Monatsarchive: Januar 2016

Der Fluß ist unberechenbar, man weiss nie, welche Umwege er sich leistet

Am vergangenen Sonntag waren über 300 Gäste im Stadion Essen zugegen, um nachträglich Willi Lippens zu seinem 70. Geburtstag zu gratulieren. Sie alle standen in irgendeiner Beziehung zum Jubilar, ob auf oder neben dem Feld. Und sie alle sahen sicher vor Ort einen Willi Lippens, so wie ich ihn auf den Fotos gesehen habe: Einen lebenslustigen Mann, dessen Augen vor Freude blitzen und dessen Mundwerk immer noch so lose ist, wie der Schnürsenkel der Fußballschlappen lange vor dem Spiel. Das Leben hat es gut gemeint mit Willi Lippens und umgekehrt auch. Ein Sympathikus vor dem Herrn.

Und so macht auch der Spielerpass für die noch laufende Saison durchaus seinen Sinn. Wenn Willi Lippens in der Kabine zu reden beginnt und kein Ende finden sollte, laufen die jungen Spieler schon freiwillig etwas schneller, nur um mal Ruhe vor ihm zu bekommen. Diese jungen, und somit aktuellen Spieler, wirkten ob der anwesenden Altherrenriege mit sportlich so großer Vita fast ein wenig eingeschüchtert. Dabei müssten sie es nicht. Sie haben den RWE nicht in die Viertklassigkeit versenkt. Sie haben aktuell eher das Problem, diese überhaupt zu halten. Und dann steht da vor ihnen dieser vitale älterer Herr; diese sympathische Vereinslegende, und erzählt mit glänzenden Augen seine immer wieder wundervollen Anekdoten. Die geladenen Gäste hängen ihm an den Lippens; klatschen und lachen. Keiner käme auf die Idee zu spucken oder zu pöbeln. Wie viel schöner ist es doch, Vereinslegende denn aktueller Spieler zu sein.

Eines dürfte die aktuelle Mannschaft somit aber spätestens an diesem Sonntag mitbekommen haben: Sie laufen nicht für irgend einen x- beliebigen Verein auf. Sie sind und stehen für Rot-Weiss Essen. Diesen Traditionsverein aus dem Revier. Und sie können eines Tages selber eine Legende werden. Vielleicht war dieses Erlebnis mehr wert als jede Traineransprache und vielleicht hatten diese Momente sogar ein klein wenig Anteil am Erfolg im Test gegen den VfB Lübeck, seines Zeichens Nord Regionalligist. Der RWE inklusive Gastspieler siegte mit 3:0 und dürfte somit für den kommenden Samstag gegen die Zweitvertretung des „FC“ aus Köln gerüstet sein. Vielleicht schütteln wir zu diesem Zwecke alle einmal dieses selten dämliche 2015 aus den Trikots oder Fanklamotten und fangen alle miteinander ganz von vorne an.

Verein und Medien schwelgten ob der Feierlichkeiten und mussten nur einen Tag später schon feststellen, dass das Schicksal wohl doch nur der miese Verräter ist, wie es ein Film bezeugte: Nur diesen einen Tag später, am 25. Januar 2015 also, galt es Abschied zu nehmen von einer weiteren Vereinslegende: Günter „Nobby“ Fürhoff fand einfach kein Mittel mehr, um in der gegnerischen und so heimtückischen Krankheit eine Lücke zu finden, so wie er sie viele Jahre für den RWE am Ball in des Gegners Spiel fand. Nobby Fürhoff wurde nur achtundsechzig Jahr jung. Wie immer, wenn uns ein Mensch verlässt, können Worte nur deplatziert sein und nicht annähernd Trost spenden. Es haben uns in den letzten Tage und Wochen so viele Menschen verlassen.  Vielleicht haben sie uns sogar in eine bessere Welt verlassen als die, die wir aktuell vorfinden. In unserer Welt gibt es doch nur noch Gegen- statt Miteinander. Alle miteinander jedoch können wir der Familie von Nobby Fürhoff nur viel Kraft für die kommende Zeit wünschen.

Der gebürtige Essener Nobby Fürhoff bestritt zwischen 1968 bis 1978 für die Rot-Weissen 309 Meisterschaftspartien und erzielte dabei 77 Tore. Auch per Kopf. In der Bundesliga kam der technisch beschlagene Mittelfeldspieler auf 153 Einsätze inklusive 20 Toren für unseren RWE. Nach dem Abstieg in die zweite Bundesliga entschied sich Günter Fürhoff für ein Engagement  in Würzburg beim dortigen FV 04. In Würzburg fand er zudem seine neue Heimat. Den verdienten Respekt für seine Leistungen im Trikot des RWE bekam Nobby Fürhoff spätestens einmal mehr durch die Fans, die ihn 2007 in die „Jahrhundertmannschaft“ wählten. Der Respekt durch den Verein sollte noch etwas dauern, da der Verein im Umgang mit seinen Legenden bisweilen etwas unglücklich agierte. Erst seit einigen Jahren besinnt sich Rot-Weiss Essen seiner ehemaligen Spieler und Legenden und würdigt deren Leistung angemessen. Und so erfreute sich auch Günter Fürhoff der neuen Aufmerksamkeit durch den RWE und half sie ihm sicher durch manch schwere Stunde.

Den Spitznamen „Nobby“ bekam Günter Fürhoff übrigens durch Willi Lippens verpasst. Womit sich hier wunderbar ein Kreis zu schließen vermag. Ein Kreis, der Freude und Trauer vereint. Ein Kreis, der aber auch verdeutlicht, dass das Leben eines Menschen nicht ewig dauert, der Verein uns alle aber auf ewig überleben wird. Es ist der Verein der uns verbindet; der uns Halt gibt. In guten natürlich; aber auch in schweren Zeiten. Und wir sollten den Verein loslösen von einer temporären sportlichen Krise. Sondern ihn als Teil von uns akzeptieren und stets mit Respekt behandeln. Geburtstag und Todestag. Selten zeigt das Schicksal in nur zwei Tagen seine Macht. Danke Willi Lippens für alles! Ich hoffe, dass bei Ihnen noch lange Zeit der Schalk im Nacken blühen mag. Danke Günter „Nobby“ Fürhoff für alles! Auch wenn es zwischendurch mal so den Anschein hatte: Ihre Fans und die Hafenstraße haben Sie nie vergessen und werden Ihr Andenken bewahren. Ruhen Sie in Frieden!

„Wenn ein Mensch stirbt,
dann ist das so,
als verschwände ein Schiff hinter dem Horizont.
Es ist immer noch da,
wir sehen es nur nicht mehr“

Unbekannt

Ansichtssache.

Wir alle kennen ja die Weissagung der Cree, die in etwa so lautete: „Erst wenn der letzte Verantwortliche gerodet, der letzte Spieler vergiftet, der letzte Rest an Miteinander gefangen ist, werdet Ihr merken, dass man sportlichen Erfolg nicht durch Gegeneinander erreichen kann.“ Natürlich lautete die Botschaft nicht wirklich so, und jeder ehrliche Aktivist mag mich verfluchen ob dieser Abänderung in rot-weisser Sache. Aber, die Situation rund um die Hafenstraße stellt sich auch zu Beginn des neuen Jahres nicht wirklich entspannter dar. Der Jahreswechsel hat ja an der tabellarischen Situation auch nichts zum Guten ändern können und so bleibt die bittere Erkenntnis, dass auch 2016 ein ziemlich aufstiegsfreies Jahr werden wird.

Gute Güte, waren wir in der letzten Winterpause noch euphorisiert: Platz 1 im Nacken und Aachen vor der Brust. Was dann folgte ist bekannt und Geschichte. Aktuell stellt sich die sportliche Gegenwart so dar, dass wir in jedem Falle also erst 2017 aufsteigen werden. Fragt sich nur aus welcher Liga. Ein magerer Punkt trennt unseren geliebten Verein von den Abstiegsrängen. Aber ist es eigentlich noch unser geliebter Verein? Was sich unterhalb der Berichte in den Kommentarspalten abspielt, erinnert immer mehr an einen Rosenkrieg, denn an Liebe. Die Beziehung zwischen Rot-Weiss Essen und Teilen seinen Fans scheint nachhaltig gestört, bedarf dringend einer Couch. Mindestens aber einer Mediation. Wobei hier aber auch mal eine Lanze für den Verein gebrochen werden darf: Rot-Weiss Essen kann dieser Tage machen was er will: Es ist falsch! Jeder Satz, jedes Wort; jeder Buchstabe und auch jeder Spieler: Alles wird dermaßen seziert, so dass der Pathologe von Welt seine helle Freude daran hätte. Zeugt der RevierSport von einer Testspielniederlage gegen den Drittligisten SV Wehen Wiesbaden wird direkt wieder wutentbrannt in die Tastatur gekloppt. Erstaunlicherweise lesen sich aber dann Beobachtungen der tatsächlich vor Ort in Belek anwesenden Fans ganz anders.

Ein Testspiel eben nach intensiven Trainingseinheiten inklusive komplett veränderter Formation in Halbzeit Zwei. Aber in Zeiten digitaler Medien wird auch schon auf ein solches Spielergebnis eingeprügelt. Testspiele sind ergebnistechnisch ein Muster ohne Wert. Der Mehrwert liegt hoffentlich in der Beobachtungsgabe der sportlich Verantwortlichen. Und den daraus zu ziehenden Erkenntnisse für die kommenden Ligaspiele. Was wir natürlich in dieser Saison erleben ist eine Mannschaft, die leider kein Team ist. Und wir prügeln munter darauf ein, anstatt uns vielleicht zu hinterfragen, was auch die Ära Fascher/Harttgen noch damit zu tun haben könnte. Jan Siewert hat bisweilen unglücklich agiert, das sein ihm zugestanden. Aber, er musste auch Strukturen innerhalb der Mannschaft übernehmen, die andere geschaffen  und den Verein vielleicht um zwei bis drei Jahre gebracht haben. Das, was zum Beispiel die Lilien vollbracht haben, schaffst Du nur mit einer völlig intakten Mannschaft. Unsere Mannschaft hingegen war nicht intakt. Sie war verunsichert, bedarf nun einer völlig neuen Formatierung. Das sich eine solche Formatierung am Rande des Abstiegs abspielt, hätte ich nie für möglich gehalten, macht mir Angst. Aber die Qualität für die Regionalliga ist vorhanden, wir steigen in dieser Saison nicht ab. Wenigstens das nicht.

Somit verbleibt also dieser Tage nur die Erinnerung an einst sportlich erfolgreiche Zeiten, in welchen wir verweilen und  die sich mit Stolz auf den RWE jener Tage wärmend über die sportlich aktuell so wunde Seele legt. Um diese Wunde zu heilen, sind natürlich immer wieder auch neue Spieler gefragt. Auch die mögliche Besetzung vakanter Positionen hatte natürlich einen Aufschrei zur Folge, wie er fast zu erwarten war. Spieler aus aller Herren Länder spielten an der Hafenstraße vor. Allerweltsfußballer sozusagen.  Und wir fragten uns, warum kein einziges Talent aus Essen und Umgebung zusammen mit den „Wanderstutzen“ vorspielen durfte. Denn am liebsten ist uns doch ein Essener Junge, geboren an der Hafenstraße und eine Mischung aus Helmut Rahn und nochmals Helmut Rahn auf Drittliganiveau.  Wir wollen Jungs aus dem Pott. Solche, die noch dafür zahlen würden, um für den RWE vor tosender Kulisse aufzulaufen. Problem: Die gibt es nicht mehr! Die gehen überall hin, aber nicht mehr zu RWE. Dumm gelaufen also. Und seien wir doch mal ehrlich: Putsche Helmig und Co. kennen sicher jeden Fußballer im Pott besser als ich meinen Kontostand. Und von allen anderen in Frage kommenden kennt man Position und den Preis, da bedarf es kein weiteres Training mehr. Die Spieler also, die nun zum Probetraining eingeladen werden, sind schon ein begrenzter Kreis derer, die dem Verein angeboten werden. Und dem Verein werden viele Spieler angeboten. Zu viele! Die „Wanderstutzen“ sind bisweilen leidlich gut kickende jungende Männer, die von ihren Beratern von Verein zu Verein gejagt werden, in der Hoffnung auf einen Vertrag und die eigene Provision. Der Verein hingegen hofft auf das Juwel für die vakante Position.

Nun hat der RWE ja doch noch in der eigenen Stadt zuschlagen können, die Gemüter somit etwas besänftigt. Doch wie schon Marius Müller-Westernhagen festellte: Die Garantie, die gibt Dir keiner! Was also, wenn der Spieler aus Essen den Erwartungen nicht gerecht wird und der aus, meinetwegen Grönland, einschlägt wie eine Bombe? Im positiven Sinne natürlich! Solch Spielerverpflichtung ist in diesen Tagen kein leichtes Unterfangen für einen Verein. Wir Fans mischen eben immer mit. Aber ab und an sollten wir den Verein auch einfach mal laufen lassen, anstatt direkt zur verbalen Grätsche anzusetzen. Daher noch einmal die Bitte: Wenn wir eines Tages miteinander aufsteigen wollen, dürfen wir 2016 nicht gegeneinander absteigen.