Monatsarchive: Juli 2009

Die Hitze der Nacht

Wieder einmal ein Erlebnis, bei dem mir zig Überschriften als “Schlagwörter” einfallen, aber zunächst keine weiterführenden Gedanken um einen Text zu verfassen. Vorab: U2 hat uns einen rauschenden Abend geboten, randvoll mit über 2 Stunden packenden alten und neuen Liedern. Für die fachlich kompetente Rezension empfehle ich die Inselalben oder U2tour. Kleine Sound- oder Abstimmungsproblem wurden gekonnt überspielt, “BAD” nach vielen Jahren wieder einmal live auf der Bühne; Das Publikum war begeistert und zollte der Band ihren Tribut. Und doch ist da etwas, was mich nicht nur dankbar und zufrieden zurück lässt, sondern auch Beklemmungen und Irritationen ausgelöst hat. Bei längerer Betrachtung und heutiger Rückschau habe ich den Grund dafür gefunden, vielleicht oder sogar ziemlich sicher dem Dasein als Fußballfan geschuldet: Es ist die “Mutter aller Arenen”, die mich in Gedanken immer noch “gefangen hält” und meine Freude trübt: Einmal rechts die Ausfahrt genommen, führte uns die Autobahn direkt in den Bauch dieses 77 Meter hohen Monstrums aus Beton und entließ uns erst 7 Stunden später wieder aus selbigen. Wo sonst von weiter Ferne Flutlichtmasten oder erhöhtes Fußgängeraufkommen von der Existenz eines Stadions berichten, scheut sich dieses Monster vor den Blicken neugieriger Erstbesucher und versteckt sich recht geschickt. Erst kurz vor Eintritt in die “Bauchhöhle” namens Tiefgarage gibt sich die Arena zu erkennen. Aber da ist es auch schon zu spät, denn man ist drin und 20€ Parkgebühren los. Direkt weitergeschickt, hoch auf einen Ausleger, der einen auf Parkdeckebene 3 bringt. Auf der Suche nach einem Eingang für Menschen ging es dann mittels Aufzug wieder hinunter und raus auf einen Platz, der auch eng und hoch umbaut war. Überall das Surren von menschlichen Stimmen, die ich aber nur zu einem Bruchteil sehen konnte (Im Verhältnis zur Zahl der Konzertbesucher). Also ging es weiter um die Ecke, zwischen Betonpfeilern und Bahnschienen und einem abgetrennten “Turnstile” . Diese scheinbar letzte Hürde genommen ging es in ein dunkles, enges Treppenhaus aus unbehandeltem Beton, ungefähr sieben Stockwerke hoch bis zu einem engen Rundlauf. Die Luft wurde hier schon knapper. Weiter ging`s zu Blockeingang 425, alles auch wieder schön eng und steil gehalten und es erfolgte der letzte Aufstieg bis hin zur Sitzreihe 18. Hier angekommen gab es, und das meine ich jetzt definitiv positiv, eine atemberaubende Aussicht auf eine ebensolche Bühne und das Gefühl, trotz der Entfernung nahe dran zu sein. Trotzdem fühlten wir uns wie eingesperrt, so eng die Treppen, Aufgänge und Stufen. Die schwüle, stickige Luft und zu späterer Stunde auch ein landestypischer Krautgeruch trotz Rauchverbot taten ihr übriges zu diesem, für mich so beklemmenden Gefühl dazu. Mir fehlte das, was ein Konzert eigentlich rund um die Musik so ausmacht, obwohl sie dicht an dicht um uns herumstanden: Die Menschen, die man sonst aus allen Richtungen kommend, auf dem Marsch zum Stadion beobachten kann. Die Grüppchenweise herumstehen, jenes unvermeidliche “How long…..” anstimmen, die fliegenden Händler, Bäume und ein unbeobachtetes Plätzchen zum Austreten. Nach dem so famosen Konzert ging es dann wieder den gleichen Weg zurück, um in der Garage noch längere Zeit warten zu müssen, bis uns der Weg durch die Tiefgarage direkt auf die Autobahn führte. Von den anderen 60.000 Fans war da schon nichts mehr zu sehen oder zu hören. Kurzum, ein surreales Erlebnis namens Stadion, ähm ArenA. Das Ärgernis eigenes Bezahlmittel natürlich inklusive. Und somit galt es exakt zu dem Zeitpunkt anzustehen, als Larry Mullen jr. zum markantesten U2 Intro überhaupt ansetzte: “Sunday, bloody Sunday”. Verzweiflung, weit aufgerissene Augen rund um den “Card Point” und vor den Theken. Aber es galt durchzuhalten, ein Mann muss seine Frau schließlich vor dem Verdursten retten, das stand ja schon in der Bibel, oder so ähnlich. Ab in die nächste Schlange und das nächste Lied kam aus der Halle: “Pride”. Der drohende “Verlust” auch dieses Klassikers brachte eine neben mir stehende Dame schier an den Rand der Verzweiflung, mir ihre Tränen auf dem Shirt und einen wahren Wortschwall ein. Diesen konnte ich trotz unserer regional bedingten holländischen Sprachkenntnisse nicht verstehen, so schnell das Ganze. Aber mein “Shit happens” schien sie zu beruhigen. Und so betrachtet gab es sie dann ja doch noch abseits des nackten Betons, die kleinen Anekdoten am Rande eines Konzertes. Weitere Randnotizen wären vielleicht die drei Fans hinter uns wert, oder derjenige, den ich nach dem Thekenabenteuer statt meiner auf meinem Platz vorgefunden habe, aber das würde dann endgültig den Rahmen hier sprengen. Es gibt auch von gestern Abend wieder hochwertige Videos auf den einschlägigen Seiten zu bewundern, ich habe mich aber für den Abgang der Band entschieden, scheinen sich doch Gerüchte zu verdichten, dass dieses hier die letzte Tour gewesen sein könnte. Und so bleibt nur zu hoffen: “Walk On” (Wenn für mich auch nicht mehr in Amsterdam).