Prefa, der Fußball wird immer extremer!
Wir stehen so ziemlich in allen Ligen am Anfang einer noch langen Saison und doch fühlt man sich andauernd an einen Werbespot erinnert: Brachte man sich noch vor einigen Jahren frühestens nach dem 10. Spieltag in Stellung um die Messer zu wetzen, so geschieht dieses bisweilen direkt nach Abpfiff der ersten Begegnung.
Manchmal wird aber gnädigerweise ein zweites Spiel abgewartet, um die digitale-, multimediale-, und Expertenflut loszutreten. Ein Trainer in Gelsenkirchen beispielsweise: Gegen Ende der letzten Saison dann doch im Sattel geblieben, schwadronierte ein freier Mitarbeiter einer Münchener Brauerei und früherer Inhaber einer peinlichen Fußballtalkshow in einem etwas angeseheneren Fußball Talk über diesen Trainer. Der HSV zum Beispiel bekommt leider kein Heimspiel zu seinem Alleinstellungsmerkmal und wird doch nach dem zweiten Spiel zu einem RWE auf allerhöchsten Niveau: Fanunterstützung en masse, aber sportlich schon seit Jahrzehnten nichts mehr bewegt. Aber halt die dauerhafte Erstklassigkeit in seiner Vita. Dass sofort der Name Felix Magath gehandelt wird, nehmen wir dankend zur Kenntnis.
In Düsseldorf wird ein Spieler zur persönlichen, verbalen Zielscheibe einiger Spielbesucher, in Essen bekanntermaßen der Trainer nebst einigen Spielern und überhaupt. Die Fans des VFB Stuttgart hadern weiter mit Bruno Labbadia während in Dresden direkt Nägel mit Köpfen gemacht wird: Trainerentlassung jetzt! Die von uns so geliebte Fußballtradition scheint also ein wenig zu schwächeln, was grausam und eiskalt in Hoffenheim und Wolfsburg ausgenutzt wurde. Peter Neururer wird peinlich und auch die Hochfinanz von Viktoria Köln hat schnell ihre erwarteten Problemchen: Erst in Essen gewinnen, und dann wieder Streit anfangen. Das hätte Euch auch früher einfallen können!
Unter dem Strich zählt also nicht das ich, sondern früh das Prinzip: Alle gegen alle. Nicht zu vergessen auch der FC Bayern, der seinen Fans zwar Pokale schenkt, ihnen aber die Seele nimmt. „Das ist doch populistische Scheiße. Für die Scheißstimmung seid ihr doch zuständig und nicht wir“. Dieser legendäre Ausspruch kommt bisweilen wie blanker Hohn daher. Vielleicht war aber auch nur eine Abteilung im Finanzamt gemeint.
Aber nicht nur Vereine, Trainer und Spieler haben aktuell ihre Problemchen: Ein wichtiger Bestandteil des Fußballs beginnt scheinbar langsam aber sicher zu eskalieren. Der allseits bekannte Slogan, welcher alle über einen Kamm schert, mag mir nicht gefallen! Aber einige Einsatzleiter und -Kräfte der Polizei haben definitiv jegliches Gespür für den Fußball, seine Emotionen und diejenigen, die ihn lieben verloren.
An dieser Stelle sei noch mal erinnert: Der Fußball ist ein Spiel, in welchem zwei gegnerische Mannschaften versuchen, mittels Fußlümmelei einen Gewinner zu ermitteln. Bisweilen haben Mannschaften auch Fans! Gute Fans, böse Fans, weibliche Fans, junge Fans, alte Fans, männliche Fans. Kutten, Normalos, Ultras, Hools und Allesfahrer. Früher gab es Listen, welcher Verein denn nun die härtesten Fans hatte, welche Auswärtsfahrt am gefährlichsten sei usw.
In den wackeligen Videos der 80iger rennen sportliche Männer mit Blue System Sweater und Hodenhochstand fördernden Jeans um die Wette, begleitet von einigen Polizisten im Galopp. Und eigentlich war alles gar nicht so schlimm, bisweilen galt sogar ein Ehrenkodex und konnten normale Fans unbehelligt ihrer Wege gehen. Heutzutage ist es scheinbar genau andersherum: Hundertschaften martialisch gekleidete sportliche Männer und Frauen rennen um die Wette, begleitet von einigen Fans mit Fahne vorneweg im Galopp. Ein Kessel Buntes.
Statt großer Kurven mit Platz für alle gibt es manchmal nur Kuchenstücke mit Platzangstgarantie. Und nun droht die Stimmung zu kippen, fühlt sich auch der normale Fan immer mehr gegängelt, droht Pfeffer im Gesicht statt Hummeln im Hintern. Bleiben Kinder aus Angst lieber zuhause. Aber aus Angst vor der Polizei, dem eigentlichen Freund und Helfer. Was ist Provokation im Stadion, oder worauf darf ich in Zukunft auf bloßen Verdacht hin untersucht werden ? Es gab doch runde Tische. Hat denn da gar keiner zugehört?
Sollte zum Beispiel der RWE jemals wieder ein Ligaspiel gegen den FC Schalke bestreiten, darf dann unsere Vereinsführung der Polizei einen Tipp geben, dass wir rot weissen uns von den blau weißen Trikots provoziert fühlen ? Und dann reitet die Polizei ein und sprüht alles blaue weg ? Es geht nun nicht um eine Generalanklage Richtung Polizei, auch wir Fans bieten weiterhin genug Anlass zur Kritik! Aber was nach den beiden ersten Spieltagen an strategischen Fehlern gemacht wurde, stimmt in der polizeilichen Taktik nachdenklich und lässt zum Beispiel für das morgige Spiel des RWE gegen Alemannia Aachen einiges befürchten. Zumal die Stimmung im Essener Lager schon gereizt genug ist. Ein Spiel, vielleicht die erste wirkliche Härteprobe auf allen Ebenen nach der Insolvenz.
Da nun kaum davon auszugehen ist, dass Johannes Baptiste Kerner auf dem Innenhof der ARD Sendeanstalt Waldemar Hartmann und Oliver Pocher aus Gründen der Anschaulichkeit Pfefferspray in das Gesicht sprüht, erhoffe ich mir Selbstreflektion. Ja, diesen pädagogischen Scheiss! Aber, aktuell ganz deutlich auf Seiten der Polizei. Denn ich möchte sie vor Ort wissen, wenn es Hilfe bedarf. Und den Rest der Zeit bitte im Hintergrund. Denn Fußball ist immer noch ein Fest! Übrigens wird gemunkelt, die Rotterdamer kommen morgen auch….
Guter Artikel aus dem einiger, bissiger Frust herauszulesen ist. Kabinenpredigt eben. Gute Rubrik.
Manchmal steht’s einem auch echt oberkanteunterlippe. Da die Gesellschaft sich immer extremer verhält, ist es allerdings genauso weltfremd wie zugegebenermaßen sympathisch zu hoffen, dass ausgerechnet der Fußball eine Oase der Ausnahme bilden sollte. Die Menschen sind verunsichert, auf allen Seiten und auf vielen Ebenen. Das erzeugt Aggression.
Woher die Verunsicherung kommt? Die Frage mag sich jeder selbst beantworten. Man könnte allerdings schon mal die üblichen abgedroschenen Verdächtigen verhaften.
Das Problem ist, dass in einer wenig reflektierten Gesamtgesellschaft, autoritäre Strukturen der Polizei immer die Deutungshoheit haben.
Wenn sich also der Einsatzleiter hinstellt und behauptet, ohne sofortiges Einschreiten hätten die PAOK-Fans sich durch das gesamte Stadion bis zu besagtem Banner durchgekämpft und es hätte jede Menge Tote und Schwerverletzte gegeben
…, dann glaubt man das uneingeschränkt.
Solange sich in diesem Land Politiker ungestraft hinstellen können und, obwohl das Gegenteil offensichtlich ist, hinstellen und sagen „Kein mio.-facher Datenmissbrauch, kein Grund zur Beunruhigung, Thema beendet.“, solange das so ist, brauchen wir um Rechte im Fußball doch nicht ernsthaft zu kämpfen.