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Die Stille nach dem Spiel.

Würde man unken wollen, so könnte man auf das nächste Heimspiel gegen den FC Ingolstadt einen richtig guten Tipp abgeben: Mit einem 1:3 würde man tendenziell gar nicht mal so schlecht liegen. Natürlich tippt man niemals gegen den eigenen Verein, aber nach diesem zweiten Heimspiel, welches im Backofen an der Hafenstraße doch so gut begonnen hatte, hilft gerade nur Galgenhumor.

Dabei begann alles sehr vielversprechend: Wir bekamen fast die mehrheitlich gewünschte Aufstellung (Warum Oguzhan Kefkir wieder nicht in der Startelf stand, erschließt sich mir einmal mehr nicht) und eine furiose Anfangsviertelstunde, in der Viktoria reichlich Schnappatmung bekam. Unsere Mannschaft wollte also nahtlos an die letzten Minuten im Wedaustadion anknüpfen. Doch diesmal ging der Spielfilm den umgekehrten Weg: Bevor sich unsere Mannschaft nun auch noch mit einem Tor belohnen konnte, zogen die Steuerberater von der Schäl Sick einfach den Stecker aus unserem Spiel und begannen, das Spiel nicht nur zu beruhigen, sondern auch zu verwalten. Inklusive dem dazugehörigen Tor. So geht eben die 3. Liga. Wer da aufmüpfig wird, bekommt erstmal was vor den Latz. Zumindest, wenn man Rot-Weiss Essen heißt und aktuell oft einen Schritt zu spät kommt.

Auch, weil die Zuordnung einfach nicht stimmt. Das ist manchmal ein wildes Durcheinander auf dem Feld. Und dabei stimmt eigentlich alles: Wille, Einsatz, Fitness: Alles im Rahmen. Aber wenigstens spielerisch muss das jetzt ganz dringend auf die dritte Ebene gehoben werden, sonst etablieren wir uns nicht in der Liga, sondern weit abgeschlagen in dessen Keller. Und dann bekommen wir doch alle wieder die Krise. Wir kennen das nur zu gut.

Es bedarf jetzt einer ruhigen, ordnenden Hand, denn so, wie viele Spieler aktuell drauf sind, droht zudem eine Kartenflut. Irre, wie beispielsweise Ron Berlinski immer wieder den Torwart anläuft, oder sich durch die gegnerische Hälfte grätscht. Aber wenn daraus zu viel Testosteron wird, und man das Gefühl bekommt, der Mann haut gleich einen Gegenspieler um, dann ist dass das gewisse Etwas drüber. Wir brauchen keinen Enforcer, sondern Tore. Aber Karten bekommt man ja nicht nur durch übermotiviertes Handeln, sondern oft auch, um schlechtes Stellungsspiel durch ein taktisches Foul zu kompensieren. Wir brauchen eine funktionierende Taktik.

Es steht mir als Laie in taktischen Dingen eigentlich nicht zu, sportlich Kritik zu üben, aber als Fan, dessen Vorfreude sich gerade gespenstisch auflöst, sieht man natürlich auch Sachen auf dem Feld, die so sicher nicht geplant waren. Was zum Beispiel ist mit der Spielfreude von Isi Young passiert? Die sogenannte Körpersprache macht mir bei ihm Sorgen. Und sollte nicht unser eingespielter Kader das Faustpfand für eine relativ ruhige Saison sein? Liebe Leute, es hat sich ausgefeiert, nun ist auf dem Trainingsplatz mehr Arbeit denn je zuvor angesagt. Wenn jeder nur für sich spielt, dann wird das nix mit dem Klassenerhalt. Und da kann man besser viel zu früh und nur gut gemeint den Finger in die Wunde legen, als zu spät. Auch wenn das vielleicht alles jetzt undankbar erscheinen mag.

Es ist ja auch nicht das Problem, ein Spiel zu verlieren. Das Problem ist, wie die beiden Heimspiele und die erste Halbzeit in Duisburg verloren wurden. Das macht ratlos. Im Strom der aus dem Stadion eilenden Fans mitzuschwimmen bedeutet auch auch, Teil der Meinungen zum Spiel zu werden. Wenn gemotzt wird, kann man mitmotzen, oder dagegen anstänkern, ist die eigene Meinung komplett konträr. Wenn aber überall Ratlosigkeit über das Erlebte herrscht, dann ist das ein noch viel fragileres Gefühl, und sorgt für Kummer. Der erste Sieg in dieser Saison würde sicher viele Kräfte freisetzen und der Mannschaft Aufwind geben, sofern er zeitnah erfolgen mag natürlich. Aber dafür braucht es Pässe die ankommen. Standards die Torchancen kreieren und eine Abwehr, die eine gemeinsame Linie spielt. Und eben auch einen roten Faden, den der Trainer vorgibt.

Den Kredit auf den Rängen, den darf Rot-Weiss Essen weiterhin genießen. Lieber Mannschaft und Verein bis zum Abpfiff besingen, als pöbelnd auf den Zaun springen. Aber das kann auf dem Feld so trotzdem nicht weitergehen und würde bei weiteren Niederlagen auch definitiv nicht so weitergehen. Bis Samstag im Westfalenstadion bleibt nicht wirklich viel Zeit, aber es ist definitiv an der Zeit wirklich viel aufzuarbeiten. Dann wartet wieder eine ganz neue Herausforderung auf unsere Mannschaft: Nach vollen Stadien in den ersten drei Spielen geht es diesmal in das größte Stadion der Republik, welches aber trotzdem nicht wirklich gefüllt sein wird. Es ist nach dem gestrigen Spiel sehr schlecht zu schätzen, wieviel Fans unsere Mannschaft in das Westfalenstadion begleiten werden.

Das ist aber auch schon wieder eine Achterbahn der Gefühle, die so hat keiner kommen sehen. Wir sollten dieses Etablissement 3. Liga so schnell nicht wieder verlassen. Wir haben alle zusammen doch viel zu viele Jahre drauf gewartet, es endlich betreten zu dürfen. Es ist nicht weit nach Dortmund. Machen wir also rüber und helfen unserer Mannschaft dabei, wenigstens dort den ersten flotten Dreier einzufahren. Offensichtlich hat sie alleine gerade nicht die richtigen Mittel parat, um siegreichen Fußball zu spielen.

Unterstützung, klare Ansage und Vorgabe benötigt aber nicht nur unsere Mannschaft, sondern auch unser Verein durch die GVE: Es braucht endlich eine Lösung für die Boxenproblematik im Stadion. Es kann doch nicht sein, dass der RWE sich nun andauernd für etwas zu entschuldigen hat, was gar nicht in seiner Verantwortung liegt. Es dürfte doch kein Hexenwerk sein, eine ausbalancierte Beschallung hinzubekommen, die für moderate Lautstärke sorgt. Das hat doch seit Eröffnung des Stadions vor zehn Jahren bis Ende der vergangenen Saison eigentlich ganz gut funktioniert.

Mit welchen Gefühlen wird wohl Andreas Rettig das Stadion nach Spielende verlassen haben? Man weiß es nicht. Weit vor dem Spiel aber genoß er seine Wurst am Grillstand des Hafenstübchens. Er weiß eben, was schmeckt und wo der Fußball Zuhause ist. Wahrlich ein Mann, der im Gegensatz zu so vielen Fußballfunktionären mit beiden Beinen fest am Boden geblieben ist. Eine lukullische Randnotiz an einem Fußballabend, der eher weniger schmackhaft war. Nur der RWE! 

Ulla Kasuppke. Der Aufstieg.

Danach: Es hat ein bisschen gedauert, doch dann fiel es Ulla auf: Es gibt keinen Grund mehr, dem Willi unter der Erde etwas vorzumachen, die Regionalliga ist endlich Geschichte. Ja gut, etwas flunkern  musste sie wohl noch, schließlich denkt der Willi ja weiterhin, dass sein zu Lebzeiten geliebter RWE in der zweiten Bundesliga spielt. Aber in Anbetracht der Mannschaften, gegen die seinen Roten nun wieder spielen dürfen, kann das durchaus als Notlüge verbucht werden. Gegen den MSV Duisburg zu spielen hört sich doch gehaltvoller an, als beispielsweise das Auswärtsspiel bei  Union Solingen. Außerdem müsste sie dann ja auch noch erklären, dass die Klingenstädter gar nicht mehr in der ursprünglichen Form existieren. Und das Stadion am Herrmann-Löns-Weg schon mal gar nicht. Nee nee, die Spiele gegen die Zwoten aus Dortmund und Freiburg werden einfach verschwiegen und der große Rest geht schon als zweite Liga durch. Außerdem hat sie dem Willi schon so oft Essen gekocht, von dem er dachte, die größte Delikatesse zu bekommen, und dann war es doch nur…. Gut, an diesem Punkt schweigt sich Ulla Kasuppke aus und greift einmal mehr zur Zigarette.

Dabei: Mittlerweile wird selbst gedreht, irgendwie muss man ja die Kosten in den Griff bekommen. Begreifen kann sie immer noch nicht, dass diese Bonzenpartei FDP nun in der Regierung allen anderen ihren Willen aufzwingt. Ihr Willi als ehemaliger Betriebsrat hätte denen die Hölle heiß gemacht. Hübsch hatte sie sich gemacht, an jenem 14. Mai 2022. Endlich bekam Willis verschlissene und eigentlich auch pottenhässliche RWE-Jeans noch einmal einen Sinn. Auch wenn sich der Reißverschluss nicht mehr ganz schließen ließ. Vom Knopf ganz zu schweigen. Aber er war ja auch immer sehr drahtig gewesen, der Willi. Das Knopfproblem wurde elegant mittels Fanschal gelöst, zudem war die rote Bluse aus Elasthan auch schön lang.

Ulla Kasuppke fühlte sich ein wenig aufgeregt, fast gar freudig erregt, als sie das Kissen auf der Fensterbank platzierte, um an jenem Tag dem gröhlenden Tross zuzusehen, der zur Hafenstraße zog. Endlich war es soweit. Endlich kehrte das Glück rund um die Hafenstraße zurück. Und sie war so gut es eben ging mit dabei. Würde Willi noch sein, so wären sie vielleicht schon längst auf dem Weg zum Stadion. Allein mag sie nicht mehr, manchmal kann man es da ja auch schon mit der Angst bekommen. Außerdem hilft die Polizei ja auch nicht mehr so, wie es früher mal gewesen ist. Einen Schutzmann gab es seinerzeit, für den hätte sie Willi in Gedanken fast verlassen, so unverschämt gut sah der aus.

Heute sehen sie vielleicht immer noch gut aus, aber sie reden ja gar nicht mehr mit Dir, sondern drohen gleich. Ach nein, dann lieber den Fans aus dem Fenster zuwinken. Wie das Spiel ausgegangen ist, das würde sie ja allein schon an den Gesichtern nach dem Spiel erkennen, wenn wieder alle an ihrem Fenster vorbeilaufen. Als der Strom der Fans weniger, dafür der Lärm aus dem nahe gelegenen Stadion immer lauter wurde, sinnierte Ulla, dass es gut ist, nun auch dieses Internet zu haben, von dem Willi niemals gedacht hätte, dass es sich eines Tages durchsetzen würde.

Die Enkelin von Frau Bergmann (ja genau, der Frau Bergmann) hatte ihr extra einen gebrauchten, tragbaren, Klappcomputer besorgt, und ihr erklärt, wie sie damit in eben dieses Internet kommt, und was es dafür noch braucht, um nicht nur am letzten Spieltag sehen zu können, wie Rot-Weiss Essen nach so langer Zeit auch wirklich aufsteigt. Es hätte also kein zusätzliches Rouge gebraucht an jenem sonnigen Tag im Mai, denn Ulla Kasuppkes Wangen waren auch so schon zart errötet, als sie die Schritte ausführte, die sie abzuhaken hatte, um einmal mehr den Sender von Rot-Weiss Essen zu finden.

Das waren immer auch Momente, in denen sich Ulla so sehnlichst eigene Kinder gewünscht hätte. Mit denen hätte sie nun unglaublich gerne diesen schicksalsschwangeren Tag verbringen wollen. Es war Willi und ihr leider nicht vergönnt gewesen. Irgendwann haben sie sich damit arrangiert und mit ihrem Schicksal abgefunden. Nun waren die Spieler von Rot-Weiss Essen halt ihre Jungs und die Spielerinnen der SGS Essen ihre Mädchen. Wenigstens blieb ihnen so erspart, Kinder zu haben, die vielleicht eines Tages keinen Kontakt mehr zu ihnen wünschen. Ulla schüttelt sich ob des kalten Schauers, der ihr bei dieser Vorstellung über den Rücken läuft.

Endlich ist sie drin und nimmt sich den Klappcomputer auf den Schoß. Richtig lieb gewonnen hat sie in den letzten Monaten den Christian und den Andreas. So nette junge Männer. Aber manchmal schreien sie ihr auch zu laut.

Und so kam es, dass Ulla Kasuppke in der bescheuerten Jeans ihres verstorbenen Mannes dem beiderseits geliebten Verein Rot-Weiss Essen an jenem 14. Mai 2022 endlich bei dem sehnsüchtig erwarteten Aufstieg zuschauen konnte. Was war das für ein Fest nach dem Spiel. Ulla konnte sich die Tränen nicht verkneifen und weinte bitterlich vor Freude. In Gedanken fühlte sie sich, als ob es ihr geliebter Willi war, der sie an die Hand nahm und vor die Tür führte. Dort, wo sich alle in den Arm nahmen und einfach endlich wieder glücklich sein durften. Und ja, an diesem 14. Mai 2022 war auch Ulla Kasuppke so glücklich wie schon lange nicht mehr. 

Punktlandung!

Jetzt weiß ich langsam, welcher Irrglaube mich nach diesem so herrlichen Aufstieg als Fan ereilt hat: Ich dachte tatsächlich, nun wird das Leben mit Rot-Weiss Essen endlich viel leichter und entspannter. Eine Saison als nie enden wollender, milder Frühlingsabend. Die Sonnenbrille keck auf der Nase, während das Resthaar von einer frischen Brise zerzaust wird. Noch im Spiel gegen die SV Elversberg schnell geerdet wurde klar: Hier und jetzt hat uns zunächst einmal der Gegner und keine erhoffte Leichtigkeit des Seins zerzaust.

Ja und dann dauerte es auch gleich mal zwei ganze Wochen, bis das nächste Ligaspiel anstand. Zu allem Überfluss auch noch direkt nebenan in Duisburg. Der Wichtigkeit dieses Spiels entsprechend, wurde ordentlich auf vielen Kanälen darüber geschrieben, gesprochen und gesendet. Medial schon eine ganz andere Hausnummer als noch eine Etage darunter. Kein vierzehntätiger Frühlingsabend von Elversberg bis Duisburg also, eher ein ebenso lange andauerndes Stahlbad bei täglich wachsender Anspannung und Hitze. Diese leicht erklärt: Verliert man auch das zweite Spiel in der 3. Liga, zudem in Duisburg, und vielleicht sogar auf ähnliche Art und Weise wie noch zwei Wochen zuvor: Dann ist relativ früh gleich wieder Schicht im Schacht mit unserer Euphorie und fahren wir in den Keller der Liga ein.

Wir wir nun erleichtert wissen, ist nichts dergleichen eingetreten. Der erste Punkt in der 3. Liga wurde eingesackt. Quergelesen leidet man darüber im MSV Portal wie nach einer Niederlage, während wir noch nicht genau wissen, wie das Spiel einzuordnen ist. Das Forum schwankt in seiner Beurteilung. Genau genommen haben wir ja auch zwei verschiedene Spiele in einem bestritten. Da kommt selten ein gemeinsamer Konsens auf. Wie sollte er auch? In einem war, beziehungsweise ist man sich dann aber doch einig: Mit der selben Aufstellung wie noch gegen die SV Elversberg zu beginnen war sicher eine hehre Absicht unseres Trainers, brachte aber zunächst nicht den gewünschten Effekt der Wiedergutmachung, sondern gefühlt eine Fortführung des ersten Spiels.

Daraus aber direkt abzuleiten, dass wir einigen Spielern zwar unendlich dankbar für den Aufstieg sind, ihnen aber nach einem (anderthalb) Spiel(en) direkt die Drittligatauglichkeit absprechen, das halte ich nicht nur für vermessen, sondern auch viel zu verfrüht. Wir wollten alle zusammen in der Liga ankommen und dort Fuß fassen. Daran sollte auch das Elversberg Spiel nichts ändern, welches die gültige Einarbeitungszeit aber leider direkt außer Kraft gesetzt zu haben scheint. Die 3. Liga ist auf so vielen Ebenen eine ganz andere Hausnummer, da müssen wir akzeptieren, dass das auch für das Spiel an sich gilt. Keiner unserer Spieler hat in der Sommerpause und Vorbereitung das Kicken verlernt.

Glücklicherweise haben ja die Reaktionen im Stadion nach Elversberg gezeigt, dass wir zusammen verlieren, so wie wir auch in Duisburg zusammen den Punkt geholt haben. In Duisburg nun hat unser Trainer das getan, was wir noch gegen die SV Elversberg vermisst haben: Die Schlüsse aus der ersten Halbzeit gezogen, personell reagiert und taktisch umgestellt. So geht Coaching und es tat mir fast leid, selbst lautstark zu monieren, wie denn der Matchplan unseres Trainers aussieht, und ob die Mannschaft auch davon in Kenntnis gesetzt wurde, beziehungsweise ob überhaupt einer existiert. Aus der Erregung heraus bei 0:1 Rückstand. Irgendwie, ach quatsch, absolut nicht fair von mir, aber dem Treiben unserer geliebten Mannschaft auf dem Feld geschuldet.

Somit geht der Punktgewinn definitiv auch auf das Konto von Christoph Dabrowski. Waren nun die beiden Vorgänger bei uns zu erfolgreich, oder sind die sportlichen Meriten als Trainer von „Dabro“ insgesamt noch zu gering? Und warum bleibt der doch so gelobte Kefkir beispielsweise zunächst auf der Bank? Natürlich beschäftigen uns Fans all diese Fragen und bewegen über Gebühr die rot-weissen Synapsen. Die ja bekanntermaßen im Falle von RWE immer anders ticken, als es vielleicht rational der Fall sein sollte. Die hoffentlich positiven Antworten werden wir noch im Verlaufe der aktuellen Saison bekommen. Da bin ich mir sicher.

Wir sind also zurückgekommen im Stimmungshochofen Wedaustadion und durften uns aufgrund eben jenes Spielverlaufs als moralischer Sieger fühlen. Was unter dem Strich natürlich nicht einen einzigen Punkt mehr bedeutet. Aber wir konnten uns trotzdem um drei Plätze vorarbeiten und bewegen uns tabellarisch in die richtige Richtung. Was der Deutschen Bahn bei der An- und Abreise der vielen Fans einmal mehr nicht gelungen ist. Chaos auf den Schienen vor und nach dem Spiel. Aber bevor die Deutsche Bahn tatsächlich jemals effektiv und kundenorientiert in die richtige Richtung funktionieren sollte, wird ein Verein aus Gelsenkirchen deutscher Meister. Und das wird ja niemals passieren. Das kann auch keiner wollen.

Ganz hochoffiziell will ja eigentlich auch keiner Pyrotechnik im Stadion. Und leider wird der RWE direkt zweimal zur Kasse gebeten. Das ist einerseits mehr als ärgerlich, wir sind nicht auf Rosen gebettet, hatte aber in Duisburg tatsächlich auch diesen einen Moment, bei dem man zugeben muss, das der Umgang damit an diesem atmosphärisch überhitzten Abend letztendlich sogar verantwortungsvoll war. Keine Leuchtspur auf dem Rasen oder idiotisches und gefährliches Ballern auf das Feld und gegnerische Fans, sondern gut verteilt und im Block entsorgt. Ja, es ist und bleibt verboten und wird teuer. Und viele Fans überlegen sich langsam zweimal, ob eine Spende letztendlich wirklich einer Choreo oder doch der Anschaffung von Pyromaterial dient. Aber vielleicht muss man sich auch hier irgendwo in der Mitte annähern. Bei aller Brisanz, Vereinzelungsanlagen und schlechter Anreisebedingungen haben sich die Fans beider Vereine doch grundsätzlich so verhalten, wie es dem Spiel angemessen war. Die Schlagzeilen danach gehörten dem Spiel.

Zur Wahrheit gehört übrigens auch, dass in den Medien bei den „besten Fotos“ des Spiels mindestens immer „drölf“ atmosphärische Fotos einer jeden Pyroaktion zu sehen sind. Auch so eine Ambivalenz in der Fußballberichterstattung.

Schon Dienstag nun beginnt also der jetzt aber mal so richtig wirkliche harte Alltag in der 3. Liga. Es geht an der Hafenstraße gegen die von uns nicht sonderlich gemochte „Vikki“ aus Köln. Wir verharren also immer noch in NRW, und auch der Gästeblock ruft ein weiteres Mal „Oh weh“. Aber es wird allein schon dadurch hochspannend, wie Trainerteam und Mannschaft sich dann aufstellen werden. Jedes Spiel also ein eigener Lernprozess. Bis dahin werde ich in meiner Playlist ziemlich oft „Easy Livin`“ von Uriah Heep anschmeißen. Direkt so zu zweifeln, das war nicht in Ordnung. 

Zweierlei Blut.

Rot-Weiss Essen hat sich abgesetzt. Obwohl längerfristig geplant, witterten einige wenige nach der Elversberg-Niederlage trotzdem gleich wieder Unfrieden im Hause Hafenstraße und waren unter dem Strich doch wohl eher besorgt wie ein Elternteil, dessen Kind sich nicht wie sonst immer ordnungsgemäß in die Disco ab- und zurückgemeldet hat. Der RWE also unterwegs wie wir als Jugendliche in den frühen Achtzigern: Wir waren einfach mal weg!

Unsere Mannschaft hat es dem Vernehmen nach nach Schweden verschlagen. Ein schönes Fleckchen Erde. Ob man dort als Mannschaft nun Tempoläufe durchgeführt oder sich an Köttbullar vergnügt hat, den Namen getanzt und das Astrid Lindgren Museum besucht hat: All das ausschließlich Sache des Vereins. Ich muss das alles auch nicht immer wissen, sogar eine Profimannschaft hat durchaus mal das Recht auf etwas Privatsphäre. Ich bin vielmehr fasziniert darüber, wie es einer vielköpfigen Schar in diesen allumfassenden Zeiten gelingen kann, komplett unterzutauchen. Das hat ja fast was von dem Elversberg-Spiel, wo wir uns ebenfalls grandios unter dem Radar zu bewegen wussten. Wir sollten vielleicht ein wenig entspannter im Umgang mit unseren geliebten Rot-Weissen werden. Fan zu sein beinhaltet nicht automatisch das Recht auf ständige Statusmeldungen. Wenn unsere Spieler jetzt nicht allesamt von Hammarby, AIK oder Djurgarden aufgekauft wurden, besteht doch große Hoffnung, dass wir sie schon bald wieder auf den Trainingsplätzen anne Hafenstraße im Training erleben werden. Bestenfalls mit dem Geist von Schweden versehen.

Und so ist es dann ja auch gekommen. Am gestrigen Freitag wehte wieder weißer Rauch über der Hafenstraße, die Mannschaft zeigte sich zwar nicht auf dem Balkon, wohl aber auf dem neuen Trainingsplatz und erste sozial-mediale Aktivitäten aus Spielerkreisen waren auch wieder zu vernehmen. Die Akkus also auf allen Ebenen wieder aufgeladen. Dafür hat jetzt fast die komplette Geschäftsstelle die Hafenstraße verlassen. Aber auch hier besteht kein Grund zur Sorge, dieser Umzug in andere Räumlichkeiten wurde ebenfalls von langer Hand geplant und somit in den vergangenen Tagen durchgeführt. Da ist also weiter richtig Bewegung drin bei RWE und ein klein wenig fühlt es sich trotz Elversberg so an, als ob es nun erst kommenden Freitag im Wedaustadion so richtig los gehen wird, mit uns und der 3. Liga.

Dass das Spiel gegen den MSV kein normales Ligaspiel sein wird, hat der Kartenvorverkauf auf unserer Seite mit seinem „Kartus-Interruptus“ nach zwölf Minuten bewiesen und nicht zuletzt dadurch auf Seiten der Zebras viel Kreativität erfordert, weitere Kartenkäufe auch in den Heimblöcken durch uns Rote zu unterbinden. Nächsten Freitag wird man dann sehen, wer wo steht oder sitzt, und für welche Mannschaft letztendlich das Herz schlägt. Möge es bei schlagenden Herzen blieben. Dass wir aber auch in numerischer Unterzahl trotzdem die Stimmungshoheit an der Wedau haben werden, daran hege ich natürlich keinen Zweifel. Auswärts singt es sich oftmals lauter und gemeinsamer als daheim.

Wir haben ja in der jüngeren Vergangenheit nicht allzuoft die Klingen mit den Meiderichern gekreuzt, aber wenn, dann endete es für uns zumeist in einem Drama: Die rauf, wir runter, so 2007 am letzten Spieltag der zwoten Liga. Dann 2014 das Halbfinale im Niederrheinpokal: Die Machtdemonstration des damaligen NRW-Innenministers und MSV-Fan Ralf Jäger, der moderate Unruhe auf den Rängen zum Anlass nahm, für sich eine Militärparade im Stile von „Trooping the Colour“ zu Ehren der Queen durchzuführen. Die erhofften Ehrerbietungen wurden ihm natürlich nicht zuteil, dafür hagelte es Hohn und Spott. Unter dem Strich ein epischer (Ruhrpottfußball-)Abend. 2017 dann das bisher letzte Aufeinandertreffen. Nicht mehr ganz so episch, ein schlichtes 0:2 im Pokalfinale des kleinen Mannes. An diesem Abend haben wir aber wenigstens keinen Elfmeter verschossen.

Es gibt aber dieses eine Spiel unseres RWE beim MSV Duisburg, welches wohl auf ewig nicht in Vergessenheit geraten wird. Und das, obwohl diesem Spiel lediglich 7.000 Zuschauer beiwohnten. Auf beiden Seiten wohlgemerkt. Es war ein Spiel der 2. Bundesliga, ausgetragen ebenfalls an einem Freitag. Es war der 15. April 1983, angepfiffen wurde um 20:00 Uhr, was schummeriges Flutlicht mit sich brachte. Und es wurde Bestandteil einer Tatort Verfilmung mit den Besten, die Duisburg jemals zu bieten hatte: Schimanski. Thanner. Hänschen.

Die beeindruckende Physis von Götz George zeigte sich in seiner Nacktheit am Mittelkreis und die Geschichte des Spiels wurde zebrafreundlich umgedichtet: Unser RWE konnte dieses Abendspiel „in Echt“ mit 2:0 für sich gestalten, der zweifache Torjubel der Duisburger Fans auf der Haupttribüne im Dunstkreis der Führungskamera erfolgte somit auf Regieanweisung. Kurzversion der Tatortfolge: Schimi hatte WG-Stress mit Thanner, weswegen er kurzerhand zum Fußball ausgebüxt ist. Dort gab es einen Mord, woraufhin Schimi in der MSV-Fanszene ermittelt. Der dortige Hauptprotagonist und MSV Krawallo Dietmar Bär musste daraufhin in der Schlussszene ebenfalls seine Hose herunterlassen. Derart geschockt verließ Dietmar Bär den MSV um beim BVB als Fan anzuheuern. Aufgrund der Erlebnisse mit Schimi konnte Bär glücklicherweise die schiefe Filmlaufbahn verlassen und nahm ein Angebot des WDR an, für den Tatort bei der Kriminalpolizei Köln als Fahrer von Fahrzeugen aus der Asservartenkammer zu arbeiten.

Es ist also ein bisweilen bunter Strauß, den wir in der Vergangenheit mit dem MSV gefochten haben. Es fehlt vielleicht die komplett negative Substanz mit denen aus Gelsenkirchen, aber es reicht allemal zu einer profunden, nachbarschaftlichen, Rivalität und zudem haben wir sportlich definitiv mehr Rechnungen mit dem MSV offen, als der MSV mit uns. Hoffentlich bekommen wir die Zeit bis zum Anpfiff kreativ-rivalisierend hin und unterbieten uns nicht im Niveau-Limbo.

Was unsere Spannung noch mehr steigern wird: Wir wird unsere Mannschaft auf den missglückten Auftakt reagieren? Wer wird spielen und wenn ja, auf welcher Position? Unsere Spieler kennen große Kulissen und heiße Derbys. Und wer noch nicht, der hat mindestens davon geträumt, solche Spiele bestreiten zu dürfen. Nun laufen sie alle für Rot-Weiss Essen in einem vollen Stadion in der Nachbarschaft auf. In Duisburg geht es nicht nur um drei Punkte: Es geht um Wiedergutmachung und nicht zuletzt darum, wie sich tausende RWE-Fans nach Abpfiff fühlen werden. Lasst uns im Anschluss an das Spiel grinsen bis der Arzt kommt. Ihr für uns und wir für Euch. Nur der RWE!

Kappessupp aus dem Saarland

Danach:

Das, was eigentlich in dieser Form so hätte niemals passieren dürfen ist passiert! Eine Auftaktniederlage in einer höheren Liga ist natürlich immer mit einzuplanen, selbst gegen einen Mitaufsteiger. Und wäre ja auch nicht schlimm und sogar aller Ehren wert, wenn diese nach einem leidenschaftlichem Spiel und großem Kampf erfolgt. Unsere Mannschaft muss auch Niederlagen wieder lernen, das kommt noch hinzu. Klingt banal, ist aber ein nicht zu unterschätzender Faktor.

Aber eine solche Klatsche wie gegen die SV Elversberg, ohne nennenswerte Gegenwehr und bisweilen vogelwilder Raumaufteilung, das darf einem Meister der vergangenen Saison wirklich nicht passieren. Ohne die Reflexe eines Jakob Golz hätten wir noch drei Tore mehr kassiert, so sehr haben seine Vorderleute darum gebettelt. Man fragt sich dann ja immer gerne: „Woran hat`s gelegen?“ Ohne natürlich eine kompetente Antwort darauf zu bekommen. Rot-Weiss Essen ist zwar stets dafür bekannt, die Dinge auf seine ganz spezielle Art zu händeln, aber wochenlange Aufstiegseuphorie innerhalb von nicht einmal sechsundzwanzig Minuten komplett zu versenken, das ist schon fast ein Fall für das Guinness-Buch der Rekorde.

Das war jetzt auch nicht Straelen 2.0, wie vielerorts zur eigenen Beruhigung diskutiert wird. Die Vorzeichen sowie Art und Weise der Niederlage seinerzeit absolut nicht mit der Niederlage gegen die SV Elversberg zu vergleichen. So wie unser Aufstieg bundesweit von vielen Fans verschiedenster Vereine begrüßt und fast bejubelt wurde, die großen Blätter landauf landab über Rot-Weiss Essen in plakativen Wörtern mehr als wohlwollend zu berichten wussten. Wenn dann noch Sascha Mölders RWE als Geheimfavoriten auf den Aufstieg in die zweite Bundesliga sieht und nicht wenige Fans in ihren Signaturen von einem Durchmarsch schwärmen: Vielleicht hat das alles auch nicht nur gut getan, sondern den Sokrates-Klassiker „wer glaubt, etwas zu sein (Meister), hat aufgehört, etwas zu werden (Drittligist)“ heraufbeschworen.

Es hat ja nicht an der Qualität der Mannschaft gelegen! Diese und direkt alles andere sofort wieder mit in Frage zu stellen, ist natürlich auch wieder so eine dieser Hafenstraßen-Anomalien und so gar nicht hilfreich. Es ist gut, dass unsere Mannschaft gleich nach diesem ersten Spiel einen Ligastopp einzulegen hat. So bleibt genug Zeit, das Spiel so lange in Dauerschleife anzuschauen, bis auch wirklich jeder weiß, was da schief gelaufen sein könnte. Gewollt hat dieses Spiel schließlich keiner. Also das Spiel unbedingt, aber nicht diesen Ausgang natürlich.

Davor:

Lange vor dem Spiel war die Welt natürlich noch in Ordnung, aus allen Ecken kamen die Fans zur Hafenstraße gepilgert, immer noch das Dauergrinsen des Aufsteigers im Gesicht. Wer sich dem Stadion zu Fuß über die Krablerstraße näherte, bekam aus einigen Häusern schon den „Oppa“ auf die Ohren. Fahnen schmückten manches Haus und kleine Kinder in Trikots winkten dem gröhlenden Tross, der zur Hafenstraße zieht, zu. Ein herrlich befreiendes Gefühl voller Vorfreude überall.

Dieses wurde dann vor Spielbeginn lediglich durch die teilweise defekten Boxen auf den Tribünen getrübt. Dies führte dazu, dass wir uns auf der „Gottschalk“ fast die Ohren zuhalten mussten, da wir nun extrem laut angebrüllt wurden, während auf der „Rahn“ teilweise und der „West“ wohl gar nichts mehr verstanden wurde. Das führte zu ungewollten Irritationen, die nicht nur das gewohnte Zelebrieren von „Oppa“ Und „Adiole“ durcheinanderbrachte, sondern auch die Ansprache und Schweigeminute zum Tode von uns Uwe Seeler fast gefährdet hätte. Aber wie auch sollten die vielen Fans auf der „West“ auch wissen, wann die Lieder angestimmt werden oder Zeit ist zu schweigen, wenn man nichts davon mitbekommt?

Und wir, die wir Gegenüber nichts von deren Dilemma drüben wussten, sondern nur die Unruhe bemerkten, fragten uns, warum immer weiter andere Gesänge und Klatschrhythmen initiiert werden, wenn doch unsere beiden Lieder kommen, die wir von Ultra bis Kutte immer alle gemeinsam singen? Ein irritierendes Szenario also von der Gegenseite aus betrachtet. So wurde letztendlich an Uwe Seeler gedacht, während sich der letzte rot-weiße Rauch noch zwischen West und Haupt verzog, vier Fackeln über einer Revolte Fahne leuchteten und endlich auch der letzte notorische Schreihals seine Klappe halten konnte. Es gab also keine Revolte im eigentlichen Sinne, sondern alles war defekter Technik geschuldet. Vielleicht hätten die Broilers oder Fanta 4 etwas von ihrem guten (Boxen-)Zeugs da lassen sollen. Kritik meinerseits grundsätzlich an der Choreo: Das Wort „Terror“ hätte man sich definitiv sparen können. Manchmal ist weniger einfach mehr.

Währenddessen und bald:

Nimmt man also die letzten zwanzig Minuten vor dem Spiel und addiert diese mit den ersten sechsundzwanzig Minuten des Spiels, hat man ein Zeitfenster, welches man wohlwollend als suboptimal bezeichnen konnte. Den drei Fans aus Elversberg, die sich in G1 verirrt hatten, wurde eben in dieser Phase zur eigenen Sicherheit nahegelegt, in einen der beiden Gästeblöcke nebenan zu wechseln. Das Angebot nahmen alle dankend an, schließlich war bei den eigenen Fans ja auch mehr als ausreichend Platz vorhanden. Man stelle sich einmal dieses seelen- und körperlose Gekicke einer Mannschaft von Rot-Weiss Essen irgendwann vor sechs oder sieben Jahren im Oktober vor: Die letzte Chance auf den Anschluss an die Tabellenspitze verspielt, alles versinkt wieder in Lethargie: Unsere Mannschaft wäre von den wütenden Pfiffen vom Platz gefegt worden.

So aber bewiesen die Fans auf den Rängen ihr feines Gespür dafür, dass unsere Mannschaft gerade selbst nicht wusste, wie ihr da auf dem Platz geschieht und daher Hilfe statt Häme benötigt. Und so wurde sich rund um die zweiundsiebzigste Minute erhoben, um noch einmal inbrünstig „Oh immer wieder…“ in den Backofen Hafenstraße zu schmettern. Dinge die helfen, die Krone wieder zu richten. Wir gewinnen und verlieren schließlich gemeinsam. Nach dem Abpfiff und auch schon davor wurde dann der Fokus lautstark auf den kommenden Gegner aus Duisburg gelegt. Dort treffen dann zwei angeschlagene Mannschaften des ersten Spieltags in einem Derby aufeinander. Es wird heiß hergehen im Wedaustadion, auf und neben dem Platz. Dafür braucht man kein Prophet sein. Wer dieses Spiel siegreich gestalten kann, darf das verlorene Auftaktspiel getrost als vergessen abhaken und sich ordentlich Rückenwind der Fans für die kommenden Wochen sicher sein. Ich bin schwer dafür, dass wir diejenigen sein werden, die dann Elversberg abhaken und vergessen können. 

Das erste Kapitel dritte Liga.

Jetzt dauert es wirklich nicht mehr allzu lange, und unsere erste Saison in der 3. Liga wird angepfiffen. Noch dazu in unserem Wohnzimmer, das sich ständig anpassende Stadion an der Hafenstraße. Wobei anpassend in diesem Falle auf die vielen Auflagen des DFB gemünzt ist. Ansonsten ist eine eher unangepasste Hafenstraße natürlich weiterhin das Faustpfand von Rot-Weiss Essen. Das Stadion an der Hafenstraße hingegen hat sich einfach seinerseits schick gemacht für den ersten Flirt mit der neuen Fußballbekanntschaft. Hier etwas „Rouge“ hinter der West, dort schicke „Aufnäher“ mit Leuchtkraft an Haupt und West. Handwerker und Fans mit handwerklichem Geschick haben unisono einmal mehr dafür gesorgt, dass unser Zuhause auch immer mehr ein Stück Heimat wird. Zehn Jahre nach dem ersten Anpfiff sollte man auch wirklich meinen, dass die Zeit dafür gekommen ist.

So wirklich ist das wohl noch immer nicht greifbar, dass es nach so langer Zeit ernsthaft geglückt ist. Unglaublich, wie viele Jahre das waren! Wann fällt da wohl der eigene Groschen? Wahrscheinlich und tatsächlich erst am morgigen Samstag, wenn die Fans aus allen Richtungen nicht mehr angespannt, wie so oft in der Vergangenheit, sondern ausschließlich erwartungsfroh gen Stadion pilgern werden und der Anpfiff ertönt ist. Stand heute ist der Heimbereich unserer Bude noch nicht ganz ausverkauft. Aber so gut wie, was in Anbetracht der Sommerferien doch schon wieder mehr als beachtlich ist.

Man sollte nun auch nicht immer gleich ausverkauft erwarten, hatte das vorerst (und hoffentlich auf ewig) letzte Spiel in der Regionalliga-West gegen Rot Weiss Ahlen schließlich seine ganz eigene Dynamik. Am 14. Mai 2022 dabei gewesen zu sein, davon werde ich noch meinen Urenkeln erzählen: Von den im Auto vergessenen Eintrittskarten, der Pommes irgendwo im Nirgendwo, zubereitet von einer netten Dame aus Oberhausen. Von der Choreo, dem begeisternden Spiel unserer Mannschaft und den anschließenden Tränen der Umstehenden. Von der Party im Anschluss und einer langen Heimfahrt mit glücklicherweise noch Stauder in der Kühltasche. Sportlich betrachtet dürfte anschließend die entspannteste Nacht seit vierzehn Jahren begangen worden sein. Ganz genau weiß ich das aus Gründen nicht mehr.

Was uns nun erwartet ist auf jeden Fall eines: Wir sind nicht mehr der ultimative Titelfavorit. Wir sind sogar gar kein Favorit mehr auf einen der optionalen drei Aufstiegsplätze. Und wir tun gut daran, das auch so anzunehmen. Aufstiegsphantasien, besser bekannt auch als „Durchmarsch“ sollten wir uns noch nicht einmal ausmalen. Das wäre nicht nur vermessen, sondern auch kontraproduktiv. Einfach erstmal „Tach“ sagen, positive Spuren hinterlassen und so viele Punkte wie irgendwie geht einsacken. Der Dreiklang von Rot-Weiss Essen für die kommende Saison, wie ich ihn mir wünschen würde. Und alles mit welpenhafter Neugier einatmen.

Was nun das Drumherum angeht: Die einen sehen vermehrt Risikospiele auf sich zukommen, ich sehe darin eher Fußballfeste, die auf uns warten. Immer in Einklang mit einer gewissen Rustikalität der Wortwahl. Alles also eine Frage der Perspektive. Einen Perspektivwechsel hat ja am (wie konnte es für eine so treue Seele wie ihn auch anders sein) 19.07. 2019 leider auch Günter Barchfeld vornehmen müssen. Wir können nur grob erahnen, dass auch er am kommenden Samstag wieder mit am Start sein wird, wenn sein Rot-Weiss Essen endlich den ersten Ball in einer Profiliga spielen wird. Und vergessen werden wir ihn sowieso niemals.

Der SV Elversberg als Gegner und Mitaufsteiger ist so schwer einzuschätzen, nominell betrachtet bringen die Saarländer zwar nur wenig Fans mit an die Hafenstraße, dafür aber die wesentlich größere Erfahrung an Drittligaspielen. Was ihnen wenig nutzen wird, wenn Isi & Co. sie erstmal schwindlig spielen werden. Aber ganz ernsthaft: Beide Mannschaften agieren so auf Augenhöhe, hier eine seriöse Prognose abzugeben: Wer sich das traut, der hat wirklich Ahnung von der Materie. Für alle andern gilt: Nur der RWE!

Epilog: Ab sofort gedenken wir im Zeitraum rund um den 19.07. herum nicht nur Günter Barchfeld, sondern seit dem 21.07.2022 auch dem wunderbaren Uwe Seeler. Uwe Seeler wurde 85 Jahre alt und hat sich weit über seinen HSV hinaus den Respekt und die Sympathie so vieler Menschen verdient. Oft ist nur von den sportlichen und kulturellen Verdiensten die Rede, wenn uns bekannte Persönlichkeiten verlassen. Bei Uwe Seeler bleibt vor allem der Mensch in den Herzen zurück. Der größte Verdienst, der erreicht werden kann. Bei Günter ist „Uns Uwe“ aber bestens aufgehoben, sie werden sich viel zu erzählen haben.

Das Titelbild.

Es war die Ausgabe #179 / Oktober 2016 , als das Magazin für Fußballkultur, Branchenintern auch als 11Freunde bekannt, mit einem großen Artikel über den Fußball im Ruhrgebiet jenseits von Turnhalle und börsennotiert all diejenigen zu berühren wusste, die die weitaus wichtigere Mitte des „Sandwiches Marke Pottfußball“ verkörpern. Neben einem wunderbaren Text von Christoph Biermann und Thorsten Scharr gaben die intensiven Fotos von Theodor Barth diesem Artikel seine Ehrlichkeit. Und so kam es auch, dass das Titelbild dieser Ausgabe definitiv eines der schönsten in der nunmehr zwanzigjährigen Geschichte von 11Freunde darstellt. Und nein, dass hat nichts mit meiner Profession als Fan von Rot-Weiss Essen zu tun.

All die markanten Persönlichkeiten auf dem Titelfoto zeigen RWE so authentisch, wie man sich RWE halt vorzustellen hat: Das Bier und die „Kurze Fuffzehn“ in der Hand, Fischerhut und Bauchtasche, spürbare Anspannung. Der RWE Siegelring und die Sonnenbrille keck auf die wettergegerbte Stirn geschoben. Zuzüglich „Schnörres“ und schelmischen Grinsen. Kein Klischee, einfach das normale Leben rund um die Hafenstraße. Leider ist es dem Fan rechts im Bild nicht mehr vergönnt gewesen, mit allen anderen um ihn herum am 14. Mai 2022 den Aufstieg zu feiern. Schon im September 2017 hat er die Hafenstraße und all seine Lieben für immer verlassen müssen. Ich bin überzeugt, dass dieses Cover noch oft angeschaut wird, um sich seiner zu erinnern.

Wie viele wohl hätten diesen Tag gerne im Stadion miterlebt und mussten nun mit einem Platz irgendwo da oben vorlieb nehmen. Man weiß ja nicht, wie es sich dort mit den Übertragungsrechten verhält, aber ich bin mir ziemlich sicher, das vor allem Günter Barchfeld mit einem Berliner in der Hand bei bester Sicht auf das Spielfeld mitgefiebert hat. Sein Todestag jährt sich nun auch schon, wie kann es bei einem wie Günter anders sein, am 19.07. bereits zum dritten Mal. Es wird also so viel mehr Fans gegeben haben, die uns vor diesem großen Tag verlassen mussten, aber nach Abpfiff sicher ebenfalls eine ordentliche Party auf Wolke 1907 hatten. Mit Frank „Mono“ Malz an der Gitarre, und Ruhrmichell am Mikrofon. Irgendwie so dürfte es gewesen sein, genau erfahren werden wir es zu Lebzeiten wohl niemals.

Der endgültige Knackpunkt, dass es vergangene Saison auch wirklich passieren wird, war das Heimspiel gegen Alemannia Aachen. Dieser Siegtreffer in allerletzter Sekunde, dieses Stauder von „Herze“ auf dem Zaun. Danach wusste ich endgültig: Uns kann keiner, diese Saison passiert es. Und es sollte so kommen. Die Eruption der Gefühle im Anschluss an den letzten Pfiff der Saison bekanntermaßen gewaltig. Eine spontane Welle der Freude eroberte Stadion und Fans hier unten und alle Rot-Weissen dort oben. Mit den gesammelten Freudentränen hätte man einige Jahre die Grabstätten von Helmut Rahn und Georg Melches gießen können. Somit haben sich im Anschluss an das Spiel gegen Rot Weiss Ahlen sicher viele legendäre Momente für die Ewigkeit abgespielt, die allesamt einem Titelbild wie diesem hier würdig gewesen wären. Mindestens.

Und doch beinhaltet gerade dieses Foto hier alles, aber wirklich alles, was Rot-Weiss und Essen für die Menschen bedeutet: „Meine Liebe, Mein Verein, Meine Stadt“ steht auf den T-Shirts, die damals möglicherweise nicht ganz auf Kurs mit der Marketingabteilung von RWE lagen, und zu einem Polo der Marke Fred Perry reichte es auch nicht so wirklich. Aber es sagt doch nur aus, was die Fans hinter dem Wellenbrecher auf der Westtribüne eben empfinden: Ob lebendig oder tot, sie lieben Rot-Weiss-Rot!

Kickstart My Heart (Mötley Crüe)

Es ist nun nicht mehr lange hin, und dann geht es tatsächlich los: Am 23. Juli 2022 um 14:00 Uhr erfolgt der Anpfiff für unsere erste Saison in der 3. Liga. Der Gegner heißt SV Elversberg. Wir waren zuvor durchaus auch schon oft genug drittklassig unterwegs, nur hießen die Spielklassen in diesen insgesamt vierzehn Jahren anders und waren wie in den letzten leidigen Jahren ebenfalls geographisch eingeschränkt: Vier Saisons liefen wir in der Amateur-Oberliga Nordrhein auf, drei in der Regionalliga West/Südwest und deren sechs in der damaligen Regionalliga Nord. Die Drittklassigkeit von heute hat somit mit den damaligen Spielklassen auf gleicher Ebene der Ligenpyramide herzlich wenig zu tun.

Die Fesseln der Regionalität konnten abgestreift werden, endlich geht es wieder raus in die große weite Welt der Republik. Und gegen Verl. Dieser Aufstieg, er ist für mich auch heute noch ein in Watte gepacktes Zeugnis der Glückseligkeit. In Zeiten zumeist dystopischer Aussichten hat tatsächlich Rot-Weiss Essen für das gewisse Momentum an positiven Ausblicken in die Zukunft gesorgt. Zumindest bei all diejenigen, die es dann auch mit Rot-Weiss Essen halten. In Münster somit eher nicht. Der Verein selbst bereitet sich aktuell auf mindestens zwei Ebenen auf die neue Spielzeit und die nicht gerade wenigen Anforderungen des nun zuständigen DFB vor. Zum einen auf der sportlichen, aber vor allem auch auf der administrativen Ebene.

Und ich behaupte gerne weiter, dass Letzteres mindestens genau so viel Anstrengung erfordert, wie die Arbeit auf dem Trainingsplatz. Wenn der DFB sagt „Unverzüglich“, dann heißt das auch „Unverzüglich“ und bedeutet nicht das „Unverzüglich“ eines Herrn Jades vom WDFV. Die Vorgaben straff, der Maßnahmenkatalog gefühlt dicker als seinerzeit der selige Otto-Katalog im Briefkasten. Alles wird geregelt, selbst der Sohlenabrieb des Ordners vor dem Gästeblock dürfte Vorgabe sein. Nur bekommt die Geschäftsstelle aber nicht zu sofort die Zugänge, wie sie die Mannschaft an Zahl erfährt. Was das bedeutet, ist leicht erklärt: 24/7! Deshalb werde ich auch einfach nicht müde, eine Lanze für die administrative Arbeit zu brechen und um Geduld zu bitten, wenn es mal nicht so schnell geht wie gewünscht. Denn gewünscht ist leider viel zu oft…genau…unverzüglich!

Verständnis und auch mal ein nettes Wort, das ist aber aktuell die Erfolgsprämie für all diejenigen, die auf der Geschäftsstelle ackern. Wir werden alle pünktlich unsere Dauerkarten bekommen, davon bin ich fest überzeugt. Keiner wird den Auftakt gegen die Saarländer von der Kaiserlinde verpassen. Wahrscheinlich fallen mit Anpfiff eher einige Köpfe vor Erschöpfung auf die Schreibtischkante. Unser Erlebnis Hafenstraße haben wir wirklich nicht nur den Männern in Stutzen zu verdanken. Die legen Ihrerseits eine ebenfalls dichte Saisonvorbereitung hin. Es wirkt in sich stimmig und die Mannschaft ebenso punktuell gezielt verstärkt. Hier und heute schon eine sogenannte Startelf zu benennen, das allerdings wäre wohl eine gewagte und zu steile Expertise.

So lange ist das ja auch noch gar nicht her, als viele der drölftausend Regionalliga-Trainer des RWE lediglich eine Stamm-Elf nebst drei potentiellen Einwechselspielern zuzüglich kaum beachteter Tribünenhocker für den heiligen Gral der Fußballmythen hielten. Ich möchte diese kommenden Entscheidungen nicht treffen, wer denn nun für unser wunderbares Emblem auflaufen darf, und wer gerade nicht. Deshalb könnte ich den Trainerjob auch niemals machen: Ich würde alle aufstellen, nur um keine enttäuschten Gesichter zu produzieren. Gut, dass ich kein Trainer bin!

Was ich aber weiß ist, dass alle Spieler der vergangenen Saison ihren neuen Kollegen stolz davon berichten können, was es bedeutet, mit Rot-Weiss Essen aufgestiegen zu sein, und dass sie nun ebenfalls Teil einer Erfolgsgeschichte werden können, an dessen Ende immer die Liebe und Zuneigung von zigtausenden Fans steht. Sie sollten ihren neuen Kollegen aber ebenfalls davon erzählen, wie schnell notorische Unzufriedenheit an der Hafenstraße einziehen kann und dass Meckern unser zweiter Vorname ist. Rein prophylaktisch natürlich nur. Ab irgendeinem Spieltag der kommenden Saison wird auch die Aufstiegseuphorie ihren Geist aufgegeben haben und der Tagesaktualität weichen. Die öfter auch mal null Punkte als deren drei beinhalten könnte. Dessen sollten wir am besten schon jetzt bewusst sein, und entsprechend an unserer Frustrationstoleranz arbeiten, um diese deutlich anzuheben.

Wir werden aber alle miteinander eine richtig tolle Saison erleben, dessen bin ich mir sicher! Es wird Sonderzüge geben, flatternde Schals aus vielen Autos auf den Autobahnen in alle Himmelsrichtungen. Und gen Zwickau. Ja, es wird Pyro gezündet werden und auch manchmal leider Gottes negative Schlagzeilen geben. Fast jeder Gästeanhang wird wenigstens einmal Rot-Weiss Essen lieben und danach vergessen wollen. Aber vor allem wird es ein großes „WIR“ geben, welches uns kommende Saison durch alle Spiele tragen wird. München meldet doch jetzt schon ausgebuchte Hotelzimmer und in Duisburg überlegt man wahrscheinlich fieberhaft, wie man mit uns den großen Reibach machen kann, ohne die eigene Fangemeinde zu verprellen. In Saarbrücken ist man direkt genervt davon, an einem Montag anne Hafenstraße reisen zu müssen. Da wäre in der Tat ein Spiel gegen Verl oder Viktoria Köln besser gewesen. Der Montag leider der saure 3. Liga Apfel.

Aber nun Elversberg. Sicher nicht der erhoffte große Name, zudem ebenfalls euphorischer Mitaufsteiger und mit einem erfahrenen Kader. Aber vor allem haben wir ein Heimspiel. Auf diesen einen Moment, wenn die Mannschaft den Platz betritt, um sich aufzuwärmen, da freue ich mich jetzt schon wie Bolle drauf. Da hat man direkt beim Schreiben schon die Geräuschkulisse vor Augen. Und vielleicht kommen dann endlich die dicken Freudentränen, die am 14.5. noch ausblieben, da mit allem irgendwie überfordert. Spätestens bei Anpfiff weiss ich dann definitiv: Wir sind endlich eine Klasse besser!

Nordwesttrilogie. Teil 3.

Unweit des Speicherbeckens Geeste liegt das Landschaftsschutzgebiet Biener Busch. Inmitten des Landschaftsschutzgebietes Biener Busch liegt die Straße „Zum Biener Busch“ die ihrerseits direkt zum Sportplatz Biener Busch des heimischen SV Holthausen-Biene ohne Busch führt.

Am dritten Tag der Nordwesttrilogie von Rot-Weiss Essen gab es zum Abschluss den großen Auftritt des Busfahrers. Wer die Straßenverhältnisse und die räumlichen Gegebenheiten rund um diese wunderschöne Anlage kennt, der weiß: Eigentlich mit einem großen Reisbus nicht zu machen, kommen hier doch meistens klassische Neunsitzer zu Besuch. Wendemöglichkeiten als solche gibt es auch nicht,  und einige Meter hinter dem Stadion Biener Busch würde man direkt in die Ems plumpsen. Stehende Ovationen somit für unseren Fahrer, diese Herausforderung ganz lässig gewuppt zu haben.

Ähnlich wie einen Tag zuvor in Weener kann man diesen liebevoll ausgebauten und top gepflegten Sportplatz durchaus auch als Stadion bezeichnen: Eine sehr schöne Tribüne, drei Stufen auf der Gegengerade, davon zwei auf Stahl gebaut, die große digitale Anzeigetafel und eine gemütliche Stadionkneipe. In der Peripherie zwischen Holthausen und Biene liebt man seinen Sportverein und die Unternehmer der Region tun das anscheinend auch. Lediglich die Kabinen bieten noch den herrlichen Charme der 70er mit ihren Holzbänken, dem Muffmix aus altem Rasen und frischen Schweiss. So müssen Kabinen aussehen und riechen. Fußball pur! Wir hatten damals auch nichts anderes. Dazu noch Asche unter den Stollen.

Es war also eng in den Umkleidekabinen, denn neben dem Landesligisten SV Holthausen-Biene und Rheiderlandauswahlbesieger Rot-Weiss Essen nahm auch der Oberligist SC Spelle-Venhaus an diesem Blitzturnier teil. Das bedeutete vor allem das gewisse Extra mehr an sportlicher Anforderung für den RWE. Konnte hier und jetzt der erste Titel der Saison geholt werden? Der legendäre Bauunternehmer-Schulte-Cup in die aus allen Nähten platzende Siegesvitrine gestellt werden? Wie wir heute wissen, hat es nicht sollen sein. Der Cup ging nach Spelle-Venhaus und bleibt somit in der Region. Es war ein an Toren armes Turnier, denn in drei Halbzeiten wurde ganze dreimal eingenetzt. Und dem freundschaftlichen Charakters des Turniers entsprechend auch noch fair aufgeteilt: Jede Mannschaft bekam einmal die eigene und extra dafür angereiste Torhymne zu hören. Im Klang etwas dezenter und nicht so blechern wie noch zwei Tage zuvor in Emden.

Gar nicht dezent die Trainer-Ikone der Region und aktueller Übungsleiter der Biener, Wolfgang Schütte, im Spiel gegen unsere Rot-Weissen: Ein in seinen Augen divenhaftes Verhalten eines Rot-Weissen veranlasste ihn zu einer lautstarken, ich nenne es mal, Ermahnung: „Spielt 3. Liga, der Ochse und keine Champions League“. Gut, Wolfgang Schütte hat jetzt wahrscheinlich nicht in Gänze eine Ahnung, was für eine vierzehnjährige Ochsentour das war, die wir hinter uns gebracht haben. Dass im selben Spiel der einzige Rother bei den Roten verletzt ausgewechselt werden musste, passte ins Bild, dieses letzte Spiel nach anstrengenden drei Tagen nicht mehr ganz so einfach über die Bühne bringen zu können. Die Bilanz aus Essener Sicht: 0:0 gegen Spelle Venhaus und 1:1 gegen Holthausen-Biene.

Damit war dann aber endlich der Weg frei für den Shantychor Geeste e.V., seine eigene musikalische Bühne auf dem Feld aufzubauen. Und ähnlich wie bei Meisterfeiern in München-Rot wurden auch hier die Zuschauer gebeten, nach Spielende zu bleiben um den Liedern von Wellen, Wind und Meer zu lauschen. Anders als in München hingegen freute man sich hier aber mehrheitlich auf den Auftritt.

Wie tags zuvor in Weener waren auch beim SV Holthausen-Biene mehr als engagierte und nette Menschen unterwegs, um allen einen schönen Nachmittag zu ermöglichen. Zudem möglicherweise mit einem Alleinstellungsmerkmal im deutschen Fußball versehen: Da die Biener Landbäckerei (mindestens) ein großer Förderer des Vereins ist, steht bei jedem Heimspiel ein großes Angebot an frischem Kuchen bereit. Hat man auch nicht so oft. Wie in Teil Zwei schon beschrieben: Der Charme der kleinen Kammerspiele! Das stelle man sich mal anne Hafenstraße vor: Kaffee und Kuchen statt Bier und Bratwurst hinter der Rahn. Eine Vorstellung bei der man durchaus schmunzeln darf. Beenden wollen wir den dritten Teil jedoch mit einem Sprichwort „Du sollst dem Ochsen, der da drischt, nicht das Maul verbieten“.

Kommenden Freitag steht schon das nächste Spiel der Saisonvorbereitung an: Aus Mönchengladbach kommen die Männer von Farke zu einem Gastspiel in das immer schöner werdende Stadion an der Hafenstraße. Und möglicherweise laufen unsere Roten dann schon in ihren neuen Trikots auf. Die, wir alle wissen, natürlich wie immer die schönsten Trikots aller Zeiten sind. Herrlich! Danke Emden, danke Weener und danke Holthausen-Biene. Es war sehr schön bei Euch. 

Nordwesttrilogie. Teil 2.

Ach, ich bin ja immer so zwiegespalten: Zum einen liebe ich das große Kino RWE mit vollem Stadion und sportlichen Erfolgen. Es war ja auch wirklich an der Zeit. Andererseits gibt es da aber auch diese kleinen Kammerspiele, zumeist als Vorbereitungsspiele bekannt. Irgendwo im Nirgendwo steigt man nach langer bis längerer Fahrt aus, um bekannte Gesichter in überschaubarer Zahl zu begrüßen, und sich schon alsbald an der Gastfreundschaft „kleinerer“ Vereine zu erfreuen. Zumeist gibt es noch schöne Platzanlagen mit ganz besonderem Charme als Zugabe und spätestens nach einer Platzumrundung wird man von mindestens einem oder einer Einheimischen angesprochen. Nicht selten verbunden mit der Einladung auf ein Kaltgetränk.

Fußball ist für einen Verein wie Rot-Weiss Essen somit wohlwollend konträr: In der Vorbereitung das laue Sommerlüftchen und entspannte Miteinander, in der Liga hingegen ab sofort wieder gegnerische Fans en Masse und der jeweilige Ordnungsdienst und Polizeiapparat. Will sagen: Vorbereitung ist schon geil! Zumal, wenn sie dann auch noch im Nordwesten unserer Republik stattfindet. Ziemlich hinter Nordhorn in Emden, Weener und in Holthausen-Biene. Den Auftakt der Nordweststory Freitagabend in Emden noch am heimischen Stream verfolgt und aufgrund Leistung und Ergebnis wohlwollend abgenickt, ging es nicht allzu viele Stunden später über die alte B70 gen Norden. Der „Friesenspieß“ aka A31 wurde wohlweislich gemieden, verhieß doch der Ferienanfang im Lieblingsbundesland NRW zu viele Mitbewerber auf gerader Strecke. Somit ging es also nicht nur vorbei am Stadion des zukünftigen Kontrahenten aus Meppen, sondern auch an der Meyer Werft.

Und dann war sie auch schon erreicht, die hochherrschaftliche Kommerzienrat-Hesse-Straße mit dem Enno-Beck-Platz des TuS Weener am Straßenrand. Ich kenne mich jetzt in Groundhopping Kreisen nicht so aus, aber mit einer überdachten Tribüne versehen, dürfte der Enno-Beck-Platz durchaus schon als Stadion durchgehen. Dieses Spiel in Weener verdankt Rot-Weiss Essen nicht zuletzt einem berühmten Sohn der Stadt: Eberhard Strauch hat zwischen 1972 und 1977 seine Fußballstiefel an der Hafenstraße geschnürt. Fünf Jahre RWE und vier davon im Verbund mit Willi Lippens, das dürfte für ein ganze Leben reichen. Und war sicher auch der Grund dafür, dass unsere geliebte Ente zugegen war, um gemeinsam mit Eberhard Strauch als Schirmherr der Begegnung Rheiderlandauswahl gegen Rot-Weiss Essen zu fungieren.

Im Rahmen der Belastungssteuerung ließ RWE extra für dieses Spiel sieben U19 Spieler einfliegen, während den Herren Profis lediglich ein karges Nachtlager in der Jugendherberge von Leer zugestanden wurde. Den Stadionsprecher in Weener jedoch dürfte die Kadererweiterung kalt erwischt haben, denn keiner der jungen Spieler stand schlussendlich auf der vorab gedruckten Spielerliste. Dafür kennen wir aber  nun die Heimatvereine der Spieler aus der Rheiderland-Auswahl. Und was soll man schreiben: SV Ems Jemgum, Teutonia Stapelmoor oder SV Wymeer-Boen liest sich doch allemal schöner als Gelsenkirchen! Man hätte sich auch so richtig heimisch fühlen können auf dem Enno-Beck-Platz, aber „Uschis Imbiss“ am Spielfeldrand hatte ausgedient und wurde durch einen modernen Imbisswagen ersetzt.

Wie nach Spielende zu erfahren war, wurde die Rheiderland-Auswahl auch deshalb ins Leben gerufen, um verdiente Spieler der Region zu würdigen, die sich schon im Herbst ihrer Karriere befanden. Und die wollten es noch einmal wissen und machten es der „Jugend forscht“ Truppe von Rot-Weiss Essen so richtig schwer. Schwer zu kämpfen hatte auch die Ersatzbank am Spielfeldrand, die gefühlten siebenundachtzig Mitglieder der RWE-Jugendherbergstruppe mussten schließlich auch den Statuten entsprechend untergebracht werden. Übrigens sind ja Fußballer, die gerade nicht spielen, sich aufwärmen oder trainieren ein Phänomen: Man schleppt sich geradezu von einem Ort zum anderen, nur um sich dann schnell wieder hinzuflegeln. Der Fußballer im Ruhemodus ruht tatsächlich und ausdauernd. Am liebsten mit Beine hoch.

Diejenigen auf dem Feld kamen im Laufe der neunzig Minuten noch zu einem deutlichen 5:0 Erfolg für unseren RWE. Sportlich möglicherweise ein Muster ohne Wert, inhaltlich aber eine ganz tolle Begegnung, die ich jederzeit direkt wieder besuchen würde. Und wenn es nur der herrlichen Bratwurst wegen ist. Vergesst Wattenscheid als Titelträger des goldenen Senfordens am Bande: Die Wurst in Weener ist besser. Und dann war da noch der ältere RWE Fan, dessen Vita aufhorchen ließ: Er war schon 1955 bei der Meisterschaft in Hannover dabei, lebt nun im nahegelegenen Ihrhove und wünschte sich nichts sehnlicher als ein gemeinsames Foto mit Willi Lippens. So seine Bitte vor dem Spiel, die mir ehrlicherweise erst kurz vor Spielende wieder einfiel. Aber es gab Entwarnung, denn stolz berichtete er mir davon, schon jemand anderes mit Kamera gefunden zu haben, der seinen Fotowunsch realisieren konnte. Gottseidank, dass hätte ich mir nie verziehen. Gerne hätte ich aber noch herausgefunden, ob sein getragenes Baumwolltrikot lediglich ein Replikat aus dem Fanshop war odertatsächlich dem Meisterjahr entsprungen. Wir werden es wohl nie erfahren. Lerneffekt einmal mehr: Die Fans von Rot-Weiss Essen sind überall verteilt!

Die Möwen flogen über das Feld, die Seeluft war schon zu riechen und überhaupt: Es war schön in Weener. An Tagen wie diesen braucht es eben kein großes Kino.

Der Spielplan.

Ich gestehe: Warten ist mir ein Graus. Und das, obwohl wir doch schlappe vierzehn Jahre gewartet haben, endlich wieder über die Landesgrenzen hinaus unserem RWE folgen zu dürfen. Da könnte man meinen, Geduld ist eine Tugend geworden. Ja Pustekuchen. Das ist ja schlimmer als das Warten auf das Christkind. Dahinter steckt wohl auch das Bedürfnis, endlich schwarz auf weiß zu lesen, dass wir wirklich dazugehören. Daher sind Rahmenspielpläne in einer neuen Liga der Adventskalender für Fußballfans. Jedes Türchen eine andere spannende Begegnung. Nicht immer das mittlerweile ranzige Türchen Oberhausen oder Ahlen. Jetzt gibt es mal was ganz frisches. Aber, es zieht sich hin. In den Etagen über uns weiß man schon, wann der Knaller gegen Sandhausen oder Hoffenheim ansteht. Bei uns hingegen ist weiter im Trüben fischen angesagt. Also bleiben uns nur zwei Möglichkeiten: A) weiter zu warten oder B) selbst zu handeln.

Da Variante B immer die bessere ist, veröffentlichen wir hier und jetzt den (fiktiven) ersten Spieltag der 3. Liga in der Saison 2022/23: 

Freitag, 22.07.2022 19:00 Uhr

SV Waldhof Mannheim – SV Elversberg

Samstag, 23.07.2022 14:00 Uhr

Dynamo Dresden – FSV Zwickau

VfB Oldenburg – Borussia Dortmund 2

FC Ingolstadt – SpVgg Bayreuth

Rot-Weiss Essen – FC Erzgebirge Aue

SC Verl – SV Wehen Wiesbaden

Hallescher FC – VfL Osnabrück

Sonntag, 24.07.2022 13:00 Uhr

SC Freiburg 2 – 1.FC Saarbrücken

Sonntag, 24.07.2022 14:00 Uhr

SV Meppen – MSV Duisburg

Montag, 25.07.2022 19:00 Uhr

TSV 1860 München – Viktoria Köln

Das war doch jetzt gar nicht mal so schwer, es gab lediglich folgende Parameter zu beachten: 

  • Ein Aufstiegsanwärter und ein Neuling sollten das Eröffnungsspiel bestreiten.
  • Die Dresdener und Zwickauer Freundschaft sollte gleich zu Beginn thematisiert werden.
  • Dem VfB Oldenburg sollte direkt der Umzug nach Hannover erspart bleiben. Zur Strafe gab es dafür allerdings eine Zweitvertretung.
  • Die Bayreuther Fans sollen sich erst langsam an die weiten Entfernungen herantasten.
  • Unser RWE soll im „Steiger-Derby“ direkt schalschwingend aus dem Sattel gehen dürfen.
  • Dem SC Verl wurde der andere Zuschauermagnet zugesprochen, um gleich die Statistik aufzupolieren.
  • Der Hallesche FC hatte zu Beginn um etwas Lila-Weißes gebeten, der Wunsch konnte erfüllt werden.
  • Der 1.FC Saarbrücken wollte unbedingt ein Heimspiel gegen RWE und legt gegen den Spielplan Berufung ein. 
  • Spielt der RWE daheim, muss der MSV auswärts ran. Selbst wenn es einen Tag später ist. So will es die Zentrale Informationsstelle Sporteinsätze. Und in Meppen ist eh egal, wann getrunken wird. 
  • Die Löwen haben in doppelter Hinsicht die Niete dieses Spieltages gezogen: Zum einen den Montag, und zum anderen die Kölner Viktoria. Somit bleibt der Auswärtsblock weitestgehend verwaist. 

Sollte nun auch nur eine Paarung tatsächlich so gesetzt werden, spiele ich noch am selben Tag Lotto. Ja gut, vielleicht reicht auch ein Rubbellos. Aber wahrscheinlich freue ich mich einfach nur darüber, dass es wirklich mit einem Heimspiel losgeht.

Achttausender!

Mir ist da die letzten Tage etwas aufgefallen, und ich weiß nicht, ob es nur mir so geht: Die schwere Last der Unaufsteigbarkeit ist weg, drückt nicht mehr auf den Schultern. Es fühlt sich aktuell einfach leichter an als all die Jahre zuvor, Fan von Rot-Weiss Essen zu sein. Die ständige Erfolglosigkeit hat schon was mit einem gemacht, das muss man einfach auch mal ganz ehrlich so konstatieren. Irgendwo zwischen ständig zermürbt und doch noch/nicht mehr daran glaubend, so unser Bewegungsprofil der letzten Jahre. Jetzt fordern wir aktuell nicht mehr den Aufstieg, sondern eher den Spielplan und Anpfiff zum ersten Pflichtspiel in der 3. Liga. Heiß auf Rot-Weiss, eine platte Floskel, die aber exakt den Umstand rund um unseren Verein und die Mannschaft zu beschreiben weiß.

Und um das zu dokumentieren nutzen viele Fans aktuell scheinbar vor allem das Anmeldeformular und werden Mitglied von Rot-Weiss Essen e.V. Ich habe jetzt den Verlauf der letzten, sagen wir einmal, zwei- bis drei Jahre nicht im Kopf, und kann daher mit keiner Steigerungsrate dienen. Aber gestern, einen Tag vor der Sommersonnenwende, wurde das achttausendste Mitglied registriert. Das liest sich schon beachtlich. Und wenn all diese Mitglieder nun das Vorkaufsrecht auf eine Dauerkarte nutzen sollten, zuzüglich zu den bisherigen Dauerkarteninhaber*Innen, die verlängert haben, ohne Mitglied zu sein: Dann dürfte schon relativ früh vor der Saison feststehen, dass es kommende Saison in unserer Jubiläumsbude immer kuschelig voll werden wird.

Aber wo stehen wir mit unseren achttausend und all denen, die da noch folgen werden, überhaupt im Kontext der ersten drei Fußballligen? Nach längerer Recherche konnte nur transfermarkt.de im Bereich Daten und Fakten die Mitgliederzahlen in Gänze auswerfen. Diese aber sicher nicht auf dem aktuellsten Stand, sondern so rund um 2020/21 angesiedelt. In der Fußball-Bundesliga ist die Sache ganz einfach: Wir würden einen stabilen (ab sofort bedienen wir uns der Ziffernschreibweise) 17. Platz belegen. Würden wir, wenn es nicht einige Besonderheiten zu beachten gäbe: Der kommende Deutsche Meister aus München hat numerisch ja schlappe 293.000 Mitglieder. Aber davon sind auch 285.000 Erfolgsfans, Kunden oder Karteileichen abzuziehen. Also hat auch der FC Bayern wie RWE 8.000 Mitglieder. So einfach geht das!

Mit uns im Pott buhlen ebenfalls viele Vereine um Mitglieder: In Gelsenkirchen stehen daher 160.023 Mitglieder im Register und auf der anderen Seite des Reviers in Dortmund 157.000 Angehörige. Wer’s glaubt, denn es gibt auch hier das Haar in der Suppe: Sowohl in Gelsenkirchen als auch bei Borussia Dortmund gibt es ganz viele Doppelmitgliedschaften bei jeweils dem anderen Verein. Und das, obwohl man doch eine solche Rivalität pflegt. Diese gehören also abgezogen und somit bleiben in Gelsenkirchen und Dortmund erstaunlicherweise auch jeweils 8.000 Mitglieder übrig. Das befeuert nun erst Recht die These, dass unser RWE auf lange Sicht die Nummer drei im Pott werden wird.

Schauen wir uns also die beiden Erstplatzierten unserer Region an: Der VfL Bochum wird mit 17.726 Mitgliedern geführt, und daran gibt es nichts zu deuten. Alles korrekt! In Duisburg bei unserem zukünftigen Ligakonkurrenten freut man sich über 8.439 Mitglieder. Und auch diese Zahl ist definitiv und faktisch richtig. Erfolgsfans gibt es in Duisburg nicht, sondern trägt auch hier der Mitgliedsausweis sadomasochistische Züge. Das ist ebenfalls aller Ehren wert. Somit liegt also der VfL Bochum im Revier vor dem MSV Duisburg und RWE (mittlerweile zeigt der Counter 8.001 Mitglieder an), dicht gefolgt von den Schwarz-Gelben und den Blauen. Das Ziel, welches es also als nächstes zu erreichen gilt ist, die Zebras zu überholen!

Nach dem Firlefanz der bisweilen nicht ganz korrekten Zahlenspielerei nun ein paar Dinge, die in Sachen Mitgliedschaften wirklich erstaunen: Wir liegen gleichauf mit den Lilien aus Darmstadt. Dort hätte ich mehr Mitglieder erwartet, ist man am Böllenfalltor doch auch sehr eng miteinander verbandelt. Das wiederum die TSG Hoffenheim schon fünfstellig mit 10.275 Mitgliedern gelistet wird, überrascht mich dann doch sehr. Vielleicht ist das ausgefüllte Mitgliedsformular Bedingung bei SAP, um dort arbeiten zu dürfen. In Sandhausen beim dortigen Sportverein hat auch der Glanz von Dennis Diekmeier keine Auswirkungen auf das positive Wachstum gehabt und stehen lediglich 950 Mitglieder zu Buche. Allerdings liegt man damit noch vor so Mitgliedsmonstern wie TSV Havelse, SV Wehen-Wiesbaden und unserer heißgeliebten Vikki aus Köln.

Was fällt sonst noch auf? Nun, an Standorten, wo die Mitgliederzahl das Fassungsvermögen des heimischen Stadions übertrifft, kommt man mit einem Vorverkaufsrecht für Mitglieder dann auch nicht weiter. Ich möchte mir gar nicht ausmalen, was das für die Hafenstraße bedeuten würde, kippt eines Tages das Verhältnis zwischen Mitgliederzahl und Stadionkapazität. Dafür wurde dann wohl der Begriff „Härtefälle“ geschaffen. Wird das zum Beispiel bei Union, in Frankfurt oder Köln gelost? Oder gilt da weiterhin das Erbrecht unter den Dauerkarten? Stell Dir vor, Du bist Mitglied, aber hast keine Chance auf einen festen Stadionplatz. Kannst nur auf den freien Verkauf hoffen, den Du Dir aber auch noch mit zigtausend anderen Fans teilen musst. Nee, keine gute Sache. Gibt es sonst noch Auffälligkeiten? Bei der Braunschweiger Eintracht, da hätte ich aufgrund der großen Loyalität der Fans wesentlich mehr Mitglieder als jene aufgerufenen 5.304 erwartet. Was im umgekehrten Falle für den VfL Wolfsburg zutrifft: Kaum atmosphärische Dichte, aber 21.500 Mitglieder. Das passt auch nicht wirklich zusammen, aber wenn jede Familie dort Drillinge hat, dann passt das eben doch. Der Waldhof auch nicht wirklich auf Mitglieder gebaut und in Heidenheim wird der sportliche Erfolg einfach nicht am Verein honoriert. Spannend, diese Zahlenspielereien.

Aber sie kommen doch nur zu einem Ergebnis: Aufgrund unserer so langen Zeit im sportlichen Untergrund ist die aktuelle Mitgliederzahl einfach phantastisch. RWE war wer – RWE ist wer – RWE wird noch viel mehr! 

Eine neue Liga ist wie ein neues Leben.

Wie heißt es doch so schön: „Eine neue Liga ist wie ein neues Leben“. In Anbetracht der grenzenlosen Euphorie bei der ersten öffentlichen Trainingseinheit zur neuen Saison bleibt einem fast nichts anderes übrig, als diese These mit einem energischen „JA“ zu beantworten. Gute Güte, welch eine Sympathie schlug der Mannschaft an diesem sonnigen Fronleichnam im Juni 2022 entgegen! Die „Alten“ in der Mannschaft genossen diese Zuneigung in dem Wissen warum, und die „Neuen“ durften wohl zunächst große Augen gemacht haben, was das dann erst Recht für die Heimspiele bedeuten würde. Wobei es ja nun mittlerweile auch so ist, dass auch wir in das Regal der gestandenen Fußballprofis greifen konnten und diese  Spieler stimmungsvolle Stadien gewohnt sind.

In Anbetracht des Pro-Kopf Verbrauches an Stauder dürfte jedoch allen eines klar sein: Sie spielen in der größten Trinkhalle des Profifußballs. Und wer kann dass schon von sich behaupten? Willkommen im Büdchen 97a. Rot-Weiss Essen hier also schon sehr gut aufgestellt. Lieber Wegbier als Weghorst, lieber 0,5 als 0,33! Ansonsten erwartet die neuen Spieler natürlich die gesamte Bandbreite zwischen Humba und Pfeifkonzert. Es ist ja nun nicht so, dass die Fans von Rot-Weiss Essen das Spiel der Fußballatmosphäre neu erfunden haben. Es ist hier halt nur ein wenig direkter. Und doch so ganz anders als in den vielen Jahren zuvor. Den Schwung der vergangenen Saison mit in eine Neue nehmen zu können, also dass hatten wir eigentlich schon sehr lange nicht mehr. Vergangene Saison war das ansatzweise schon zu spüren, aber lange nicht damit zu vergleichen, was dieser Quantensprung aus der Regionalliga heraus mit uns allen anstellen würde. Plötzlich wollen alle nach Zwickau. Ich glaube, auf diese Idee kommt man im „normalen“ Leben jetzt nicht unbedingt.

Wie dem auch sei: Wir sind wieder wer, ohne überhaupt jemals einen Schritt in die 3. Liga gesetzt zu haben. Schließlich kennen wir diese Liga ja noch gar nicht, wurde sie doch erst am 25.Juli 2008 gegründet. Und knapp zwei Monate zuvor hatten wir ja auch noch unsere Abschiedsparty aus dem profitablen Fußball. Ist ja auch wurstegal jetzt, denn wir sind endlich drin. In einer Liga, aus der eigentlich auch schon jeder direkt wieder heraus möchte, da ja als Pleiteliga verschrien. Das mag auf einige Vereine auch speziell zutreffen, aber wir als Rot-Weiss Essen müssen jetzt erst einmal dort ankommen und uns angemessen auf und neben dem Platz vorstellen. Ohne Angst, aber mit Respekt. Ohne große Klappe, aber keinesfalls schüchtern. Und endlich hat auch der MSV Duisburg wenigstens bei einem Spiel eine volle Hütte. Meiderich statt Münster. Das klingt nach großer weiter Fußballwelt, auch wenn es direkt um die Ecke ist.

Apropos Münster: Wie der Presse zu entnehmen war, hat der SC Preußen kein Interesse mehr an Dennis Grote, um ihn für die neue Saison unter Vertrag zu nehmen. Wenn es denn so ist, dann war das im vergangenen Winter wirklich eine dusselige Räuberpistole aus Münster, die zum Rohrkrepierer für die eigene Mannschaft wurde. Im Verbund mit der Nachtfrostnummer bei plus 15 Grad und dem Engelmann-Gerücht aus selber Ecke muss man schlicht konstatieren: Diese Trilogie aus Münster hat sich direkt für die goldene Himbeere als schlechteste Serie beworben. Mal sehen, was das Karma dafür nun in der kommenden Saison mit den Adlerträgern vorhat! Schließlich kann ich die Regionalliga-West nicht einfach unbeobachtet lassen, dass klappt nicht von jetzt auf gleich, dafür war es zu lange unsere Heimat.

Unsere Heimat bleibt auf jeden Fall und ein Leben lang die Hafenstraße 97a. Das nur noch mal am Rande erwähnt und abends desöfteren auch weithin sichtbar erleuchtet. Mein Faible für die Mannschaft hinter der Mannschaft und deren Leistung ist seit dem Aufstieg eigentlich nur noch größer geworden. Denn unsere Helden in Stutzen haben den Job bei weitem nicht alleine gemacht. Und daher werde ich einfach nicht müde, um Geduld zu werben. Jede Karte kommt an, jede Anfrage wird bearbeitet und jede Bestellung aufgenommen. Aber dass kann nicht immer in gewünschter Echtzeit funktionieren. Wir haben so viele Jahre auf den Aufstieg gewartet, da dürften ein paar Tage des Wartens auf was auch immer doch kein Problem sein. Auch auf der Geschäftsstelle hat der Tag nur vierundzwanzig Stunden.

Und eigentlich gilt die größte Ungeduld aktuell doch und absolut nur dem Spielplan. Zigtausende Fans und wohl der ganze Verein warten darauf gebannter, als auf die Ziehung der Lottozahlen.  Gibt es zu Saisonbeginn den Jackpot mit Dresden daheim und den Münchner Löwen auswärts? Oder den Royal Flash mit Duisburg auswärts und Waldhof anne Hafenstraße? Eigentlich ja auch egal, denn wir müssen schließlich so oder so gegen jeden Gegner zweimal spielen, also hoffentlich! Aber nach so langer Zeit darf man einfach auch mal Wünsche haben. Der erste Gegner ist mir unterm Strich eigentlich auch egal, aber ein Heimspiel zu Beginn der neuen Saison wäre schon schön. Alle wieder mit an Bord, mit denen wir aufgestiegen sind, zuzüglich einem vollem Gästeblock. Dann dürfte sich auch Magenta Sport kräftig die Hände reiben.

Ob man seitens des WDFV dann auch mal zähneknirschend in die Übertragungen reinschaut, um zu sehen, wie sich der weitere Weg von Rot-Weiss Essen gestaltet? Oder sitzt Magenta TV dort nicht drin, da wir den ganzen Bumms ja nun nicht mehr mitfinanzieren? Man weiß es nicht und eigentlich ist es auch egal. Unglaublich, wir haben uns endlich vom Acker gemacht! Es wird jetzt die Zeit dafür kommen müssen, ein sportliches Gespür für die neue Liga zu entwickeln, um uns selbst dort einordnen zu können. Ich glaube nicht, dass wir Bekanntschaft mit dem Abstiegsgespenst machen werden, dafür ist unsere Mannschaft zu gut und in weiten Teilen zu eingespielt. Aber das hat Viktoria Berlin lange Zeit wohl auch von sich gedacht. Unser RWE wird sicher auch nicht die Rolle des TSV Havelse oder von den Würzburger Kickers übernehmen, die von Beginn an der Musik hinterherlaufen mussten, ohne wirklich jemals ein Bein auf den Boden zu bekommen.

Ich denke, wir alle zusammen auf und neben dem Rasen bekommen eine stabile Saison hin, die am Ende einen einstelligen Mittelfeldplatz und viel Zufriedenheit mit sich bringen wird. Wir werden weiter gewinnen, aber vor allen Dingen auch mehr verlieren als wir es seit einigen Jahren gewohnt sind. Und all das werden wir wünschenswerterweise zusammen tun. Schließlich sind wir Rot-Weiss Essen, die größte Trinkhalle des Profifußballs. 

Stadion an der Hafenstraße.

Es war Freitag, 10. Juni 2022, kurz vor 16:00 Uhr. Fast ehrfürchtig rollt ein betagter Saab die Hafenstraße hinauf, die er vor gar nicht allzu langer Zeit als frischer Drittligist verlassen hat. Im Umkreis der Berne wird immer noch gebaggert und auch sonst ist aus der Hafenstraße kein optisches Ruhmesblatt geworden, was sie dann wiederum von einem Saab unterscheidet. Hier kannst Du von erste bis vierte Liga kicken, doch die Straße bleibt sich immer treu. Und das ist auch verdammt gut so! Der Grund des Besuches ein ganz einfacher: Das Stadion an der Hafenstraße macht sich weiter schick und bekommt zuzüglich zur Türklingel nun auch seinen Hausnamen weithin sichtbar angebracht. Und das sogar zweimal: Der erste Schriftzug am Warmgebäude ist vollständig angebracht, darüber prangt ein LED Bildschirm, der den Paten der Hafenstraße aufzeigt, dass sie auch Paten der Hafenstraße sind. Der weitaus präsentere Schriftzug anne „West“ war noch nicht ganz fertig, hier fehlte noch ein Wort. Aber auch dem Betrachter fehlten erstmal die passenden Worte, denkt man zurück an die Zeit ziemlich genau vor zehn Jahren: Seinerzeit durfte Rot-Weiss Essen nicht mal einen Nagel im Stadion in die Wand schlagen, um einen kleinen RWE Wimpel aufzuhängen.

Mit dem Auszug aus dem Georg-Melches- Stadion wurde der Verein in diesem neuen Stadion der Stadt Essen lange Zeit absichtlich klein gehalten, um in der kritischen Öffentlichkeit ja nicht den Eindruck zu erwecken, das Stadion sei auch noch als Belohnung für die sportlichen und finanziellen Pleiten der Jahre ab 2008 dort hingestellt worden. Nun, im zehnten Jahr nach Eröffnung stellt sich die Gemengelage glücklicherweise ganz anders dar: Unser RWE zwar nicht Eigentümer, sondern weiter Mietezahler und in einer WG mit der SGS Essen lebend, aber man hat diesem Stadion von Jahr zu Jahr mehr seinen Stempel aufgedrückt, es Innen wie Außen mit Devotionalien der stolzen Vereinshistorie und erfolgreichen Dingen aus dem Hier und Jetzt zuzüglich der Herkunft als Arbeiterverein versehen. Man durfte sich nach nicht immer leichten Gesprächen Stück für Stück mehr verwirklichen. Und nun eben die großen Hingucker. Noch lange nicht das Letzte, was sich in Zukunft im Stadion an der Hafenstraße tun wird. Aber auf Gefühlsebene wohl das Wichtigste. Es braucht eben immer einen Namen, mit dem man sich identifizieren kann. Und nun läuft man, flankiert von der so wichtigen „Kleinen Gruga“ auch noch drauf zu, wird in der dunklen Jahreszeit schon von weitem sichtbar willkommen geheißen. Es hätte also alles weitaus schlechter kommen können, dessen sollten wir uns immer mal wieder bewusst sein.  

PS: Bevor hier berechtigte Kritik kommt: Natürlich heißt es Stadion an der Hafenstraße. Und in der Maske selbst war Hafenstraße auch noch Hafenstraße. Leider macht WordPress in der Überschrift dann doch Hafenstrasse draus. Ärgert mich kolossal, und versuche ich weiter zu ändern.

Bayreuther Festspiele.

Morgen an Fronleichnam ist Trainingsauftakt im Stadion an der Hafenstraße. Diesmal wohl wirklich im Stadion, da nebenan auf dem Willi-Lippens Areal ja noch ordentlich gerödelt wird. Gefühlt kommt der Trainingsauftakt so früh wie noch nie zuvor. Gerade erst ergriffen begriffen, dass wir tatsächlich aufgestiegen sind, geht es auch schon wieder los. Vielleicht war der Zeitraum zwischen alter und neuer Saison immer gleich kurz oder gleich lang, aber in den vergangenen Jahren war gerade die Sommerpause zu oft auch Balsam für die geschundene Fanseele, und konnte daher meistens gar nicht lange genug dauern. Dieses Jahr jedoch kann die Sommerpause nun gar nicht kurz genug sein, denn wir wollen endlich loslegen mit der 3. Liga und scharren bildlich betrachtet mit den Hufen.

Mag sein, dass die Regionalliga in Form des Spielplans noch einmal Nachtreten wird und uns in den ersten drei Begegnungen den SC Verl auswärts, Borussia Dortmund daheim und Viktoria Köln auswärts beschert. Ja dann soll es halt so sein. Kratzt uns jetzt auch nicht mehr, denn irgendwann geht es dann endlich über die Landesgrenze hinaus in die große weite Welt der besten dritten Liga aller Zeiten. Und sicher wird alle zwei Wochen eine Rot-Weiße Karawane dem Mannschaftsbus hinterher ziehen. Je nach Spielort und Saisonverlauf entsprechend größer oder kleiner in Summe. Aber wir Fans werden auf jeden Fall unser ABC, unser grosses Einmaleins in die Stadien nach Mannheim, Meppen, München tragen. Werden in Zwickau, Halle und Dresden unser heiliges St.Auder lobpreisen und wenn es denn schon sein muss, auch nach Duisburg fahren.

Es könnten reine Sternfahrten zu den Auswärtsspielen werden, denn es gibt sie bundesweit, die Fans von Rot-Weiss Essen. Und auch für die vielen niederländischen Fans des RWE tun sich mit Oldenburg, Meppen und Osnabrück ganz neue Möglichkeiten auf. Es könnte also zumindest zu Beginn der Saison ziemlich voll in den Stadien werden. Viele Fans sind gelangweilt von, genau, der relativen (sportlichen) Langeweile in der Bundesliga und wandern immer öfter ab in die gefühlten Niederungen der zweiten und dritten Bundesliga mit ihren dramatischen Auf- und Abstiegskämpfen, die sich oftmals erst am letzten Spieltag auflösen oder in unselige Relegationen verlängert werden. Und so rücken ab sofort auch Spiele mit Beteiligung von Rot-Weiss Essen vielfach in den Fokus jener Fans, die sich eben lieber Rot-Weiss Essen gegen den TSV 1860 München anschauen, als zum Beispiel einen VfL Wolfsburg gegen die TSG Hoffenheim. Na klar, natürlich hat dieses nicht nur sportliche Gründe, sondern lockt vor allem auch das Fluidum drumherum in den Straßen, vor den Kneipen und die Folklore auf den Rängen während der neunzig Minuten.

Was nun unsere Aufwärtsfahren angeht, so hat sicher jeder/jede Rot-Weisse seine Präferenzen für die kommende Saison schon lange klar, sofern man nicht „Allesfahrer“ oder „Allesfahrerin“ ist. Für mich stehen zwei Spiele im tiefen Süden ganz oben auf der Wunschliste: Die Löwen aus familiären Gründen auswärts! Am liebsten eine Halbzeit im Grünwalder und eine im „Oly“. Und, jetzt wird es etwas irrational: Ich möchte unbedingt das Auswärtsspiel bei der SpVgg Bayreuth besuchen. Da gibt es zum einen das Altstadt-Museum, in welchem die Vereinsgeschichte inmitten vieler Devotionalien liebevoll gehegt und gepflegt wird. Dann ist da das Hans-Walter-Wild-Stadion, im Volksmund „HaWaWi“ gennant, irgendwie noch den Hauch der Zweitliga-Spielstätten der 80er Jahre verkörpernd, und es gibt vor allem auch das Bayreuther Hell! Neben unserem Stauder ist das Bayreuther Hell definitiv das beste Bier der Liga und stellt wie Stauder alles andere in den Schatten, was es in den Stadien so als 0815-Bier zu trinken gibt. Nun fährt man ja grundsätzlich Rot-Weiss Essen hinterher, um die Mannschaft siegen zu sehen und diese dabei zu unterstützen. Aber in Bayreuth könnte auch die Fankultur im allgemeinen ein Komplettpaket erfahren. Bayreuther Festspiele sozusagen. Rot-Weiss Essen irgendwo zwischen Tristan und Isolde, Walküre und Lohengrin. Unter dem Strich bliebt also festzuhalten: Wann endlich Spielplan? die Playlist für lange Auswärtsfahrten ist schließlich auch schon fertig.

Fertig in der Kaderplanung dürfte man an der Hafenstraße auch so langsam sein. Ein zweiter Schnapper zwischen Jakob Golz und Raphael Koczor steht noch auf der Dringlichkeitsagenda, auf der mit Ron Berlinski, Meiko Sponsel, Björn Rother und Aurel Loubongo schon vier Unterschriften gesammelt werden konnten. Eine moderate Anzahl an Neuverpflichtungen im Vergleich zu ach so vielen vergangenen Jahren, als man Namen von Spielern in Kompaniestärke auswendig zu lernen hatte. Die epochale jawattdenn Familiensaga als Mehrteiler über die vergangenen vierzehn Jahre ist an dieser Stelle übrigens sehr zu empfehlen. Vielleicht eines Tages verfilmt mit Heino Ferch als Dr. Uwe Harttgen und Christoph Walz als Andreas Winkler! In weiteren Rollen Christoph Maria Herbst als die Fascher Kappe und Henning Baum als Benni Baier. Irgendwann hat man also einfach aufgehört, sich an Namen zu gewöhnen, sondern nur noch an Positionen auf dem Spielfeld orientiert. Daher tut es richtig gut, diese Sause in der 3. Liga mit einer Mannschaft anzugehen, die im Großen und Ganzen zusammengeblieben ist, sofern sportliche Attribute das zulassen (es wird mit Sicherheit noch weitere Abgänge geben). Wir dürfen nicht viele neue Namen lernen, weiter „Isi“ oder „Engel“ zu „Give It Up“ besingen (und uns schon mal nette Melodien für die Neuen ausdenken). Das ist eigentlich mit das schönste Geschenk nach dem Aufstieg, unsere Mannschaft bleibt eine von Herze(n). Und wenn dann der Waldhof anne Hafenstraße kommt, dann können wir auch noch mal einen donnernden Applaus Richtung Christian Neidhart loslassen. Bis der Anpfiff ertönt natürlich nur. Man man man, es kribbelt merklich! 

Schach·tel·satz

Es musste mal so kommen, es musste mal geschehen“. Eine Zeile aus „Opa Luscheskowski“ verdeutlicht vielleicht am besten, dass wir irgendwann damit klarzukommen haben, dass Angestellte eines Marketingproduktes, als Sportverein getarnt und sich selbst fälschlicherweise so wahrnehmend, einen der Pokale in die Luft halten, die für uns das Große und Ganze bedeuten. Vergangenen Samstag war es dann leider soweit. Keine Bereicherung für Fußball-Deutschland aka RB Leipzig bezwang den temporären Liebling der Massen aus Freiburg leider nach (oder im) Elfmeterschießen.

Wie viel es den Protagonisten aus Leipzig (In Leipzig nur Chemie, Lok oder Roter Stern!) bedeutete, endlich einen Titel nach Fuschl am See zu holen, machte sich in dem für mich unsäglichen Verhalten am Spielfeldrand bemerkbar. Eine ganze Bank inklusive Trainer (vor allem Trainer) komplett auf zu viel Energy-Drink. Nun ist es leider passiert und wer jetzt gedacht hätte, dass einfach nur dankbare und glückliche Worte aus Richtung des österreichischen Co-Pokalsiegers kommen, der wurde enttäuscht. Der konzerneigene Twitter-Account sah sich direkt genötigt, der frustrierten Menge mitzuteilen, dass man sich schon mal daran gewöhnen soll, Dinge für sich zu entscheiden. Der Pott selbst wurde durch das klebrige Brause-Gesöff fast hämisch grinsend entweiht und Herr Mintzlaff sah sich tags drauf genötigt, uns allen mitzuteilen, dass das Konstrukt eine Bereicherung für Fußball-Deutschland sei. Klar, ungefähr genau so viel Bereicherung wie Katar für eine Fußball-WM.

Ziemlich arrogant auch die Szenen direkt nach Spielende, als man doch dem Unparteiischen Sascha Stegemann, einem der besten Männer auf dem Feld, mitzuteilen hatte, dass man mit seiner Leistung nicht zufrieden gewesen sei. Wie anmaßend. Wie unglaublich anmaßend! Mindestens so anmaßend wie die Dose in Größe über den Pokal zu stellen. Damit ist ja eigentlich alles gesagt: Der Pokal ist nicht wichtig, eigentlich klein, unser Produkt ist was zählt: Die Dose ist groß, die Dose macht Geld. Und Sympathien von Rechtsaußen gibt es noch obendrauf. Na, dann ist ja alles erreicht, oder? Nein, nichts ist erreicht. Und niemals wird erreicht werden, was gemeinhin nach Titelgewinnen erreicht wird: Respekt!

Harte Worte, aber wie anders soll man nach einer solch geballten Tirade über Tage aus Leipzig/Fuschl am See auch reagieren? Von dort ist alles auf pure Provokation ausgelegt. Immer noch einen drauf setzen, immer noch etwas Salz auf die Wunden derer streuen, die sich vehement gegen weitere Auswüchse im modernen Fußball wehren. Und andererseits aber auch immer das unterschwellige Jammern darüber, warum man nicht endlich auch mal geliebt wird. Wenigstens ein bisschen. Die Antwort darauf findet sich, ziemlich konzentriert und beispielhaft für die vergangenen Jahre, eben im Habitus rund um das DFB-Pokalfinale.

Mich würde mal interessieren, wie sich die Kunden zu ihrem Dienstleister verhalten würden, wenn sich der sportliche Weg mal nach unten bewegt. Kann ja, trotz massiver finanzieller Unterstützung, durchaus passieren. Man frage hierzu gerne bei Hertha BSC nach. Kaum vorstellbar eigentlich, dass klassische Kunden einen vierzehn Jahre langen Weg durch die Niederungen des Fußballs mitmachen würden, wie es die Fans von Rot-Weiss Essen getan haben. Man kann also wirklich nur auf eine sportliche Schwächephase hoffen und darauf, dass dann alles zusammenbricht im Bullenstall. Denn ein wirkliches Fundament besteht nicht nur aus Geld.

Das Fundament eines richtigen Vereins (klar, will man ja unbedingt nicht sein!) sind seine Fans, seine Mitglieder, die Mitbestimmung, das Miteinander und oftmals auch anstrengende Gegeneinander verschiedener Interessen. Daher könnte ich im Leben niemals Fan Kunde von RB Leipzig werden. Denn ich will Mitglied sein, will mitbestimmen. Ernst genommen werden. Und all das ist in Fuschl am See nicht gewollt. Na ja, Ihr habt nun den Pokal. Stellt ihn aus, füllt ihn mit Brause. Aber irgendein Verein holt ihn sich hoffentlich ganz schnell zurück, wischt einmal durch und wird ihn wieder mit Respekt behandeln. Gegner und Unparteiische natürlich ebenfalls. Und wenn es eines Tages Rot-Weiss Essen ist.

„Sobald man in einer Sache Meister geworden ist, soll man in einer neuen Schüler werden“ [Gerhard Hauptmann]

Vor dem alles entscheidenden Spiel gegen die gleichnamigen ohne Bindestrich aus Ahlen war schon lange vor dem Spiel alles voller als sonst. Egal ob die Tribünen, die Hafenstraße selbst, Parkplätze, Zufahrtswege, der Stadionvorplatz. Alles voll. Manch Fan auch. Und das schon zu früher Stunde. Aus Sicherheitsgründen wurde wegen nervösem Magen vielfach das Frühstück ausgelassen und gleich mit der Hauptmahlzeit an diesem Tag begonnen. Das Geschäftsmodell Pfandflasche somit ein außerordentlich ertragreiches. Trotz der Tatsache, dass rund um das Hafenstübchen nur Plastik erlaubt war.

Die Grundstimmung für ein quasi-Endspiel ungewohnt heiter und vorfreudig erregt. Die vergangene Woche mit den Ereignissen in Wiedenbrück und Lotte hatte alles an negativen Gedanken auch aus der hintersten Hirnrinde verbannt und gefühlt sogar die letzten DauernörglerInnen milde gestimmt. In der DN-Szene wurden weitere Aktivitäten somit zunächst einmal bis nach Spielende vertagt. Es herrschte ein lange nicht mehr gekanntes, also wirkliches Wir-Gefühl rund um die Hafenstraße. Wohl auch der Erkenntnis geschuldet, dass die mitunter nach außen nicht immer ganz glatt wirkenden Entscheidungen doch die Richtigen im Sinne des sportlichen Erfolges und somit im Sinne des Vereins gewesen sind. Und dadurch natürlich uns allen zugute kamen. Trotzdem, und bevor ich dass vergesse: Vielen Dank Christian Neidhart für Deine klasse Arbeit bei uns an der Hafenstraße. Das war mehr als die Grundsteinlegung für den Aufstieg! Du bist Aufstiegstrainer.

Unglaublich aber auch, was die „Impro-Combo“ um Jörn Nowak und Vincent Wagner nebst Trainerteam in kurzer Zeit für Verspannungen lösen konnte. Schon in Lotte gegen Rödinghausen wurde klar: Dass was da nicht mehr nur auf dem Rasen, sondern auch auf und neben der Bank abgeht, das ist Willen und Leidenschaft. Hier wird keiner mehr plötzlich und unerwartet am Lübeck-Syndrom erkranken. Die Vorlage aus Wiedenbrück wurde also aufgenommen, Samstag drauf in Leidenschaft umgewandelt und anschließend in mehrtägige Vorfreude veredelt. Vorfreude. Bei uns! Das allein hat es ja schon jahrelang nicht mehr gegeben. Keine „Wir verkacken es eh wieder“ Gesichter rund um das Stadion an der Hafenstraße. Je näher man dem Stadion kam, desto mehr zog einen der Sog der Masse Richtung Tribünen, die aber ihrerseits auch schon gut gefüllt waren. Gesänge hallten bereits von drinnen nach draußen, was jetzt bei offenen Ecken auch nicht so problematisch ist.

Eine motorische Meisterleistung, die bei mir immer wieder Momente der Bewunderung auslöst, ist übrigens der Umgang mit dem Wegbier: Laufen, reden und dabei trinken….ich bin da irgendwie nicht für gemacht. Außerdem verlangte die Aufregung viel zu viel kompensatorisches reden. Getrunken wurde halt später. Irgendwann war das Stadion also bis auf den letzten Platz gefüllt, und die Mannschaft wurde mit einem Jubelsturm begrüßt. Warmmachen der ganz besonderen Art. Eigentlich überflüssig, so heiß wie alle waren! Wetter, Choreo (danke dafür!), Stadionmusik: alles stimmig und die heiligen St. Preußen waren fast kein Thema. Hier, heute und jetzt: Das erledigen wir als Rot-Weiss Essen ganz alleine. „Seit wir zwei uns gefunden“ eben! Und so kam es dann ja auch. Mit jeder gespielten Minute wich die Anspannung einer inneren Ruhe und spätestens bei Abpfiff erschien alles surreal. Das konnte einerseits an den vierzehn langen Jahren liegen, andererseits aber auch an der latenten Cannabis Wolke, die sich immer wieder ihren Weg durch den Block zu bahnen wusste.

Menschen lagen sich in den Armen. Freunde, Fremde und sogar wildfremde. Strahlende Gesichter bahnten sich ihren Weg auf den Rasen und machten aus unserer blitzeblanken (sie wird mit Liebe gepflegt) Zaunfahne eine „Matchworn“ Zaunfahne, da sie nun als Art Sprungtuch zu dienen hatte. Der Umgang von Walter Ruege am Mikrofon mit dem Platzsturm dann doch sehr väterlich moderat. Eigentlich wusste doch jeder, dass es passieren wird. Im übrigen blieb die sogenannte „aktive Szene“ noch lange Zeit auf ihren angestammten Plätzen. Da waltete dann Verständnis über Emotion. Null Verständnis allerdings für diejenigen, die einen Platzsturm als Aufforderung verstehen, den eigenen Verein mit Plünderung zu überziehen. Wie bekloppt muss man eigentlich sein, um sich alles unter den Nagel zu reißen, was nicht niet- und nagelfest verankert ist? Das ist keine Freude, dass ist spätestens dann kriminell, wenn man zum Beispiel Mischpulte von den Presseplätzen klaut. Und ganz dämlich wird es dann, wenn sich spätestens am Tag danach Grasbüschel auf Auktionsplattformen wiederfinden. Je nee iss klar. An Geboten finden sich dann: Aufstiegsrasen aus Essen neben Klassenerhaltsrasen aus Stuttgart neben Europapokalrasen aus Köpenick und so weiter und so fort. Eine bedenkliche Mitnahmekultur, die sich da ihren Weg in die Stadien gebahnt hat. Dass man den Spielern nicht gleich den Kopf abreisst, ist alles!

Doch zurück zu den positiven Dingen, denn die überwältigende Masse an RWE-Fans hat wirklich einfach nur einmal gesittet den Rasen betreten wollen, auf denen ihre Lieblinge gerade dass vollbracht haben, auf dass wir alle so elend lange Jahre gewartet haben. Einfach auf den Rasen setzen und versuchen zu verarbeiten, was hier und heute historisches passiert ist. Das hatte in den Ecken fast was von einem Sommerfestival in der Gruga oder dem Stadtpark Nordhorn: So viele Kinder in roten Trikots saßen bei ihren Eltern auf dem Rasen und genossen miteinander versonnen den Moment. Ich weiß nicht, wie hoch die Anzahl der jungen Fans in anderen Stadion der unteren Ligen ist: Aber in Zeiten, wo Kinder fast automatisch mit Bayern Trikots gequält werden, oder sich eines Tages, warum auch immer, PSG Trainingsanzüge kaufen, da ist es schlicht Wahnsinn, wie sehr Rot-Weiss Essen innerhalb der Familien weitervererbt und schon in ganz jungen Jahren gelebt wird.

Wer vereinsintern jetzt auf die glorreiche Idee gekommen ist, die Pokalverleihung auf der Gottschalk-Tribüne in dem noch nicht freigegebenen Sitzplatzbereich durchzuführen, der ist auf jeden Fall mein Held, oder meine Heldin. Ist diese sogar noch recht spontan entstanden, dann war das einfach nur genial und dem ganze Szenario komplett angemessen. Schließlich konnte man vor dem Spiel noch nicht von einem Aufstieg ausgehen. Dann sind wir ja doch eher Rot-Weiss Essen und wäre uns eine lange im Vorfeld geplante und vor dem Stadion schon aufgebaute Bühne mit allem Zipp und Zapp definitiv vor die Füße gefallen. Wir haben so lange im Dreck gelegen, da braucht ein Aufstieg am letzten Spieltag keinen Hochglanz, sondern genau dass Szenario, welches wir weit nach Spielschluss erleben durften. Alles richtig gemacht RWE!

Das hatte dann endgültig was von einem kleinen Spontankonzert vor begeistertem Publikum. Ungeahnte Rampensäue innerhalb der Mannschaft inklusive. Wer hier etwas anders erwartet hat, der muss halt nach München fahren und sich jedes Jahr die langweilige Meistersause abholen. Es ist ja schon auch total schräg: Da erwarten wir Fans die Mannschaft zur Pokalübergabe irgendwo auf der Haupttribüne, und dann muss diese nicht nur über den Stadion-DJ in die Kabine gerufen werden, sondern latscht hinter der Tribüne teilweise mit Beatbox, hässlicher Perücke und knackiger Radler zumeist auf Badelatschen in Aufstiegsshirts auf den temporären Pokalbalkon. Mannschaft und alle die dazugehören…sie wurden besungen und gefeiert. Und am meisten hat die Mannschaft sich selbst gefeiert. Was hat sie sich das verdient. Und ich bin so unendlich glücklich, dass diese Mannschaft im Kern mit uns weiter gemeinsam den Weg gehen wird.

Wir sind endlich wieder in der 3. Liga. Danke Mannschaft, Danke „Staff“, Danke Marcus Uhlig. Danke Geschäftsstelle und Fanshop. Danke Fanprojekt und Ehrenamtliche. Danke Ihr Fotografen und Ihr da auf den Kommentatorenplätzen für Stream und Webradio. Danke alle, die ich vergessen habe. Und danke, Michael Welling. Ich denke, auch Du hattest mehr als eine Träne der Freude im Knopfloch. Und nicht nur deshalb, weil Osnabrück Münster erspart bleibt. So langsam habe ich es begriffen: Wir sind tatsächlich aufgestiegen.

Verl, wir kommen!  

Against All Odds. Oder auch: 14!

Rückblende: Am 5.Juni des vergangenen Jahres waren wir zur Halbzeit aufgestiegen. Der Wuppertaler SV führte zur Halbzeit gegen den BVB und unsere Mannschaft lag in Wegberg und sogar auch in Beeck vorne. Unsere Mannschaft wurde an der Hafenstraße gebührend verabschiedet und auch zahlreich begleitet, um von außerhalb anzufeuern. Man könnte also meinen, dass die Euphorie schon damals grenzenlos war. Aber das war sie natürlich nicht. Aufgrund der Pandemie mussten Schutzmaßnahmen her und sportlich lag eine Dortmunder Niederlage rational betrachtet einfach nicht im Rahmen des Möglichen. Die meisten von uns blieben somit in der Halbzeit als Fans eines temporären Drittligisten relativ gelassen. Vor den heimischen Monitoren in kleiner Runde eskalierte es sich halt doch nicht so schön. In der zweiten Halbzeit nahmen die Dinge in Wuppertal ihren Lauf und die anderen stiegen auf. Zurück blieben bei uns der Stolz auf die Mannschaft, den Verein und eine unglaubliche Saison. Alles ganz entspannt.

Fast ein Jahr weiter stellt sich die Situation nun ganz anders dar. Alle, die es aktuell mit Rot-Weiss Essen halten, stehen gerade emotional komplett neben der Spur. Eine Eruption der Gefühle schon vor dem letzten, entscheidenden Spieltag. Diesmal sind wir wirklich dran, diesmal kommen wir endlich wieder zurück. Woher rührt nur dieser grenzenlose Optimismus? Schließlich sind wir doch Rot-Weiss Essen, der Verein mit seiner ganz eigenen DNA des finalen Scheiterns. Klar, bislang stimmte das ja auch. Wir sind immer mal gerne an uns, den anderen, oder besonderen Umständen gescheitert. Sehr zur Freude sämtlicher Konkurrenten aus den diversen Ligen. Da wurde auf unsere Kosten immer gerne Popcorn gereicht. Aber damit ist nun Schluß, das ist Vergangenheit. Es ist doch so: Allein was in dieser Saison schon wieder an Bergen von Problemen bis hin zu Stöckchen der Konkurrenz aus dem Weg geräumt wurde, dass zeugt mittlerweile von einer gesunden Mentalität, die sich nach vielen Jahren ihren Weg zurück an die Hafenstraße gebahnt hat. Kleine Rhythmusstörungen natürlich inklusive. So ganz ohne Auswärtsniederlage in Ahlen oder dem Pokal-Aus im Halbfinale würde uns ja auch was fehlen.

Nun ist also seit dem vergangenen Wochenende doch noch alles angerichtet für das große Spiel der noch größeren Möglichkeiten und auch Phil Collins feilt sicher schon an einer neuen Version von „Against all Odds“. Vielleicht ja im Duett mit Siw Malmkvist. Preußen Münster – 1.FC Köln und Rot-Weiss Essen – Rot Weiss Ahlen. Wahrscheinlich würde eine Konferenz der beiden Spiele im WDR mehr Zuschauer haben, als die Einzelbuchung der Bundesligabegegnung FC Augsburg – SpVvg Fürth auf Sky Ticket. Auf Seiten von Preußen Münster ist immer wieder erstaunlich zu beobachten, wie wenig sich eigentlich mit dem eigenen Verein beschäftigt wird. Während man rund um die Hafenstraße komplett auf RWE fokussiert ist und die Preußen höchstens in Nebensätzen thematisiert werden, ist man bei Preußen Münster, genau, auch auf RWE fokussiert. Egal, welcher Artikel auf Fanebene über die Adlerträger veröffentlicht wird, man schafft es dieser Tage nicht ein einziges Mal, uns außen vor zu lassen. Sie bekommen es einfach nicht hin. Gebetsmühlenartig werden immer wieder die selben Textbausteine benutzt um der Öffentlichkeit noch einmal zu verdeutlichen, dass man selbst das Gute im Fußball ist, während Rot-Weiss Essen alles andere verkörpert. Das ist fast schon putzig. Aber irgendwann einfach nur noch nervig. Daher bietet die aktuelle Tabellenkonstellation schon vor den beiden entscheidenden Spielen ein Erfolgserlebnis: Die Wege von RWE und Preußen Münster werden sich endlich wieder trennen.

In Münster kann man sich dann wieder den traditionellen Rivalen aus Bielefeld und Osnabrück Ahlen und Verl widmen und wir haben dann nach einigen Tagen der Klagen oder Häme  (je nach Ausgang) endlich wieder unsere Ruhe. Das war ja nicht mal ansatzweise gelebte Rivalität, die auch Spaß machen kann. Das waren einfach nur plumpe Versuche, Unruhe zu stiften gepaart mit ewiger „Du,Du,Du“ Jammerei. Egal, auch das ist ja bald überstanden.

Aber wie übersteht man nun die Nacht vor diesem so wichtigen Spiel? Wahrscheinlich wird sich tausendfach einfach nur im Bett von links nach rechts und umgekehrt gewälzt und darauf gehofft, dass man irgendwann das erste Stauder ans Bett gereicht bekommt. Überstanden nun auch dieser Text, denn er gestaltete sich ehrlicherweise ziemlich zäh. Nach der WAZ Kolumne und einem Gastbeitrag für die 11Freunde war dann auch wohl Schluß mit der Kreativität oder noch weiteren Formulierungen um irgendwie den morgigen Tag auf den Punkt zu bringen. Es zählt jetzt nur Samstag ab 14:00 Uhr! Ich bin ziemlich vorfreudig aufgeregt. Das kenne ich so seit vielen, vielen Jahren nicht mehr. Es kann endlich passieren. Es wird passieren!

Eines noch in eigener Sache: Den Facebook-Ableger von „Im Schatten der Tribüne“ wird es nicht mehr geben. Ich mochte einfach nicht mehr pflegen, was sich in seiner Gesamtheit als soziales Medium einfach nicht mehr als gesellschaftlicher Konsens erweist. Es hat viel Spaß bereitet, die Texte auch dort einzustellen. Fotos, Dummsinn oder Grafiken zu erstellen und zu teilen. Aber nach so vielen Jahren hat es sich einfach überholt. Wer also den Blog weiter verfolgen möchte, der kann das ganz weiter und puristisch über imschattendertribuene.com. Ich würde mich freuen. Nur der RWE!

Hibsig und Heartslich.

Der schottische Fußball ist ja noch der Seele des Fußballs gefühlt mit am nächsten. Hafenstraße international, sozusagen. Rauf und runter, auf die Socken. Hinfallen und aufstehen. Die Halbfinals auf neutralem Boden auszutragen, ist ein Geschenk an Fußball und Fans in Schottland und England, welches man sich auch für den DFB-Pokal nur zu gerne ebenfalls wünschen würde. Und wenn das Halbfinale dann auch noch aus den Duellen Celtic -Rangers und Hearts – Hibs besteht, dann ist jede Sekunde dieser Clips mit mehr Emotionen Versehen, als neunzig Minuten mit dem Konstrukt RBL. Einfach mal genießen.

Osterbolzen.

Die Grafikabteilung der Freaks Essen hat ganze Arbeit geleistet, und uns drei wunderschöne Kleber in ihrer Kurzwarenabteilung angeboten. Auf einem dieser Motive ist unter anderem Obelix inklusive einige unserer „Liebsten“ zu sehen. Bei Obelix ist man bei Asterix und somit auch bei dem Running-Gag namens Piraten. Irgendwann ist im Ausguck immer ein Gegner aus Rom, Gallien oder sonst woher zu sehen und aus Angst davor versenkt man sich lieber kurzerhand selbst.

Auch bei Rot-Weiss Essen saß heute scheinbar jemand im Ausguck und hat mitbekommen, wie tapfere Lippstädter den heiligen St.Preußen einen Punkt abnehmen konnten. Während sich der späte Ausgleich in Lippstadt auf den Rängen der Hafenstraße von Block zu Block fortpflanzte und kurzfristig dieselbe in ein Tollhaus verwandeln konnte, kam die Botschaft bei der Mannschaft gefühlt anders an, als erwartet. Auch hier hat man sich in Anbetracht der möglichen Tabellenführung lieber selbst versenkt, als die Geschehnisse proaktiv anzugehen.

Schon ab 14:00 Uhr steckten die Köpfe der Fans nicht nur im Stauder, sondern auch im Liveticker der Wahl. Beide Tore zur temporären Führung der Lippstädter wurden vor dem Hafenstübchen dermaßen bejubelt, dass erleben die Spieler des SV Lippstadt so wohl nicht einmal bei Heimspielen. Konnte ja auch keiner ahnen, dass der Adler jetzt schon Federn lässt. Geplant war das eigentlich erst gegen Fortuna Köln. Aber wer sich aktuell auf die Fortuna verlässt, der ist wohl auch ziemlich verlassen. Es war also eine durchaus heitere Grundstimmung, die sich nach langen Monaten der Kälte und Nässe bei feinstem Sonnenschein rund um das Stadion an der Hafenstraße zu verbreiten wusste. Den letzten Ergebnissen zum Trotze. Doch leider haben wir, wie schon zu erahnen, mal wieder die Rechnung ohne unsere Mannschaft gemacht. Der kurzen Euphorie inklusive Aussicht auf die Tabellenführung wurde fast umgehend auf dem Feld Einhalt geboten. So geht das jetzt aber auch nicht, als dass wir mal eben in den Euphorie-Modus umschalten. Wir sind doch hier nicht im Camp Nou! Die Euphorie auf den Tribünen hat unsere Mannschaft also ziemlich kalt gelassen und vor allem in der zweiten Hälfte dann wurden die Tribünen erstmal auf ruhig gestellt. . Es war ja schon seit Wochen weiterhin Luft nach oben für die schlechtes Saisonleistung. Also sollte dass doch auch endlich abgehakt werden. Und was kann ich sagen? Das ist eindeutig gelungen!

Lässt aber den geneigten und immer noch aufstiegswilligen Fan dann doch ziemlich fassungslos zurück. Das Pfeifkonzert nach dem Spiel mehr als verdient und vielleicht sogar noch zu moderat um endlich aufzuwachen. Das war wirklich alles, aber nicht das Spiel einer Mannschaft, die noch aussichtsreich im Kampf um den so lang ersehnten Aufstieg in die 3.Liga mitspielt. Das war willenlose Destruktivität in Form von Grütze. Dass war gegen die Abmachung, es gemeinsam zu schaffen, denn die Mannschaft hat nichts anderes getan, als uns komplett im Stich zu lassen. Das tat für den Moment im Stadion gar nicht mal so weh, denn da war man immer noch im Kreise seiner Liebsten, Familie und/oder Freunde und einfach nur konsterniert über das Erlebte. Die Enttäuschung über die abermals verpasste Chance macht sich erst jetzt und in diesen Zeilen breit. Wie konnte das passieren? Und vor allen Dingen: Warum? Warum gerade dann, wenn der hochnäsige Adler endlich wieder Federn lässt? Hat man ernsthaft geglaubt, man müsse selbst die eigene Leistung nicht wieder hochfahren, sondern dass es reichen würde, sich auf eventuelle Ausrutscher der anderen zu verlassen?

Echt jetzt: Was haben wir Euch eigentlich getan, dass unsere Hoffnungen mal wieder dermaßen vor den Kopf gestoßen wurden? Nach den „Glorreichen Sieben“ und „The Sixth Sense“ ab kommenden Dienstag also „Fünf gewinnt“. Nach wie vor ist ja alles möglich, aber wenn auch Ihr keine Helden der Hafenstraße werden wollt, dann teilt es uns bitte schon vor Anpfiff mit. Oder Ihr reißt Euch endlich wieder am Riemen, beim Teutates, und vermöbelt den SV Lippstadt so richtig. Ganz vielleicht spielt uns dann auch die Fortuna mal wieder in die Karten. Es kann ja nur besser werden nach diesem Auftritt! Vielleicht hat ja jemand Zugriff auf das Rezept für den Zaubertrank von Miraculix. Denn etwas in der Art bräuchte unsere sportliche Abteilung gerade ziemlich dringend. Aber bloß keine Kleeblätter darin einrühren.

Bolletjes statt Böller.

Auch Tage danach liegt er noch schwer im Magen, drückt auf das Gemüt: Dieser Vorsatz, Menschen absichtlich zu verletzen. Diese Straftat und gezieltes in Kauf nehmen, dass auch noch mehr Menschen durch den Böller hätten verletzt werden können, als die Spieler von Preußen Münster. Das war keine Unzufriedenheit mit dem Spielstand, denn es stand nur Unentschieden in einem hart geführten Spiel, wobei die „Auf die Stöcke und Haltetechniken“ Taktik der Adlerträger von Minute zu Minute immer besser aufzugehen schien. Das war ein Attentat auf Rot-Weiss Essen und ein Stich in unser rot-weisses Herz.

Schon mit dem Knall war klar, dass jetzt prompt und unreflektiert alles über Rot-Weiss Essen und seine vielen korrekten Fans ausgekübelt werden wird, was schon immer an Vorurteilen RWE gegenüber kursiert. Und ja leider temporär immer mal wieder bestätigt wurde. Es war schwer, anschließend mit Fans anderer Vereine in einen sachlichen Austausch zu treten. Es ist also passiert, womit eigentlich nicht gerechnet werde konnte: RWE gehörten die Schlagzeilen, selbst auf Twitter war man zeitweilig bundesweit Gesprächsthema: #Böller war im Trend. Und natürlich gehörten auch die Schlagzeilen sämtlicher Sportmedien uns. Nur eben nicht so wie erhofft. All das auf dem Feld erarbeitete wurde von Außen im wahrsten Sinne des Wortes weggeworfen. Unglaublich wichtig nun die Reaktionen im Nachgang. Ob schon direkt im Stadion, oder in vielen kurzen und langen Statements im Anschluss, bekamen der oder die Verantwortlichen der Tat mitgeteilt, dass sie mit dieser Aktion komplett isoliert dastehen.

Die Begegnung zwischen Rot-Weiss Essen und Preußen Münster liegt also nun auf dem Tisch der Sportgerichtsbarkeit. Ich habe keine Ahnung, wie genau ein solches Verfahren abläuft und was man dort zur eigenen Verteidigung vorbringen darf. Spekuliert wird ja so ziemlich jede Option. Was wir jedoch aktuell tunlichst vermeiden sollten ist, direkt wieder in eine Opferrolle zu verfallen, a`la „Der Verband will uns eh nur schaden“. Klar, der Verband hätte monetär ziemlich viel davon, wenn RWE auch weiterhin unter seiner Fittiche verbleibt. Aber doch nicht so. Ne ne, der Urknall kam von unser Seite. Wenn auch nicht von einem von uns! Zu meinem eigenen Seelenheil gehe ich also von einer 0:2-Wertung gegen uns aus. Wir hätten ja auch so noch das Spiel verlieren können, das darf man nicht vergessen. Alles wartet nun auf ein Exempel, welches es zu statuieren gilt, von daher ist das wohl der einzig gangbare Weg. Einem Wiederholungsspiel würden die Preußen ja kaum zustimmen, befürchte ich. Wenn man als betroffener Verein diese Option überhaupt in Frage gestellt bekommt. Ergo: Die Tabellensituation wird sich wieder enger gestalten, als es das auch vorher schon der Fall war. Klammheimlich können nun stabile Fortunen als Gewinner einer aktuell bescheidenen Gemengelage hinausgehen, ohne das auf diese Art wohl kaum gewollt zu haben.

Vor dem Knall war es ein atmosphärisch dichtes Spiel. Auf dem Rasen und auf den Rängen. Wobei man vielleicht im Jahre 2022 auch einfach mal festhalten muss, dass die gelegentlichen homophoben Gesänge von beiden (!!) Seiten auch einfach nur komplett daneben sind! Man kann sich auch anders verbal seine Abneigung mitteilen, die Palette der sprachlichen Optionen dafür ist schon ausreichend groß genug. Es wird also nun seine Zeit dauern, bis die Hafenstraße wieder in ruhigere Gewässer einlaufen kann.

Die oft geteilte Befürchtung, dass die Mannschaft nun einen Knacks bekommen hat, und Entscheidungsträger oder Sponsoren unseren Verein verlassen könnten, das sehe ich so nicht. Ich wäre als Mannschaft aber zurecht stinksauer und hätte erstmal den Papp auf, irgendetwas mit Fans zu machen. Und doch gilt nach wie vor: „Wir für Euch und Ihr für uns“. Diese Mannschaft ist einfach zu gut und zu professionell, will den Aufstieg. Nicht für den Werfer, definitiv nicht. Aber allein schon für die sportliche Vita. Der Samstag in einer Turnhalle wird es zeigen. 

Der 115. Geburtstag. Von Melanie Melches.

Du mein RWE!

Alles Gute zu Deinem 115. Geburtstag, Du mein RWE! Du, noch immer die größte, längste und intensivste Liebe meines Lebens.

Du machst es mir immer noch nicht oft leicht, Dich weiter und auch immer wieder so bedingungslos zu lieben. Nein, ganz gewiss nicht. Aber auch das, nein, gerade das macht Dich doch so einzigartig für mich.

Eine Leidenschaft, die gelegentlich Leiden schafft.

Dennoch: Auf ganz viele weitere, gemeinsame und ab sofort auch richtig schöne, Jahre.

Deine Melanie.

Willi Lippens.

Willi Lippens. Eigentlich könnte dieses Kapitel nun beendet sein, denn Willi Lippens ist Entertainer in eigener Sache und somit trifft Inhalt Überschrift. Aber Willi Lippens gebührt einfach ein eigenes Kapitel, auch wenn seine Vita jedem Rot-Weiss Fan mit in die Wiege gelegt wurde und immer noch wird. Sechsundsiebzig  Jahre alt wird Willi Lippens  heute am 10. November 2021 und strahlt noch immer dieses spitzbübische aus, was ihn neben seinen fußballerischen Qualitäten auch menschlich so wertvoll macht.  Es ist nun schon ziemlich lange her, aber mir immer noch gut in Erinnerung: Die Fußballplaudertasche und Fließbandtastaturbetreiber Ben Redelings holte Willi Lippens am 16. Oktober 2008 im Riff Bochum auf die Bühne. Ein Scudetto Abend war angesagt. Nun ist ja Ben Redelings von Haus aus nicht auf den Mund gefallen, irgendwie muss man ja auch sein Dasein als VfL Bochum Fan kompensieren. Als aber Willi Lippens sich auf die Bühne begab und das Mikrofon zu packen bekam, da war es um und Zuhörer geschehen und konnte sich der gute Ben entspannt zurücklehnen…

Aus: 111Gründe, Rot-Weiss Essen zu lieben

….Willi Lippens plauderte aus seiner aktiven Fußballzeit, so dass es eine wahre Wonne war. Natürlich inklusive der allseits bekannten Anekdoten. Garniert mit vielen, vielen kleinen Geschichten am Rande. Untermalt mit viel Gestik, so dass es ihn kaum auf seinem Hocker hielt und das Auditorium nicht wirklich auf den Sitzen. Immer den Schalk im Nacken und ein Blitzen in den Augen. Hier erzählte einer von sich, der sein Leben als Fußballer mit Witz und gutem Verhandlungsgeschick erfolgreich gemeistert hat. Das war Entertainment vom Feinsten. Das Buch von Dietmar Schott signierte mir Willi Lippens natürlich auch noch mit einer persönlichen Note und der nötigen Zeit. Spätestens nach diesem Abend stellte sich Willi Lippens auf eine Stufe mit Helmut Rahn, geht es um den persönlichen Lieblingsspieler aller Zeiten. Und irgendwie lief man sich in den Folgejahren immer mal wieder über den Weg. Also er mir, denn da er mich nicht kennt, konnte es umgekehrt ja nicht der Fall sein. Und immer waren es Schlüsselerlebnisse auch für den Verein: Insolvenz und Richtfest Stadion Essen zum Beispiel. Einmal, es war gegen Preußen Münster, hat es sogar mal zu einem Foto gereicht. Willi Lippens hat mich so höflich gefragt, da konnte ich nicht nein sagen. Vielleicht war es aber auch andersherum.

Unter dem Strich sagt es aber aus, dass Willi Lippens sich im und um das Stadion Essen ohne einen Hauch von Starallüren bewegt. Er ist einfach immer mittendrin im Geschehen, frei von eigener Entourage. Und auch das nach ihm benannte Maskottchen hat keinen bleibenden Schaden hinterlassen. Sicher mag auch ihm ein wenig das Herz geblutet haben, als die letzten Mauern der Haupttribüne fielen, war diese ja bekanntermaßen einige Zeit sein zuhause. Man munkelte ja sogar, dass er es war, der von Georg Melches in flagranti da oben erwischt wurde. Sein erstes Zuhause und Geburtsort war allerdings das zu Kleve gehörende Städtchen Hau. Direkt an der niederländischen Grenze gelegen. Eine Konstellation wie hier in Nordhorn auch. Der kleine Grenzverkehr in Friedenszeiten brachte viele Paare und Beziehungen zusammen. So war auch Wilhelm Lippens Niederländer. Obwohl diesseits der Grenze lebend und ein eigenes Geschäft betreibend, hegte der Vater von Willi Lippens berechtigten Groll gegen die Deutschen, da er sich während des Krieges Repressalien durch dieses unmenschliche Regime ausgesetzt sah. Ein Groll, der erhebliche Auswirkungen auf die Länderspielkarriere von Willi Lippens haben sollte. Das DFB Angebot wirkte auf Wilhelm Lippens wie ein rotes Tuch, und er drohte seinem Sohn, nicht mehr nach Hause kommen zu dürfen, sollte er mit dem Adler auf der Brust auflaufen. Der Anruf des KNVB kam da schon eher gelegen.

Und so sollte Willi Lippens ein Länderspiel für die Elftaal bestreiten. Das es nur bei einem Spiel im Jahre 1971 für diesen so begnadeten Spieler bleiben sollte, hatte leider auch wieder mit der Geschichte zu tun. Hatte sich das Grenzgeschehen wieder schnell normalisiert, hielten viele Niederländer mit ihrem Hass auf alles Deutsche weiter nicht hinter dem Berg. So auch die Kollegen aus der Nationalmannschaft. Für sie war Willi Lippens der Deutsche. Und damit nicht gewollt. Es muss den jungen Willi Lippens als Mensch und ehrgeizigen Sportler innerlich zerrissen haben: Für die einen durfte er nicht, und die anderen wollten ihn nicht. Bevor er aber dieses für ihn so traurige Kapitel erleben musste, drehen wir das Rad wieder zurück in das Jahr 1965. Das Jahr, in welchem dieser wundervolle Verein aus der wundervollen Großstadt, die Rede ist von Rot-Weiss Essen, ihn unter Vertrag nahm. Der Bauer aus Kleve an der Hafenstraße.

Elf Jahre nun dauerte seine erste Zeit bei RWE. Elf Jahr Dribblings, Sprüche und sicher auch schlechte Spiele. Elf Jahre aber vor allem auch Tore und knallharte Vertragsverhandlungen. Denn ein Schelm er auch war, aber die Monatsabrechnung hatte zu stimmen. Auch hier bekamen wir an jenem Abend im Riff Bochum einige Einblicke in sein Verhandlungsgeschick. Da wurde man allein vom Zuhören manches Mal Rot im Gesicht. Willi Lippens sollte jedem Haus- oder Autokäufer zur Seite stehen. Einen Manager hatte er nicht nötig. Außerdem, so sparsam wie er war: Der kostet ja auch nur Geld. Geld also definitiv auch ein Antrieb. Und vielleicht auch der Grund seiner Kündigung, die Willi Lippens am 28.März 1976 erreichte. Nichts genaues weiß man nicht: Der Verein sprach von überzogenen Forderungen und Willi Lippens selbst von wenigen Mitspielern, die ihn nicht mehr in der Mannschaft sehen wollten. Die Westkurve weinte und auch der Spieler selbst hatte mehr als nur eine Träne im Rot-Weissen Knopfloch. Wenigstens aber blieb er noch zwei weitere Jahre dem Ruhrgebiet erhalten und unterschrieb bei Borussia Dortmund.

Dann allerdings lockte der schnöde Mammon und die recht frische Operettenliga in den Vereinigten Staaten. Das Jahr 1979 verbrachte Willi Lippens zeitweise in Dallas bei den dortigen Tornados. Ich bekomme seine Erzählungen im Zuge dieser Verhandlungen nicht mehr geordnet, aber ich weiss noch, dass wir da die meisten Lachtränen vergossen haben. Jedenfalls trägt er nicht die Schuld daran, dass dieses Franchise im Jahre 1981 aufgelöst wurde. Gruselige Sitten für hiesige Fußballfans. Da lohnte sich nicht einmal der Kauf von Fanartikel. Das Jahr 1979 verbrachte Willi Lippens ab Ende Oktober aber auch noch bei einem ganz anderen Verein und man mag es erahnen: Geld war dann doch nicht alles, und Willi Lippens plagte das Heimweh. Ein Gefühl, welches ihn noch sympathischer macht. Geld ist immer nur eine Währung. Heimat dagegen ist von unschätzbarem Wert. Es ging zurück an die Hafenstraße, zurück zu seiner Herzensangelegenheit Rot-Weiss Essen. Sportlich konnten leider weder Willi Lippens noch der RWE wieder an alte Glanzzeiten anknüpfen. Der Spieler merkte den Verschleiß und im Verein machte die Führungsetage mal wieder Scheiß.

Es war also der 17. Mai 1981, als die Kultfigur Willi Ente Lippens das allerletzte Mal an der Hafenstraße die Fußballschuhe schnürte. Nur knapp fünftausend Fans wohnten diesem 4:0 gegen Alemannia Aachen bei. Das war es dann. In der Folgezeit gab es noch Engagements bei Vereinen in unteren Ligen; die Monate in Oberhausen übergehen wir hier einfach dezent und landen wie weiland Marty McFly im Jahre 1998. Unserem Verein ging es mal wieder wie üblich schlecht. Der Abstieg in die Amateuroberliga Nordrhein drohte, als sich die Vereinsoberen an Willi Lippens erinnerten und ihn kurzerhand und unentgeltlich als Trainer installierten. Willi Lippens wollte dem Verein etwas zurückgeben und hatte dafür sechs Spiele Zeit. Aber es langte nicht mehr, der Abstieg konnte nicht verhindert werden und somit war auch der Trainer Willi Lippens schnell wieder Geschichte. Und doch konnten weder Verein noch Willi Lippens bis zum heutigen Tag voneinander lassen, zu groß die emotionale Bindung. Und so kommt es, das er auch heute noch regelmäßig an die Hafenstraße pilgert, oder in seinem Restaurant bei günstigem Wind lauscht, ob er einen Torjubel inklusive „Adiole“ hören kann. Willi Lippens, wir Danken Sie für so viel.

„Mit Kummer kann man alleine fertig werden, aber um sich aus vollem Herzen freuen zu können, muss man die Freude teilen.“ (Mark Twain)

Hand aufs Herz: Wer hatte im Stadion oder an den heimischen Empfangsgeräten nicht auch in den letzten zehn- bis fünfzehn Minuten das mulmige Gefühl, dass unser RWE noch RWE-Dinge machen könnte, wie er sie in vergangenen Jahren immer wieder mal gemacht hat? Unser kleinen Schar auf der immer heimischer werdenden Gottschalk-Tribünen-Hälfte ging es jedenfalls so. Schließlich konnten wir von dort aus sehr genau beobachten, wie die Spieler der Alemannia in dieser Phase durchaus auch gefährlich vor unser Tor kamen und der Gegentreffer nur durch gemeinsame Anstrengung und eine gehörige Portion Glück verhindert werden konnte. Da rutschte uns desöfteren das Herz ganz gewaltig in die Hose.

Wir hätten uns die Nerven aber eigentlich auch sparen können:  Schließlich sind wir aktuell nicht mehr das Rot-Weiss Essen der späten und zu unseren Ungunsten entscheidenden Gegentore, sondern wir haben eine Mannschaft, die bis zum Abpfiff ihrerseits niemals aufsteckt und ohne Unterlass versucht, auf das gegnerische Tor zu gehen. Spielanteile mit dem eher ungeliebten „hintenherum“ inklusive. Sogenannte „Mentalitätsmonster“ also für unsere Farben auf dem Rasen unterwegs. Wer nun der Mannschaft immer noch fehlende Emotionalität oder gar mangelnden Zusammenhalt bescheinigt, der wurde spätestens in der fünften Minute der Nachspielzeit eines besseren belehrt: In dem Moment, als Grillmeister Felix mit seinem Tor die Herzen der Alemannia Spieler brach (Herzenbruch, daher also..), eskalierte das vorher beschaulich ruhige Stadion komplett. Die meisten vor Freude, die Gästeanhänger eher weniger deswegen. 

Dieser Schrei aus tausenden Kehlen, die heranstürmenden Mitspieler von draußen, ein Simon Engelmann, der es zunächst vor der Westtribüne herausbrüllte, bevor er auf den Haufen der Kollegen hüpfte. Ein Trainer, der irgendjemand in den Arm nehmen wollte, aber keinen fand, da alle so schnell unterwegs waren. Und dann ganz besonders Oguzhan Kefkir, der auf Krücken irgendwie hinterher gehumpelt kam. Oder später, als Daniel Heber, auch auf Krücken, im Kreise seiner Mannschaft vor der West stand und gefeiert wurde. Und dann war da noch das wohl schönste Sportfoto der letzten Jahre (von Marcel Rotzoll für jawattdenn) geschossen: Ein glücklicher Felix Herzenbruch sitzt auf dem Zaun, strahlt über alle Backen, ein frisch gezapftes Stauder in der Hand. Mit der allerletzten Spielaktion hat es die Mannschaft geschafft, die logischerweise (wir sind in Essen) drohende Unruhe im Umfeld abzuwenden und weiter alleiniger Tabellenführer dieser so spannenden Liga zu bleiben. Ich glaube, in unserer Mannschaft stecken mehr Emotionen, als wir von außen erkennen können. 

Was mich aktuell aber noch mehr umtreibt ist die Frage, warum wir von außen nicht mehr die positiven Emotionen in das Spiel bringen, um unserer Mannschaft durchgehend zu helfen. Je länger wir Tabellenführer sind, und je mehr Zuschauer wieder zugelassen sind, umso leiser und kritischer werden wir gefühlt. Exemplarisch dafür die erste Spielhälfte des vergangenen Samstag im Spiel gegen Alemannia Aachen. Unermüdlich wurde zwar im kleineren Kreis auf der Westtribüne durchgesungen, nur wurde es kaum noch von den anderen Tribünen aufgenommen. Ich könnte verstehen, wenn man dort irgendwann mal sagt: „Keinen Bock mehr“. Spätestens die Pfiffe zur Halbzeit haben mich dann richtig geärgert. Natürlich haben wir um das Gegentor gebettelt, so wie wir es immer regelmäßig tun. Aber wir lagen nicht zurück, haben den Gegner weitestgehend dominiert und eine Halbzeit war noch zu spielen: Da sind Pfiffe für mich keine Option. Sind wir bei „We only sing when we`re winning“ angekommen, oder nimmt uns aktuell die tabellarische Spannung die Leichtigkeit des Seins auf den Tribünen, um auch unseren Teil zu versuchen beizutragen? 

Und ganz schlimm wird es dann, wenn unsere eigenen Spieler dem Hörensagen nach auch noch persönlich beleidigt werden. Von einer ganz kleinen Minderheit glücklicherweise nur, aber mal ganz ehrlich: Unsere eigenen Spieler? Geht’s noch? Eine Eintrittskarte beinhaltet leider nicht automatisch die Drei Punkte für ein Halleluja oder eine spielerische Gala auf dem Spielfeld. Und natürlich verpflichtet sie uns auch nicht dazu, neunzig Minuten lang anzufeuern. Aber sie berechtigt keinesfalls dazu, ausfällig gegenüber unseren Spielern zu werden, die gerade von Spiel zu Spiel versuchen, unser aller Traum in die Tat umzusetzen. Da braucht es Unterstützung, anstatt jeden Fehler im Spiel anschließend bis auf das Kleinste zu sezieren. Außerdem habe ich noch keinen Sportler gesehen, der bei einem Gegentor glücklich ausschaut. Da sieht jeder unglücklich aus.

Wir sind nicht nur Tabellenführer unserer Liga, sondern aktuell die wohl reifste Frucht im Fußball, was einen Aufstieg angeht! Und so sollten wir das Stadion doch mit der breiten (Fan-) Brust eines Spitzenreiters betreten und unseren Teil während des Spiels dazu beitragen, dass es auch so bleibt. Erfolgreicher Fußball bedeutet doch nicht, dass wir nur noch singen, wenn die Mannschaft liefert. Wir können ja auch mal wieder in Vorleistung gehen und den Trend stoppen, dass wir uns gerade Richtung englische Fußballkultur bewegen. Aber nicht der Kultur von gestern, für die wir gefeiert und gefürchtet wurden. Zudem hat unsere Mannschaft gerade echt die Kacke am dampfen, was das Verletzungspech angeht. Da sollte es doch umso mehr Zuspruch geben für all die Spieler, die jetzt auflaufen, um Rot-Weiss Essen weiter auf Meisterkurs zu halten. In den Vorjahren hätte ich auf jeden Fall mehr Sorgen, dass das klappt, als in der aktuellen. Und überhaupt: In der 3.Liga versuchen namenhafte Vereine aktuell diese am Ende der Saison nach oben oder unten zu verlassen, nur um in der kommenden Saison nicht gegen uns antreten zu müssen. 

Ich weiß, dass sich vielleicht nun manch einer, manch eine auf den Schlips getreten fühlen dürfte, wenn er oder sie diesen Text liest, da Spiel für Spiel lautstark dabei. Das ist natürlich nicht mein Ansinnen. Aber ich suche einfach eine Antwort auf die für mich unverständliche Frage, warum wir Tabellenführer sind, und auf den Rängen tragen wir dem aktuell daheim kaum Rechnung. Ist das noch die Pandemie, deren Schatten weiterhin die Leichtigkeit verdunkelt, und die wir erst gemeinsam aus dem Weg räumen müssen? Oder ist es die Angst, am Ende doch wieder zu scheitern? Auch das ist möglich, eine Saison ist lang und alles kann passieren. Aber wir sollten gerade doch als Fans im Hier und Jetzt leben. Und vor allem Tante Lotte mal so richtig die Ohren klingeln lassen.

Was Hafenstraße wirklich kann und drauf hat, das haben wir dann ja in den schon erwähnten letzten Minuten und danach gesehen. Das war Rot-Weiss Essen vereint in Ekstase und Leidenschaft auf und neben dem Feld, da konnten wir auf einmal alle singen und klatschen. Das sind Momente, aus denen Aufsteiger gemacht werden! 

Ein ganz herrlicher Moment aktuell immer nach einem Spiel, wenn das Stadion verlassen wird und schon aus der Ferne die Töne eines Dudelsacks zu hören sind. Und wenn der Dudelsackpfeifer unter anderem auch noch den „Steiger“ vor der wunderbaren Kulisse der „kleinen Gruga“ zum Besten gibt, dann spürt man immer noch die Magie rund um unseren RWE. Holen wir sie auch wieder in das Stadion. Dies wird unsere Saison. Aber zusammen!

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