Kategorie-Archiv: Willi Lippens

Willi Lippens.

Willi Lippens. Eigentlich könnte dieses Kapitel nun beendet sein, denn Willi Lippens ist Entertainer in eigener Sache und somit trifft Inhalt Überschrift. Aber Willi Lippens gebührt einfach ein eigenes Kapitel, auch wenn seine Vita jedem Rot-Weiss Fan mit in die Wiege gelegt wurde und immer noch wird. Sechsundsiebzig  Jahre alt wird Willi Lippens  heute am 10. November 2021 und strahlt noch immer dieses spitzbübische aus, was ihn neben seinen fußballerischen Qualitäten auch menschlich so wertvoll macht.  Es ist nun schon ziemlich lange her, aber mir immer noch gut in Erinnerung: Die Fußballplaudertasche und Fließbandtastaturbetreiber Ben Redelings holte Willi Lippens am 16. Oktober 2008 im Riff Bochum auf die Bühne. Ein Scudetto Abend war angesagt. Nun ist ja Ben Redelings von Haus aus nicht auf den Mund gefallen, irgendwie muss man ja auch sein Dasein als VfL Bochum Fan kompensieren. Als aber Willi Lippens sich auf die Bühne begab und das Mikrofon zu packen bekam, da war es um und Zuhörer geschehen und konnte sich der gute Ben entspannt zurücklehnen…

Aus: 111Gründe, Rot-Weiss Essen zu lieben

….Willi Lippens plauderte aus seiner aktiven Fußballzeit, so dass es eine wahre Wonne war. Natürlich inklusive der allseits bekannten Anekdoten. Garniert mit vielen, vielen kleinen Geschichten am Rande. Untermalt mit viel Gestik, so dass es ihn kaum auf seinem Hocker hielt und das Auditorium nicht wirklich auf den Sitzen. Immer den Schalk im Nacken und ein Blitzen in den Augen. Hier erzählte einer von sich, der sein Leben als Fußballer mit Witz und gutem Verhandlungsgeschick erfolgreich gemeistert hat. Das war Entertainment vom Feinsten. Das Buch von Dietmar Schott signierte mir Willi Lippens natürlich auch noch mit einer persönlichen Note und der nötigen Zeit. Spätestens nach diesem Abend stellte sich Willi Lippens auf eine Stufe mit Helmut Rahn, geht es um den persönlichen Lieblingsspieler aller Zeiten. Und irgendwie lief man sich in den Folgejahren immer mal wieder über den Weg. Also er mir, denn da er mich nicht kennt, konnte es umgekehrt ja nicht der Fall sein. Und immer waren es Schlüsselerlebnisse auch für den Verein: Insolvenz und Richtfest Stadion Essen zum Beispiel. Einmal, es war gegen Preußen Münster, hat es sogar mal zu einem Foto gereicht. Willi Lippens hat mich so höflich gefragt, da konnte ich nicht nein sagen. Vielleicht war es aber auch andersherum.

Unter dem Strich sagt es aber aus, dass Willi Lippens sich im und um das Stadion Essen ohne einen Hauch von Starallüren bewegt. Er ist einfach immer mittendrin im Geschehen, frei von eigener Entourage. Und auch das nach ihm benannte Maskottchen hat keinen bleibenden Schaden hinterlassen. Sicher mag auch ihm ein wenig das Herz geblutet haben, als die letzten Mauern der Haupttribüne fielen, war diese ja bekanntermaßen einige Zeit sein zuhause. Man munkelte ja sogar, dass er es war, der von Georg Melches in flagranti da oben erwischt wurde. Sein erstes Zuhause und Geburtsort war allerdings das zu Kleve gehörende Städtchen Hau. Direkt an der niederländischen Grenze gelegen. Eine Konstellation wie hier in Nordhorn auch. Der kleine Grenzverkehr in Friedenszeiten brachte viele Paare und Beziehungen zusammen. So war auch Wilhelm Lippens Niederländer. Obwohl diesseits der Grenze lebend und ein eigenes Geschäft betreibend, hegte der Vater von Willi Lippens berechtigten Groll gegen die Deutschen, da er sich während des Krieges Repressalien durch dieses unmenschliche Regime ausgesetzt sah. Ein Groll, der erhebliche Auswirkungen auf die Länderspielkarriere von Willi Lippens haben sollte. Das DFB Angebot wirkte auf Wilhelm Lippens wie ein rotes Tuch, und er drohte seinem Sohn, nicht mehr nach Hause kommen zu dürfen, sollte er mit dem Adler auf der Brust auflaufen. Der Anruf des KNVB kam da schon eher gelegen.

Und so sollte Willi Lippens ein Länderspiel für die Elftaal bestreiten. Das es nur bei einem Spiel im Jahre 1971 für diesen so begnadeten Spieler bleiben sollte, hatte leider auch wieder mit der Geschichte zu tun. Hatte sich das Grenzgeschehen wieder schnell normalisiert, hielten viele Niederländer mit ihrem Hass auf alles Deutsche weiter nicht hinter dem Berg. So auch die Kollegen aus der Nationalmannschaft. Für sie war Willi Lippens der Deutsche. Und damit nicht gewollt. Es muss den jungen Willi Lippens als Mensch und ehrgeizigen Sportler innerlich zerrissen haben: Für die einen durfte er nicht, und die anderen wollten ihn nicht. Bevor er aber dieses für ihn so traurige Kapitel erleben musste, drehen wir das Rad wieder zurück in das Jahr 1965. Das Jahr, in welchem dieser wundervolle Verein aus der wundervollen Großstadt, die Rede ist von Rot-Weiss Essen, ihn unter Vertrag nahm. Der Bauer aus Kleve an der Hafenstraße.

Elf Jahre nun dauerte seine erste Zeit bei RWE. Elf Jahr Dribblings, Sprüche und sicher auch schlechte Spiele. Elf Jahre aber vor allem auch Tore und knallharte Vertragsverhandlungen. Denn ein Schelm er auch war, aber die Monatsabrechnung hatte zu stimmen. Auch hier bekamen wir an jenem Abend im Riff Bochum einige Einblicke in sein Verhandlungsgeschick. Da wurde man allein vom Zuhören manches Mal Rot im Gesicht. Willi Lippens sollte jedem Haus- oder Autokäufer zur Seite stehen. Einen Manager hatte er nicht nötig. Außerdem, so sparsam wie er war: Der kostet ja auch nur Geld. Geld also definitiv auch ein Antrieb. Und vielleicht auch der Grund seiner Kündigung, die Willi Lippens am 28.März 1976 erreichte. Nichts genaues weiß man nicht: Der Verein sprach von überzogenen Forderungen und Willi Lippens selbst von wenigen Mitspielern, die ihn nicht mehr in der Mannschaft sehen wollten. Die Westkurve weinte und auch der Spieler selbst hatte mehr als nur eine Träne im Rot-Weissen Knopfloch. Wenigstens aber blieb er noch zwei weitere Jahre dem Ruhrgebiet erhalten und unterschrieb bei Borussia Dortmund.

Dann allerdings lockte der schnöde Mammon und die recht frische Operettenliga in den Vereinigten Staaten. Das Jahr 1979 verbrachte Willi Lippens zeitweise in Dallas bei den dortigen Tornados. Ich bekomme seine Erzählungen im Zuge dieser Verhandlungen nicht mehr geordnet, aber ich weiss noch, dass wir da die meisten Lachtränen vergossen haben. Jedenfalls trägt er nicht die Schuld daran, dass dieses Franchise im Jahre 1981 aufgelöst wurde. Gruselige Sitten für hiesige Fußballfans. Da lohnte sich nicht einmal der Kauf von Fanartikel. Das Jahr 1979 verbrachte Willi Lippens ab Ende Oktober aber auch noch bei einem ganz anderen Verein und man mag es erahnen: Geld war dann doch nicht alles, und Willi Lippens plagte das Heimweh. Ein Gefühl, welches ihn noch sympathischer macht. Geld ist immer nur eine Währung. Heimat dagegen ist von unschätzbarem Wert. Es ging zurück an die Hafenstraße, zurück zu seiner Herzensangelegenheit Rot-Weiss Essen. Sportlich konnten leider weder Willi Lippens noch der RWE wieder an alte Glanzzeiten anknüpfen. Der Spieler merkte den Verschleiß und im Verein machte die Führungsetage mal wieder Scheiß.

Es war also der 17. Mai 1981, als die Kultfigur Willi Ente Lippens das allerletzte Mal an der Hafenstraße die Fußballschuhe schnürte. Nur knapp fünftausend Fans wohnten diesem 4:0 gegen Alemannia Aachen bei. Das war es dann. In der Folgezeit gab es noch Engagements bei Vereinen in unteren Ligen; die Monate in Oberhausen übergehen wir hier einfach dezent und landen wie weiland Marty McFly im Jahre 1998. Unserem Verein ging es mal wieder wie üblich schlecht. Der Abstieg in die Amateuroberliga Nordrhein drohte, als sich die Vereinsoberen an Willi Lippens erinnerten und ihn kurzerhand und unentgeltlich als Trainer installierten. Willi Lippens wollte dem Verein etwas zurückgeben und hatte dafür sechs Spiele Zeit. Aber es langte nicht mehr, der Abstieg konnte nicht verhindert werden und somit war auch der Trainer Willi Lippens schnell wieder Geschichte. Und doch konnten weder Verein noch Willi Lippens bis zum heutigen Tag voneinander lassen, zu groß die emotionale Bindung. Und so kommt es, das er auch heute noch regelmäßig an die Hafenstraße pilgert, oder in seinem Restaurant bei günstigem Wind lauscht, ob er einen Torjubel inklusive „Adiole“ hören kann. Willi Lippens, wir Danken Sie für so viel.

Es rappelt in der Kiste…

Spätestens nach der samstäglichen Niederlage gegen Tante Lotte war klar, was eigentlich schon seit Wochen klar war: Mit unserer aktuellen Mannschaft werden wir in dieser Saison keinen Blumenpott mehr gewinnen, sondern nach langen Jahren eher den so sehnlichen Wunsch erfüllt bekommen, diese Liga endlich zu verlassen. Allerdings in andere Richtung als gedacht. In den letzten Wochen hat sich der Druck auf Trainer Jan Siewert und somit auch auf Mannschaft und Verein  von schlechter Leistung zu schlechter Leistung verständlicherweise, und von Tag zu Tag erhöht.

Leider begnügt sich der frustrierte Fan in Zeiten (a-)sozialer Medien nicht mehr mit der schlichten Forderung nach der Entlassung des sportlichen Verantwortlichen. Da wird gelegentlich beleidigt, was die Tastatur hergibt; wird scheinbar wie von Sinnen und in blinder Wut gelegentlich unter jeglicher Gürtellinie der Mensch hinter der Funktion und der Funktionär auf das Übelste angegangen. Nun ist das kein Phänomen der Hafenstraße, lässt der gegenseitige Respekt und das Miteinander leider immer mehr zu wünschen übrig; aber es gibt zu denken. Das muss nicht sein! Heisst es nicht:“Die Familie Rot Weiss..hält zusammen“? Auf dem Feld hält momentan wohl auch kaum einer der fast dreißig Vertragsspieler von Rot-Weiss Essen zusammen.

Mit jedem Spiel mehr wurde und wird deutlich, dass dort keine Mannschaft mehr agiert, sondern die Grüppchenbildung regiert. Es gibt aber natürlich auch diejenigen, die man von dieser Kritik ausnehmen möchte, wie unter anderem einen Baier, Platzek, Binder, oder beispielhaft gerade auch einen Patrick Huckle. Nicht der filigransten Einer; aber ein Kämpfer vor dem Herrn, dem anzumerken ist, ein Mannschaftssportler zu sein. Der leidet, genauso wie wir da draußen. Diesen Spielertyp brauchen wir nun besonders.

Es gab also keine Alternative mehr dazu, Jan Siewert seines Postens zu entheben. Der Protest so laut, da hätte sogar ein Marc Fascher in blau- weiß gehüllt, begleitet von Uwe Harttgen als Sancho Panza und auf Esel, die Hafenstraße hinunter galoppieren können: Sie wären freudig begrüßt worden! Der Schmerz so groß, die Angst immer mehr. Gestern dann trug der Verein dem anhaltenden Sinkflug in Tabelle nebst Sturzflug in der Leistung Rechnung und entband Jan Siewert von seinen Aufgaben als Cheftrainer von Rot-Weiss Essen. Wer einigermaßen gut vernetzt ist, wusste innerhalb von Minuten Bescheid.

Prompt wandelte sich Hass und Häme in spürbare Erleichterung darüber, dass endlich gehandelt wurde. Namen zählen dieser Tage einfach nicht, es geht um das große Ganze, welches da Rot-Weiss Essen heisst. Erstaunlich allerdings, dass die Demission des Trainers von Andreas Winkler kommentiert wurde, der verantwortlich dafür steht, dass kaum einer mehr weiß, wer aktuell überhaupt so alles bei RWE unter Vertrag steht. So viele Spieler sind es, die kamen und gingen. Oder noch nie spielen konnten, da verletzt verpflichtet. Oder einfach auch nicht regionalligatauglich waren. Jan Siewert hat sicher nicht nicht immer die beste Figur abgegeben, obwohl sportlich durchtrainiert, aber er hatte auch damit klarzukommen, was ihm der sportliche Direktor Andreas Winkler so alles auf den Trainingsplatz bestellt hat.

Und so kann meines Erachtens nach ein Klassenerhalt inklusive Neuanfang nur dann gelingen, wenn auch Andreas Winkler seines aktuellen Postens entbunden wird. Bei allen Verdiensten um den Verein. Aber diese Saison trägt, unter Einbezug der Fascher/Harttgen Ära, nun mal seine Handschrift. Und ich glaube, auch das Tischtuch zwischen sportlichem Direktor und Mannschaft ist zerschnitten. Man schaue sich nur die Fotos an. Bilder sagen mehr als Worte!

Aber was kommt jetzt? Wer kann uns alle vor dem Abstieg retten? Wir sind dann nicht mehr froh, dass es den RWE überhaupt noch gibt! Haben wir doch keine finanziellen Probleme mehr (Übrigens immer noch der Verdienst von Michael Welling, welcher natürlich als Verantwortlicher gerade auch ziemliche unter Beschuss steht wie seine sportlich leitenden Angestellten und ebensowenig zimperlich behandelt wird). Otto Rehhagel war gegen Lotte auf der Tribüne. Willi Lippens sicher selbstredend auch.  Otto Rehhagel hatte noch auf der Jahreshauptversammlung Jan Siewert seine Hilfe angeboten. Vielleicht sollte der Verein sie jetzt annehmen und ihn um Hilfe bitten. Vielleicht nur für eine Kabinenansprache. Mit Unterstützung von Willi Lippens. Denn, was haben wir denn noch zu verlieren außer unsere Existenz?

Die Spieler haben nicht auf ihren Trainer gehört, haben zumeist keine Ahnung, wie es uns Fans überhaupt geht, und was uns der RWE bedeutet. Somit brauchen wir nun dringend ein- oder zwei Legenden, die ihnen bis Saisonende aber genau das vermitteln: Der RWE ist unser Leben! Ihr geht, aber wir bleiben. Wir haben unbefristete Verträge auf Lebenszeit. Und wollen endlich wieder lachen. Am liebsten mit Euch. Auch wenn wir nicht mal mehr Eure Namen kennen, da einfach zu viele.

Lieber Jan Siewert, ich wünsche Ihnen alles Gute für die Zukunft und möchte mich dafür bedanken, dass Sie sich auf das Abenteuer Rot-Weiss Essen eingelassen haben. Ich hätte mir manches Mal etwas mehr Gelassenheit bei Ihnen gewünscht. Einen lockeren Spruch. Was auch immer. Aber vor allem sportlichen Erfolg. Der blieb leider aus und somit griff erst jetzt, und hoffentlich nicht zu spät, das was immer passiert, wenn eine Mannschaft vor dem Abstieg steht.

Die Spieler sind nun auch ihres Alibis Trainer entbunden und müssen kommenden Freitag in Ahlen beweisen, dass sie ebenfalls nicht absteigen wollen.

STOPP!

Wenn zwei zerstrittene Parteien etwas miteinander zu klären haben, kann mitunter eine professionelle Mediation helfen. Diese ist kostenlos und bedarf der Bereitschaft beider Parteien, etwas an der aktuell verfahrenen Situation zu ändern. Ein ganz wichtiges Merkmal einer Mediation ist, das im Vorfeld ein Signal vereinbart wird, mit dem eine mögliche Hasstirade, Negationen oder einfach auch zu belastende Momente sofort unterbrochen werden. Hält sich eine der beteiligten Parteien nicht daran, ist die Mediation sofort für gescheitert erklärt und übernehmen die Gerichte. Oder die Fünftklassigkeit!

Nun haben weder die Mannschaft noch die Fans prinzipiell ein gescheitertes Verhältnis zu klären, reden wir angeblich ja immer noch von Fanliebe einerseits und dem Fußballerstolz, an der Hafenstraße spielen zu dürfen, andererseits. Und doch ist es vielleicht an der Zeit, den Reklamierarm zu heben und lautstark „STOPP!“ zu rufen. Nehmen wir doch einfach mal an, es wären nach der Winterpause Vereinbarungen getroffen und Ziele vereinbart worden; denn auch das ist Bestandteil einer Mediation. Und tun wir weiterhin einfach mal so, als säßen der RWE und manch Fan in einer Mediation: Dann müssten die Mediatoren nun langsam, aber eindringlich und bestimmt mal darauf hinweisen, dass wir uns alle nicht an die Vereinbarungen halten.

Wir tun also einfach weiter so als ob: Die Mannschaft hatte das Ziel, einen Dreier einzufahren und personell aufpoliert, diese Vereinbarung mindestens beim abgeschlagenen Tabellenletzten FC Wegberg-Beeck  in die Tat umzusetzen. Zumal nach dem couragierten Auftritt gegen Wattenscheid 09. Die Mannschaft hat sich jedoch nicht an die fiktive Vereinbarung gehalten und einen besorgniserregend schwachen Auftritt im Morast von Wegberg hingelegt. Es war ja klar; und das ist jetzt Fakt, dass dieses Spiel eines der schwersten der Saison sein wird: Es galt in Anbetracht der eigenen, insbesondere aber der Tabellensituation der Wegberger, nichts anderes als ein Dreier inklusive vieler eigenen Tore. Brutaler Druck.

„Angst essen Seele auf“. Mich an diesen Filmtitel erinnernd, vermochte ich mich der allgemeinen Sicherheit vor dem Spiel nicht anschließen und habe vor Zeugen 1:1 getippt. In der Hoffnung, dass dieses Ergebnis niemals so kommen wird. Es kam so und nun musste kommen was fast zu erwarten war: Auch manch Fan fühlte sich direkt mit Abpfiff nicht mehr an die fiktive Zielvereinbarung gebunden und aus allen Rohren wurde wieder unter jedem möglichen Post zu dem Spiel Hohn und Spott bis hin zu blankem Hass in die Kommentarspalten geledert.

STOPP!

So geht das nicht mehr weiter. So steigen wir ab. Liebe Mannschaft, was können wir tun, was braucht Ihr? Was können wir (fiktiv) neu vereinbaren, damit der so ersehnte Erfolgsfall eintritt und wir die Tabelle wieder etwas entspannter betrachten können? Ihr seid gute Fußballer. Aber vielleicht nehmt Ihr nach dem Training mal zwei Kisten Stauder unter die Arme und setzt Euch alle zusammen in die Zeche Hafenstraße und spielt gemeinsam am dortigen Kickertisch einen aus. Guckt Euch an den Wänden um und erkennt, warum uns Fans das alles so viel bedeutet. Stellt Euch vor, Ihr steht eines Tages in den Geschichtsbüchern, hängt da überdimensional in Jubelpose an der Wand. Und vergesst nicht den Willi mitzunehmen, ist schließlich Euer Mannschaftskamerad. Der hat Euch einiges zu erzählen. Meinetwegen geigt Euch die Meinung. Aber betretet Samstag mit erhobenem Kopf den Platz und nicht mit ängstlicher Seele.

Und wir, die Fans, was könnte uns als neue (fiktive) Zielvereinbarung auferlegt werden? Respekt fällt mir da als erstes ein. Respekt auch den Spielern, die in Wegberg leider Gottes nicht gewonnen haben, aber keiner versagt extra! Solche spielen jetzt woanders für mehr Geld. Dieses Internet ist Fluch und Segen zugleich: Segen, wenn sich auch der RWE Fan in Australien ein Bild von der aktuellen Lage machen kann. Fluch, da die Hemmschwelle gegen den Spieler und Vertreter des eigenen Vereins mitunter unter Teppichbodenhöhe gesunken ist. Alle gegen alle. Aber es ging doch auch früher kreativer, seinen Unmut zu äußern: Fan könnte das Stadion erst gar nicht betreten. Fan könnte schweigen und die Mannschaft erst einmal machen lassen. Fan könnte so vieles. Aber nicht mehr blindwütig agieren. Droht der Fan sogar, so steigt auch er ab. Moralisch und tatsächlich dann am Saisonende.

Keiner will einen Abstieg. Wir wollten ursprünglich etwas ganz anders. Aber darüber schweigen wir uns besser aktuell aus. Jetzt gilt es etwas zu verhindern. Danach wird sicher zu Tisch gebeten und muß Tacheles geredet werden. Es geht um Rot-Weiss Essen. Und wir alle sind doch auch Rot-Weiss Essen. Der Fan ein Leben lang, der Spieler bis Vertragsende. Das neue Ziel lautet nun Velbert. Das Spiel wird sicher kein Ball werden, denn der Ball sollte gut rollen. Aber vielleicht ist dieses Zitat aus dem Film „The Rock“ aktuell ganz angebracht:

  • Mason: „Schaffen Sie das auch wirklich?“Goodspeed: „Ich werd‘ mein Bestes tun.“Mason: „Ihr Bestes? Versager jammern immer von wegen ihr Bestes, aber Sieger gehen nach Hause und vögeln die Ballkönigin!“Goodspeed: „Carla war die Ballkönigin.“Mason: „Wirklich?“Goodspeed: „Ja!“

Holt Euch die Ballkönigin!

Dem Karl seine Bandage.

Interne Fortbildung. Trockenes Thema. Zeit also, sich mit Kollege und Nebenmann, nachstehend Karl genannt, über Fußball zu unterhalten. Karl weiss, das ich RWE Fan bin, und ich weiss, dass Karl in seiner Jugend und darüber hinaus ein ziemlich guter Spieler bei Vorwärts Gronau war. Mit Schnäuzer und Kapitänsbinde. Da die Fortbildung nicht wirklich auf einen spannenden Höhepunkt zusteuerte, kam Karl mit weiteren Fakten über den Tisch: Zum 75jährigen Vereinsjubiläum seines Vereins kam die Uwe Seeler Prominentenelf am 29. Juni 1985 zu einem Freundschaftsspiel in den Stadtpark Gronau.

Das ja nun eine tolle Geschichte und Erinnerung für Karl, aber noch nicht in Rot und Weiss getüncht. Die Fortbildung plätscherte also weiter dahin; die versprochenen Brötchen noch nicht geliefert, da kam Karl mit jener Informationen über den Tisch, die mich nun gänzlich von den Fakten auf der Leinwand abhielten: „Übrigens hat Willi Lippens noch eine Kniebandage von mir“. Volltreffer! Das vorliegende Fortbildungspapier wurde umgedreht, der Kulli gezückt und die wesentlich wichtigeren Fakten notiert: Es war also Halbzeit, damals im Spiel des SV Vorwärts Gronau gegen die Prominentenelf von „Uns Uwe“ Seeler. Und was war? Willi Lippens hatte Knieprobleme! Aber leider keine Bandage mit im Gepäck. Überhaupt hatte keiner der Prominenten eine Kniebandage mit. Auch Helmut Rahn nicht. Ja, der Helmut Rahn. Unser aller Boss. Auch er spielte dieses Spiel. Gänsepelle und Hühnerhaut.

Aber zurück zu der Knieproblematik größeren Ausmaßes: Willi Lippens war schon immer ein gewiefter Zeitgenosse und wusste sich stets zu helfen. Marschierte also schnurstracks in die Kabine der Gronauer und fragte dort nach der heilbringenden Bandage. Man ahnt, was kommt: Karl, schon seinerzeit dem diakonischen Gedanken verfallen, opferte seine Kniebandage für Willi Lippens, damit dieser weiter durch den Sportplatz Stadtpark Gronau watscheln und für den Boss auflegen konnte. Oder für Uwe Seeler. Oder die beiden ihm. Man weiss es so genau nicht mehr. Was Karl aber auch noch dreissig Jahre danach weiss, kommt einem Skandal gleich: Willi Lippens hat die Kniebandage nach dem Spiel nicht zurückgegeben! Nachdem Karl fast ein Vierteljahrhundert versucht hat, seine Kniebandage wiederzuerlangen, ist er heute drüber hinweg. Leider aber auch kein RWE Fan geworden. Was sicherlich nicht an dieser Anekdote liegen mag.

Unser Boss weilte übrigens durchaus noch öfter in Gronau, was definitiv mit seinem Engagement als Spieler bei Twente Enschede zu tun hatte. Solch Geschichten vergisst Du nie. Und die Brötchen, die kamen auch noch. Danke Karl!