Eintopf.

Ich möchte diese Mannschaft unbedingt behalten, die gehört ja mittlerweile andauernd in den Arm genommen. Und ich hoffe, dass sich jeder Spieler aus dem aktuellen Kader bei Rot-Weiss Essen dermaßen wohlfühlt, so dass ihm erstmal alle anderen Optionen egal sind. Das ist ein Freudenfest nach dem andern, was wir gerade auf dem Platz geboten bekommen. Auch wenn es in der ersten Halbzeit gegen den Waldhof trotz Feldüberlegenheit noch nicht danach aussah, den fünften Sieg in Folge einzufahren. Manchmal ist unsere Beziehung zur ersten Halbzeit halt nicht die Beste. Auch auf den Tribünen ist die erste Halbzeit traditionell die ruhigere.

Dafür waren vergangenen Sonntag aber mit Anpfiff zur zweiten Halbzeit direkt alle Hafenstraßen-Gefühle auf und neben dem Platz vertreten, die wir so sehr brauchen und lieben. Die Mannschaft ackert und spielt, die Tribünen ackern und singen. Wer gegen den Waldhof zur Halbzeit das Stadion verlassen haben sollte, dem dürfte es anderntags tatsächlich schwergefallen sein, in den Nacherzählungen auch das Spiel der ersten Halbzeit zu erkennen. Grundsätzlich war in der ersten Halbzeit nichts schlecht. Und entsprechend gab es auch den verdienten Applaus zur Pause. Aber vielleicht mussten wir erstmal eine Halbzeit lang auf und neben dem Platz damit klarkommen, bis auf weiteres favorisiert in ein Spiel zu gehen. Dieses Privileg hatte man sich in den vier Begegnungen davor auch leidenschaftlich erarbeitet.

In der Halbzeitpause kam dann der Ruck inklusive Erkenntnis, dass der Waldhof in dieser Saison doch so schlecht ist, wie es der Tabellenstand aussagt. Und ab ging die abermals wilde Fahrt durch eine zweite Halbzeit. Das macht doch nur noch Freude zurzeit. Die nächsten drei Punkte wurden eingefahren und Platz drei zurückerobert. Da eine Liga höher die Ergebnisse ebenfalls das gewisse Etwas mit sich brachte, würden sich nicht wenige ein sofortiges Saisonende wünschen, um die Relegation gegen Gelsenkirchen zu spielen.

Es gab aber erstmal etwas viel Wichtigeres zu erleben: Aus dem Nichts kommend, geradezu unerwartet, stand gegen Ende der Begegnung vielen auf der West plötzlich der Schreck ins Gesicht geschrieben. Auf jeden Fall so deutlich, dass selbst auf der Gottschalk mindestens die Antworten laut und deutlich zu hören waren: „Nur der RWE!“. Was also vergangene Woche noch als zartes Pflänzchen vor dem Hafenstübchen begann, wurde im Spiel gegen den Waldhof nach Jahren der Abstinenz wieder in das Stadion getragen. Seitdem sind wir auf der Suche nach dem Initiator. Schließlich gebührt ihm Respekt und Dank zugleich, gibt es gar konstruktive Kritik oder Wünsche dazu. Investigative Medien würden auch bei Lothar klingeln, um zu fragen“ Was haben Sie in diesen Momenten gedacht?“.

Aber eigentlich ist doch nur eins wichtig: Die Leistung unserer Mannschaft hat dazu geführt, dass sich jemand getraut hat, dieses kulturelle Tribünengut als verbalen Orden der Anerkennung wieder aufleben zu lassen. Sich dieses dicke Ausrufezeichen der Essener Fan-Seele verdient zu haben, ist für eine Mannschaft von Rot-Weiss Essen auch eine Siegprämie: Damit wird man auf dem Feld temporär geadelt. Temporär ist ja immer wichtig bei RWE! Nach dem Spiel gab es dann gar ein Novum: Christoph Dabrowski wurde spontan besungen. Betrachtet man die Fotos der Feierlichkeiten nach dem Spiel und setzt diese zeitlich passend in den Kontext zur gesungenen Erkenntnis, dass wir einen Trainer haben, dann erklärt das wohl des Trainers glückseligen Gesichtsausdruck.

Ein feines Gespür für den Moment und ebenfalls Ausdruck der aktuellen „Wir für Euch und Ihr für uns“ Stimmung an der Hafenstraße. Ganz vielleicht war es auch ein wenig mit der Einsicht verbunden, dass die Protestmaßnahmen der vergangenen Saison an Intensität und optischer Ausdrucksform doch eine Spur drüber waren. Egal was unsere sportliche Zukunft noch an Höhen und Tiefen nun mit sich bringen wird: So sollten wir nicht mehr mit einem von uns umgehen. Das als frommer Wunsch formuliert.

Fromme Wünsche hätte ich in Richtung Ordnungsdienst Gottschalk-Tribüne. Aber die würden wohl ungehört bleiben, denn dort ist man aktuell zu sehr mit der Jagd auf Aufkleber bis in die Socken hinein beschäftigt. Angeblich laut Stadionordnung verboten. Also Kleber, nicht Socken. Nur steht in der Stadionordnung gar nichts davon, was man aber nicht wahrhaben wollte. Man hätte eine eigene! Die man aber natürlich nicht zeigen wollte. Während also die eigenen Fans immer öfter gepiesackt werden, lässt man klar erkennbare Fans der Gastmannschaft schon mal so durch. Vorschlag zur Güte: Wenn Ihr so heiß auf Kleber seid, dann geht doch vor dem Spiel ebenfalls rund um den Helmut-Rahn-Platz bummeln: da gibt es die schönsten Motive für kleines Geld, die man auch mit nach Hause nehmen kann. Oder man bittet eine der aktiven Gruppen, vielleicht mit einem Bauchladen kurz vorbeizukommen. Dann erspart man sich sogar den Weg!

Gegen den Waldhof hatten sich auch viele Einsatzkräfte der Polizei auf den Weg Hafenstraße gemacht. Im Verhältnis zur Zahl der Gästefans eine überraschend hohe Anzahl, zudem bisweilen sehr offensiv und Rücken an Rücken auf den Vorplätzen postiert. Vielleicht wollte die Polizei die, nennen wir es mal intensive, Arbeit der Kollegen an diesem Wochenende in den Stadien fortführen oder ist schon in den Vorbereitungen für die kommende Europameisterschaft. Es bedarf auf jeden Fall noch keiner Vorbereitung für eine Relegation gegen die Blauen, macht Euch da keinen Stress in der Leitstelle. Das wird realistisch betrachtet so nicht passieren: Aus lauter Angst vor unserer Mannschaft steigen die Blauen dann doch lieber direkt ab.

Und dann gab es ja noch die Strafe für die „Pyroshow“ einiger Fans des SC Preußen Münster. Die ist dermaßen happig, da will der DFB entweder ein Exempel statuieren, oder einfach nur die eigene Kasse aufbessern. Klar, Maßnahmenkatalog und so…. aber dann kann ich beispielsweise nur hoffen, dass man einige Braunschweiger Krawalltouristen für die blindwütigen Zerstörungen im Gästebereich des Niedersachsenstadions mit einer noch viel höheren Strafe belegt. Sanitäre Anlagen zerstören, ganze Sitzreihen rauszureißen etc.: das hat doch mit Fußballkultur nichts, aber rein gar nichts mehr zu tun. Das ist pure Lust an der Gewalt und nicht ansatzweise durch sportliche Rivalität gedeckt. Dafür braucht es dann tatsächlich ausreichend Einsatzkräfte.

Ein unbeschwertes Stadionerlebnis zu genießen, fällt also bisweilen immer schwerer. Aber ich bin wenigstens noch frohen Mutes, dass es noch etwas dauern wird, bis wir in der Liga gegen die Vierte von Gastteilnehmer Al-Nassr antreten müssen oder die Relegation gegen wen auch immer im Complexe sportiv Claude-Robillard Stadion von Montreal spielen müssen, um neue Märkte zu erschließen. Bleiben wir jetzt erstmal optimistisch und genießen den Augenblick. So als Schrecken vom Niederrhein mit Trainer(-team)!

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