Oh Tannenbaum!

Abends: Folgeüberschriften werden überbewertet, somit wandert die zunächst geplante in den virtuellen Mülleimer. Es hatte ja auch ein wenig von Bescherung, was die Mannschaft von Rot – Weiss Essen an diesem Dienstag ablieferte. Eine Art der Bescherung, wie sie sicher in vielen Familien [leider] vorkommt: Beginnt das Fest, sind alle Streitigkeiten zunächst vergessen, gibt sich ein jeder besonders viel Mühe.

In Anbetracht der vielen Karfreitags- und Aschermittwochskicks dieser Saison rieb sich der lautstarke und freudig erregte Essener Fußballfan auf den gefüllten Tribünen die Augen: Die Spieler in Rot, zumal unterklassig, dominierten das Spiel, ackerten und kombinierten. Erarbeiteten sich Torchancen, hatten die Feldhoheit. Die Zebras wurden an die Leine gelegt.

Der Einsatz mündete in einer Führung, welche egalisiert Elfmeterschiessen bedeutete. Können wir aber nicht. Die Konsequenz daraus: Die Niederlage, das Ausscheiden! Raus aber mit Applaus. Müßig, nun eine zufriedenstellende Antwort auf die drängende Frage zu erwarten, warum nur in diesem Spiel eine solch Leistung abgerufen wurde. Fußball also doch mehr Kopf- denn Fußsache ? Die ewig währende Geschichte vom Pokal und seinen eigenen Gesetzen, Jörg Dahlmann am Mikrofon,  die vielen Menschen am Spielfeldrand und derer tausend Werbekunden an den Empfangsgeräten ?

Wir werden es wohl nicht erfahren. Somit hält sich die Freude über diesen grandiosen Pokalauftritt der eigenen Mannschaft in Grenzen, wird doch die aktuelle Saison auch als spielerisches Armutszeugnis in Erinnerung bleiben. An diesem Abend jedoch, das als Erkenntnis unter dem Pokalstrich, wäre ein Erfolg verdient gewesen. Ohne hätte, wenn und aber!

Mittags: Wer an diesem Tage sehr früh an der Hafenstraße vor Ort war, der konnte den Eindruck gewinnen, dass Essen sich gegen die Übernahme einer Großmacht wappnet: Truppenbewegungen an allen neuralgischen Punkten, ein Wasserwerfer fuhr hin und fuhr her! Stetig verfolgt vom über ihn kreisenden Hubschrauber, welcher seinerseits von einer Reiterstaffel kritisch beäugt wurde. Zivilisten in zivil mit Verkabelung im Ohr, Zivilisten in schwarz mit Handschuhen in der Hosentasche, erste Fans in Vereinsfarben.

Die Presse hatte mobil gemacht und viele waren diesem Aufruf gefolgt. Die Hochrechnung sollte doch irgendwie aufgehen. Fußballgewalt ist der Sex der Neuzeit, um medial Quote zu machen. Zudem zogen Unmengen von Beschäftigten Richtung Stadion. Staunend verfolgt der Betrachter, wie viele Personen es mittlerweile bedarf, um eine Großveranstaltung durchzuführen. Früher war zwar mehr Lametta, dafür sind heute mehr Köpfe.

Dumm allerdings, wenn dann nach dem Spiel die linke Hand nicht mehr weiß, was die rechte macht und umgekehrt. So wurden mit dem letzten Elfmeter am Ausgang zwischen Haupt- und Stehtribüne nicht einfach alle Tore geöffnet, sondern nur eine einzige Tür. Zudem blockiert von einer grimmig dreinblickenden Ordnerin, zu allem entschlossen. Es staute sich in Sekundenschnelle. Eine Nachfrage aus dem Pulk der sich im Stau befindlichen, warum nicht alle Tore geöffnet werden, wurde ebenso grandios wie lapidar beantwortet: „Ich habe keinen Schlüssel“.

Vor Anpfiff: Die Sonne schien, die vorbereitete Choreo auf der West flatterte in der steifen Brise. Das Stadion füllte sich und es tat dies mit einer Gemächlichkeit und Ruhe, die im Inneren nicht die Anspannung vermittelte, die draußen spürbar war. Die Stadionregie tat ein übriges dazu und gab alles zum Besten, was jemals im Tonstudio mit Bezug zum RWE aufgenommen wurde. Hier gab es auf die Ohren und zwar einzig musikalisch. Und nein, wir wollen keine „La Ola“. Immer noch nicht. Die Sturheit der Tribünen an dieser Stelle war schon bemerkenswert. Und trotzte auch dem dritten Versuch, diese doch noch irgendwie in Gange zu bringen.

Kurz darauf erstrahlte die neue, alte West im Glanze, „Opa“ wurde intoniert. Zum anschliessenden „Adiole“ in der Originalfassung betraten die Mannschaften das Spielfeld. „Oooooh RWE“. In der Folgezeit boten uns Mannschaften, Fans und Wetter ein intensives Fußballspiel mit Fußball, donnernden Gesängen und Regenschauern. Ruhrpottfußball von der allerfeinsten Sorte. Der Rest ist bekannt und verstörte einmal mehr.

Nachts: Unruhe. Unverständnis. Dieser Fußball wird nicht mehr lange der meinige sein. Und da es scheinbar keinen geben wird, um auf der großen Bühne die Verhältnisse jemals wieder gerade zu rücken, bleibt nur der Rückzug des kleinen Fans. Apropos Fans: 20.000 Fans haben heute für eine Atmosphäre gesorgt, die seinesgleichen sucht. Und werden nicht erwähnt…..

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