf eine prall gefüllte Rahn-Tribüne (oben trocken, unten nass) und klingelt ihnen Adiole in den Ohren. Da wird hoffentlich schon etwas Luft aus breiter Bielefelder Brust weichen. Kein VAR stört den Spielverlauf und das schöne Spiel kann wieder von vorne beginnen. Es kribbelt also schon Tage vorher ordentlich. Ich tippe mal auf ein 2:1 für unsere Roten.
Exkurs
Ebenfalls im DFB-Pokal hat der Ligakonkurrent aus Saarbrücken den FC Bayern rausgeworfen. Wahnsinn, der Pokal hat also noch diese eigenen Gesetze, die der Bundesliga abhanden gekommen sind. Es ist schön, dass Fußball manchmal doch noch die Sehnsüchte der (allermeisten) Fußballfans zu bedienen weiß. Der Umgang mit dem VAR oftmals fast schon schizophren: in den ersten beiden Ligen regt man sich vortrefflich über ihn auf. Spieler, Verantwortliche, sogenannte Experten: Alle am Meckern, je nach Gusto natürlich. Und dann erst die Fans, die bei einer VAR-Korrektur gegen die eigene Mannschaft lauthals „Scheiss DFB“ brüllen, aber kritiklos jubeln, wenn der VAR eine Entscheidung des Unparteiischen korrigiert und auf Elfmeter für die eigenen Farben pfeift. Bis dann wieder gegen die eigene Mannschaft entschieden wird. Dann gilt wieder ersteres.
Schafft diesen Unsinn ab. Er hat den Fußball in Summe nicht gerechter gemacht. Er verbittert den Fußball und verkommt vor allem rund um das Handspiel zu einem Trauerspiel. Stützhand bleibt Stützhand. Aber selbst dem schwarzen Ritter aus „Die Ritter der Kokosnuss“ (John Cleese in Bestform) würde der Kölner Keller auch nach dem Verlust beider Arme ein Handspiel oder die Verbreiterung der Körperfläche nachweisen. Je nach Tagesform. Die dritte Liga und die ersten Runden im DFB-Pokal haben den VAR glücklicherweise noch nicht aufgezwungen bekommen, und somit sind es de facto die beiden aufregendsten Wettbewerbe. Manchmal ist weniger einfach mehr. Der schönste Moment im aktuellen Wettbewerb bisher: Egal wer im kommenden Jahr den DFB-Pokal gewinnen wird (wir setzen ja gerade aus): Der Pott wird nicht mehr für die Zwecke eines Getränkeherstellers missbraucht werden können.
WM
Im Spiel der Arminia gegen den HSV gab es leider einen medizinischen Notfall und erstaunlich schnell verstummten zigtausende Menschen respektvoll, die Fahnen wurden eingerollt. Es herrschte so lange Ruhe, bis Entwarnung signalisiert und der Patient/die Patientin unter großem Applaus in ein Krankenhaus überführt wurde. Diese Reaktionen auf der Alm wie zuvor bei ähnlichen Fällen in anderen Stadien haben gezeigt: Jeder noch so durchgeknallte Fanblock hat mehr Gespür für die Situation und die Menschen als Gianni Infantino und seine FIFA-Schergen. Und kein Verband stellt sich dem entgegen. Hoffentlich geht es dem Fan wieder gut! Was ist schon Fußball, wenn es um die Gesundheit geht.
Wieder einmal alles sehr gut beschrieben. Nur der RWE
Wie immer pointiert und sachlich formuliert!