"Roadmovie Zürcher Südkurve"….der Text
Es wäre schlicht gelogen zu behaupten, den Urlaubsort nicht automatisch auf ein Fußballspiel hin zu „überprüfen“. Für den Zeitraum des Aufenthaltes natürlich. Zürich bot da gleich zwei Möglichkeiten, ein Spiel der höchsten Schweizer Liga zu besuchen. Die Grashoppers gegen Lausanne Sports, oder den FC Zürich gegen den Aufsteiger Servette Genf. Der FCZ und seine weit über die Grenzen hinaus bekannte Zürcher Südkurve bekam den Zuschlag. Zudem ist auch der zur EM 2008 komplett umgebaute Letzigrund das traditionelle Heimstadion des Stadtclubs, während GC sich seit Abriss des eigenen Hardturm nur als Gast wähnt. Und bei einem Verein, dem der Ruf des Arbeiterclubs vorauseilt, bin ich sicher auch besser aufgehoben.
Urban geblieben, also das Umfeld rund um das Stadion. Es ist nicht so, das bei einem Besuch von 9200 Zuschauern die öffentlichen Verkehrsmittel zum Bersten gefüllt sind. Aber das Viertel vor dem Bereich der Südkurve füllte sich stetig. Vor vielen Kneipen, Bratwurst- oder sonstigen Ständen versammelten sich die aktiven Fans. Hafenstrassen- Ambiente machte sich breit. Die Identifikation mit dem FCZ drückt sich auch optisch aus, denn so ziemlich jeder Fan trägt die Farben des Vereines. Entweder die ansehnliche offizielle „Streetwear“ Produktpalette, oder die der eigenen Gruppe. Der Schick der Sonnenbrillen und die Leichtigkeit der Seidenschals zeugen zudem eher von der Nähe zu Italien als zur Kutte. Wobei auch ein niederländischer Einschlag zu inhalieren war. Das ziemlich offen und fast an jeder Ecke. Keine Spur jedoch von aggressiver Stimmung. Polizei oder private Sicherheitsdienste waren kaum zu sehen oder hielten sich bewusst zurück. Und Genf ist nicht Basel.
Im Stadion selbst herrscht optimale Sicht, trotz Tartanbahn. Sanft steigen die Ränge nach oben hin an, edel in den Materialien und Optik der Gesamteindruck, ohne zu mondän zu wirken. Fußball passt so gerade noch hinein, dafür sorgt auch das Wohnquartier drumherum. In etwa zu einem Drittel war der Letzigrund zu Spielbeginn gefüllt, was den Blick oft auf leere Blöcke schweifen lässt, steht man selbst in der gefüllten Heimkurve. Der Bochum- Effekt sozusagen. Um das Spielfeld herum verrichteten handverlesene 12 Pressefotografen ihren Job, auch sonst war der Innenraum im Vergleich zur Bundesliga leer. Sepp Blatter war dankenswerterweise auch nicht da. Angenehm auch das Prozedere vor Spielbeginn, eigentlich kaum vorhanden. Die Fans können sich einsingen und zu Spielbeginn gibt es reichlich Fahnen zu sehen. Aus Genf sind geschätzte 300 Fans vor Ort, kaum zu hören aber ständig in Bewegung.
Über das Spielgeschehen der ersten Halbzeit mache ich von meinem Recht, zu Schweigen Gebrauch! Auf einer eigenen Skala zwischen Champions League im TV und NRW Liga live im Stadion würde ich gefühlt bei Regionalliga stehenbleiben. Die Saison ist aber auch in der Schweiz noch sehr jung, da verzeiht man noch einiges. Die zweite Halbzeit bot dann wesentlich mehr: Fünf Tore, zwei für den FCZ und derer drei für Servette sorgten für den 2:3 Endstand. Einhergehend mit einer spielerischen Steigerung um einige Ligen auf besagter Skala. Übrigens: Die melodischen Gesänge waren leiser als erwartet, aber dafür durchgängig. Zu keinem Zeitpunkt war es komplett ruhig im Stadion. Abseits der Stimmungsblöcke wurde aber so gut wie nie unterstützend eingegriffen. Dafür nach Schlußpfiff bisweilen kräftig gebuht. Es ist also auch hier wie fast überall: Diejenigen, die anfeuern sehen wenigstens den Einsatz und applaudieren dafür. Aber diejenigen, die 90 Minuten schweigen, werden erst nach Spielschluß laut: Gegen die eigene Mannschaft. Fußball als Sinnbild für schwarz/weiß Denken!
Am kommenden Mittwoch spielt „Dä Stadtclub vo Züri“ übrigens in der Qualifikation zur Championsleague bei Standard Lüttich. Mit der Leistung von Samstag wird dort kaum zu bestehen sein. Ich drücke aber der mitfiebernden Verwandtschaft feste die Daumen. Daumen hoch auch bei den Preisen. Die sind nämlich so! Aber die Preisgestaltung der Liga liegt sicher auch dem grundsätzlich hohem Preisgefüge in der Schweiz zugrunde. Nach Spielschluß entlässt der Letzigrund die Besucher durch seine Bauweise recht schnell wieder auf die Straße und auch die öffentlichen Verkehrsmittel stehen schon parat. Ein schöner Abend, verbunden mit der Erkenntnis, das ein neues Stadion auf jeden Fall viele Vorteile bietet, vor allem wenn die Planer es schaffen, einiges an Erinnerungen mit hinüber zu nehmen.
„Standart Lüttich“. Aaah, Uwe, kannst Du meine Schmerzen fühlen? Beim Rückspiel am kommenden Donnerstag in Zürich bin ich übrigens dabei, von daher kommt mir Dein Text als Vorbereitungs-Lektüre gerade recht. Danke.
Du sollst nicht länger leiden Jens, der Fehler ist behoben. Danke für den Hinweis auf den Tipfehler. Viel Spaß vor Ort in Zürich….