„Ich kann gar nicht alt genug werden, um alle Überraschungen, die der Fußball so parat hat, verkraften zu können“ (Hans Meyer)

Düsseldorf:

Zwischendurch wäre ein Anruf beim Ordnungsamt angezeigt gewesen. Aus Gründen schwer beschäftigt in diesen Tagen hätte es ein weiteres Mal eingreifen müssen, um die Zwote Mannschaft von Fortuna Düsseldorf dicht zu machen. Und den Unparteiischen gleich mit. Immer wieder überschritten beide die Grenze zur Peinlichkeit und sahen Dinge, von denen die überwiegende Mehrheit im Stadion nicht wusste, dass es sie gibt. Und so lagen sie und wanden sich in ihrem Schmerz, die jungen Fortunen. Wir werden wohl auf ewig rätseln, woher dieser kam. Also der Schmerz. Oder die Karten. Da möchte man nur fragen: „Warum?“ Vielleicht war es ein Stück weit der seit Monaten nicht mehr gekannten Begleiterscheinung namens Atmosphäre geschuldet, die zu dieser sehr interessanten Auslegung der Regeln und Fairness geführt haben.

Sei’s drum, die Mannen um Christian Neidhart haben sich dadurch nicht von ihrem Ziel abbringen lassen, diesen Abend zu zelebrieren und mit drei Punkten erfolgreich zu gestalten. Der Abend an der Hafenstraße hatte aber noch weitere Akte zu bieten, die allesamt auf der ziemlich emotionalen Klaviatur gespielt wurden. Kurz vor dem Stadion wähnte man sich eher wie vor einem Rockkonzert, denn vor einem Fußballspiel. Der ansonsten so belebte Vorplatz wurde blickdicht gemacht, um an dieser Rot-Weissen Kulturmeile Ansammlungen zu vermeiden. Unser Boss durfte sich also fühlen wie Mick Jagger, Bono oder René Pascal, denen so vor allzu neugierigen Blicken Sichtschutz gewährt wird. Auch Fancontainer und Stauder Wagen waren somit betroffen und vermittelten so schon bei der Ankunft dieses Gefühl, dass gerade alles anders ist. Der Einlass weitläufig, klar strukturiert und trotz der gebotenen Vorsicht entspannt.

Die Mitarbeiter in den langen Hosen haben Tag und Nacht vorgelegt, damit ihre Kollegen in den kurzen Hosen endlich wieder eine etwas größere Bühne für ihre Fußballkünste betreten konnten. Chapeau und Danke dafür! Im Stadioninneren galt es einen Moment zu überlegen, und dann war der Kontext hergestellt: Boavista Porto mit seinem Estádio do Bessa Século. XXI stand hier Pate, schließlich hat der portugiesische Verein in Reminiszenz an seine Schachabteilung auch alles in selbigem Muster ausgekleidet. Schade, dass es keine roten Müllsäcke gibt, welches Bild hätte das gegeben. Da die gängigen Farben jedoch Blau und Schwarz sind, war Schwarz natürlich alternativlos. Die Sitze dazwischen füllten sich nun langsam mit Fans und bekamen die ersehnten roten Farbtupfer.

Das die Mannschaft mittlerweile schon auf dem Platz war, ging fast ein wenig unter. Als dann aber das Aufwärmen beendet wurde, ging urplötzlich ein Ruck durch das Stadion: Die Mannschaft begrüßte spontan die Fans und diese sprangen direkt auf, klatschten sich die Finger wund. Fast so, als hätten wir justament den Aufstieg geschafft. Der Einlauf ebenfalls ein emotionaler Festakt. Irgendwie überlagerten sich Stadionregie, Gesänge und die drei Tribünen, so dass unter dem Strich Gemengelage und Lautstärke ein leichtes Schaudern zu erzeugen wusste. Im Spielverlauf stimmten immer wieder verschiedene Gruppen Gesänge an, wurde extrem situativ reagiert. Altersunabhängig übernahmen nun auch viele ältere Fans den Part der „West“. Die Stimme konnte sich ja auch Monate auf diesen Moment vorbereiten. Für den Moment des 2:0 hat sich auch Cedric Harenbrock nach vielen Verletzungen immer wieder herangekämpft. Das erste Mal im Kader, eingewechselt und direkt an einem solchen Abend das Tor: Das war die Kirsche auf der Torte.

Bonn

Erste Halbzeit:

Paul Breitner sagte einmal (leicht abgewandelt): „Da kam dann der Livestream. Wir hatten alle die Hosen voll, aber bei mir lief’s ganz flüssig“. In der Tat war der Livestream aus dem Bonner Sportpark die Überraschung des Abends. Kaum Aussetzer in Halbzeit Eins. Im Gegenteil, er lief so stabil wie der RWE auf dem Feld. Das Ambiente am Monitor aufgrund der dunklen Zuschauerränge und des schummerigen Flutlichts in Verbindung mit der Bildqualität ähnlich wie bei der Fernsehübertragung aus dem Jahre 1981 zwischen dem FC Politehnica Timisoara und dem 1.FC Lokomotive Leipzig . Aber egal, man war einmal mehr mit dabei. Spaßig bei Sporttotal ab und an die Kommentatoren: In Lippstadt sah man Simon Engelmann häufig kritisiert in Fankreisen und heute gab es die These, dass Christian Neidhart nach den beiden Unentschieden schon gewackelt hatte. Man sollte vielleicht weniger sozial mediale Kommentare als Grundlage für eine Vorabrecherche nehmen. Das eventuell als ernstgemeinte Bitte. Auf jeden Fall: Danke für entspanntes Zusehen. Unserer Mannschaft gilt dieser bisherige Dank übrigens auch, denn relativ unaufgeregt gestalteten sich diese ersten fünfundvierzig Minuten.

Zweite Halbzeit:

Wer jetzt geglaubt hat, es würde so weitergehen mit der Entspannung, dem wussten die die Bonner nach etwas über fünfzig Minuten auf die Sprünge zu helfen: Die Heimmannschaft verfehlte den Ausgleich nur um Millimeter, und so saß man als Gästefan plötzlich wieder steil und hellwach im Sessel. Das nächste Mal dann erst wieder in der dreiundneunzigsten Minute bei dem finalen Freistoß des Bonner SC. Da dieser aber ähnlich in den Abendhimmel ging wie weiland des Steuersünders Elfmeter in Belgrad, durfte endgültig und erleichtert in sich zusammengesackt werden. Ach so: Dazwischen unterhielt ein munteres Spiel mit bisweilen schönen Ballstafetten und Balleroberungen auf unserer Seite, welches aber trotzdem nicht die großen Emotionen hervorrufen konnte. Grundsolide drei Punkte also auswärts geholt, den Weg nach oben aus dem (für einige) tiefen Tal der Unentschieden Tränen geebnet. Somit gilt die alte Fußballer These 19.07: Hauptsache gewonnen!

Samstag wartet mit Fortuna Köln ein alter Bekannter im allseits bekanntem Südstadion auf unsere Rot-Weissen. Exakt selben Spiel- und Streamverlauf würde ich direkt unterschreiben. Komplett emotionslos.

Spitzengruppe, Spitzengruppe, hey hey……

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