Locker durch den Schlüpper.
Wer kennt es nicht, dieses grausam gruselige Video vergangener Tage, bei denen die eigenen Körperzellen besungen werden, von denen jede einzelne natürlich glücklich ist. Ich hatte es eigentlich endgültig verdrängt, aber die aktuell zumeist negative Grundhaltung zu vieler RWE-Fans treibt einen ja fast dazu, sich diesen Quatsch wieder anzuschauen, um sich nicht ebenfalls komplett runterziehen zu lassen.
Aber, so schlimm kann es dann doch nicht kommen. Ein jeder RWE-Fan geht emotional mit seinem Verein um, so wie er oder sie sich nun mal fühlt, und das ist gut so. Aber ich kann das oftmals einfach nicht mehr nachvollziehen, wie sich da bisweilen mit wolliger Lust am Untergang gerieben wird. Was soll das? Und vor allem: Warum? Ich brauche ja immer etwas länger, mich Jahr für Jahr von Spielern zu verabschieden, die mich ganz persönlich begeistert haben. Oder von Menschen im Verein, die mir jahrelang eine Konstante waren. Das macht was mit mir, das will ich manchmal auch lieber gar nicht wahrhaben. Um dann aber nach einiger Zeit erleichtert festzustellen: Der Verein ist geblieben. Der ist gar nicht weg. Und bestenfalls kann ich mich mit allen, die nicht mehr Teil des Vereins sind, weiterhin noch ganz lange über diesen als gemeinsamen Nenner austauschen. Und dann hat Rot-Weiss Essen einmal mehr mein Leben bereichert.
Selbst in Spiel Eins nach der letzten Insolvenz, dem Zwangsabstieg und dem Neubeginn in der NRW-Liga im August 2010 mit der Schülermannschaft war man ja gefühlt optimistischer vor einer Saison als vor der dritten Saison als stolzer und erfolgreicher Drittligist. Damals im ersten Saisonspiel in den Niederungen der Fünftklassigkeit gegen den VfB Homberg haben knappe siebentausend RWE-Fans mit einer solchen Inbrunst ihre Lieder gesungen, so dass nicht wenigen auf den Tribünen die Tränen in den Augen standen. Der Verein, den wir so lieben, der unser Leben Tag für Tag prägt, und den wir fürchteten, kurzzeitig für immer zu verlieren, der hat uns gezeigt, dass es so einfach nun auch nicht geht, uns voneinander zu trennen.
Es ging also nur zusammen: Wir und unserer Schülermannschaft eben. Das Ende dürfte bekannt sein, folgte doch als Folge des Miteinanders der Wiederaufstieg in die Schweineliga. Der unvergessene Höhepunkt dieser Saison bis auf lange Zeit für mich wohl das Auswärtsspiel bei Westfalia Herne am legendären Schloss Strünkede. Das waren ziemlich harte und wunderbare 80er Jahre Vibes. Ich erwähne es auch nur deshalb, da die Tribüne am Schloss leider in naher Zukunft abgerissen wird. Ein ganz fürchterlicher Verlust für die Fußballkultur im Ruhrgebiet. Aber zurück zum Thema: Wir hatten eine Mannschaft, der keiner etwas zugetraut hat. Aber es war unsere Mannschaft. Und wir haben ihr alles gegeben, was unsererseits machbar war. Denn es war in Summe unser Verein. Und es geht doch ausschließlich immer nur darum. Es geht um den Verein. Es geht um Rot-Weiss Essen. So wie seit 1907. Und so auch in der kommenden Saison.
Warum sollten wir nicht wieder eine Mannschaft anfeuern, der keiner etwas zutraut, aber mit unserer vollsten Unterstützung etwas erreichen kann, was den Spaßfaktor der vergangenen Saison wiederholen und vielleicht sogar noch toppt? Wer sind denn schon die anderen Mannschaften? Da sind doch keine Überflieger darunter, wie man sie vielleicht in der 1. Bundesliga hat. Es gab bis dato keinen Königstransfer. Auch der Sapina kocht nur mit Wasser und hakt der Dynamo aktuell. Aber braucht es das überhaupt? Ich habe doch lieber elf Prinzen auf dem Feld, die dem Begriff Mannschaft alle Ehre machen als einen König und zehn Knappen, die über das Feld stolpern. Man kennt das in Gelsenkirchen mit den Knappen. Irgendwie wird mir zu viel auf den einen Namen gewartet. Aber einen Namen haben die bisherigen Neuverpflichtungen doch auch. Und ich nehme ihnen sogar ab, echt Bock auf RWE zu haben.
Ja klar, am Ende zählen die Tore und der mit dem einen mehr geschossenen gewinnt nun mal das Spiel. Und tatsächlich waren wir in der Vorbereitung ja auch wirklich nicht mit Toren gesegnet. Die Suche geht also weiter nach einem Knipser, der aus dem Stand mit einer Quote irgendwo zwischen Willi Lippens und Simon Engelmann aufweisen sollte. Und natürlich keine Mark fuffzich über Gebühr verdienen wird. Am besten mit Stallgeruch. Man merkt: Die Sache gestaltet sich schwierig. Aber deswegen gleich in Agonie verfallen und die Saison abschenken, weil ja Stallgeruch auch sonst vom Winde verweht? Nee, da mache ich einfach nicht mehr mit.
Ich kann doch noch gar nicht beurteilen, zu was unsere aktuelle Mannschaft im Stande ist zu leisten. Das sehe ich erstmals im Spiel gegen die aktuell komplett euphorischen Printen aus Aachen. Da erst ertönt der Anpfiff zur neuen Saison. Da fahre ich voller Vorfreude hin, dass rede ich mir doch nicht schon im Vorfeld schlecht, nur weil irgendwelche Daten auf Transfermarkt zuzüglich Essgewohnheiten, vergangener Vereine und aufgezeichneter Laufwege mir vielleicht suggerieren, dass das mal wieder nichts wird. Das erste Jahr in der 3. Liga gab es die Klatsche gegen den Mitaufsteiger aus Elversberg. Die SVE stieg auf, und wir dank Bierbecher nicht ab. Das Jahr darauf gab es wieder eine Auftaktniederlage. Diesmal in Halle. Der HFC stieg ab, und wir schnupperten einige Zeit am Relegationsplatz, inklusiver vieler Memes, da auch die Blauen ihrerseits diesen Platz eine Liga drüber bisweilen zu belegen wussten.
Es wäre somit natürlich an der Zeit für einen Auftaktsieg in der 3. Liga. Und genau so wird es auch kommen. Vielleicht sollten wir auf den Tribünen zu diesem emotionalen Spiel alle in Rot erscheinen. Also „All Red„ im wahrsten Sinne des Wortes umgesetzt. Außerdem kann man dann Auswärtsfans in den falschen Blöcken schneller erkennen. Ist ja speziell in „G1“ immer so ein Problem für die dortigen Ordner. Rot-Weiss Essen muss sich gerade wieder einmal neu erfinden. Nicht so wie 2010 nach der Insolvenz. Aber schon auf vielen Ebenen. Die einzige Konstante sind wie immer wir auf den Tribünen. Und als diese Konstante sollten wir helfen. Nicht immer nur den Abstieg beschwören. Wir sind alle Teil dieses wundervollen Vereins. Das wäre jetzt so meine Vorgehensweise, aber noch viel mehr ein Wunsch. Einfach mal locker durch den Schlüpper atmen, irgendwie so wie ein Coldplay Konzert. Die erste Niederlage zuzüglich schlechter Laune kommt schließlich noch früh genug.
Du sprichst mir aus der Seele, danke.
Dankeschön, das freut mich.