Monatsarchive: Oktober 2012
Zur Lage der Nation
Die Lage ist ernst. Angespannt. Man hat den Eindruck, zwei feindliche Lager stehen sich unversöhnlich gegenüber, rüsten auf und warten nur darauf, offiziell den Krieg erklären zu dürfen. Zudem werden jeden Tag neue Meldungen über den Äther geschickt, die davon zeugen, das es kriegerische Auseinandersetzungen gegeben hat, wer den diplomatischen Weg für beendet erklärt, oder ein Positionspapier des jeweils anderen Lagers ablehnt.
Wir brechen das Ganze nun mal runter und landen beim: Fußball! Dort gibt es nämlich ein paar Probleme. Mit den Fans und so…
Stimmt, es gibt „Problemfans“, es gibt Gewalt in und rund um die Stadien, es droht eine Gewaltspirale, die es zu stoppen gilt. Aber, ob diese bestehende Problematik nun durch das Konzeptpapier „Sicheres Stadionerlebnis“ von Seiten des DFB und der DFL gelöst werden kann, vermag ich stark zu bezweifeln. Es ist doch überhaupt schon schlimm genug, daß überhaupt ein solches Konzeptpapier erstellt werden muß.
Nett auch, daß angemessene Möglichkeiten zur Personen Körperkontrolle bereitstehen sollten, oder daß ein unverhältnismäßiger Eingriff in die Persönlichkeitsrechte vermieden werden soll. (Seite 10). Es stehen einige wenige gute Ansätze in diesem Konzeptpapier, darum nicht. Auch, wenn die Betonung auf „wenige“liegt. Ganz gewiss nimmt mir ein solches Papier aber schon beim Lesen eines: Die Lust auf einen Stadionbesuch.
Stelle ich mir die Forderung auf Seite 19 vor, in welcher von baulichen Veränderungen im Einlassbereich die Rede ist, um eine „Stürmung von hinten“ zu verhindern, denke ich nicht an Fußball. Dann bin ich automatisch wieder bei oben genannten feindlichen Lagern. Die Seite 19 hat aber auch zwei dieser wenigen guten Ansätze aufzubieten: Intensivierung der Kommunikation und Aufgabenspezifische Qualitätssteigerung der Ordnungsdienste. Daumen hoch, denn hier steckt im Kleinen der Hauch einer möglichen Lösung, um den Gordischen Knoten zu lösen: Kommunikation ist alles.
Wer nun glaubt, oder von welcher Seite auch immer verkündet, die Kommunikation eingestellt zu haben, da die Fronten verhärtet sind, dem sei gesagt: Nö! Die Kommunikation geht immer weiter, nur auf einer Ebene, die zu keiner Lösung führen wird. Laut Paul Watzlawick gilt folgende These: „Man kann nicht nicht kommunizieren, denn jede Kommunikation (nicht nur mit Worten) ist Verhalten und genauso wie man sich nicht nicht verhalten kann, kann man nicht nicht kommunizieren.
Also wäre die Lösung doch die, sich an einen Tisch zu setzen und zu reden. Dumm nur, wenn etwas besprochen wird, das Ergebnis der Gespräche aber nicht jeden auf beiden Seiten erreicht. Oder erst gar nicht gehört werden will. Natürlich können Fans einen Ehrenkodex nach dem anderen unterschreiben, aber stehen dann alle auch zu den Dingen, die normal sein sollten in unserer Gesellschaft?
Die Fanszene eines jeden Vereines allein ist schon so vielschichtig, da reicht ein Konzeptpapier nicht aus. Und überhaupt: Was will denn das Konzept konkret? Ich möchte auch ein sicheres Stadionerlebnis. Aber eines, in dem Emotionen vorherrschen, bei welchem es gilt, Rivalen als solche zu sehen und zu übertönen. Davon lebt doch der Fußball. Sitzt man vor dem Pokalspiel mit Unionern an einem Tisch, herrscht der BFC vor, in Essen träumt alles davon, Schalke vorgesetzt zu bekommen und selbst in Nordhorn galt die Aufmerksamkeit stets dem Spiel gegen den SV Meppen. Somit ist also geklärt: Fußball ohne Emotionen funktioniert nicht.
Vielleicht funktioniert Fußball aber wieder besser, wenn der Fan nicht den Eindruck bekommt, durch eine Militärparade zu müssen, um in sein Stadion zu gelangen. Wer klatscht denn Applaus, wenn er bei strömenden Regen, knöcheltief im Morast versinkend, durch einen polizeilichen Trichter geleitet wird, und sich so der Abmarsch unnötig verzögert ? (Oberhausen 2007) Der DFB und die DFL können nicht einfach nur ein Papier erarbeiten, die Umsetzung weitestgehend auf die Vereine abwälzen und sich nun zurücklehnen. Von daher begrüße ich die Ablehnung durch immer mehr Vereine.
Zumal die Vereine sich doch absolut in der Zwickmühle befinden. Ohne Fans sind sie nur Red Bull, ohne DFB herrenlos. Und ist das ganze nicht von allen Seiten doch nur eines, nämlich ein lauter Schrei nach Liebe? Wir Fans wollen gehört werden, verstanden und ernst genommen werden. Aber, wie in jeder guten Beziehung brauchen wir auch Freiräume, schlagen mal über die Stränge und räumen nicht immer auf. Aber uns deshalb gleich in ein Erziehungsheim zu stecken ?
Die Unverbesserlichen werden wir nicht erreichen, das deckt sich mit der Jugendhilfe. Hier droht aber die Gefahr, alles und jeden gegen sich aufzubringen. Und, auch manche Medien sollten einmal ganz stark ihre Berichterstattung reflektieren. Manchmal geht da auch die eigene Phantasie mit durch.
Vielleicht hilft es aber auch, das Stadionerlebnis dieser Tage einmal durch Kinderaugen zu betrachten: Neunjährige im Stadion werden verschreckt durch einen unkontrolliert gezündeten Bengalo, aber auch durch ein Überangebot an Staatsmacht in martialischer Bekleidung.
Zu guter Letzt aber noch einen Vorschlag, wie sich alle Lager endlich wieder auf das Wesentliche konzentrieren können: Lest Sammy Drechsel, lest „Elf Freunde müsst Ihr sein“! Dort ist zu lesen, welchen Wert ein Paar Fußballschuhe hat, oder ein Trikot. Ist von Freundschaft und Zusammenhalt die Rede. Von Ausschreitungen, Gewalt, Wasserwerfern und Leibesvisitation steht da nichts geschrieben.
quod erat demonstrandum
Der Fall der Westkurve 1994 unterscheidet sich gravierend von dem Fall der Berliner Mauer fünf Jahre zuvor: Der Jubel fehlte nämlich zur Gänze! Ok, und die Trabbis. Nun sind wir natürlich nicht so vermessen, ein historisches Ereignis von weltweiter Bedeutung mit dem Abriss einer maroden Stehtribüne gleichzusetzen. Aber, die Westkurve wurde nie wieder aufgebaut, und die Berliner Mauer wird es hoffentlich nie wieder. Vielleicht da ein kleiner Kontext.
Es galt aber nun, andere Mauern einzureissen: Mauern, nicht aus Stein, sondern aus Finanzen und Eitelkeit, Größenwahn und Kleinkrämerei erbaut. Wie wir alle wissen, standen diese Mauern in den folgenden 18 Jahren einer erfolgreichen Weiterentwicklung des RWE mehr als nur im Weg. Sie haben ihn sogar erdrückt, fast beerdigt.
Wie tief sich nun die Schmach eines Drei Tribünen „formerly known as Mythos“ Stadions in die Seele des gemeinen RWE Fans eingebrannt hat, zieht sich wie ein rot weisser Faden durch den aktuellen Stadionbau. Allgegenwärtig der Galgenhumor, sicher auch Furcht davor, bei drei Tribünen den ultimativen Baustopp zu erleben. Gewohnheitsrecht könnte hier geltend gemacht werden.
Aber jetzt endlich, im Oktober 2012 können wir loslassen. „Der ganze Dreck wird vergessen“ so heisst es doch, obwohl das mit dem Dreck natürlich noch dauern wird. Bautätigkeiten, Abriss halt, das erzeugt noch viel davon. Ergo: Die vierte Tribüne ist im Bau! Und wer immer noch nicht daran glaubt, es gibt Bilder, die davon zeugen.
Jetzt können wir alle ruhiger werden, uns wieder anderen Themen rund um Verein, Mannschaft und Fans widmen. Denn eines ist klar: Wir sind wer, wir sind RWE und wir finden immer etwas zu meckern.
Und für kurze Zeit hatten wir sogar ein Tribünenüberangebot an der Hafenstrasse. Eigentlich das schönste Foto überhaupt. Zeugt es doch eindrucksvoll von Vergangenheit und Zukunft dieses wunderbaren Vereines. Nur der RWE!
Boys don`t Kray
Glück gehabt: Dem rot weissen Selbstverständnis der Fans konnten die rot weissen Kicker auf dem Rasen gestern erfolgreich unter die Arme greifen! Mit 3:1 wurde der Ligakonkurrent aus der eigenen Stadt letztendlich recht überlegen bezwungen.
Nun mag man sich fragen, warum hier von Glück die Rede ist, zeugen doch auch die Gazetten von eben dieser sportlichen Überlegenheit. Die Antwort ist schlicht und auch einfach: Es war das schwerste Saisonspiel! Einmal abgesehen davon, daß ein Derby gedanklich nicht zwingend in der eigenen Stadt angesiedelt ist.
Der FC Kray hingegen, und das ist keineswegs despektierlich gemeint, ist ein Stadtteilverein. Die Mischung aus sportlichem Erfolg und der Reformfreude des DFB brachte einen doppelten. Aufstieg jetzt, nicht Korn. Den werden die Verantwortlichen des FC Kray sicher im Anschluß an die Aufstiegsfeierlichkeiten gebraucht haben: Ist dem DFB reformiert nicht immer gut genug, somit ist nach sportlichem Aufstieg vor der Platzkommission. Ergo darf der FC Kray seine Heimspiele aus den üblichen Gründen nicht in gewohnter Umgebung austragen. Ausgewichen wird an den Uhlenkrug, stets noch der erste Gedanke, wenn es um ein Stadtinternes Duell geht.
Die Platzfrage war aber an diesem Samstag kein Thema, gastgebend doch der RWE. Vor großer Kulisse: 11.037 Fans beider Vereine bedeuteten an diesem Samstag mehr Zuschauer, als zeitgleich in jedem Stadion der dritten Liga. Alle drei Tribünen gut besucht, darunter auch viele Fans des FC Kray, zu erkennen an den etwas gewöhnungsbedürftigen Trikots. (Den Abstieg in die Wortspielhölle vermeiden wir an dieser Stelle bewusst und verzichten auf Bonmots wie „gekraysche“ „Eins zu Kray“ oder ähnlichem). Eine kleine Choreographie hatten sie vorbereitet und mit selbiger durchaus auch ihre Sympathie für den RWE kundgetan. Ein Hauch von Freundschaft wehte durch das Stadion Essen, blieben doch auch Lübecker und Rotterdamer fern.
Das Spiel gestaltete sich in der ersten Halbzeit wie folgt: Der RWE legte los wie die berühmte Feuerwehr und die Spieler des FC Kray versuchten bisweilen recht unorthodox, die Angriffsbemühungen der rot weissen im Keim zu ersticken. Konnten ihrerseits zu Kontern ansetzen, die aber selten zum Abschluß kamen. Bei RWE hingegen trat wieder jenes Phänomen auf, was momentan heiss diskutiert, ob der Erfolge aber stets im Keim erstickt wird: Die Kritiker suchen noch die spielerische Linie. Ich sage: Sie ist durchaus vorhanden, es gibt einen Plan und auch der Trainer erreicht die Spieler noch. Besonders nach jedem Tor. Nein, es kommt weiterhin noch nicht jeder Ball direkt an, oder kommt manch Laufweg recht anarchistisch daher. Aber es wird stets besser und hängt doch auch von dem jeweiligen Gegner ab. Ist jener augenscheinlich zuvorderst auf Torverhinderung aus und kloppt den Ball schon mal gepflegt in`s Aus, dann muß wieder mühsam ein Spielaufbau her. Dabei bitte stets auch an die Ligazugehörigkeit denken.
Wir halten fest: Der RWE deutlich überlegen, der FC Kray bemüht = Führungstreffer kurz vor der Halbzeit! Aufatmen bei den Fans des RWE, erste Grundsatzanfeuerungen über drei Tribünen. Dann wird es auch mal richtig schön laut im neuen Stadion Essen. Den Mythos holen wir uns übrigens wohl erst wieder in das Haus, wenn alle Tribünen stehen und ein jeder auch verstanden hat, in welchem Block er sich befindet.
Müßig, darüber zu diskutieren, in dieser Phase des Umbruches dort sitzen zu wollen, wo für diese Saison zu Stehplatzpreisen gestanden werden darf und soll. Natürlich macht eine Sitzschale unter dem Po nicht froh, wenn vor einem alles steht und hüpft. Aber, das wurde hinlänglich kommuniziert. Auf den Punkt gebracht: Entweder zu Stehplatzpreisen akzeptieren, daß alles um einen herum steht, oder direkt zu der teureren Sitzplatzkarte greifen. Dabei auf ein Spiel hoffen, welches einen dann doch gelegentlich aus der Sitzschale reisst.
Genug der Polemik, Halbzeit die Zweite: Keine große Veränderung auf dem grünen Rasen, bestimmte doch der RWE weiterhin ziemlich dominant das Geschehen. Was im Übrigen auch von einer gewissen Nervenstärke der Mannschaft zeugt, denn nicht wenige hatten doch auf die Blamage gehofft. Logische Konsequenz den Spielverlauf betreffend also die Tore zur zwischenzeitlichen 3:0 Führung. Die Fans des FC Kray verloren derweil ihre gute Laune nicht und genossen weiterhin den Tag, das Spiel und das Stadion. Auch die RWE Fans konnten einmal mehr ihr Gespür für das Besondere beweisen: Vincent Wagner traf und wurde entsprechend gefeiert. Das „Wagner oder nicht Wagner“ aus dem Leverkusen Spiel somit vergeben und vergessen. Feine Sache!
Nicht ganz so fein hingegen die Spielerwechsel bei RWE an diesem Nachmittag. Der allseits bekannte „Bruch im Spiel“ war auf einmal mit von der Partie. Eine Folge dessen dann der Anschlußtreffer. Nicht wenige unter den 11.037 werden es den Krayer Spielern sicher gegönnt haben, tat es ja unter dem Strich nicht mehr wirklich weh. Ein freundschaftliches Derby somit. Da nun zuviel Freundschaft im Sport ab und an die Leistung und Atmosphäre schmälert, widmeten sich die Fans des RWE nebenbei noch zwei anderen Themen: Dem einzig wahren Derbygegner wurde gesanglich mal kurz Hallo gesagt und dem DFB mal wieder die Meinung gegeigt.
Es ist doch so: All das, was man dem DFB einfach mal so mitteilen möchte, passt auf keine Tapete. Schon gar nicht, wenn man in Inhalt und Ausdruck die Form wahren möchte. Daher eine einprägsame Botschaft, die natürlich einer Beleidigung gleichkommen mag. Aber worum geht es denn unter dem Strich? Es geht doch darum, daß beide Seiten einfach nicht mehr miteinander auf normaler Ebene kommunizieren (können und/oder wollen). Wenn dann der DFB einmal mehr seine Ermittlungen aufnimmt, bedeutet es zum einen doch auch, nicht souverän mit Kritik umgehen zu können, wird diese nicht formaljuristisch dargeboten. Von Seiten der Fans besteht wiederum die Schwierigkeit, stets unter Trittbrettfahrern oder schwarzen Schafen leiden zu müssen, welche jegliche Form konstruktiven Handelns bisweilen im Keim ersticken.
Lieber DFB: Ohne uns Fans wärest Du nicht das, was Du geworden bist. Und bitte: Etwas mehr Gelassenheit im Umgang mit Kritik stände Dir gut zu Gesicht. Wir Fußballfans mögen klare Worte! 90 Minuten sind einfach zu kurz, um unser Anliegen pädagogisch wertvoll zu formulieren. Zumal wir stets suggeriert bekommen, eher als klinisch reine Statisten denn als Fans erwünscht zu sein. Gerne dürfen wir Trailer erleuchten, um dann dafür in der Realität abgekanzelt zu werden. Hör einfach mal denen zu, ohne die Fußball nichts anderes wäre als dieses Spiel von 22 Männern und/oder Frauen in kurzen Hosen. Du willst es doch auch!
Unter dem heutigen Strich bleibt aber noch etwas ganz anderes: Der zweite Tabellenplatz. Und den bekommt man nur, wenn der Trainer eine Mannschaft erreicht!